BGer 8C_468/2018 |
BGer 8C_468/2018 vom 06.12.2018 |
8C_468/2018 |
Urteil vom 6. Dezember 2018 |
I. sozialrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Maillard, Präsident,
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Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,
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Gerichtsschreiberin Kopp Käch.
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Verfahrensbeteiligte |
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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vertreten durch Rechtsanwältin Linda Keller,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung (Invalidenrente),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 31. Mai 2018 (IV 2016/2).
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Sachverhalt: |
A. |
A.a. Die 1957 geborene A.________ hatte sich am 21. Oktober 2008 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet. Mit Mitteilung vom 2. März 2009 hatte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen berufliche Eingliederungsmassnahmen abgelehnt und mit in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 18. September 2009 einen Rentenanspruch verneint.
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A.b. Am 5. August 2010 meldete sich A.________ erneut bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Gestützt auf die medizinische Aktenlage, namentlich diverse Berichte des Spitals B.________ sowie Stellungnahmen des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) der Invalidenversicherung AI, AR, GR, SG, TG vom 22. November 2010 und 31. März 2011 trat die IV-Stelle mit Verfügung vom 6. April 2011 mangels relevanter Änderung des rechtserheblichen Sachverhalts seit der Verfügung vom 18. September 2009 auf das neue Leistungsbegehren nicht ein. In Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde hob das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen die Verfügung vom 6. April 2011 mit Entscheid vom 6. Dezember 2012 auf und wies die IV-Stelle an, das Gesuch der Versicherten vom 5. August 2010 materiell zu prüfen. Die IV-Stelle klärte daraufhin die medizinische sowie die erwerbliche Situation ab. Sie holte insbesondere die Berichte der behandelnden Ärzte, Stellungnahmen des RAD sowie je ein polydisziplinäres Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) Ostschweiz, St. Gallen, vom 3. Februar 2014 und der medexperts AG vom 29. April 2015 mit Ergänzung vom 9. Juni 2015 ein. Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 18. November 2015 ausgehend von einem Invaliditätsgrad von 11% den Anspruch auf eine Invalidenrente.
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B. A.________ liess gegen die Verfügung vom 18. November 2015 Beschwerde erheben und beantragen, es sei ihr eine Invalidenrente basierend auf einem Invaliditätsgrad von 70% zuzusprechen, eventualiter sei die IV-Stelle zu verpflichten, ein polydisziplinäres Gutachten in Auftrag zu geben. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 31. Mai 2018 teilweise gut, hob die angefochtene Verfügung auf und wies die Sache zur weiteren medizinischen Abklärung und anschliessenden Neuverfügung an die IV-Stelle zurück.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die IV-Stelle, in Aufhebung des Entscheids vom 31. Mai 2018 sei die Streitsache zur Einholung eines Gerichtsgutachtens an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Das kantonale Gericht beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten. A.________ und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.
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Erwägungen: |
1. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 143 III 140 E. 1 S. 143; 142 V 551 E. 1 S. 555, je mit Hinweisen).
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1.1. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen Rückweisungsentscheid. Die IV-Stelle wird darin angewiesen, ein weiteres Gutachten einzuholen und anschliessend erneut über den Rentenanspruch zu verfügen. Es liegt mithin ein Zwischenentscheid vor, gegen den die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich nur zulässig ist (Art. 93 Abs. 1 BGG), wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).
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1.2. Vom Grundsatz der Nichtanhandnahme direkter Beschwerden gegen ungerechtfertigte Rückweisungsentscheide mangels Vorliegens der Eintretensvoraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a und b BGG kann jedoch eine Ausnahme gemacht werden, wenn sich zeigt, dass ein Gericht regelmässig entsprechend vorgeht (BGE 139 V 99 E. 2.5 S. 104 mit Hinweis; vgl. auch Urteil 8C_580/2017 vom 9. Februar 2018 E. 3.2). Wie bereits im Verfahren zum erwähnten Urteil 8C_580/2017 räumt das kantonale Gericht ein solches Vorgehen selber ein. Es führt wiederum aus, die bundesgerichtliche Praxis zur Einholung von Gerichtsgutachten vermöge nicht zu überzeugen; dies im Wesentlichen in Wiederholung seiner im früheren Verfahren vorgetragenen Argumentation.
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1.3. Mit seinen Ausführungen macht das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen deutlich, dass es nach wie vor nicht gewillt ist, sich an die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu halten, sondern vielmehr die Sache regelmässig zur gutachterlichen Abklärung an die Verwaltung zurückweist, obwohl es selber ein Gerichtsgutachten einholen müsste. Diese systematische Missachtung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung rechtfertigt es nach Gesagtem, vom Grundsatz der Nichtanhandnahme direkter Beschwerden gegen ungerechtfertigte Rückweisungsentscheide eine Ausnahme zu machen und auf die vorliegende Beschwerde einzutreten.
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2. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die Sache zur erneuten Begutachtung und anschliessenden Neuverfügung an die IV-Stelle zurückgewiesen hat anstatt selber ein Gerichtsgutachten einzuholen.
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2.1. Die Beschwerdeinstanz hat gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung in der Regel ein Gerichtsgutachten einzuholen, wenn sie im Rahmen der Beweiswürdigung zum Schluss kommt, ein bereits erhobener medizinischer Sachverhalt müsse (insgesamt oder in wesentlichen Teilen) noch gutachterlich geklärt werden oder eine Administrativexpertise sei in einem rechtserheblichen Punkt nicht beweiskräftig. Eine Rückweisung an die IV-Stelle ist hingegen zulässig, wenn es darum geht, zu einer bisher vollständig ungeklärten Frage ein Gutachten einzuholen, oder wenn lediglich eine Klarstellung, Präzisierung oder Ergänzung von gutachterlichen Ausführungen erforderlich ist (BGE 139 V 99 E. 1.1 S. 100; 137 V 210 E. 4.4.1.4 S. 264).
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2.2. Die Rechtsprechung, wonach die Gerichte die Einholung eines Gutachtens bei festgestellter Abklärungsbedürftigkeit nicht ohne Not durch Rückweisung an die Verwaltung delegieren dürfen, beruht entgegen den vorinstanzlichen Ausführungen auf dem Gebot der Verfahrensfairness sowie auf den Vorteilen von Gerichtsgutachten bezüglich Straffung des Gesamtverfahrens und beschleunigter Rechtsgewährung. Die direkte Durchführung der Beweismassnahme durch die Beschwerdeinstanz mindert sodann das Risiko von - für die öffentliche Hand und die versicherte Person - unzumutbaren multiplen Begutachtungen. Schliesslich verhält sich die Einschränkung der Befugnis der Sozialversicherungsgerichte, eine Streitsache zur neuen Begutachtung an die Verwaltung zurückzuweisen, komplementär zu den Mitwirkungsrechten der versicherten Person im Zusammenhang mit der Anordnung eines Administrativgutachtens gemäss Art. 44 ATSG. Letztere tragen zur Chancengleichheit bei, derweil das Gebot, im Falle einer Beanstandung des Administrativgutachtens eine Gerichtsexpertise einzuholen, die Waffengleichheit im Prozess gewährleistet, wo dies nach der konkreten Beweislage angezeigt ist (BGE 137 V 210 E. 4.4.1 S. 263 f.; vgl. auch Urteil 8C_580/2017 vom 9. Februar 2018 E. 4.2).
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3. |
3.1. Das kantonale Gericht hat nach Würdigung der Aktenlage festgestellt, dass die von der IV-Stelle eingeholten polydisziplinären Gutachten der MEDAS Ostschweiz vom 3. Februar 2014 und der medexperts AG vom 29. April 2015 sowohl aus orthopädischer wie auch aus psychiatrischer Sicht nicht zu überzeugen vermöchten. Dies habe - so die Vorinstanz - auch der RAD in seiner Stellungnahme vom 30. Juli 2015 festgehalten, indessen ohne die eigene Arbeitsfähigkeitsschätzung von 80% in einer adaptierten Tätigkeit überzeugend zu begründen. Da mithin keine Aussage zur Arbeitsfähigkeit der Versicherten in einer leidensangepassten Erwerbstätigkeit gemacht werden könne, erweise sich der medizinische Sachverhalt als nicht genügend abgeklärt. Die Einholung eines Gerichtsgutachtens sei, wie das kantonale Gericht ausführt, nur in jenen Fällen angezeigt, in denen die IV-Stelle den Sachverhalt zwar rechtsgenüglich abgeklärt habe, für die rechtliche Würdigung aber trotzdem die Einholung eines weiteren Gutachtens notwendig sei; dies namentlich weil zwei (oder mehr) überzeugende, sich jedoch widersprechende Arbeitsfähigkeitsschätzungen im Recht lägen. In der zu beurteilenden Sache sei jedoch noch überhaupt kein den Beweisanforderungen genügendes Gutachten vorhanden, weshalb die IV-Stelle ihrer Pflicht zur Sachverhaltsermittlung nicht rechtsgenüglich nachgekommen sei. Das Versicherungsgericht halte daher trotz der unbegründeten und unhaltbaren Kritik des Bundesgerichts in dessen Urteil 8C_580/2017 vom 9. Februar 2018 an seiner diesbezüglichen Rechtsprechung fest.
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3.2. Bei gegebener Aktenlage ist unstreitig weder von einer bisher vollständig ungeklärten Frage noch von der Notwendigkeit einer Klarstellung, Präzisierung oder Ergänzung von gutachterlichen Ausführungen auszugehen, welche gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung die Möglichkeit der Rückweisung an die IV-Stelle eröffnen würden. Vielmehr wurde der medizinische Sachverhalt durch die IV-Stelle erhoben und liegen neben den Berichten der behandelnden Ärzte sowie den Stellungnahmen des RAD zwei polydisziplinäre Gutachten vor. Wie die Beschwerdeführerin zu Recht geltend macht, handelt es sich daher um einen typischen Fall, in welchem das kantonale Gericht rechtsprechungsgemäss ein Gerichtsgutachten einzuholen hat. Indem die Vorinstanz stattdessen die Sache zur Einholung eines weiteren Gutachtens an die IV-Stelle zurückweist und darüber hinaus erneut klarstellt, dass sie nicht gewillt sei, sich an die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesgerichts zu halten, verletzt sie die bundesgerichtlichen Grundsätze zur Anordnung eines Gerichtsgutachtens und damit Bundesrecht. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben und die Sache zur Einholung eines Gerichtsgutachtens an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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4. Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich begründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG gutgeheissen wird.
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5. Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die Gerichtskosten (und eine allfällige Parteientschädigung) hätte grundsätzlich die unterliegende Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG; BGE 133 V 642). Unnötige Kosten hat indessen zu bezahlen, wer sie verursacht (Art. 66 Abs. 3 und Art. 68 Abs. 4 BGG). Dies gestattet auch, ausnahmsweise die Gerichts- und Parteikosten der Vorinstanz resp. dem Gemeinwesen, dem diese angehört, aufzuerlegen. Die Vorinstanz missachtet systematisch die hier anwendbare Rechtsprechung des Bundesgerichts, was im angefochtenen Entscheid und in der eingereichten Vernehmlassung der Vorinstanz klar zum Ausdruck kommt. Damit hat sie die IV-Stelle zum Gang vor das Bundesgericht gezwungen, was zu einer unnötigen Verlängerung des Verfahrens führte. Dieser Umstand kann nicht der Versicherten angelastet werden. Demnach sind dem Kanton St. Gallen die Gerichtskosten aufzuerlegen (vgl. Urteil 8C_525/2018 vom 16. November 2018 E. 5.1).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 31. Mai 2018 aufgehoben. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre und über die Beschwerde neu entscheide.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Kanton St. Gallen auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 6. Dezember 2018
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Maillard
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Die Gerichtsschreiberin: Kopp Käch
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