BGer 1C_186/2019 |
BGer 1C_186/2019 vom 19.12.2019 |
1C_186/2019 |
Urteil vom 19. Dezember 2019 |
I. öffentlich-rechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Chaix, Präsident,
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Bundesrichter Kneubühler, Haag,
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Gerichtsschreiber Gelzer.
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Verfahrensbeteiligte |
1. A.________,
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2. B.________,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Politische Gemeinde Diepoldsau,
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vertreten durch den Gemeinderat, 9444 Diepoldsau,
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und dieser vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Bereuter,
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Sicherheits- und Justizdepartement
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des Kantons St. Gallen,
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Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen.
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Gegenstand
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Verkehrsanordnung Tempo-30-Zone,
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Beschwerde gegen den Entscheid
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des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen,
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Abteilung III, vom 20. Februar 2019 (B 2017/187).
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Sachverhalt: |
A. Auf dem Gebiet der Gemeinde Diepoldsau führt die Sternenbrücke über den Rheintaler Binnenkanal (RBK) zur Heldstrasse, die dort zunächst gegen Süden entlang dem Kanal verläuft und dann nach Osten abbiegt. Gemäss dem Strassenplan der Gemeinde Diepoldsau ist die Heldstrasse eine Gemeindestrasse zweiter Klasse. Am 25. August 2015 erliess der Gemeinderat Diepoldsau den Teilstrassenplan "Brücke über den RBK Sternenbrücke", der zusammen mit dem zugehörigen Strassenbauprojekt und den strassenbaulichen Massnahmen zur Umsetzung der Tempo-30-Zone "Heldstrasse" vom 29. August 2015 bis 27. September 2015 öffentlich auflag.
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B. Auf Antrag des Gemeinderats Diepoldsau verfügte das Polizeikommando St. Gallen am 8. September 2015 gestützt auf ein verkehrstechnisches Gutachten des Ingenieurbüros C.________ GmbH vom 19. August 2015 (nachstehend: Gutachten C.________) auf der Heldstrasse (Abschnitt Liegenschaften Nrn. 40-66), der Maientrattstrasse (Abschnitt Liegenschaft Nr. 7 bis Einmündung Heldstrasse), der Lehm- sowie der Elstemstrasse die Reduktion der Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h und die Signalisation als Tempo-30-Zone (Signal Nr. 2.30 integriert in Zonensignal Nr. 2.59.1).
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Am 9. September 2015 erliess das Polizeikommando bezüglich der alten und der neuen Sternenbrücke verschiedene Verkehrsanordnungen, die am 14. September 2015 veröffentlicht wurden. Dagegen und gegen die am 8. September 2015 verfügte Tempo-30-Zone "Heldstrasse" erhoben A.________ und B.________, die an der Heldstrasse wohnen, je einen Rekurs beim Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen (SJD). Dieses vereinigte die Rekursverfahren und wies die Rekurse nach der Durchführung eines Augenscheins mit Entscheid vom 24. August 2017 ab, soweit es darauf eintrat. Eine dagegen von A.________ und B.________ erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen mit Urteil vom 20. Februar 2019 ab, soweit es darauf eintrat.
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C. A.________ und B.________ erheben Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20. Februar 2019 und den Entscheid des SJD vom 24. August 2017 betreffend die Verkehrsanordnung der Tempo-30-Zone seien aufzuheben; die Verfügungen des Gemeinderats Diepoldsau betreffend die Tempo-30-Zone sowie die damit in Zusammenhang stehenden baulichen Massnahmen (Temposchwelle vor ihrem Sitzplatz) seien ebenfalls aufzuheben. Eventuell sei die Sache zur Korrektur des Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Das Verwaltungsgericht und das SJD schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Die Politische Gemeinde Diepoldsau beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
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In ihrer Replik halten die Beschwerdeführer an ihren Beschwerdeanträgen fest.
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Erwägungen: |
1. |
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid betreffend eine Verkehrsanordnung. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG; Urteil 1C_618/2018 vom 20. Mai 2019 E. 1). Die Beschwerdeführer sind beschwerdelegitimiert, da sie am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen haben und sie im Gebiet der strittigen Tempo-30-Zone wohnen und folglich davon besonders betroffen sind (Art. 89 Abs. 1 BGG; BGE 136 II 539 E. 1.1 S. 542 f.). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten.
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Die Verfügung der Gemeinde Diepoldsau betreffend die Errichtung einer Temposchwelle an der Heldstrasse 68A fochten die Beschwerdeführer erfolglos beim Baudepartement und beim Verwaltungsgericht an. Diese Verfügung bildet daher nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens, weshalb auf den Antrag, diese Verfügung aufzuheben nicht einzutreten ist.
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1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig bzw. willkürlich ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 135 III 397 E. 1.5). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz ergänzen will, hat mit Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2 S. 90).
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1.3. Die Beschwerdeführer möchten den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt dahingehend ergänzen, dass nach der Durchführung der ersten Geschwindigkeitsmessung A an der Heldstrasse 46 in unmittelbarer Nähe des Messorts eine Temposchwelle errichtet worden sei. Die Beschwerdeführer legen jedoch nicht dar, dass sie diese Tatsachenbehauptung bereits im vorinstanzlichen Verfahren prozesskonform eingebracht haben, weshalb sie als neu und unzulässig zu qualifizieren ist.
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2. |
2.1. Das Verwaltungsgericht stellte fest, es sei nicht umstritten, dass die erforderlichen Sichtweiten gemäss der Darstellung im Gutachten C.________ (S. 8-14) ab privaten Grundstücken, insbesondere auch von dort situierten Parkplätzen, an zahlreichen Stellen entlang der Heldstrasse die massgeblichen Normen nicht einhalten.
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2.2. Die Beschwerdeführer rügen, diese Feststellung sei nicht korrekt. Die Sichtweiten seien umstritten bzw. nicht bekannt, weil sie gestützt auf das Gutachten C.________ oder andere Verfahrensakten nicht ermittelbar seien. Die Sichtweiten hätten daher nur mit einem Augenschein und Ausmessungen vor Ort bestimmt werden können. Das Verwaltungsgericht habe daher mit der Verweigerung des Augenscheins ihr verfassungsmässiges Recht auf rechtliches Gehör verletzt.
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2.3. Die Beschwerdeführer zeigen nicht auf, dass sie im kantonalen Verfahren die im Gutachten angeführten ungenügenden Sichtweiten bestritten. Dies ist auch nicht ersichtlich, da sie in der Begründung ihrer kantonalen Beschwerde ausführten, auf den Fotos im Gutachten C.________ seien auf den Seiten 9 ff. diverse Bäume, Hecken und Zäune, allenfalls Bauten ersichtlich; zur Herstellung der gesetzlich vorgesehenen Sichtweiten müssten diese lediglich entfernt, verschoben oder geschnitten werden. Damit anerkannten die Beschwerdeführer die im Gutachten aufgezeigten ungenügenden Sichtweiten. Das Verwaltungsgericht durfte daher willkürfrei annehmen, der Sachverhalt sei insoweit unbestritten bzw. anerkannt, weshalb es das rechtliche Gehör der Beschwerdeführer nicht verletze, wenn es zur Abklärung der Sichtweiten auf einen Augenschein verzichtete.
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Soweit die Beschwerdeführer im bundesgerichtlichen Verfahren geltend machen, gemäss der Tabelle 1 der Ziff. 12.1 der Schweizer Norm (SN) 640 273a betrage die Sichtweite bei einer 85%-Geschwindigkeit von 33 km/h knapp über 20 m, verkennen sie, dass diese Tabelle auf die zulässige Höchstgeschwindigkeit des vortrittsberechtigten Fahrzeugs abstellt (vgl. SN 640 273a Ziff. 9). Da diese Geschwindigkeit vorliegend 50 km/h beträgt, sieht die genannte Tabelle Sichtweiten von 50 - 70 m vor. Dass diese Sichtweiten vorliegend gewährleistet sind, machen die Beschwerdeführer auch im bundesgerichtlichen Verfahren nicht geltend.
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3. |
3.1. Der Bundesrat beschränkt die Geschwindigkeit der Motorfahrzeuge auf allen Strassen (Art. 32 Abs. 2 SVG). Die von ihm festgesetzte Höchstgeschwindigkeit kann für bestimmte Strassenstrecken von der zuständigen Behörde herab- oder heraufgesetzt werden (Art. 32 Abs. 3 SVG). Nach Art. 108 Abs. 2 der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV; SR 741.21) können die allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten herabgesetzt werden, wenn eine Gefahr nur schwer oder nicht rechtzeitig erkennbar und anders nicht zu beheben ist (lit. a), wenn bestimmte Strassenbenützer eines besonderen, nicht anders zu erreichenden Schutzes bedürfen (lit. b), auf Strecken mit grosser Verkehrsbelastung der Verkehrsablauf verbessert werden oder (lit. c), dadurch eine im Sinne der Umweltschutzgesetzgebung übermässige Umweltbelastung (Lärm, Schadstoffe) vermindert werden kann (lit. d). Aus diesen Gründen kann innerorts für bestimmte Strassenstrecken die Signalisation einer Tempo-30-Zone angeordnet werden (Art. 108 Abs. 5 lit. e SSV). Die Herabsetzung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit kann nur auf Grund eines Gutachtens erfolgen (Art. 32 Abs. 3 SVG). Dieses soll abklären, ob die Herabsetzung nötig, zweck- und verhältnismässig ist oder ob andere Massnahmen vorzuziehen sind (Art. 108 Abs. 4 SSV). Gemäss Art. 3 der Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen vom 28. September 2001 umfasst das Gutachten namentlich (a) die Umschreibung der Ziele, die mit der Anordnung der Zone erreicht werden sollen, (b) einen Übersichtsplan mit der auf Grund des Raumplanungsrechts festgelegten Hierarchie der Strassen einer Ortschaft oder von Teilen einer Ortschaft, (c) eine Beurteilung bestehender und absehbarer Sicherheitsdefizite sowie Vorschläge für Massnahmen zu deren Behebung und (d) Angaben zum vorhandenen Geschwindigkeitsniveau (50-Prozent-Geschwindigkeit V50 und 85-Prozent-Geschwindigkeit V85). Diese Anforderungen an das Gutachten sind vor dem Hintergrund des Zwecks der Geschwindigkeitsbeschränkung zu sehen. So hat die Beurteilung bestehender und absehbarer Sicherheitsdefizite eine andere Bedeutung, je nachdem, ob mit der Herabsetzung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit einer Gefahr begegnet oder der Verkehrsablauf verbessert werden soll. Sodann sind die örtlichen Gegebenheiten von Bedeutung. Umfangreiche Untersuchungen können beispielsweise bei Nationalstrassen oder verkehrsreichen Kantonsstrassen nötig sein. Dagegen genügt bei wenig befahrenen Quartierstrassen unter Umständen eine Beschreibung der Örtlichkeiten. Entscheidend ist, dass die zuständige Behörde die erforderlichen Informationen besitzt, um zu beurteilen, ob eine der Tatbestandsvarianten von Art. 108 Abs. 2 SSV erfüllt ist und ob die Massnahme zweck- und verhältnismässig ist (BGE 139 II 145 E. 4.3 S. 153; Urteile 1C_370/2011 vom 9. Dezember 2011 E. 2.5; 1C_206/2008 vom 9. Oktober 2008 E. 2.2 mit Hinweisen).
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3.2. Das Verwaltungsgericht kam zum Ergebnis, das Gutachten Bieri vermittle die notwendigen Informationen. Es führe als konkrete Ziele der vorliegend streitigen Tempo-30-Zone die Erhöhung der Sicherheit, den Schutz von Kindern und betagten Personen, das Fernhalten von Transitverkehr sowie die Erhöhung der Wohnqualität auf und setze diese Ziele in Zusammenhang mit der Einführung der Tempo-30-Zone. Eine Hierarchie der Strassen mit Abbildung liege ebenso vor wie eine Beurteilung der Sicherheitsdefizite mit Massnahmen zu deren Behebung einschliesslich zahlreicher Fotos. Auch äussere sich das Gutachten zur bestehenden sowie angestrebten Qualität des Heldquartiers als Wohn-, Lebens- und Wirtschaftsraum sowie zum vorhandenen Geschwindigkeitsniveau (V85 von 33 resp. 34 km/h an der Heldstrasse 68b, und von 53 resp. 44 km/h an der Heldstrasse 46). Das Ingenieurbüro C.________ habe die erhobenen Messresultate am 8. und 17. Dezember 2015 erläutert. Ferner zeige das Gutachten die möglichen Auswirkungen der Temporeduktion auf das übrige Gemeindegebiet und die gemäss Konzeptplan Tempo 30 vom 20. August 2015 erforderlichen (baulichen) Massnahmen auf, die beispielhaft mit Bildern hinterlegt seien. Das Gutachten Bieri erweise sich damit als vollständig und nachvollziehbar.
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3.3. Die Beschwerdeführer rügen, das Gutachten sei mangelhaft. Die Geschwindigkeitsmessung A mit einer 85%-Geschwindigkeit von 53 km/h hätte nicht beigezogen werden dürfen, weil in der Nähe des Messorts nachträglich eine Temposchwelle eingebaut worden sei, was bei der zweiten Messung B an diesem Ort zu einer Senkung dieser Geschwindigkeit auf 44 km/h geführt habe. Gemäss den verbleibenden Messungen B, C und D habe sich das durchschnittliche Geschwindigkeitsniveau V85 auf 37 km/h gesenkt, womit es 13 km/h unter 50 km/h liege. Die in der beigezogenen SN 640 273a vorgesehenen Sichtweiten könnten gestützt auf die im Gutachten wiedergegebenen Fotos nicht ermittelt werden, weil diese nicht von den massgeblichen Beobachtungspunkten aus aufgenommen worden seien. Zudem liste das Gutachten entgegen Art. 3 lit. d SSV nur die 85%-Geschwindigkeit nicht jedoch die 50%-Geschwindigkeit auf.
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3.4. Das Gutachten C.________ zeigt auf S. 16 f. bezüglich der vier Geschwindigkeitsmessungen (A, B, C und D), die an zwei Orten in jeweils entgegengesetzter Fahrtrichtung während jeweils unterschiedlichen Zeitperioden vorgenommen wurden, einerseits die 85%-Gschwindigkeiten und den durchschnittlichen täglichen Verkehr (DTV). Zudem werden zu diesen Messungen je in einer Tabelle die Anzahl der Fahrzeuge je Geschwindigkeitsklassen (bis zu 40, 50, 60, 70, 80 km/h und über 80 km/h) angegeben. Wie bereits dargelegt, ist die Behauptung der Beschwerdeführer, nach der Geschwindigkeitsmessung A an der Heldstrasse 46 sei in der Nähe des Messorts eine Temposchwelle eingebaut worden, nicht zu hören (vgl. E. 1.3 hievor). Unabhängig davon wurde am gleichen Ort bei der Messung B eine wesentlich über 30 km/h liegende 85%-Geschwindigkeit von 44 km/h gemessen, wobei 68 Fahrzeuge mit Geschwindigkeiten über 50 km/h fuhren (vgl. Bild 23 des Gutachtens). Das Gutachten liefert damit einen guten Überblick über das aktuelle Geschwindigkeitsniveau, auch wenn die 50%-Geschwindigkeiten nicht explizit ausgewiesen werden (vgl. Urteil 1C_370/ 2011 vom 9. Dezember 2011 E. 2.6). Bezüglich der Beschreibung der Örtlichkeiten sind keine hohen Anforderungen an das Gutachten zu stellen, da die Heldstrasse eine siedlungsorientierte Strasse mit geringem Verkehrsaufkommen ist. Es genügt daher, wenn das Gutachten C.________ zur Veranschaulichung der Gefahrenstellen Fotos ungefähr aus der Sicht des vortrittsberechtigten Fahrzeugs zum Beobachtungspunkt des vortrittsbelasteten Fahrzeugs enthält (Bilder 5 - 17). Dies wird dadurch bestätigt, dass die Unterschreitung der wünschbaren Sichtweiten nicht umstritten ist (vgl. E. 2.3 hievor). Unter diesen Umständen durfte das Verwaltungsgericht bundesrechtskonform davon ausgehen, es habe die erforderlichen Informationen besessen, um zu beurteilen, ob eine der Voraussetzungen von Art. 108 Abs. 2 SSV erfüllt und die angeordnete Tempo-30-Zone zweck- und verhältnismässig ist.
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4. |
4.1. Das Verwaltungsgericht kam zum Ergebnis, die strittige Tempo-30-Zone erfülle zumindest den Herabsetzungsgrund von Art. 108 Abs. 2 lit. b SSV, wonach bestimmte Strassenbenützer eines besonderen, nicht anders zu erreichenden Schutzes bedürfen. Zur Begründung führte es zusammengefasst aus, da die durchschnittliche 85%-Geschwindigkeit aller vier Messungen an der Heldstrasse 41 km/h betrage, stellten die unzureichenden Sichtzonen und Strassenabstände nicht nur für Fussgänger, insbesondere Betagte und Kinder, sondern auch für Velofahrer, für Kinder mit fahrzeugähnlichen Geräten wie auch für Motorfahrzeuge erhebliche Gefährdungen dar, die durch die Tempo-30-Zone verringert werden könnten. Dies gelte auch deshalb, weil durch den Neubau der für den Verkehr bisher gesperrten Sternenbrücke auf der Heldstrasse Mehrverkehr entstehen könnte. Da über diese Strasse und die Maientrattstrasse Velowege von kantonaler Bedeutung führten und diese auch Bestandteil des überörtlichen Wanderwegnetzes bildeten, sei zudem von einer grösseren Zahl von Fussgängern und Velofahrern auszugehen. Bei dieser Ausgangslage sei mit dem SJD davon auszugehen, die Entfernung, die Verschiebung oder der Schnitt von Bäumen, Hecken und Zäunen an Gefahrenstellen lasse die Einführung einer Tempo-30-Zone für sich allein nicht als unnötig erscheinen. Dies umso mehr, als die erforderlichen Sichtweiten bei Tempo-50 und Tempo-30 unterschiedlich seien.
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4.2. Die Beschwerdeführer rügen, es treffe nicht zu, dass vorliegend gemäss Art. 108 Abs. 2 lit. b SSV bestimmte Strassenbenützer eines besonderen, nicht anders zu erreichenden Schutzes bedürften. Die vorinstanzliche Angabe, wonach Kinder und Betagte schutzbedürftig seien, treffe auf alle Quartiere zu. Inwieweit dieses Schutzbedürfnis im Heldquartier besonders hoch sei, ergebe sich weder aus dem Gutachten C.________ noch aus dem vorinstanzlichen Entscheid und sei auch nicht ersichtlich, weil dieses Quartier keine Schulen, Kindergärten und auch keine Alters- oder Pflegeheime aufweise. Da die Sichtweiten nicht bekannt seien, könne nicht gesagt werden, diese würden den Normen nicht entsprechen. Die möglicherweise ungenügenden Sichtweiten an den Gefahrenstellen Nr. 4 - 10 könnten durch das Stutzen oder Versetzen von Bäumen, Büschen und Hecken verhindert werden. Der im Bild zur Gefahrenstelle Nr. 2 vor dem Lichtmast erkennbare Gegenstand, der die Sichtweise einschränke, könne mit minimalem Aufwand verschoben werden. Die Büsche, welche bei der Gefahrenstelle Nr. 3 die Sichtweite einschränkten, könnten mit der Baumschere zurückgeschnitten werden. Würden Sichtfelder durch parkierte Autos übermässig eingeschränkt, müssten diese umparkiert werden.
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4.3. Das Bundesgericht prüft mit freier Kognition, ob die Anordnung von Tempo 30 zulässig ist. Es übt jedoch Zurückhaltung, soweit die Zulässigkeit von einer Würdigung der örtlichen Verhältnisse abhängt, welche die zuständigen Behörden besser kennen als das Bundesgericht. Verkehrsbeschränkungen der hier in Frage stehenden Art sind zudem regelmässig mit komplexen Interessenabwägungen verbunden. Die zuständigen Behörden besitzen dabei einen erheblichen Gestaltungsspielraum (BGE 139 II 145 E. 5 S. 167; Urteil 1C_618/2018 vom 20. Mai 2019 E. 2.2 mit weiterem Hinweis).
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4.4. Selbst wenn das Heldquartier keine Institutionen für Kinder oder betagte Personen aufweist, ist mit den Beschwerdeführern davon auszugehen, dass in diesem Quartier Personen jeden Alters und damit auch Kinder und betagte Personen wohnen. Dass solche Personen, wenn sie sich zu Fuss oder mit Velos an den im Gutachten angeführten Gefahrenstellen auf die Heldstrasse begeben oder diese überqueren, bei der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h aufgrund der ungenügenden Sichtweiten gefährdet sind, widerlegen die Beschwerdeführer nicht. Sie machen zwar geltend, die Sichtweiten könnten durch das Zurückschneiden von Hecken, Büschen und Bäumen vergrössert werden. Jedoch ist fraglich, ob und in welchem Umfang von den Grundeigentümern das Zurückschneiden oder Versetzen von Pflanzungen verlangt werden kann, welche für die Anwohner Sicht- und Lärmschutz bilden. Sodann bestünde die Gefahr, dass die Pflanzungen nach dem Zurückschneiden wieder nachwachsen, so dass diese Massnahme untauglich erscheint, die Verkehrssicherheit in relevanter Weise zu erhöhen. Die Beschwerdeführer widerlegen auch nicht, dass gemäss dem Gutachten C.________ in der Tempo-30-Zone "Heldstrasse" viele Abstellplätze für Personenwagen die Sicht für Fussgänger, Velofahrer, Kinder mit fahrzeugähnlichen Gegenständen oder Fahrzeuge ab privaten Grundstücken übermässig beschränken können. Inwiefern die Aufhebung dieser Abstellplätze unter der Berücksichtigung der Bestandesgarantie verlangt werden könnte und verhältnismässig wäre, zeigen die Beschwerdeführer nicht auf. Unter diesen Umständen verletzten die kantonalen Behörden das ihnen zustehende Ermessen bei der Beurteilung der örtlichen Verhältnisse nicht, wenn sie davon ausgingen, vorliegend bedürften Kinder und betagte Personen als Strassenbenützer im Sinne von Art. 108 Abs. 2 lit. b SSV aufgrund der im Gutachten angeführten ungenügenden Sichtweiten eines besonderen Schutzes. Dieses Schutzbedürfnis wird dadurch verstärkt, dass über die Held- und die Maientrattstrasse Velo- und Wanderwege führen und daher unabhängig davon, ob diese Wege von regionaler oder kantonaler Bedeutung sind, mit einer erhöhten Zahl von Velofahrern und Wanderern zu rechnen ist. Demnach durfte das Verwaltungsgericht die Voraussetzung von Art. 108 Abs. 2 lit. b SSV bejahen. Es musste daher nicht prüfen, ob zusätzlich im Sinne von Art. 108 Abs. 2 lit. a SSV eine Gefahr nur schwer oder nicht rechtzeitig erkennbar ist. Auf die Ausführungen der Beschwerdeführer zu einer solchen Gefahr braucht daher nicht eingegangen zu werden.
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5. |
5.1. Schliesslich kam das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, die Anordnung der Tempo-30-Zone "Heldstrasse" sei verhältnismässig, da der dadurch für die Beschwerdeführer bewirkte geringfügige Zeitverlust das gewichtige Interesse an der Erhöhung der Sicherheit von betagten Personen und Kindern, klarerweise nicht überwiege. Ferner wirke die Geschwindigkeitsreduktion einem möglichen Transitverkehr über die neue Sternenbrücke entgegen und trage zur Senkung der Lärmbelastung bei, was für die Beschwerdeführer nicht nachteilig sei.
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5.2. Die Beschwerdeführer setzen sich mit dieser Erwägung nicht auseinander und legen nicht dar, inwiefern die strittige Tempo-30-Zone ihre Rechte unverhältnismässig einschränken könnte, was auch nicht ersichtlich ist. Sie wenden zwar ein, es sei unnötig und damit unverhältnismässig, die Maientrattstrasse mit einer Tempo-30-Zone zu belegen, weil für diese Strasse abgesehen vom Zubringerdienst bereits ein Fahrverbot für Motorwagen und -räder gelte. Insoweit sind die Beschwerdeführer jedoch nicht beschwerdelegitimiert, da sie nicht darlegen, inwiefern sie als Anwohner der Heldstrasse von einer Temporeduktion auf der Maientrattstrasse, die für den Motorfahrzeugverkehr grundsätzlich gesperrt ist, besonders betroffen sein sollen.
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6. Gemäss den vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten den unterliegenden Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die anwaltlich vertretene Gemeinde Diepoldsau hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung, da sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegte (Art. 68 Abs. 3 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.
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3. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
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4. Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Politischen Gemeinde Diepoldsau, dem Sicherheits- und Justizdepartement sowie dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung III, und dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 19. Dezember 2019
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Chaix
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Der Gerichtsschreiber: Gelzer
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