BGer 1B_283/2017 |
BGer 1B_283/2017 vom 25.08.2017 |
1B_283/2017
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Urteil vom 25. August 2017 |
I. öffentlich-rechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Merkli, Präsident,
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Bundesrichter Chaix, Kneubühler,
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Gerichtsschreiberin Pedretti.
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Verfahrensbeteiligte |
A.________,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt,
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Binningerstrasse 21, Postfach 1348, 4001 Basel.
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Gegenstand
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Strafverfahren; Entsiegelung,
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Beschwerde gegen die Verfügung vom 7. Juni 2017 des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht.
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Sachverhalt: |
A. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt führt gegen A.________ eine Strafuntersuchung wegen Erschleichung von falschen Beurkundungen. Ihm wird vorgeworfen, als Inhaber der B.________ AG mehrere Aktiengesellschaften, darunter die C.________ SA, schwindelhaft gegründet zu haben, indem das Liberierungskapital kurz nach erfolgter Gründung der Gesellschaften wieder an die B.________ AG zurückgeflossen und die Aktienmäntel anschliessend verkauft worden seien. Anlässlich der gestützt auf den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl vom 20. März 2017 durchgeführten Hausdurchsuchung in den Lokalitäten der B.________ AG wurden diverse Gegenstände und Aufzeichnungen sichergestellt. A.________ verlangte umgehend deren Siegelung, nachdem er das Verzeichnis der beschlagnahmten Gegenstände unterzeichnet hatte. Das von der Staatsanwaltschaft am 24. März 2017 gestellte Entsiegelungsgesuch hiess das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Basel-Stadt mit Verfügung vom 7. Juni 2017 gut, nachdem es A.________ unter anderem die Einsicht in die Verfahrensakten bewilligt hatte. Es ordnete die Freigabe an die Staatsanwaltschaft des Kartons mit den Firmenordnern, dem Blatt "Durchgangskonto X.________" und dem USB-Stick (Positionen A1-A12) an.
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B. Dagegen gelangt A.________ mit als Beschwerde bezeichneter Eingabe vom 6. Juli 2017 an das Bundesgericht und beantragt neben der Aufhebung der Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts im Wesentlichen, die beschlagnahmten Akten seien ihm zurückzugeben und die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, das Strafverfahren einzustellen. Eventualiter sei ihm nach erfolgter Akteneinsicht das Recht einzuräumen, seine Beschwerde zu ergänzen.
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Die Staatsanwaltschaft beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten. Das Zwangsmassnahmengericht verzichtet auf eine Stellungnahme. Der Beschwerdeführer hält in der Replik an seinen Anträgen fest.
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Erwägungen: |
1. |
1.1. Angefochten ist ein Entsiegelungsentscheid eines kantonalen Zwangsmassnahmengerichts; dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen offen (Art. 78 Abs. 1 und Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BGG; Urteil 1B_304/2015 vom 21. März 2016 E. 1.1). Sie ist jedoch nur im Rahmen des Streitgegenstands zulässig. Dieser wird durch den Gegenstand des angefochtenen Entscheids und durch die Parteibegehren bestimmt (BGE 133 II 181 E. 3.3 S. 189) und beschränkt sich vorliegend auf das strittige Entsiegelungsverfahren. Auf ausserhalb des Streitgegenstands liegende Anträge, Rügen und weitere Ausführungen des Beschwerdeführers kann von vornherein nicht eingetreten werden. Dies trifft auf weite Teile der grundsätzlich nur schwer verständlichen und weitschweifigen Eingabe zu. Am Streitgegenstand vorbei zielen namentlich die Anträge, das Strafverfahren sei einzustellen, dem Beschwerdeführer sei im Hauptverfahren vor dem Appellationsgericht uneingeschränkte Akteneinsicht zu gewähren, für die edierten Akten sei ein Beschlagnahmebefehl zu erlassen, die bei Drittpersonen beschlagnahmten Dokumente seien zu versiegeln und die Staatsanwaltschaft sei in den Ausstand zu versetzen. Aus dem nämlichen Grund nicht einzutreten ist auf die Beschwerde ferner, soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die Staatsanwaltschaft habe es unterlassen, ein Verfahrensprotokoll zu erstellen, das die Ordnungsmässigkeit des Beweiserhebungsverfahrens belege, die durchgeführte Hausdurchsuchung sei unzulässig und unverhältnismässig gewesen, er werde im Vergleich zur Staatsanwaltschaft ungleich behandelt und diese zeige nicht auf, welche Dokumente verfahrensrelevant seien bzw. trenne solche Unterlagen nicht von denjenigen, die zurückzugeben seien. Ohne Beachtung bleiben muss sodann das in der Replik, und damit ohnehin verspätet (Art. 42 Abs. 2 BGG) vorgebrachte, neue Begehren (Art. 99 Abs. 2 BGG), wonach die betroffenen Gesellschaften in das Verfahren miteinzubeziehen seien.
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1.2. Der angefochtene Entsiegelungsentscheid schliesst das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht ab; es handelt sich um einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG. Gegen einen solchen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder - was hier ausser Betracht fällt - die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Nach konstanter Rechtsprechung hat der Beschwerdeführer dabei im Einzelnen darzulegen, inwiefern ein nicht wieder gutzumachender Nachteil drohen könnte, andernfalls auf die Beschwerde mangels hinreichender Begründung nicht einzutreten ist (BGE 141 IV 289 E. 1.3 S. 292 mit Hinweisen).
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1.3. Wird im Entsiegelungsverfahren ausreichend substanziiert geltend gemacht, dass einer Entsiegelung geschützte Geheimhaltungsrechte entgegenstehen, droht nach der Praxis des Bundesgerichts ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, weil die Offenbarung eines Geheimnisses nicht rückgängig gemacht werden kann. Beruft sich der Betroffene dagegen auf andere Gründe, aus denen die Entsiegelung unzulässig sein soll, wie etwa Beschlagnahmehindernisse oder Nichtverwertbarkeitsgründe, droht ihm in der Regel kein nicht wiedergutzumachender Nachteil, weil er die Unverwertbarkeit dieser Beweismittel vor dem Sachrichter geltend machen kann (zum Ganzen: Urteil 1B_14/2017 vom 10. März 2017 E. 1.2 mit Hinweisen).
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1.4. Der Beschwerdeführer äussert sich in seiner Rechtsschrift mit keinem Wort zu den Beschwerdevoraussetzungen gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG und legt nicht dar, inwiefern ihm ein nicht wieder gutzumachender Nachteil drohen könnte. Dies ist auch nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer bestreitet im Wesentlichen den hinreichenden Tatverdacht der Erschleichung von falschen Beurkundungen und macht geltend, die Durchsuchung aller anlässlich der Hausdurchsuchung sichergestellten Gegenstände und Aufzeichnungen sei unverhältnismässig. Er bringt indessen nicht vor, der Entsiegelung stünden schützenswerte Geheimhaltungsinteressen entgegen, wie sie sich etwa aus den Beschlagnahmeverboten gemäss Art. 264 Abs. 1 StPO ergeben können. Soweit er in der Beschwerde pauschal geltend macht, bei einer Durchsuchung würden schutzwürdige Interessen Dritter tangiert, vermag er seiner Substanziierungspflicht nicht nachzukommen. Nicht in Betracht fällt ausserdem das von ihm angerufene Bankgeheimnis, sieht er dieses doch lediglich durch die Editionsverfügungen der Staatsanwaltschaft verletzt. Dem Beschwerdeführer geht es mithin nicht um den Schutz von Geheimhaltungsinteressen, sondern darum, zu verhindern, dass allfällige Funde strafprozessual verwertet werden könnten. Ihm droht insoweit kein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG. Die Frage der Verwertbarkeit von Beweismitteln wird er auch noch dem Sachrichter unterbreiten können. Er bringt jedenfalls nicht in rechtsgenüglicher Weise vor, dass hier die Umstände des Einzelfalls ohne Weiteres auf die Rechtswidrigkeit der Beweismittel schliessen liessen bzw. eine gesetzliche Ausnahme bestünde, nach der eine allfällige offensichtliche Unverwertbarkeit zu prüfen und eine Aktenentfernung anzuordnen wäre (vgl. BGE 141 IV 289 E. 1 S. 291 f.).
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1.5. Einzutreten ist auf die Beschwerde nur insoweit, als darin im Rahmen des Streitgegenstands eine Verletzung von dem Beschwerdeführer zustehenden Verfahrensrechten geltend gemacht wird, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt (vgl. BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 4 f.).
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2. |
2.1. Der Beschwerdeführer bemängelt zunächst, ihm sei keine vollständige Akteneinsicht gewährt worden, denn es befinde sich nur ein kleiner Bruchteil der relevanten Unterlagen in den Verfahrensakten. Er erblickt darin insbesondere eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Anspruchs auf ein faires Verfahren.
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Aus dem in Art. 29 Abs. 2 BV bzw. Art. 6 Ziff. 3 EMRK verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör, welcher einen wichtigen und deshalb eigens aufgeführten Teilaspekt des allgemeineren Grundsatzes des fairen Verfahrens von Art. 29 Abs. 1 BV bzw. Art. 6 Ziff. 1 EMRK darstellt, ergibt sich für die beschuldigte Person das grundsätzlich uneingeschränkte Recht, in alle für das Verfahren wesentlichen Akten Einsicht zu nehmen (vgl. zudem Art. 3 Abs. 2 lit. c und Art. 107 Abs. 1 lit. a StPO; Urteil 6B_614/2016 vom 23. März 2017 E. 1.1). Das Entsiegelungsverfahren bildet ein Teilverfahren innerhalb des Strafverfahrens, weshalb der Beschwerdeführer grundsätzlich auch ein Recht darauf hat, die Akten dieses Zwangsmassnahmenverfahrens einzusehen. Seinem Anliegen wurde denn auch entsprochen, indem das Zwangsmassnahmengericht die von ihm beantragte Akteneinsicht am 19. April 2017 bewilligte. Ihm wurde eine "Akten-CD" zugestellt und zusätzlich die Möglichkeit geboten, die vollständigen Verfahrensakten beim Zwangsmassnahmengericht einzusehen. Diese weisen entgegen seiner Auffassung eine Nummerierung auf und die Editionsverfügungen, welche die Staatsanwaltschaft gegenüber verschiedenen Finanzintermediären erlassen hat, wurden ihm nach deren Einholung noch im vorinstanzlichen Verfahren nachträglich zugestellt.
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Soweit der Beschwerdeführer den Umfang der Aktensichtung kritisiert und geltend zu machen scheint, ihm sei auch Einsicht in die weiteren verfahrensrelevanten Strafakten und in die versiegelten Dokumente zu gewähren, verkennt er die Tragweite des vorerwähnten Akteneinsichtsrechts im Zwangsmassnahmenverfahren. Dieses beschränkt sich auf die Entsiegelungsakten, die von der Staatsanwaltschaft zur Begründung ihres Gesuchs, in welchem sie aufzuzeigen hat, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchsuchung erfüllt sind, beigebracht werden (vgl. Urteil 1B_213/2016 vom 7. September 2016 E. 3.1.1 mit Hinweisen). Das Zwangsmassnahmengericht hat im vorliegenden Fall gestützt darauf den hinreichenden Tatverdacht, das Fehlen von Geheimnisschutzgründen, die grundsätzliche Untersuchungsrelevanz der zu entsiegelnden Objekte sowie die Verhältnismässigkeit der Zwangsmassnahme bejaht und dem Entsiegelungsbegehren stattgegeben. Inwiefern es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sein soll, Entsiegelungshindernisse geltend zu machen und zum dringenden Tatverdacht sachgerecht Stellung zu nehmen, leuchtet angesichts der ins Recht gelegten Verfahrensakten nicht ein. Eine Verletzung von Bundesrecht ist nicht zu erkennen. Da ausserdem weder rechtsgenüglich dargelegt wird noch ersichtlich ist, inwiefern die dem Zwangsmassnahmengericht vorgelegenen Akten von denjenigen abweichen sollen, die dem Bundesgericht von diesem zugeschickt worden sind, kann darauf verzichtet werden, dem Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren eigens eine Frist zur Einsicht in die Entsiegelungsakten zu gewähren; diese standen ihm bis zum Urteil ohnehin zur Einsicht offen.
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2.2. Der Beschwerdeführer beanstandet sodann, der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl sei ungenügend begründet; insbesondere fehlten die Gründe für die Zwangsmassnahme.
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Gemäss Art. 241 StPO werden Durchsuchungen und Untersuchungen in einem schriftlichen Befehl angeordnet (Abs. 1). Dieser bezeichnet namentlich die zu durchsuchenden oder zu untersuchenden Personen, Räumlichkeiten, Gegenstände oder Aufzeichnungen (Abs. 2 lit. a) und den Zweck der Massnahme (Abs. 2 lit. b).
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Diesen Anforderungen genügt der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl vom 20. März 2017. Darin wird ausgeführt, wer bzw. was zu durchsuchen ist. Dabei wird insbesondere die Buchhaltung der B.________ AG der Jahre 2007 bis 2015 genannt, weshalb der Einwand des Beschwerdeführers, es seien im Sinne einer sog. "fishing expedition" über die umstrittenen Gesellschaftsgründungen hinaus Unterlagen beschlagnahmt worden, offensichtlich unbehelflich ist. Sodann wird im Befehl erwähnt, dass die Massnahme unter anderem die Sicherung von Beweismitteln bezweckt. Die Beschwerde erweist sich somit auch in diesem Punkt als unbegründet.
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2.3. Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdeführer schliesslich, soweit er vorbringt, die sichergestellten Gegenstände und Aufzeichnungen seien nicht ordentlich versiegelt worden und würden von der Staatsanwaltschaft bereits untersucht. Es sind keinerlei Gründe ersichtlich, die an den glaubhaften Ausführungen der Staatsanwaltschaft, wonach sich die sichergestellten Unterlagen und Datenträger nach wie vor in einem vorschriftsgemäss versiegelten Karton befänden, Zweifel aufkommen liessen. Der Beschwerdeführer macht denn auch keine konkreten Anhaltspunkte geltend, die eine gegenteilige Auffassung nahe legten. Nicht durchzudringen vermag er ferner, soweit er vorbringt, es bestehe keine Dokumentation über die versiegelten Aufzeichnungen, hat er doch das Verzeichnis der beschlagnahmten Gegenstände unbestrittenermassen selber unterschrieben (vgl. Bst. A hiervor).
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3. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG) und er hat keinen Anspruch auf Parteikostenersatz (Art. 68 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 25. August 2017
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Merkli
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Die Gerichtsschreiberin: Pedretti
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