BGer 9C_130/2019 |
BGer 9C_130/2019 vom 05.09.2019 |
9C_130/2019 |
Urteil vom 5. September 2019 |
II. sozialrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
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Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless,
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Gerichtsschreiberin N. Möckli.
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Verfahrensbeteiligte |
A.________,
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vertreten durch Advokat Dr. Thomas Wyler,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung (Invalidenrente),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 31. Oktober 2018 (IV.2018.78).
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Sachverhalt: |
A. Der 1966 geborene, zuletzt als Eisenleger tätige A.________ meldete sich im Februar 2012 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nachdem ein Aufbautraining zur beruflichen Reintegration gescheitert war, veranlasste die IV-Stelle Basel-Stadt ein rheumatologisches Gutachten durch Dr. med. B.________ (Expertise vom 5. Juni 2014). Gestützt darauf sprach die IV-Stelle dem Versicherten mit Verfügung vom 29. Mai 2015 eine befristete ganze Rente von August 2012 bis April 2013 zu. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt in dem Sinne gut, als es die angefochtene Verfügung aufhob und die Sache zu weiteren Abklärung (bidisziplinäre rheumatologisch-psychiatrische Begutachtung) an die Verwaltung zurückwies (Entscheid vom 22. März 2016).
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Daraufhin wurde A.________ durch die Dres. med. C.________ (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie) und B.________ begutachtet (Expertisen vom 21. Februar 2017 und 5. Mai 2017). Nach mehrfacher Rücksprache mit dem Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD), dies auch auf Einwendungen des Versicherten im Vorbescheidverfahren mit Einreichung eines Berichts seiner Psychiaterin Dr. med. D.________ vom 23. November 2017, erkannte die IV-Stelle wiederum einen Anspruch auf eine befristete ganze Rente von August 2012 bis April 2013 (Verfügung vom 9. April 2018).
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B. Die dagegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 31. Oktober 2018 ab.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und der Verfügung der IV-Stelle vom 9. April 2018 sei ihm ab 1. Mai 2013 weiterhin eine ganze Rente auszurichten. Eventualiter sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zur Einholung eines polydisziplinären Gutachtens zurückzuweisen. Nach Vorliegen dieses Gutachtens sei die Sache zum Neuentscheid bzw. Rentenberechnung an die IV-Stelle zurückzuweisen. Die Verfahrenskosten der Vorinstanz sowie des Bundesgerichts und die Kosten für das polydisziplinäre Gutachten seien der IV-Stelle aufzuerlegen.
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Erwägungen: |
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2.
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2.1. Streitig ist vorliegend in erster Linie der Beweiswert des Gutachtens der Dres. med. B.________ und C.________ vom 21. Februar 2017 bzw. 5. Mai 2017. Im angefochtenen Entscheid wurden die Bestimmungen und Grundsätze zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352) zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.
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2.2. Die Vorinstanz kam zum Schluss, dieses bidisziplinäre Gutachten sei lege artis erstellt worden und ihm komme volle Beweiskraft zu.
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Der Beschwerdeführer rügt den Beweiswert des Gutachtens in verschiedener Hinsicht. Er macht insbesondere geltend, die Begutachtung des Dr. med. B.________ sei ohne Beizug eines Dolmetschers durchgeführt worden. Die gescheiterten Arbeitsversuche seien nicht angemessen berücksichtigt worden. Der Bericht seiner Psychiaterin vom 23. November 2017 sei den Gutachtern nicht zur Stellungnahme unterbreitet worden und die Vorinstanz habe aus diesem in willkürlicherweise auf eine Verbesserung geschlossen. Die Konsensbesprechung der Gutachter sei vor Eingang des Berichts seiner Psychiaterin vom 2. Mai 2017 erfolgt und es gebe zwischen den Teilgutachten Diskrepanzen.
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2.3. Das kantonale Gericht hat sich ausführlich mit der Rüge des nicht anwesend gewesenen Dolmetschers bei der rheumatologischen Begutachtung befasst und dargelegt, weshalb unter den gegebenen Umständen der Beweiswert dieses Teilgutachtens dennoch nicht eingeschränkt ist. Dies insbesondere deshalb, weil - zwar nicht in der Muttersprache des Beschwerdeführers (portugiesisch), aber auf italienisch - eine vollständige Anamneseerhebung und Untersuchung in rheumatologischer Hinsicht möglich war. Im Gutachten wird mehrfach betont, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gab. Dass der Beschwerdeführer über hinreichende italienisch Kenntnisse verfügt, legt auch der Bericht der E.________ AG vom 27. April 2012 nahe, worin festgehalten wird, ein Coaching bei der Stellensuche wäre auf portugiesisch oder italienisch oder mit Übersetzer durchführbar. Die vorinstanzlichen Feststellungen sind somit nicht offensichtlich unrichtig (zur Kognition des Bundesgerichts vgl. Urteil 8C_578/2014 vom 17. Oktober 2014 E. 4.2.6). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist nicht zu beanstanden, dass der Gutachter im Rahmen seiner sorgfältigen Auftragserfüllung entschieden hat, ob für die medizinische Abklärung der Beizug eines Übersetzers notwendig ist (U rteil 8C_578/2014 vom 17. Oktober 2014 E. 4.2.5).
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2.4. Die Vorinstanz hielt zum vom Beschwerdeführer absolvierten Arbeitstraining in der E.________ AG vom 29. April bis 30. Mai 2013 fest, dass die ihm dort zugewiesenen Tätigkeiten offensichtlich nicht den gesundheitlichen Einschränkungen entsprochen haben. Diesem Bericht komme daher nur beschränkte Aussagekraft zu. Im Übrigen wies das kantonale Gericht darauf hin, dass beim Beschwerdeführer ein syndromales Beschwerdebild im Vordergrund stehe und daher die Schmerzproblematik anhand einer Indikatorenprüfung zu beurteilen sei, welche im psychiatrischen Gutachten vorgenommen worden sei. Diese Ausführungen sind in keiner Weise zu beanstanden. Daran ändert nichts, dass für den Beschwerdeführer sogar eine sehr leichte Arbeit, wie Servietten falten, ein unüberwindbares Problem dargestellt hat. Im Übrigen haben auch die Gutachter den Arbeitsversuch zur Kenntnis genommen, konnten die dabei präsentierten Einschränkungen mit den von ihnen erhobenen Befunden jedoch nicht erklären.
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2.5. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, der Bericht seiner Psychiaterin vom 23. November 2017 hätte dem Gutachter Dr. med. C.________ unterbreitet werden müssen. Die Beschwerdegegnerin holte zu diesem Bericht eine fachärztliche Stellungnahme des RAD ein, welche vom 4. April 2018 datiert. Darin legte die RAD-Ärztin dar, dass trotz der neu gestellten Diagnose der Neurasthenie keine neuen anamnestischen Angaben und keine neuen Befunde aufgeführt würden, die eine Änderung der vom Gutachter Dr. med. C.________ gestellten Diagnosen rechtfertige. Zudem hat die Vorinstanz festgestellt, dass der aktuellste Bericht der Dr. med. D.________ eine Verbesserung zeige. Diese vorinstanzliche Ausführung ist insoweit nachvollziehbar, als der Bericht der behandelnden Psychiaterin im Vergleich zu ihrem Bericht vom 2. Mai 2017 zeigt, dass sie nun nicht mehr von einer mittelgradigen depressiven Episode ausgeht. Dr. med. D.________ ordnete das Beschwerdebild neu eher einer Neurasthenie als zu einer Depression gehörend ein. Damit beschrieb sie bezüglich der depressiven Symptomatik einen vergleichbaren Befund wie der Gutachter. Einzig die diagnostische Einordnung ist nicht dieselbe. Es handelt sich im Vergleich zum Gutachten - wie die RAD-Ärztin zutreffend feststelle - somit lediglich um eine andere Beurteilung des gleichen Sachverhalts. Dies vermag jedoch den Beweiswert eines Gutachtens nicht in Frage zu stellen, da von der behandelnden Ärztin keine vom Gutachter unberücksichtigten Aspekte genannt werden (vgl. Urteil 9C_91/2018 vom 7. Juni E. 4.2.1 mit Hinweis, statt vieler: auf SVR 2017 IV Nr. 49 S. 148, 9C_338/2016 E. 5.5). Die Beschwerdegegnerin und Vorinstanz gingen somit zu Recht (implizit) davon aus, der Sacherhalt sei in dieser Hinsicht genügend abgeklärt. Eine weitere Beweisabnahme im Sinne der vom Beschwerdeführer geforderten gutachterlichen Stellungnahme zum Bericht der Dr. med. D.________ vom 23. November 2017 oder eines polydisziplinären Gutachtens war daher nicht erforderlich. In dieser antizipierten Beweiswürdigung ist keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu erblicken (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236 f. mit Hinweisen; 124 V 90 E. 4b S. 94).
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2.6. Die Vorinstanz führte aus, zwar habe - was zu kritisieren sei - die Konsensbesprechung vor Erstellung des psychiatrischen Gutachtens stattgefunden, dies falle jedoch nicht so schwer ins Gewicht, dass den Gutachten kein Beweiswert mehr zuerkannt werden könnte, denn eine zusammenfassende Beurteilung auf Grundlage einer Konsensdiskussion und die Darlegung der Ergebnisse aus den einzelnen Fachgebieten sei ideal, aber nicht zwingend. Diese vorinstanzlichen Erwägungen sind zutreffend (BGE 143 V 124 E. 2.2.4 S. 128), zumal entgegen dem Beschwerdeführer keine relevanten Diskrepanzen vorliegen, wie das kantonale Gericht aufzeigte.
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2.7. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, es sei aufgrund des Gutachtens nicht schlüssig, dass er ab 1. Februar 2013 von einem auf den anderen Tag zu 100 % arbeitsfähig sei, ist dem entgegenzuhalten, dass dies Dr. med. B.________ in seinem Gutachten vom 21. Februar 2017 mit Hinweis auf seinen Bericht vom 5. Juni 2014 eingehend begründet hat. Danach ist dies auf den Heilungsverlauf nach den Operationen vom 22. September 2011, 9. Juli 2012 und 4. September 2012 zurückzuführen.
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2.8. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der angefochtene Entscheid kein Bundesrecht verletzt, indem den Expertisen der Dres. med. B.________ und C.________ vom 21. Februar und 5. Mai 2017 Beweiswert beigemessen wurde.
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3.
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3.1. Die Beschwerdegegnerin ermittelte das Valideneinkommen anhand der Angaben der ehemaligen Arbeitgeberin des Beschwerdeführers. Beim Invalideneinkommen ging sie, nachdem der Beschwerdeführer seit Eintritt des Gesundheitsschadens keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgeht, von den Tabellenlöhnen des Bundesamts für Statistik aus. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden, beinhaltet der von der Beschwerdegegnerin beim Invalideneinkommen herangezogene Tabellenlohn doch auch leichte Arbeiten (Urteil 8C_300/2015 vom 10. November 2015 E. 7.3.2 mit Hinweisen). Im angefochtenen Entscheid werden sodann auch einige solche Verweistätigkeiten genannt.
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3.2. Die Vorinstanz nahm vom auf statistischen Angaben ermittelten Invalideneinkommen einen Abzug von 10 % vor. Sie begründete, ein solcher Abzug sei angesichts der gesundheitsbedingten Einschränkungen im rheumatologischen Arbeitsprofil gemeinsam mit den Sprachschwierigkeiten gerechtfertigt.
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Der Beschwerdeführer ist hingegen der Auffassung, der Abzug sei mit 25 % zu bemessen, dies aufgrund der Art und des Ausmasses seiner leidensbedingten Einschränkungen, aber auch wegen seines Alters und dem Umstand, dass er kein Deutsch spreche.
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Der Beschwerdeführer war im Zeitpunkt der IV-Verfügung erst 51 Jahre alt, so dass ein Abzug wegen des Alters nicht angemessen erscheint. Zudem bietet dieser Umstand in der Regel keinen Anlass für einen Abzug, denn Hilfsarbeiten (wie sie hier im Fokus stehen) werden nach der Rechtsprechung grundsätzlich altersunabhängig nachgefragt (Urteil 9C_673/2018 vom 4. Juli 2019 E. 3.3). Im Übrigen werden vom Beschwerdeführer keine weiteren Aspekte genannt, welche vom kantonalen Gericht ausser Acht gelassen wurden. Inwiefern die Vorinstanz diesen Gesichtspunkten mit dem gewährten Abzug von 10 % das ihr zustehende Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt haben soll, kann den allgemein gehaltenen Vorbringen des Beschwerdeführers nicht entnommen werden und ist auch nicht ersichtlich. Es hat damit bei den Feststellungen im angefochtenen Entscheid sein Bewenden, dass ab Mai 2013 ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad vorliegt.
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4. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
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Das Bundesgericht erkennt: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 5. September 2019
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Pfiffner
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Die Gerichtsschreiberin: Möckli
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