41. Auszug aus dem Urteil vom 24. September 1975 i.S. Liberale Partei des Kantons Luzern und Mitbeteiligte gegen Regierungsrat des Kantons Luzern.
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Regeste
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Art. 85 lit. a OG; kantonale Volksabstimmung.
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2. Auch wenn das kantonale Recht keine Vorschrift darüber enthält, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Nachzählung durchzuführen ist, kann der Regierungsrat als Aufsichtsbehörde im Bereich des Abstimmungswesens von Amtes wegen eine Nachkontrolle anordnen, falls dies nach der gegebenen Sachlage für die zuverlässige Resultatermittlung als geboten erscheint; die Abstimmung muss nur dann kassiert werden, wenn sich die Auswirkungen festgestellter Verfahrensmängel nicht durch die Nachkontrolle beseitigen lassen (E. 4).
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Sachverhalt
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Im Kanton Luzern fand am 26. Januar 1975 die Volksabstimmung über eine Teilrevision des Gesetzes über die Grundstückgewinnsteuer (GStG) statt. Das Justizdepartement des Kantons Luzern gab am Abstimmungssonntag um ca. 14.30 Uhr auf Grund der telefonischen Meldungen der Gemeinden das provisorische Abstimmungsergebnis bekannt. Danach war das Gesetz mit 17'812 Ja gegen 18'025 Nein verworfen worden. Um 15.45 meldete die Stadtkanzlei Luzern dem Justizdepartement, die telefonisch übermittelte Zahl der Stadt Luzern stimme nicht, da ein Urnenkreis versehentlich das Ergebnis einer gleichzeitig durchgeführten Gemeindeabstimmung gemeldet habe. Auf Grund dieser Berichtigung lautete das provisorische Ergebnis nun 17'917 Ja gegen 17'909 Nein. Das Gesetz war also entgegen der ersten Meldung ganz knapp angenommen. Das Justizdepartement teilte mit, dass das definitive Ergebnis nach einer Kontrolle der Abstimmungsverbale der Gemeinden festgestellt werde. Diese Kontrolle ergab, dass im Verbal der Gemeinde Flühli 20 Jastimmen weniger verzeichnet waren, als am Abstimmungssonntag dem Justizdepartement telefonisch mitgeteilt worden war. Das Abstimmungsresultat lautete nun dahin, dass das Gesetz mit 17'897 Ja gegen 17'909 Nein mit einer Mehrheit von 12 Neinstimmen verworfen war. Dieses Ergebnis gab das Justizdepartement am Dienstag, den 28. Januar, in einer Pressemitteilung als "definitives Ergebnis" bekannt.
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Der Grosse Rat des Kantons Luzern war am 28. Januar 1975 versammelt. Bei dieser Gelegenheit ersuchten zwei Ratsmitglieder, das Abstimmungsmaterial überprüfen zu lassen. Der Regierungsrat beauftragte am 30. Januar 1975 das Justizdepartement, das Abstimmungsergebnis durch eine Nachzählung der Stimmzettel zu überprüfen. Diese Nachkontrolle ergab, dass die Urnenbüros in verschiedenen Gemeinden oder Gemeindekreisen Ja- und Neinstimmen verwechselt oder falsch gezählt hatten und dass demnach die in den entsprechenden Verbalen angegebenen Zahlen nicht stimmten. Die Differenzen waren zum grossen Teil nicht sehr bedeutend und betrafen vielfach nur eine bis zwei Stimmen. In einigen Gemeinden waren hingegen grössere Fehler gemacht worden. Im Kreis Kirchbühl der Gemeinde Kriens waren 50 Jastimmen als Neinstimmen, in Richenthal 14 Neinstimmen als Jastimmen gezählt worden; in Rickenbach waren 10 Neinstimmen zuviel gezählt worden. Im gesamten ergab die Nachzählung eine Erhöhung der Jastimmen um 41 und eine Verminderung der Neinstimmen um 38. Dadurch veränderte sich das Mehr von 12 Nein in ein Mehr von 67 Ja. Gestützt auf dieses Ergebnis der Nachzählung berichtigte der Regierungsrat am 31. Januar 1975 das Abstimmungsergebnis und stellte fest, dass die Änderung des Gesetzes mit 17'938 Ja gegen 17'871 Nein angenommen worden sei.
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Gegen diese Abstimmung haben die Liberale Partei des Kantons Luzern und verschiedene Stimmberechtigte Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Die Begründung der einzelnen Beschwerden ergibt sich, soweit erforderlich, aus den nachfolgenden Erwägungen. Das Bundesgericht hat die Beschwerden abgewiesen.
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Aus den Erwägungen:
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3. Das vom Verfassungsrecht des Bundes gewährleistete Stimmrecht gibt dem Bürger unter anderem Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Stellt das Bundesgericht in dieser Hinsicht Unregelmässigkeiten fest, die das Abstimmungsresultat beeinflusst haben könnten, so hebt es die betreffende Abstimmung auf. Dabei verlangt es nicht, dass der Bürger den Nachweis dafür erbringt, dass die gerügten Unregelmässigkeiten das Resultat tatsächlich beeinflusst haben. Es genügt, wenn nach den Umständen eine Beeinflussung als möglich erscheint. Ob das zutrifft, entscheidet der Staatsgerichtshof in freier Prüfung. Er prüft auch die Auslegung kantonaler Vorschriften, die Umfang und Inhalt des kantonalen Stimm- und Wahlrechts normieren oder mit diesem in engem Zusammenhang stehen, grundsätzlich frei, tatsächliche Feststellungen der kantonalen Behörden dagegen bloss unter dem Gesichtswinkel der Willkür (BGE 100 Ia 238, BGE 98 Ia 78).
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Die Beschwerdeführer Keiser und Isenschmid beanstanden den Inhalt des erläuternden Berichts, den der Regierungsrat, wie es § 37 Abs. 1 des luzernischen Gesetzes über die Volksabstimmungen (VAG) vorsieht, mit dem Text der Vorlage den Stimmberechtigten zustellte. Es stellt sich die Frage, ob diese Rüge nicht sofort, vor der Abstimmung, hätte vorgebracht werden müssen. Nach der Rechtsprechung verwirkt ein Stimmberechtigter grundsätzlich das Recht zur Anfechtung eines Abstimmungsergebnisses, wenn er es unterlässt, Fehler bei der Vorbereitung des Urnengangs sofort durch Einsprache oder Beschwerde zu rügen, damit der Mangel noch vor der Abstimmung behoben werden kann und diese nicht wiederholt zu werden braucht (BGE 99 Ia 644). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gehören zu den Anordnungen, gegen welche allfällige Einwände sofort und nicht erst nach der Abstimmung geltend zu machen sind, auch die amtlichen Botschaften und erläuternden Berichte zu Sachvorlagen (vgl. BGE 98 Ia 620 ff.; nicht veröffentlichtes Urteil Messerli vom 29. Juni 1961, E. 3). Allerdings lässt sich nicht in allgemeiner Weise sagen, die Kritik an einem Bericht, die nicht schon vor der Abstimmung vorgebracht wurde, könne hinterher nicht mehr erhoben werden. Es kommt auf die Verhältnisse des Einzelfalls und darauf an, ob dem Beschwerdeführer ein sofortiges Handeln zuzumuten war (BGE 98 Ia 620, BGE 89 I 87; vgl. auch BGE 98 Ia 70, BGE 93 I 439, BGE 89 I 442 f.). Da der Bericht vom Regierungsrat ausging, hätten die Beschwerdeführer nach der luzernischen Gesetzgebung und Praxis wohl kein kantonales Rechtsmittel ergreifen können, um den angeblichen Mangel zu rügen. Als einziger Rechtsbehelf wäre die staatsrechtliche Beschwerde in Frage gekommen. Hätten die Beschwerdeführer, wie es ihr Recht gewesen wäre, die 30-tägige Beschwerdefrist, die mit der Zustellung des Berichts am 9. Dezember 1974 zu laufen begann und vom 18. Dezember 1974 bis 1. Januar 1975 stillstand, ausgenützt, so wäre es zeitlich nicht mehr möglich gewesen, den Mangel noch irgendwie - sei es durch Verschiebung der Abstimmung, sei es durch Zustellung eines neuen oder ergänzenden Berichts - vor dem 26. Januar 1975, dem Abstimmungstag, zu beheben. Bei dieser Sachlage war vernünftigerweise den Beschwerdeführern nicht zuzumuten, den Mangel vor der Abstimmung mit staatsrechtlicher Beschwerde zu rügen.
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Man kann sich jedoch fragen, ob die Beschwerdeführer ihre Einwände dem Regierungsrat nach der Zustellung des Berichts sonstwie zur Kenntnis hätten bringen müssen. Der Regierungsrat hätte so die Stichhaltigkeit der Einwände überprüfen und allfällige Mängel des Berichts noch vor der Abstimmung beheben können. Wie es sich damit verhält, mag indessen dahingestellt bleiben, da sich die Beschwerde in diesem Punkte, wie im folgenden näher auszuführen ist, ohnehin als unbegründet erweist.
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Nach § 37 Abs. 1 des Abstimmungsgesetzes ist im erläuternden Bericht auch der Standpunkt einer beachtlichen Minderheit des Grossen Rates angemessen zu berücksichtigen. Keiser und Isenschmid behaupten, der Regierungsrat sei dieser Vorschrift nicht nachgekommen. Sie begründen die Behauptung in ihrer Beschwerde aber mit keinem Wort, sodass darauf nach Art. 90 OG nicht einzutreten ist. Auf die in der Beschwerdeergänzung enthaltene Begründung kann ebenfalls nicht eingegangen werden. Sie hätte, da nicht erst die Vernehmlassung des Regierungsrates dazu Anlass bot, ohne weiteres schon in der Beschwerdeschrift selbst vorgebracht werden können (BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 400). Wäre auf die Rüge einzugehen, so würde sie sich nicht als stichhaltig erweisen. § 37 Abs. 1 des Abstimmungsgesetzes lässt dem Regierungsrat einen erheblichen Spielraum des Ermessens. Diese Bestimmung schreibt nicht vor, dass in der Botschaft die Gründe dargelegt werden müssten, welche die Gegner der Vorlage im Grossen Rat vorbrachten. Es ist bloss der Standpunkt einer beachtlichen Minderheit angemessen zu berücksichtigen. Der Regierungsrat führte gleich zu Beginn der Botschaft, an einer Stelle, die vom Leser nicht zu übersehen war, aus: "Eine Minderheit hatte die Vorlage besonders im Hinblick auf die darin neu vorgesehene Staatsbeteiligung am Grundstückgewinnsteuerertrag bekämpft." Damit war klargestellt, dass im Grossen Rat eine Gegnerschaft bestand und welches ihr Hauptargument war. In einem besondern Abschnitt sprach sich der Regierungsrat über die Beteiligung des Kantons am Steuerertrag aus. Er nahm damit auf den Haupteinwand der Gegner Bezug, wobei er freilich bloss darlegte, weshalb dieser Einwand nach seiner Ansicht nicht stichhaltig sei. Er nahm aber auch damit insofern auf den Standpunkt der Minderheit Rücksicht, als er deren wesentlichen Ablehnungsgrund nicht überging, sondern dazu ausführlich Stellung nahm. Wenn es auch je nach der Zahl der Gegner im Grossen Rat angezeigt gewesen sein mochte, die Gründe der Minderheit, wie sie vermutlich im Parlament vorgebracht worden waren, kurz darzulegen, so kann doch nicht gesagt werden, der Regierungsrat habe den Spielraum des Ermessens überschritten, den ihm das Gesetz in der Berücksichtigung des Standpunktes der Minderheit einräumt.
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Die Beschwerdeführer Keiser und Isenschmid werfen dem Regierungsrat ferner eine irreführende Beeinflussung der Stimmbürger vor, weil er in der Botschaft ausführte, die Gemeinden erhielten einen Anteil (des Steuerertrages), der ihre bisherigen Ertragsmöglichkeiten im Durchschnitt gesehen sogar noch etwas verbessere. Auch mit dieser Rüge vermögen sie nicht durchzudringen. Sie erklären, die Behauptung des Regierungsrats könne nicht belegt werden. Sie müssten aber ihrerseits dartun, dass sie falsch und damit irreführend ist. Sie erklären allerdings, durch die Ausklammerung des Geschäftsvermögens aus dem Geltungsbereich des GstG sei in Gemeinden mit grossen Grundstückgewinnsteuererträgen (Luzern und Umgebung) mit bedeutenden Ausfällen zu rechnen. Der Regierungsrat führte aber bloss aus, dass "im Durchschnitt gesehen" die bisherigen Ertragsmöglichkeiten der Gemeinden durch die Gesetzesvorlage etwas verbessert würden. Das widerlegen die Beschwerdeführer mit ihrem Einwand nicht. Der Regierungsrat legt im übrigen in seiner Beschwerdeantwort dar, das Finanzdepartement habe eingehende Erhebungen und Berechnungen angestellt, aus denen sich ergebe, dass im Durchschnitt die Ertragsmöglichkeit der Gemeinden auf Grund des neuen Gesetzes nicht geringer sein würde als unter dem alten Gesetz. Die Beschwerdeführer, welche Gelegenheit erhielten, ihre Beschwerde nach Eingang der Antwort des Beschwerdegegners zu ergänzen, haben diese Ausführungen der Regierung nicht bestritten. Sie vermögen nicht darzutun, dass die in der Botschaft enthaltene Erklärung des Regierungsrates unrichtig und der Stimmbürger dadurch irregeführt worden wäre. Soweit die Beschwerdeführer die Abstimmung wegen angeblicher Mängel des erläuternden Berichts anfechten, ist ihre Beschwerde demnach unbegründet.
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Sie beanstanden ferner, dass Mitglieder des Regierungsrats und das Kader der kantonalen Steuerverwaltung in vielen politischen Versammlungen ganz einseitig und eindeutig den Standpunkt des Kantons vertreten hätten. Es ist zulässig, dass Behördemitglieder im Abstimmungskampf eine Vorlage zur Annahme empfehlen, sofern das nicht mit verwerflichen Mitteln, z.B. unter Verwendung öffentlicher Gelder oder mit irreführenden Angaben geschieht (BGE 98 Ia 624, BGE 89 I 443 /4 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer behaupten nicht, dass sich Mitglieder der Regierung oder Staatsbeamte verwerflicher Mittel bedient hätten. Dass diese allenfalls die Vorteile der Vorlage besonders ins Licht rückten, war ihnen nicht verwehrt. Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet.
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Bei kantonalen Abstimmungen halten die Urnenbüros das Resultat im Verbal fest. Dieses und das gebrauchte Stimmaterial sind gesondert sofort an das Justizdepartement zu senden (§§ 82 und 83 Abs. 2 VAG). Der Regierungsrat stellt nach § 80 Abs. 3 des Gesetzes das Ergebnis der kantonalen Abstimmung auf Grund der Verbale fest. Er hat demnach das kantonale Resultat gestützt auf die in den Verbalen angegebenen Zahlen festzustellen. Dass er befugt wäre, bei einzelnen oder allen Gemeinden des Kantons nachzuprüfen, ob die in den Verbalen angegebenen Zahlen richtig sind, d.h. mit dem gebrauchten Stimmaterial übereinstimmen, bestimmt das Gesetz nicht ausdrücklich. Die Regierung ist aber im Bereich des Abstimmungswesens Aufsichtsbehörde, und aus dieser Stellung ergibt sich die Befugnis, die Verbale der Gemeinden auf ihre Richtigkeit hin zu kontrollieren, wenn hiezu begründeter Anlass besteht. Es ist klar und unbestritten, dass der Regierungsrat die Verbale der Urnenbüros durch Vergleich mit dem Stimmaterial kontrollieren kann, wenn bei ihm eine Abstimmungsbeschwerde erhoben ist (§ 139 Abs. 1 VAG). Da der Regierungsrat als Aufsichtsbehörde von Amtes wegen die nötigen Massnahmen treffen muss, um die zuverlässige Ermittlung eines kantonalen Abstimmungsergebnisses zu gewährleisten, kann er die Verbale, sofern dazu begründeter Anlass besteht, auch dann kontrollieren, wenn keine Beschwerde erhoben wurde. Es kommt im zu beurteilenden Fall hinzu, dass gegen die Abstimmung über das GstG nach dem 31. Januar 1975 beim Regierungsrat Beschwerden erhoben wurden. Selbst wenn man zu Unrecht annähme, er könne die Verbale der Gemeinden nur im Beschwerdefall kontrollieren, so hätte der Regierungsrat die Kontrolle nach Einreichung der Beschwerden vornehmen dürfen, und es würde die Annahme, die Kontrolle sei deshalb unzulässig, weil sie bereits wenige Tage vor Einreichung der Beschwerden durchgeführt wurde, auf einen überspitzten Formalismus hinauslaufen. Auch wenn das kantonale Gesetz keine Vorschrift darüber enthält, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Nachzählung durchzuführen ist, kann die kantonale Behörde von Amtes wegen eine Nachkontrolle anordnen, falls es nach der gegebenen Sachlage als für die zuverlässige Ermittlung geboten erscheint. Das ergibt sich aus einem neuen Urteil, in welchem das Bundesgericht eine allgemeine Pflicht zur Nachzählung bei knappem Abstimmungsresultat zwar verneinte, aber ohne weiteres davon ausging, die kantonale Behörde sei auch bei Fehlen einer entsprechenden Gesetzesvorschrift befugt, in solchen Fällen von Amtes wegen eine Nachzählung anzuordnen (BGE 98 Ia 85). Die Beschwerdeführer Dr. Widmer/Liberale Partei führen selber aus, es dürfte dem Regierungsrat als Aufsichtsbehörde die Kompetenz zur Anordnung einer Nachzählung zustehen. Sie sind aber der Meinung, nachdem der Regierungsrat die Unrichtigkeit einzelner Verbale festgestellt habe, hätte er die Abstimmung kassieren müssen. In Beschwerdefällen ist die Abstimmung nur dann ganz oder teilweise aufzuheben, wenn sich die Auswirkungen festgestellter Verfahrensmängel nicht durch den Beschwerdeentscheid beseitigen lassen (§ 139 Abs. 2 VAG). Das muss auch gelten, wenn der Regierungsrat bei einer von Amtes wegen durchgeführten Kontrolle Mängel feststellt. Ergeben sich dabei Fehler, die auf falsches Auszählen zurückzuführen sind, so sind sie zu berichtigen. Damit sind die Auswirkungen der Fehler beseitigt und die Abstimmung muss nicht aufgehoben werden (vgl. PICENONI, Die Kassation von Volkswahlen und Volksabstimmungen, Diss. Zürich 1945, S. 107). Die Beschwerdeführer Keiser, Isenschmid und Achermann sind offenbar der Meinung, dem Regierungsrat stehe es überhaupt nicht zu, eine Nachzählung vorzunehmen. Gemäss den vorangehenden Erwägungen kann dieser Ansicht nicht gefolgt werden. Es kann zusätzlich auf § 83 Abs. 2 VAG verwiesen werden, wonach bei kantonalen Abstimmungen die Urnenbüros der Gemeinden das Verbal und das gebrauchte Stimmaterial dem Justizdepartement zuzustellen haben. Diese Regel verfolgt u.a. den Zweck, der kantonalen Behörde selber eine Nachzählung, also eine Kontrolle der Verbale auf Grund des gebrauchten Stimmaterials, zu ermöglichen, wenn sich eine Nachzählung als nötig erweist.
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Es stellt sich deshalb bloss die Frage, ob der Regierungsrat genügenden Anlass hatte, eine Nachzählung durchzuführen. Schon der Umstand, dass das Resultat auf Grund der ursprünglichen Verbale mit 17'897 Ja gegen 17'909 Nein sehr knapp ausfiel, konnte füglich als zureichender Grund für eine Nachkontrolle betrachtet werden (BGE 98 Ia 85). Es kam hinzu, dass das erste provisorische Ergebnis negativ, das zweite positiv war, während sich nach der Zusammenstellung der Verbale wiederum ein verwerfendes Resultat ergab. Es versteht sich, dass nach diesen Wechseln das Vertrauen des Bürgers in die Zuverlässigkeit der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses erschüttert war. Auch im Grossen Rat verlangten einzelne Mitglieder eine Nachzählung, und sie stellten für den Fall der Ablehnung des Begehrens eine Beschwerde in Aussicht. Nach den widersprüchlichen Meldungen und bei dem sehr knappen Resultat hätte sich ein Stimmbürger nicht ohne Grund beschweren können, wenn der Regierungsrat eine Nachzählung abgelehnt hätte. Die Beschwerdeführer fühlen sich demgegenüber zu Unrecht in ihren politischen Rechten verletzt, weil der Regierungsrat diese Kontrolle im Interesse einer zuverlässigen Resultatsermittlung vornahm. Wenn man nicht annehmen will, eine Nachzählung durch die kantonale Behörde habe sich geradezu aufgedrängt, so muss sie doch auf jeden Fall als sachlich gerechtfertigt erachtet werden.
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b) Dem Regierungsrat wird Willkür bei der Anordnung der Nachzählung vorgeworfen mit der Begründung, er sei faktisch als Partei am Abstimmungsresultat interessiert gewesen. Nachdem das zweite Resultat eine knappe Annahme des Gesetzes gezeigt habe, habe ein Regierungssprecher gegenüber Presse und Radio erklärt, das Luzerner Abstimmungsgesetz kenne keine Möglichkeit der Nachkontrolle. Als dagegen das dritte Resultat auf eine knappe Ablehnung der Vorlage gelautet habe, habe der Regierungsrat diese "gesetzlich nicht vorgesehene" Nachkontrolle angeordnet. Die ersten zwei Resultate waren nur provisorisch. Wenn ein Mitglied der Regierung nach der Meldung des zweiten Resultats erklärte, das Abstimmungsgesetz sehe keine Nachkontrolle vor, so war diese Erklärung an sich richtig. Es ist im übrigen durch nichts dargetan, dass damit einer Meinung des Gesamt-Regierungsrats Ausdruck gegeben worden wäre und dieser nach Bekanntgabe des zweiten (annehmenden) Resultats bereits beschlossen hätte, auf eine Nachkontrolle zu verzichten. Als das dritte, auf Grund der Verbale festgestellte Resultat wiederum anders ausfiel, entstand eine neue Sachlage. Der Umstand, dass drei verschiedene Resultate bekanntgegeben worden waren, bildete einen gewichtigen Grund für die Anordnung einer Nachzählung. Dass sie der Regierungsrat nur deshalb angeordnet hätte, weil das dritte, auf Grund der Verbale festgestellte Resultat auf Verwerfung lautete und er an der Annahme interessiert war, ist eine Behauptung, welche die Beschwerdeführer durch keine stichhaltigen Vorbringen zu erhärten vermögen. Sie dringen demnach mit ihrer Kritik, die kantonale Behörde habe die Nachzählung aus unsachlichen Motiven angeordnet, nicht durch.
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c) Die Beschwerdeführer Dr. Widmer/Liberale Partei machen geltend, die Diskrepanz zwischen den von den Urnenbüros der Gemeinden ausgestellten Verbalen und dem Stimmaterial sei ein Mangel, der sich durch den Entscheid des Regierungsrats nicht habe beheben lassen, weshalb die Abstimmung hätte aufgehoben werden müssen. Sie bringen zur Begründung vor, es sei nicht sicher, dass der Grund für die Diskrepanz in den von der kantonalen Behörde festgestellten Auszählungsfehlern und Verwechslungen von Ja- und Neinstimmen liege, da Unregelmässigkeiten nicht völlig ausgeschlossen werden könnten. Damit wollen sie wohl sagen, die fehlerhaften Verbale könnten auch absichtlich falsch ausgefüllt worden sein. Sie nennen dafür aber nicht die geringsten Anhaltspunkte. Dass eine solche nach Art. 282 des Strafgesetzbuches strafbare Wahlfälschung vorgenommen worden wäre, ist von vornherein unwahrscheinlich. Bei kantonalen Abstimmungen haben die Gemeindeurnenbüros - wie ausgeführt - die Verbale und das gebrauchte Stimmaterial dem Justizdepartement zuzustellen. Diese Unterlagen stehen somit für eine Nachkontrolle zur Verfügung. Zudem ist das Verbal nach § 82 Abs. 2 VAG von allen bei der Erwahrung mitwirkenden Präsidenten und Büromitgliedern zu unterzeichnen. Da die Beschwerdeführer keine Verdachtsgründe nennen, die auf irgendwelche vorsätzlichen Unregelmässigkeiten schliessen lassen, durfte der Regierungsrat ohne weiteres davon ausgehen, die Diskrepanz sei auf Versehen zurückzuführen, die sich durch den Entscheid der kantonalen Behörde korrigieren liessen. Dass in mehreren Gemeinden das Resultat nicht zuverlässig ermittelt wurde und einzelnen Urnenbüros Fehler unterliefen, wird allerdings die Aufsichtsbehörde veranlassen, die Mitglieder der betreffenden Büros zu einer sorgfältigeren Pflichterfüllung anzuhalten.
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d) Nach § 83 Abs. 1 VAG hat das Urnenbüro der Gemeinde das Abstimmungsmaterial zu verpacken und die Pakete zu versiegeln oder zu plombieren. Die Beschwerdeführer Keiser, Isenschmid und Achermann rügen, es seien zahlreiche Pakete an das Justizdepartement gesandt worden, die weder versiegelt noch plombiert waren. Der Regierungsrat anerkennt dies. Es ist zu beanstanden, dass sich einzelne Gemeindebehörden nicht an diese Vorschrift des Abstimmungsgesetzes hielten. Der Regierungsrat stellt aber fest, dass alle Pakete gut verschlossen und intakt waren. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass der Inhalt von Paketen verändert worden wäre, nachdem sie die Mitglieder der Urnenbüros verschlossen hatten, bestehen nicht. Die wesentliche Änderung, die das Abstimmungsergebnis zufolge der Nachzählung erfuhr, war darauf zurückzuführen, dass Jastimmen zu den Neinstimmen gelegt und gezählt worden sind und umgekehrt. In allen diesen Fällen stimmte die Gesamtzahl der gültigen Stimmzettel mit der im Verbal eingetragenen Zahl überein. Die grösste Unstimmigkeit (50 Jastimmen als Neinstimmen gezählt) ergab sich in der Gemeinde Kriens. Deren Paket war jedoch versiegelt. Bei den Urnenbüros, denen Zählfehler unterliefen, stimmte der Inhalt der Pakete bis auf die geringfügigen Differenzen (in der Regel ein paar wenige Stimmen) mit den Angaben im Verbal überein. Abgesehen davon, dass gar keine Verdachtsgründe für die Annahme vorliegen, die Pakete seien unbefugt geöffnet worden, nachdem sie von den Urnenbüros verschlossen worden waren, und der Inhalt sei verändert worden, erscheint eine solche Manipulation bei den gegebenen Umständen als praktisch ausgeschlossen. Es ist deshalb davon auszugehen, die Unterlassung der Siegelung oder Plombierung sei mit an Gewissenheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohne Einfluss auf das Abstimmungsergebnis gewesen (vgl. PICENONI, a.a.O. S. 111).
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Die Beschwerdeführer Keiser und Isenschmid beanstanden zunächst, dass bei der Auszählung durch das Justizdepartement geprüft wurde, ob die Stimmzettel gültig seien, während nach § 78a VAG das Urnenbüro der Gemeinde darüber abschliessend zu befinden habe. Steht es der kantonalen Behörde zu, auf Grund der gebrauchten Stimmzettel eine Nachzählung vorzunehmen, so ist sie als Aufsichtsbehörde auch befugt, die Gültigkeit der Zettel zu überprüfen. Es wäre sinnwidrig, wenn sie in dieser Hinsicht an einen Befund des Urnenbüros gebunden wäre, obschon sie ihn bei der Nachkontrolle als falsch erkennt. Der Einwand ist im übrigen ohne praktische Bedeutung. Bei der Nachzählung wurden nur zwei Stimmzettel als gültig erklärt, welche die Urnenbüros als ungültig betrachtet hatten (ein Zettel mit "Si", ein anderer mit "Ja" in Spitzschrift); die Beschwerdeführer behaupten nicht, diese Zettel seien ungültig. Darüber hinaus wurden fünf Zettel, welche die Urnenbüros als ungültig erklärt hatten, deren Ungültigkeit aber als fraglich erschien, zu Handen des Regierungsrates beiseite gelegt. Dieser betrachtete sie in Übereinstimmung mit den Urnenbüros als ungültig.
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b) Die Beschwerdeführer beanstanden die Durchführung der Nachkontrolle durch das Justizdepartement und behaupten, es könne auf die Nachzählung nicht mit Sicherheit abgestellt werden. Die Kontrolle, welche 16 kantonale Beamte am 30. und 31. Januar 1975 durchführten, war indes so organisiert, dass beste Gewähr für eine zuverlässige Ermittlung des Abstimmungsresultats gegeben war. Die Zählergruppen hatten die Zettel zu zählen, ohne dass ihnen die im Verbal angegebene Zahl bekannt war. Ergab sich eine Differenz zur Verbalzahl, so wurde ein zweites Mal gezählt. Ergab sich wiederum ein von der Verbalzahl abweichendes Resultat, so führte eine zweite Zählergruppe eine Kontrollzählung durch. Erst wenn sie zum nämlichen Resultat gelangte wie die erste Gruppe, wurde die Verbalzahl berichtigt. Zählfehler waren bei dieser Methode nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen. Der Regierungsrat war an sich nicht gehalten, eine Delegation der Gegner der Vorlage beizuziehen. Wenn er es trotzdem tat, so zeigt das, dass er optimale Bedingungen für eine korrekte Feststellung des Ergebnisses schaffen wollte. Die Beschwerdeführer beanstanden, die Vertreter der Gesetzesgegner hätten nur der Kontrolle des Stimmaterials und der Verbale beiwohnen können, während hernach die Zusammenzählung der berichtigten Gemeinderesultate allein von den kantonalen Beamten vorgenommen worden sei. Mit dieser Rüge dringen sie nicht durch. Die Vertreter der Gesetzesgegner konnten selber feststellen, dass Verbale einzelner Gemeinden falsche Zahlen aufwiesen; das Resultat von Kriens, bei dem die grösste Unstimmigkeit festgestellt worden war, wurde zusätzlich von einem Vertreter der Gegner nachgezählt. Die durch nichts belegte Vermutung, dass die Beamten des Justizdepartementes die Resultate der berichtigten Verbale nach der Nachzählung falsch zusammengerechnet hätten, weist der Regierungsrat in der Beschwerdeantwort mit Recht von der Hand. Die dem Bundesgericht eingereichten Unterlagen zeigen, dass das Resultat der Nachzählung auf zuverlässige Art ermittelt wurde. Die Beschwerdeführer Keiser und Isenschmid kritisieren, dass die Zahl der Stimmenden nicht mit der Zahl der gebrauchten und ungebrauchten Stimmzettel verglichen wurde. Ein solcher Vergleich hätte abgesehen von der Hypothese einer Wahlfälschung nur Sinn gehabt, wenn die Möglichkeit bestünde, dass gebrauchte Stimmzettel zu den ungebrauchten gelegt worden wären. Nach der Organisation der Abstimmung, wie sie im Kanton Luzern besteht (vgl. §§ 78 ff. VAG), lässt sich diese Möglichkeit praktisch ausschliessen, weshalb sich der Regierungsrat darauf beschränken durfte, das von den Gemeinden eingesandte gebrauchte Stimmaterial zu kontrollieren. Der kantonale Gesetzgeber geht denn auch offensichtlich davon aus, dass eine Nachzählung des gebrauchten Stimmaterials für die Kontrolle genügt, da nach § 83 Abs. 2 VAG bei kantonalen Abstimmungen das Verbal und das gebrauchte Stimmaterial dem Justizdepartement einzusenden sind. Eine Verwechslung von Stimmzetteln verschiedener Gemeinden bei der Nachzählung war bei der auf grösste Zuverlässigkeit angelegten Organisation der Nachkontrolle ausgeschlossen. Was die Beschwerdeführer gegen das mit Sorgfalt durchgeführte Nachzählverfahren vorbringen, ist unbegründet und vermag keine Zweifel an der Richtigkeit des von der kantonalen Behörde ermittelten Resultats zu erwecken.
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In dieser Abstimmungssache ist unerfreulich, dass bei der Ermittlung der Resultate in verschiedenen Gemeinden grössere oder kleinere Versehen unterliefen. Bei dem knappen Resultat war der Regierungsrat berechtigt, eine Nachkontrolle durchzuführen. Diese bietet eine solche Gewähr für die richtige Feststellung des Abstimmungsresultats, dass ohne Bedenken auf das durch die kantonale Behörde berichtigte Resultat abgestellt werden darf und praktisch auszuschliessen ist, dass den Gemeindeurnenbüros unterlaufene Fehler das Abstimmungsresultat, wie es endgültig vom Regierungsrat festgestellt wurde, beeinflusst haben könnten.
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