BGer 2C_134/2019
 
BGer 2C_134/2019 vom 12.11.2019
 
2C_134/2019
 
Urteil vom 12. November 2019
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichterin Hänni,
Gerichtsschreiberin De Sépibus.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Sven Gretler,
gegen
Amt für Migration des Kantons Luzern, Fruttstrasse 15, 6002 Luzern,
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern, Bahnhofstrasse 15, 6003 Luzern.
Gegenstand
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA,
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung, vom 13. Dezember 2018
(7H 18 196).
 
Sachverhalt:
 
A.
A.________ (1960, Portugiese) arbeitete in den Jahren 1995 bis 2004 als Saisonnier in der Schweiz. Am 28. September 2004 wurde ihm eine fünfjährige Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA erteilt, welche in der Folge zweimal verlängert wurde. Am 21. November 2014 ersuchte A.________ erfolglos um Erteilung einer Niederlassungsbewilligung EU/EFTA. Es wurde ihm hingegen seine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA bis zum 13. Februar 2017 verlängert.
Seit dem 23. Februar 2015 erhält A.________ finanzielle Unterstützung durch das Sozialamt. Seit dem Juni 2015 arbeitet er zu 50 % bei der B.________ AG, einer sozialen Einrichtung für langfristig Arbeitslose. Am 26. Juli 2016 wurde sein Gesuch um eine IV-Rente abgelehnt, mit der Begründung, dass er in einer angepassten Tätigkeit voll arbeitsfähig sei.
 
B.
Am 24. Juli 2017 lehnte das Amt für Migration des Kantons Luzern ab, A.________ die Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA zu verlängern. Gegen diese Verfügung erhob er am 24. August 2017 Verwaltungsbeschwerde beim Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern, welches diese am 19. Juli 2018 abwies und A.________ aufforderte, die Schweiz bis zum 28. Februar 2018 zu verlassen.
Gegen den Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements des Kantons Luzern vom 19. Juli 2018 erhob A.________ am 20. August 2018 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Kantonsgericht Luzern, welches diese am 13. Dezember 2018 abwies.
 
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht beantragt A.________, das Urteil der kantonalen Vorinstanz vom 13. Dezember 2018 sei aufzuheben und in Gutheissung der Beschwerde seine Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Die Vorinstanz schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern und das Staatssekretariat für Migration (SEM) haben sich innert angesetzter Frist nicht vernehmen lassen.
Mit Verfügung vom 6. Februar 2019 hat das präsidierende Abteilungsmitglied der Beschwerde antragsgemäss aufschiebende Wirkung beigelegt.
 
Erwägungen:
1. Der Beschwerdeführer beruft sich in vertretbarer Weise auf einen freizügigkeitsrechtlichen Bewilligungs- bzw. Verbleiberechtsanspruch (vgl. Art. 6 in V. mit Art. 4 Anhang I des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit [Freizügigkeitsabkommen; FZA; SR 0.142.112.681]). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist somit zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c Ziff. 2 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 89 und 90 BGG). Ob und in welchem Umfang der behauptete Anspruch tatsächlich besteht, bildet praxisgemäss Gegenstand der materiellen Beurteilung und ist keine Eintretensfrage (vgl. BGE 137 I 305 E. 2.5 S. 315; Urteil 2C_195/2014 vom 12. Januar 2015, in BGE 141 II 1 nicht publizierte E. 1.1). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
 
2.
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5 S. 144). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich, ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG); zudem muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG).
 
3.
Der Beschwerdeführer rügt, das angefochtene Urteil verletze Art. 4 Anhang I des Freizügigkeitsabkommens (Verbleiberecht).
3.1. Gemäss Art. 6 Abs. 1 Anhang I FZA erhält ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei ist und mit einem Arbeitgeber des Aufnahmestaates ein Arbeitsverhältnis mit einer Dauer von mindestens einem Jahr eingeht, eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Gültigkeitsdauer von fünf Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis (EU/EFTA-B-Bewilligung). Diese wird automatisch um mindestens fünf Jahre verlängert. Bei der ersten Verlängerung kann die Gültigkeitsdauer beschränkt werden, wenn der Inhaber seit mehr als zwölf aufeinanderfolgenden Monaten unfreiwillig arbeitslos ist; die Dauer der Bewilligungsverlängerung darf ein Jahr nicht unterschreiten. Nach Art. 6 Abs. 6 Anhang I FZA darf einer arbeitnehmenden Person eine gültige Aufenthaltsbewilligung nicht allein deshalb entzogen werden, weil sie keine Beschäftigung mehr hat, entweder weil sie infolge von Krankheit oder Unfall vorübergehend arbeitsunfähig oder unfreiwillig arbeitslos geworden ist, falls das zuständige Arbeitsamt dies ordnungsgemäss bestätigt. Dabei gelten die von der zuständigen Behörde ordnungsgemäss bestätigten Zeiten unfreiwilliger Arbeitslosigkeit und die Abwesenheiten infolge Krankheit oder Unfall als Beschäftigungszeiten (vgl. Art. 4 Abs. 2 Anhang I FZA i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 der Verordnung [EWG] Nr. 1251/70 der Kommission vom 29. Juni 1970 über das Recht der Arbeitnehmer, nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates zu verbleiben [ABl 1970, L 142 vom 30. Juni 1970 S. 24 ff.; hiernach: Verordnung Nr. 1251/70]).
3.2. Darüber hinaus sieht Art. 4 Anhang I FZA vor, dass die Staatsangehörigen einer Vertragspartei und ihre Familienangehörigen nach Beendigung ihrer Erwerbstätigkeit ein Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei haben. Gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. b Satz 1 der Verordnung Nr. 1251/70, auf welche Art. 4 Abs. 2 Anhang I FZA verweist, besteht ein Verbleiberecht für den "Arbeitnehmer, der infolge dauernder Arbeitsunfähigkeit eine Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis aufgibt, wenn er sich seit mindestens zwei Jahren im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ständig aufgehalten hat". Die Voraussetzung einer minimalen Dauer entfällt, wenn die dauernde Arbeitsunfähigkeit die Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Rente entstanden ist (Satz 2).
3.3. Ein Verbleiberecht infolge Arbeitsunfähigkeit setzt somit eine vorgängige Arbeitnehmereigenschaft voraus (vgl. Urteil 2C_1034/2016 vom 13. November 2017 E. 2.2 mit Hinweisen; Urteil des EuGH vom 26. Mai 1993 C-171/91 
 
4.
Die Feststellung der Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe seine Arbeitnehmereigenschaft verloren und auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 Anhang I FZA kein Aufenthaltsrecht mehr in der Schweiz, wird durch den Beschwerdeführer zu Recht nicht bestritten. Streitig ist hingegen, ob er ein Verbleiberecht gestützt auf Art. 4 Anhang I FZA besitzt, wobei im Zentrum der rechtlichen Auseinandersetzung die Auslegung des Begriffs der dauernden Arbeitsunfähigkeit im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. b Satz 1 der Verordnung Nr. 1251/70 steht, auf welchen Art. 4 Abs. 2 Anhang I FZA verweist.
4.1. Die Vorinstanz hat gestützt auf die Feststellung der IV-Stelle Luzern, der Beschwerdeführer sei zu 100 % in einer angepassten Tätigkeit arbeitsfähig, ein Verbleiberecht verneint. Sie ging dabei davon aus, dass bei der Abklärung, ob eine 
4.2. Der Beschwerdeführer rügt, dass eine solche Auslegung Art. 4 Anhang I FZA verletze. Die genannte Bestimmung müsse eng ausgelegt werden, d.h. die Arbeitsunfähigkeit dürfe ausschliesslich bezogen auf den angestammten Beruf des Beschwerdeführers beurteilt werden. Unter Arbeitsunfähigkeit werde generell die medizinisch begründete Unfähigkeit, eine bestimmte Tätigkeit in einem bestimmten zeitlichen und funktionellen Umfang auszuüben, bezeichnet. Der Begriff dürfe insofern nicht dem Begriff der «Erwerbsunfähigkeit» gleichgesetzt werden, der eine allgemeine Beeinträchtigung der Erwerbsmöglichkeiten ausdrücke, welche sich auf die bisherigen Tätigkeit als auch auf andere zumutbare Tätigkeiten beziehe. Hätte der Gesetzgeber (recte Vertragsparteien) auch Verweistätigkeiten einschliessen wollen, so hätte er dies explizit getan. Auch eine teleologische Interpretation führe zu keinem anderen Resultat, da eine echte Freizügigkeit voraussetze, dass ein Verbleiberecht auch bei unfreiwilliger Arbeitsunfähigkeit im angestammten Beruf weiterbestehe.
4.3. Das Freizügigkeitsabkommen ist gestützt auf die völkerrechtliche Methodik nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen (vgl. Art. 31 ff. des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge [VRK; SR 0.111]; vgl. BGE 139 II 393 E. 4.1.1. S. 397 [mit Hinweisen]). Gemäss Art. 16 Abs. 2 FZA ist für die Anwendung des Freizügigkeitsabkommens - soweit für die Anwendung des Abkommens Begriffe des Unionsrechts herangezogen werden - die einschlägige Rechtsprechung des EuGH vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung (21. Juni 1999) massgebend. Da es Ziel des Abkommens ist, die Freizügigkeit auf der Grundlage der in der Europäischen Union geltenden Bestimmungen zu verwirklichen (Präambel), und die Vertragsstaaten übereingekommen sind, in den vom Abkommen erfassten Bereichen alle erforderlichen Massnahmen zu treffen, damit in ihren Beziehungen eine möglichst parallele Rechtslage besteht (Art. 16 Abs. 1 FZA), hat das Bundesgericht in inzwischen ständiger Rechtsprechung entschieden, von der Auslegung abkommensrelevanter unionsrechtlicher Bestimmungen durch den EuGH nach dem Unterzeichnungsdatum nur bei Vorliegen "triftiger" Gründe abzuweichen (BGE 142 II 35 E. 3.1 S. 38; 140 II 112 E. 3.2 S. 117; 136 II 364 E. 5.3 S. 372).
4.4. Bislang besteht keine Rechtsprechung des EuGH zum streitbetroffenen Begriff. Seine Interpretation erfolgt insofern in Übereinstimmung mit den völkerrechtlichen Auslegungsmethoden. Insoweit der Beschwerdeführer folgert, der Wortlaut sei klar und nicht interpretationsbedürftig, kann ihm nicht gefolgt werden. Wenn der Begriff der Arbeitsunfähigkeit zwar in vielen Bereichen arbeitsplatzbezogen ausgelegt wird, so ist dies nicht immer der Fall. So bestimmt beispielsweise Art. 6 Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG, SR 830.1), dass bei Arbeitsunfähigkeit von langer Dauer auch zumutbare Tätigkeiten in einem anderen Beruf oder Aufgabenbereich zu berücksichtigen sind. Von langer Dauer wird in der Regel dann gesprochen, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als sechs Monate dauert (vgl. dazu Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 74 zu Art. 6 ATSG). Damit kommt zum Ausdruck, dass die bisherige Tätigkeit nur solange der Massstab für die Arbeitsunfähigkeit sein kann, als von der versicherten Person "vernünftigerweise nicht verlangt werden" kann, ihre restliche Arbeitsfähigkeit in einem anderen Berufszweig zu verwerten (BGE 114 V 281 E. 1d). Dies ist Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes der den Versicherten obliegenden Schadenminderungspflicht im Sozialversicherungsrecht (Hans-Jakob Mosimann, in: Frey/Mosimann/Bollinger [Hrsg.], AHVG/IVG Kommentar, 2018, N. 6 zu Art. 6 ATSG). Über den Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 lit. b der Verordnung Nr. 1251/70 hinaus ist insofern die wahre Tragweite des Begriffs der "dauernden Arbeitsunfähigkeit" zu eruieren.
4.5. Aus systematischer Warte ist festzuhalten, dass der Verbleibeanspruch je nachdem, welches der Grund für die dauernde Arbeitsunfähigkeit ist, eine Karenzfrist von zwei Jahren oder keine solche vorsieht. Besteht dieser in einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit, auf Grund derer ein Anspruch auf Rente entsteht, so entfällt die Voraussetzung eines vorgängigen zweijährigen Aufenthaltes (Art. 2 Abs. 1 lit. b Satz 2 der Verordnung Nr. 1251/70). In Auslegung dieser Bestimmung hat das Bundesgericht festgehalten, dass bei der Beurteilung der dauernden Arbeitsunfähigkeit in der Regel auf die Abklärungen und die Beurteilung der zuständigen IV-Stelle abzustellen sei. Nur wenn die IV-rechtliche Ausgangslage als Vorfrage zum Bewilligungsentscheid klar und eindeutig erscheint, könne die Migrationsbehörde über die Frage befinden, ohne den Entscheid der IV-Behörde abzuwarten (BGE 141 II 1 E. 4.2.1). Im Urteil 2C_ 1034/2016 hat das Bundesgericht zudem klargestellt, dass eine von der IV-Stelle attestierte Fähigkeit zur Ausübung einer angepassten Tätigkeit der Annahme einer dauernden Arbeitsunfähigkeit entgegenstehe (Urteile 2C_1034/2016 vom 13. November 2017 E. 4.1 und 4.3; 2C_545/2015 vom 14. Dezember 2015 E. 4.2).
4.6. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Zwar wird in der Literatur ein enger Begriff der Arbeitsunfähigkeit vertreten, insbesondere weil Art. 2 Abs. 1 lit. b der Verordnung Nr. 1251/70 auf die Arbeitsunfähigkeit und nicht auf den Invaliditätsgrad Bezug nimmt (vgl. Marc Spescha in: Migrationsrecht, Spescha/Zünd/Bolzli/Hruschka, de Weck [Hrsg.], 5. Aufl. 2019, N. 5 zu Art. 4 Anhang I FZA; Klaus Dienelt, in: Kommentar Ausländerrecht, 10. Auflage, 2013, N. 43 ff. zu Art. 4a FreizügG/EU). Dies ist jedoch abzulehnen. In Analogie zum Sozialversicherungsrecht, das bei der Beurteilung lang andauernder Arbeitsunfähigkeit auch zumutbare Tätigkeiten in einem anderen Beruf oder Aufgabenbereich berücksichtigt, ist ein Verbleibeanspruch gestützt auf Art. 2 Abs. 1 lit. b der Verordnung Nr. 1251/70 zu verneinen, wenn keine gesundheitlichen Gründe den Wanderarbeitnehmer hindern, einer angepassten Arbeit nachzugehen.
4.7. Gegen eine enge Auslegung des Begriffs der "dauernden Arbeitsunfähigkeit" sprechen insbesondere auch teleologische Gründe. Zu Recht hält die Vorinstanz fest, dass das Freizügigkeitsabkommen den Wanderarbeitnehmern, die in ihrem angestammten Berufsfeld nicht mehr arbeiten können, nicht ein allgemeines Verbleiberecht einräumt. Ein Ausländer, welcher gestützt auf sein Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmer in die Schweiz kommt, kann nicht davon ausgehen, in der Schweiz immer die gleiche Arbeit verrichten zu können.
4.8. Ein auf eine enge Auslegung des Begriffs der dauernden Arbeitsunfähigkeit beruhendes Verbleiberecht kann auch nicht dem in Art. 2 FZA verankerten Grundsatz der Nichtdiskriminierung entnommen werden. Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts verbietet Art. 2 FZA nicht generell und absolut jede Ungleichbehandlung von Staatsangehörigen einer der Vertragsparteien, die sich im Hoheitsgebiet der anderen Partei aufhalten (Urteil 2C_150/2016 vom 22. Mai 2017 E. 4.2.3). Wenn auch das Verbleiberecht ein wichtiger Bestandteil der Ausübung der Personenfreizügigkeit darstellt, insofern es dem sozialen Bedürfnis der Wanderarbeitnehmer entspricht, nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben im gewohnten Lebensumfeld verbleiben zu können, so gilt dieses nicht schrankenlos (vgl. Christina Schnell, Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Schweiz, 2010, S. 160 f.).
4.9. Zu berücksichtigen gilt es unter anderem auch, dass wer sich auf ein Verbleiberecht berufen kann, seine als Arbeitnehmer erworbenen Rechte behält und insbesondere auch Anspruch auf Sozialhilfe hat (Urteil 2C_262/2017 vom 16. Februar 2018 E. 3.2; BGE 141 II 1 E. 4.1 S. 11). Wenn der Begriff der dauernden Arbeitsunfähigkeit arbeitsplatzbezogen ausgelegt würde, hätte dies zur Folge, dass Wanderarbeitnehmer, die unfähig sind, im angestammten Beruf weiterzuarbeiten, grundsätzlich nach spätestens zwei Jahren einen zeitlich unbegrenzten Anspruch auf Sozialhilfe in der Schweiz erwerben, wenn sie die Voraussetzungen hierfür erfüllen. Das ist aber nicht der Sinn der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Dieser besteht in der Integration in den hiesigen Arbeitsmarkt, begründet jedoch keinen Anspruch auf Ausübung einer bestimmten Tätigkeit. Der Vorinstanz ist insofern zuzustimmen, dass dem Wanderarbeiter zugemutet werden kann, dass er sich um eine angepasste Arbeit bemüht, wenn es ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich ist, seine bisherige Tätigkeit auszuüben.
4.10. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Vorinstanz Art. 4 Anhang I FZA nicht verletzt hat, indem sie ein Verbleiberecht des Beschwerdeführers gestützt darauf verneinte, dass die IV-Stelle seine hundertprozentige Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit bestätigt hatte.
 
5.
Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb abzuweisen. Dem Verfahrensausgang entsprechend würde der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Für diesen Fall ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Rechtsfrage war bislang vom Bundesgericht nur beiläufig behandelt worden. Die Beschwerde war deshalb nicht aussichtslos und die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sind erfüllt. Demnach sind keine Gerichtskosten zu erheben und der Vertreter des Beschwerdeführers ist aus der Bundesgerichtskasse zu entschädigen.
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.
3. Es werden keine Kosten erhoben.
4. Rechtsanwalt Sven Gretler wird als unentgeltlicher Rechtsbeistand bestimmt. Er wird aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 2'500.-- entschädigt.
5. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Migration des Kantons Luzern, dem Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern, dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 12. November 2019
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Seiler
Die Gerichtsschreiberin: De Sépibus