BGE 99 Ia 344
 
38. Urteil vom 20. Juli 1973 i.S. Ott gegen Kanton Schwyz
 
Regeste
Art. 4 BV; kantonales Steuerrecht.
 
Sachverhalt
A.- Prof. Hanns Ott, wohnhaft in Nussbaumen AG, besitzt in Willerzell (Kanton Schwyz) ein Ferienhaus. In seiner Steuererklärung 1969/70 für den Kanton Schwyz deklarierte er den Mietwert dieser von ihm selbst benützten Liegenschaft für die Jahre 1967/68 mit Fr. 1500.-- jährlich, wobei er Unterhaltskosten von je Fr. 750.-- in Abzug brachte, so dass sich ein Nettobetrag von Fr. 750.-- pro Jahr ergab. Prof. Ott wies in der Steuererklärung darauf hin, dass er sein Ferienhaus durchschnittlich an 46 Tagen pro Jahr benütze, verteilt auf 7 Aufenthalte, und dass das Haus nicht als Wochenendhaus diene.
B.- Die Steuerkommission des Kantons Schwyz setzte den Mietwert des Ferienhausses auf Fr. 3600.-- fest und liess Abzüge von insgesamt Fr. 1410.-- zu, worunter einen Unterhaltskostenabzug von Fr. 900.--, so dass für die Einkommenssteuer im Kanton Schwyz ein (abgerundeter) Betrag von Fr. 2100.-- resultierte.
Prof. Ott erhob gegen die Veranlagung Einsprache, welche von der kantonalen Steuerkommission, soweit es um die im Kanton Schwyz zu bezahlende Vermögenssteuer ging, gutgeheissen, mit Bezug auf die - hier einzig in Frage stehende - Einkommenssteuer indessen abgewiesen wurde. Dieser Entscheid wurde vom Pflichtigen ohne Erfolg an die Steuerrekurskommission und hernach an das Kantonsgericht des Kantons Schwyz weitergezogen.
C.- Im Anschluss an den letztinstanzlichen Beschwerdeentscheid des Kantonsgerichtes vom 15. Dezember 1972 führt Prof. Ott staatsrechtliche Beschwerde. Er rügt eine Verletzung von § 19 Abs. 1 lit. g des schwyzerischen Steuergesetzes und stellt den Antrag, die Entscheide des Kantonsgerichtes, der Steuerrekurskommission und der Steuerkommission seien aufzuheben und der Mietwert des Ferienhauses gemäss der erfolgten Selbsttaxation festzusetzen.
D.- Das Kantonsgericht und die Steuerkommission des Kantons Schwyz stellen den Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Beschwerdeführer stützt seine Beschwerde auf Art. 84 Abs. 1 lit. a OG und will damit offenbar eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend machen. Entgegen der Vorschrift des Art. 90 Abs. 1 OG hat er es indessen unterlassen, anzugeben, in welchem verfassungsmässigen Recht er sich als verletzt betrachtet. Die als verletzt bezeichnete Bestimmung des kantonalen Steuergesetzes enthält kein verfassungsmässiges Recht und kann insoweit auch nicht Grundlage für eine staatsrechtliche Beschwerde bilden. Nach dem Sinn der Beschwerdebegründung ist indessen anzunehmen, dass eine willkürliche, d.h. gegen Art. 4 der Bundesverfassung verstossende Handhabung des kantonalen Steuerrechtes gerügt werden will. Im Rahmen einer solchen Willkürbeschwerde hat das Bundesgericht nicht zu prüfen, welches die richtige Auslegung der streitigen kantonalen Rechtsnorm ist, sondern nur, ob die von der kantonalen Behörde vorgenommene Auslegung sich mit sachlichen Gründen vertreten lässt. Willkür liegt nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar wäre oder sogar richtiger erschiene; das Bundesgericht greift wegen Verletzung von Art. 4 BV vielmehr erst dann ein, wenn der angefochtene kantonale Entscheid offensichtlich unhaltbar ist (BGE 97 I 24 Nr. 4, 327, 352; BGE 96 I 627; BGE 93 I 6 /7; BGE 90 I 139).
3. Der Beschwerdeführer ficht nicht nur den Entscheid des Kantonsgerichtes, sondern auch die vorangegangenen Entscheide der Steuerrekurskommission und der Steuerkommission an. Gemäss Art. 87 OG kann sich jedoch eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV nur gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid richten. Nur dann, wenn die letzte kantonale Instanz beschränkte Prüfungsbefugnis hatte, kann nach der Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen neben dem letztinstanzlichen Entscheid gleichzeitig auch ein vorangegangener unterinstanzlicher Entscheid angefochten werden (BGE 94 I 461 ff; BGE 97 I 119 f, 226 f). Hier fällt dies jedoch nicht in Betracht, da das Kantonsgericht mit Bezug auf die streitige Frage freie Kognition hatte und sein Entscheid insoweit diejenigen der unteren kantonalen Instanzen ersetzte. Nur der Beschwerdeentscheid des Kantonsgerichtes kann daher Gegenstand der staatsrechtlichen Beschwerde bilden.
a) Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei im StG nirgends festgelegt, dass eine mögliche Nutzung von Vermögenswerten, die dem Steuerpflichtigen offengestanden hätte, auf die er jedoch verzichtet hat, als Einkommen zu versteuern wäre. Ein solcher Nutzungsverzicht liege zum Beispiel dann vor, wenn ein Geldbetrag auf einem Kontokorrent angelegt werde, der nur einen sehr geringen Zins abwerfe. Der Eigentümer verzichte auf eine hohe Verzinsung, habe aber den wirtschaftlichen Vorteil, dass ihm sein Geld jederzeit kurzfristig zur Verfügung stehe. Solange der Geldbetrag so angelegt bleibe, werde nur der geringe Zinsertrag als Einkommen versteuert; trotz des möglichen höheren Zinsertrages werde keine höhere Steuer erhoben; auch der potentielle, nicht genutzte wirtschaftliche Vorteil der freien Verfügbarkeit werde nicht besteuert. Dies entspreche einem allgemeinen Prinzip, auf dem die gesamte Einkommensbesteuerung beruhe. Der Fall eines zeitlich nur partiell genutzten Ferienhauses stehe in genauer Analogie zum genannten Beispiel. Ein nicht anderweitig vermietetes Ferienhaus gebe dem Eigentümer die Möglichkeit, es nach Belieben zu benützen. Die Verfügbarkeit des Objektes entspreche dem wirtschaftlichen Vorteil, der im angeführten Beispiel mit der kurzfristigen Verfügbarkeit des Kontokorrentgeldes verbunden sei. Da § 19 StG nicht ausdrücklich regle, wie der Mietwert eines Ferienhauses anzusetzen sei, müsse dieser Mietwert nach dem dargelegten allgemeinen Grundsatz bemessen werden, d.h. aufgrund der tatsächlichen Nutzung in der Berechnungsperiode, und insoweit, als eine anderweitige Nutzung möglich gewesen wäre, müsse eine Herabsetzung des Mietwertes erfolgen. Das Kantonsgericht habe zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, dass im vorliegenden Falle das Ferienhaus in der Berechnungsperiode nur an durchschnittlich 46 Tagen pro Jahr benützt worden sei und eine anderweitige Vermietung durchaus möglich gewesen wäre.
b) Demgegenüber führte das Kantonsgericht im angefochtenen Entscheid aus, wenn § 19 Abs. 1 lit. g StG vom Ertrag "der eigenen Wohnung" spreche, so bedeute das nicht, dass Zweit- oder Ferienwohnungen von der Einkommensbesteuerung ausgeschlossen seien. Entscheidend sei, dass der Steuerpflichtige, der sich eine eigene Zweitwohnung oder das eigene Ferienhaus zur jederzeitigen Eigenbenützung freihalte, sich und seiner Familie dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffe, indem die entsprechenden Auslagen für eine Miete erspart würden. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die steuerliche Behandlung ertragsloser Vermögensanlagen sei unbehelflich, da der Steuergesetzgeber den Mietwert der eigenen Wohnung ausdrücklich der Einkommensbesteuerung unterstellt habe. Wieweit die für den Eigengebrauch freigehaltene Zweitwohnung vom Eigentümer tatsächlich benützt werde, sei unbeachtlich, denn der wirtschaftliche Vorteil, dessentwegen die Besteuerung erfolge, liege nicht allein in der tatsächlichen Nutzung, sondern ebensosehr in der Sicherheit, die freigehaltene Wohnung bei Bedarf jederzeit benützen und über sie nach Belieben verfügen zu können. Lediglich dann, wenn die Wohnung oder das Ferienhaus zufolge der Lage oder wegen Mängeln der Konstruktion oder wegen fehlenden Einrichtungen nicht ganzjährig bewohnt werden könne, rechne die Praxis nur den während der Dauer der effektiven Bewohnbarkeit erzielbaren Ertrag zum steuerbaren Einkommen. Eine solche Ausnahme treffe hier nicht zu; das Ferienhaus des Beschwerdeführers sei das ganze Jahr bewohnbar und es werde auch in jeder Jahreszeit vom Beschwerdeführer benützt.
c) Allein aufgrund des Wortlautes von § 19 Abs. 1 lit. g StG lässt sich die aufgeworfene Streitfrage noch nicht beantworten. Die Vorschrift besagt nicht ausdrücklich, ob der Mietwert nach der Dauer der tatsächlichen Benützung oder nach der Dauer, während der die Wohnung zur eigenen Verfügung freigehalten wird, zu berechnen ist. Die Frage muss demnach auf dem Wege der Auslegung gelöst werden. Das Kantonsgericht wie auch die Steuerrekurskommission stellten dabei u.a. auf die einschlägige Judikatur zum Wehrsteuerrecht ab. Dies lässt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers grundsätzlich nicht beanstanden, da die entsprechende Vorschrift in Art. 21 Abs. 1 lit. b WStB im wesentlichen den gleichen Inhalt hat wie § 19 Abs. 1 lit. g StG. Jedenfalls hat der Beschwerdeführer nicht dargetan, dass sich das Wehrsteuerrecht im streitigen Punkt vom schwyzerischen Steuerrecht unterscheidet. Was aber das Wehrsteuerrecht anbelangt, ist längst anerkannt, dass der Mietwert immer dann voll anzurechnen ist, wenn der Eigentümer (oder Nutzniesser) sich eine Wohnung zur Verfügung hält, unbekümmert darum, ob er sie das ganze Jahr oder nur während eines Teils des Jahres oder gar nicht benützt (KÄNZIG, Die eidgenössische Wehrsteuer, Ergänzungsband 1972, N. 57 zu Art. 21, S. 55 f, mit zahlreichen Hinweisen auf Judikatur;BGE 72 I 224/25;BGE 75 I 248/49). Diese Regel gilt nach allgemeiner Auffassung auch für die kantonale Steuergesetzgebung, soweit sie eine Besteuerung des Mietwertes eigener Wohnungen vorsieht (BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 3. A., S. 145; SUTER, Die Besteuerung der Selbstbenutzung von Grundeigentum als Einkommen, Diss. Zürich 1958, S. 83 ff; REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, Komm. zum Zürcher StG, Bd. II, N. 11 ff. zu § 20, S. 245 ff; Hinweise auf kantonale Judikatur bei KÄNZIG, a.a.O.).
Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die steuerliche Behandlung eines zinslos angelegten Barvermögens ist, wie das Kantonsgericht mit Grund angenommen hat, unbehelflich. Dass sich der Steuerpflichtige die Eigennutzung von Liegenschaften als Einkommen anrechnen lassen muss, obwohl ihm dabei keine neuen Vermögensrechte zufliessen, beruht auf einer besonderen Bestimmung des Gesetzes. Sie stellt eine Ausnahme von der allgemeinen Regel dar, wonach derjenige, der eine in seinem Eigentum stehende Sache nutzt, kein Einkommen erzielt (REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, a.a.O. N.11). Massgebend ist dabei die Überlegung, dass der über eine eigene Wohnung verfügende Steuerpflichtige einerseits den Mietzins spart und anderseits die Schuldzinsen und Kosten für den Unterhalt und die Verwaltung des Gebäudes abziehen darf, während der Mieter für seine privaten Wohnbedürfnisse keinen Abzug vom Einkommen machen kann. Um die beiden Gruppen von Steuerpflichtigen gleich zu behandeln, wird dem Hauseigentümer der Mietwert der von ihm benützten Wohnung als Einkommen angerechnet.
Dass diese Regelung grundsätzlich auch dann gilt, wenn der Steuerpflichtige Eigentümer einer selbstbenützten Zweitwohnung oder Ferienwohnung ist, wird vom Beschwerdeführer zu Recht nicht in Frage gestellt. Er vertritt hingegen die Auffassung, dass in diesem Falle entsprechend dem Mass der tatsächlichen Benützung bzw. der Möglichkeit einer anderweitigen Vermietung eine Reduktion des anrechenbaren Mietwertes erfolgen müsse. Seine Argumente sind jedoch nicht stichhaltig. Dass für die Eigennutzung von Liegenschaften eine Sonderregelung gilt und der Hinweis auf die steuerliche Behandlung ertragslosen Barvermögens daher unbehelflich ist, wurde bereits dargelegt. Streitig kann einzig sein, ob bei der Zweitliegenschaft eine steuerbare Eigennutzung überhaupt vorliegt bzw. ob die Zweitwohnung neben der Hauptwohnung ebenfalls als "eigene Wohnung" im Sinne von § 19 Abs. 1 lit. g StG anzusehen ist. Diese Voraussetzung ist, wie das Kantonsgericht ohne Willkür und in Übereinstimmung mit der herrschenden Auffassung annehmen konnte, schon dann erfüllt, wenn der Eigentümer sich die Wohnung für den jederzeitigen Eigengebrauch freihält. Wie oft er sie in der Berechnungsperiode tatsächlich benützt hat und ob es rückblickend möglich gewesen wäre, das Haus während der unbenützten Zeiträume anderweitig zu vermieten, ist nicht entscheidend. Da ein Dritter, der nicht Eigentümer des Ferienhauses ist, dieses ganzjährig mieten müsste, um sich die jederzeitige Benützbarkeit zu sichern, liegt es durchaus im Sinne der gesetzlichen Regelung, demjenigen, der sich sein eigenes Ferienhaus zum jederzeitigen Gebrauch freihält, den vollen Jahresmietwert des Hauses anzurechnen. Nur dann, wenn das Ferienhaus praktisch bloss während eines Teils des Jahres bewohnt werden kann, müsste, wie auch das Kantonsgericht anerkannt hat, der anrechenbare Mietwert entsprechend herabgesetzt werden. Schliesslich wird in der Praxis das Vorliegen einer steuerpflichtigen Eigennutzung der Liegenschaft verneint, wenn diese lediglich deshalb leer steht, weil trotz ernsthafter Anstrengungen kein Mieter gefunden werden kann (vgl. KÄNZIG, a.a.O.). Im vorliegenden Fall trifft unbestrittenermassen keine dieser Ausnahmen zu. Der Beschwerdeführer macht ferner auch nicht geltend, dass der angenommene Mietwert des Ferienhauses schon an sich übersetzt sei. Seine Beschwerde ist deshalb, soweit auf sie eingetreten werden kann, abzuweisen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.