BGer 9C_256/2019
 
BGer 9C_256/2019 vom 18.09.2019
 
9C_256/2019
 
Urteil vom 18. September 2019
 
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Williner.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Max B. Berger,
Beschwerdeführer,
gegen
1.  Sammelstiftung BVG der Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft, Allianz Suisse, Rechtsdienst LRD, Postfach, 8010 Zürich,
2.  Sammelstiftung Berufliche Zusatzvorsorge der Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft, Allianz Suisse, Rechtsdienst LRD, Postfach, 8010 Zürich,
Beschwerdegegnerinnen.
Gegenstand
Berufliche Vorsorge,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 6. März 2019 (200 18 560 BV).
 
Sachverhalt:
A. Der 1977 geborene A.________ arbeitete ab April 2004 als Geschäftsführer bei der B.________ GmbH, welche sich seit dem xxx 2018 in Liquidation befand und am yyy 2019 im Handelsregister gelöscht wurde. In dieser Funktion war er seit Januar 2005 bei der Sammelstiftung BVG der Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft und zudem seit Juli 2008 bei der Sammelstiftung Berufliche Zusatzvorsorge der Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: die Sammelstiftungen) berufsvorsorgeversichert.
Mit Verfügung vom 10. März 2017 sprach die IV-Stelle des Kantons Bern A.________ rückwirkend ab 1. Juni 2012 eine halbe Invalidenrente zu (Invaliditätsgrad 50 %). Demzufolge teilte die Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft diesem am 11. April 2017 mit, dass ihm aus den Berufsvorsorgeversicherungen rückwirkend ab dem 4. Oktober 2013 (bei einem vor Eintritt des Ereignisses gemeldeten Jahreseinkommen von Fr. 130'000.-) eine halbe BVG-Invalidenrente von Fr. 10'007.40 und zwei, ab dem 1. April 2017 drei halbe BVG-Kinderrenten von jeweils Fr. 2'001.50 sowie im Rahmen der Zusatzvorsorge vom 4. Oktober 2013 bis am 31. März 2017 eine halbe gekürzte Invalidenrente von Fr. 2'277.50 ausgerichtet werde.
B. Die von A.________ gegen die Sammelstiftungen erhobene Klage vom 9. August 2018 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 6. März 2019 ab.
C. A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Beschwerdegegnerinnen zu verpflichten, ihm die (reglementarischen) Invalidenrenten rückwirkend auf Basis eines versicherten Einkommens bzw. mutmasslich entgangenen Verdienstes von Fr. 180'000.- ungekürzt auszuzahlen. Zudem sei ihm für das vorinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 4'700.25 gemäss dort eingereichter Kostennote auszurichten.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
1.2. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen im bundesgerichtlichen Verfahren nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher darzulegen ist (BGE 133 III 393 E. 3 S. 395). Tatsachen oder Beweismittel, die sich erst nach dem angefochtenen Entscheid ereignet haben oder entstanden sind (sog. echte Noven), können nicht durch dieses Erkenntnis veranlasst worden sein und sind deshalb von Vornherein unzulässig (BGE 143 V 19 E. 1.2 S. 22 f. mit Hinweisen; 140 V 543 E. 3.2.2.2 S. 548).
Das vom Beschwerdeführer neu eingereichte Schreiben eines ehemaligen Versicherungsberaters bei der Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft AG vom 2. April 2019 datiert nach dem angefochtenen Entscheid. Derlei echte Noven sind vor Bundesgericht zum Vornherein unzulässig.
2. Gemäss Anträgen und Begründung der Beschwerde sind streitig und zu prüfen einzig der den überobligatorischen Rentenberechnungen zugrunde liegende Jahreslohn sowie die Rentenkürzung infolge Überentschädigung. Nicht Thema des vorliegenden Verfahrens ist demgegenüber, dass der Beschwerdeführer seit dem 4. Oktober 2013 ungekürzte Invalidenleistungen in der Höhe der Mindestleistungen gemäss BVG erhält.
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe den Sachverhalt willkürlich festgestellt und den Untersuchungsgrundsatz verletzt, weil sie ihren Berechnungen den (irrtümlich) für das Jahr 2011 gemeldeten Lohn (Fr. 130'000.-) und nicht den mutmasslich entgangenen (Fr. 180'000.-) oder zumindest den 2010 mit der AHV abgerechneten Lohn (Fr. 145'000.-) zugrunde gelegt habe.
3. Sowohl gemäss der Ziff. 4.3.1 Abs. 6 des Vorsorgereglements der Beschwerdegegnerin 1 (Allgemeine Reglementsbestimmungen [ARB]; Ausgabe Januar 2011) wie auch gemäss Ziff. 4.3.1 Abs. 5 des Vorsorgereglements der Beschwerdegegnerin 2 (Allgemeine Reglementsbestimmungen [ARB ZV]; Ausgabe Januar 2011) werden die Leistungen einer versicherten Person, welche arbeitsunfähig oder invalid geworden ist, nach dem letzten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit durch den Arbeitgeber gemeldeten Lohn bestimmt. Als gemeldeter Jahreslohn gilt gemäss Ziff. 2.3.1 Abs. 1 (Sätze 1 und 2) beider Reglemente der vom Arbeitgeber mitgeteilte jährliche AHV-Lohn der versicherten Person bei Aufnahme in das Vorsorgewerk bzw. am Stichtag, wobei der gemeldete Jahreslohn für das ganze Versicherungsjahr gilt. Gemäss Ziff. 10.3 Abs. 1 (Satz 1) der jeweils zwischen der B.________ GmbH und den Sammelstiftungen abgeschlossenen Anschlussverträgen erfolgt die Meldung der Jahreslöhne durch den Arbeitgeber mit Wirkung per Beginn des Vertrages, später per Beginn jedes Kalenderjahres bzw. per Beginn der Versicherung mittels einer von ihm ausgefüllten und durch Unterschrift anerkannten Lohnliste bzw. Anmeldung. Beide Vorsorgereglemente (ARB und ARB ZV) sehen zudem vor, dass wesentliche Lohnänderungen von mindestens 20 % für das laufende Jahr auf den Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit angepasst werden; rückwirkende Lohnänderungen werden lediglich für das laufende Jahr gegen Vorlage entsprechender Nachweise berücksichtigt (je Ziff. 2.3.3 Abs. 1 und 2).
 
4.
4.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er als Geschäftsführer der B.________ GmbH in der eigenhändig unterzeichneten und zu Handen der Beschwerdegegnerinnen eingereichten Lohnliste 2011 einen bisherigen (2010) AHV-Jahreslohn von Fr. 130'000.- meldete und unter der Rubrik "Neu" (2011) nichts vermerkte. Ebenso wenig bestreitet er, dass er in der ebenfalls eigenhändig unterzeichneten Lohnliste 2012 einen bisherigen (2011) AHV-Jahreslohn von Fr. 130'000.- meldete und unter der Rubrik "Neu" (2012) einen solchen von Fr. 180'000.-. Die letztgenannten Angaben stehen insofern in Einklang mit denjenigen des Vorjahres, als damals durch den fehlenden Vermerk unter der Rubrik "Neu" keine Veränderung des Jahreslohnes (weder für den Beschwerdeführer noch für die übrigen Angestellten) geltend gemacht wurde. Schliesslich stellt der Beschwerdeführer auch nicht in Abrede, dass er im Laufe des Jahres 2011 keine (rückwirkende) wesentliche Lohnänderung meldete. Wenn das kantonale Gericht gestützt darauf schloss, der Beschwerdeführer müsse sich auf seine Angaben in den Lohnlisten 2011 und 2012 behaften lassen, wonach für das Jahr 2011 ein Jahreslohn von Fr. 130'00.- und für das Folgejahr ein solcher von Fr. 180'000.- gelte, ist dies weder willkürlich noch hat es dadurch den Untersuchungsgrundsatz verletzt.
4.2. Der Beschwerdeführer bringt dagegen primär vor, die streitbetroffenen Versicherungen seien auf der Basis seines beitragspflichtigen AHV-Lohnes abgeschlossen worden, welcher 2011 wesentlich höher gewesen sei, als gegenüber den Beschwerdegegnerinnen gemeldet. Es sei willkürlich, diesen aktenmässig klar erstellten AHV-Lohn zu übergehen und ihm eine "willkürlich gesetzte Zahl" vorzuziehen. Mit dieser Rüge lässt der Beschwerdeführer ausser Acht, dass es im Rahmen der in casu anwendbaren Pränumerando-Methode im Sinne eines im Voraus aufgrund des Vorjahresverdienstes bestimmten Jahreslohnes (vgl. in Bezug auf den koordinierten Lohn Urteil 9C_115/2008 vom 23. Juli 2008 E. 4.3 mit Hinweis) durchaus gewollt ist, dass der massgebende Jahreslohn und der beitragspflichtige AHV-Lohn voneinander abweichen können. Ersterer wurde entgegen der Beschwerde auch nicht willkürlich, sondern reglementskonform gestützt auf die konkreten Angaben des Beschwerdeführers festgesetzt.
4.3. Nicht stichhaltig ist der Einwand, es sei willkürlich, dass aufgrund der fehlenden Angaben unter der Rubrik "Neu" in der Lohnliste 2011 ohne Nachfrage auf die Vorjahreszahlen unter der Rubrik "Bisher" abgestellt worden sei. So ist das Abstellen auf den letzten bekannten Jahreslohn unter Berücksichtigung allfälliger für das laufende Jahr bereits vereinbarter Änderungen im Rahmen der Pränumerando-Methode üblich. Derlei Änderungen hat der Beschwerdeführer indessen weder in der Lohnliste 2011 noch danach im Laufe des Jahres 2011 rechtzeitig geltend gemacht; auch in der Lohnliste 2012 erfolgte keine diesbezügliche Korrektur. Er setzt sich auch nicht ansatzweise mit den vorinstanzlichen Ausführungen auseinander, wonach er aufgrund der reglementarischen Bestimmungen sowie seiner Mitwirkungs- und Meldepflichten als Arbeitgeber nicht habe annehmen dürfen, entsprechende Anpassungen würden ohne sein Zutun per Jahresende vorgenommen. Es ist somit weder ersichtlich noch in der Beschwerde dargetan, weshalb das Abstellen auf die Vorjahreszahlen willkürlich sein sollte.
4.4. Unverfänglich ist die vor Bundesgericht erstmals vorgebrachte Behauptung, ein Versicherungsberater habe die zuvor vom Beschwerdeführer blanko unterzeichnete Lohnliste 2011 ausgefüllt, womit die falsche Deklaration ausserhalb seiner Verantwortlichkeit liege. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer das mit dem Erteilen einer Blankounterschrift verbundene Risiko ohnehin selber zu tragen hätte, fehlen in den Akten jegliche Hinweise darauf, dass jemand anders als der Beschwerdeführer die von ihm eigenhändig unterzeichneten Lohnlisten ausgefüllt hätte (vgl. E. 1.2 hievor).
4.5. Gemäss den Ziff. 4.7.1 Abs. 6 beider Vorsorgereglemente werden zur Verhinderung ungerechtfertigter Vorteile die versicherten Leistungen in Ergänzung zu den anrechenbaren Leistungen erbracht, insbesondere zu den entsprechenden Leistungen der AHV/IV und jenen der UV/MV gemäss Art. 66 ATSG, bis höchstens zur Grenze von 90 % (gemäss ARB) bzw. 100 % (gemäss ARB ZB) des vor Eintritt des versicherten Ereignisses gemeldeten Jahreslohnes. Gemäss ARB dürfen die Mindestleistungen im Rahmen des BVG dabei nur gekürzt werden, soweit sie zusammen mit den anrechenbaren Leistungen die Grenze von 90 % des mutmasslich entgangenen Verdienstes überschreiten.
Der Beschwerdeführer wendet sich insofern gegen die Überentschädigungsberechnungen des kantonalen Gerichts, als er geltend macht, es seien 90 bzw. 100 % von Fr. 180'000.- (allenfalls von Fr. 145'000.-) statt von Fr. 130'000.- als Überentschädigungsgrenze einzusetzen. Weiterungen dazu erübrigen sich mit Blick auf das zum gemeldeten Jahreslohn bereits Gesagte. Hinsichtlich der übrigen Parameter der vorinstanzlichen Überentschädigungsberechnungen macht der Beschwerdeführer keine Einwände geltend, womit es sein Bewenden hat.
5. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 18. September 2019
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Pfiffner
Der Gerichtsschreiber: Williner