BGE 101 Ia 405 |
67. Urteil vom 9. Juli 1975 i.S. Mifsud gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft |
Regeste |
Auslieferung; Auslieferungsvertrag mit Grossbritannien. |
Keine Anwendung des Prinzips der Gegenseitigkeit, wenn der britische Auslieferungsrichter das Vorliegen des hinreichenden Tatverdachtes überprüft (E. 3). |
Die richtige Qualifikation der verfolgten Tat ist nicht Gültigkeitserfordernis für das Auslieferungsbegehren (E. 4). |
Fragen der Verjährung der Auslieferungsdelikte "murder" und Anstiftung zu Meineid (E. 6). |
Die in Art. V Abs. 6 des Auslieferungsvertrages vorgesehene Frist zur Ergänzung der Akten ist keine Verwirkungsfrist (E. 6aa). |
Grundsatz von Treu und Glauben im zwischenstaatlichen Verkehr (E. 6bb). |
Sachverhalt |
Der britische Staatsangehörige Francis Frank Mifsud wurde am 2. Juli 1974 auf Ersuchen der Interpol London in Olten verhaftet. Gestützt auf Art. II Ziff. 1 und 16 des Auslieferungsvertrages zwischen der Schweiz und Grossbritannien stellte die britische Botschaft am 30. Juli 1974 das Gesuch um Auslieferung Mifsuds wegen Mordes und Anstiftung zu Meineid. Im einzelnen wird Mifsud folgendes vorgeworfen:
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a) Mifsud soll zusammen mit Phillip Ellul, Victor Spampinato und Bernard Silver Thomas Smithson ermordet haben. Nach Zeugenaussagen hat Mifsud im Sommer 1956 in einem Café des Londoner Stadtteils Soho Phillip Ellul und Victor Spampinato einen Revolver und Munition übergeben und die beiden beauftragt, den Anführer einer rivalisierenden Verbrecherbande umzubringen; es handelte sich dabei um den Croupier Thomas Smithson. Vier oder fünf Tage später, am 25. Juni 1956, wurde Smithson von Ellul und Spampinato in seiner Wohnung erschossen.
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Ellul wurde wegen dieser Tat zum Tode verurteilt, die Strafe jedoch nicht vollzogen, sondern in eine Freiheitsstrafe umgewandelt. Spampinato wurde freigesprochen.
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b) Zwischen dem 1. Januar und dem 6. November 1967 soll Mifsud Harold Dennison Stocker zu Meineid im Strafprozess gegen Anthony Cauci und Tony Galea angestiftet haben, indem er Stocker veranlasste, eine Galea belastende wahrheitswidrige Aussage zu machen.
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Francis Frank Mifsud hat gegen seine Auslieferung Einsprache erhoben, wobei er sowohl formell- wie auch materiellrechtliche Mängel des Auslieferungsbegehrens geltend machte. Zu den formellen Rügen hat die Eidgenössische Polizeiabteilung am 29. November 1974 in abweisendem Sinne Stellung genommen und die Akten zum Entscheid über die Einsprache dem Bundesgericht überwiesen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
1. a) Die Einwendungen Mifsuds gegen seine Auslieferung sind, da Grossbritannien dem europäischen Auslieferungsabkommen vom 13.12.1957 noch nicht beigetreten ist, anhand des am 26. November 1880 zwischen der Schweiz und Grossbritannien abgeschlossenen Auslieferungsvertrages zu überprüfen. Die Vorschriften des Bundesgesetzes betreffend die Auslieferung gegenüber dem Ausland vom 22. Januar 1892 (AuslG) finden nur dort Anwendung, wo der Staatsvertrag die Bedingungen der Auslieferung nicht abschliessend regelt und soweit sie den Vertragsbestimmungen nicht zuwiderlaufen (BGE 97 I 375; SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, S. 135).
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b) Stützt sich eine Einsprache auf das Auslieferungsgesetz, einen Staatsvertrag oder auf eine Gegenrechtserklärung, und Werden demzufolge die Akten nach Art. 23 AuslG dem Bundesgericht überwiesen, so kann dieses nach neuester Rechtsprechung nicht nur die Rügen materiellrechtlicher Natur, sondern auch die ausdrücklich gerügten formellen Mängel überprüfen (BGE 101 Ia 62, E. 1a, mit Hinweisen auf weitere Urteile; vgl. SCHULTZ, a.a.O. S. 192 f., 227). Es besteht kein Grund, die Kognitionsbefugnis des Bundesgerichtes anders zu bestimmen, wenn ihm der Entscheid über die Auslieferung in Anwendung von Art. V Abs. 7 des britisch-schweizerischen Auslieferungsvertrages übertragen wird, nämlich im Falle, dass "gegen die Anwendbarkeit dieses Vertrages eine Einsprache vorliegt". Eine Beschränkung der Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichtes scheint im vorliegenden Fall schon deshalb nicht angebracht, weil der Vertrag mit Grossbritannien - als Einzelfall (vgl. SCHULTZ, a.a.O. S. 140) - selbst eingehende Vorschriften über das Verfahren in der Schweiz enthält; soweit sich der Verfolgte auf diese Verfahrensvorschriften beruft, kann das Bundesgericht seine Einwendungen nicht unberücksichtigt lassen.
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Nach Art. VII des Vertrages haben die Behörden des ersuchten Staates den ihnen zugestellten Unterlagen "volle Beweiskraft beizulegen, vorausgesetzt, ... dass sie durch Beidrückung des Amtssiegels eines britischen Staatsministers oder des schweizerischen Bundeskanzlers beglaubigt sind". Dem Wortlaut dieser Bestimmung gemäss genügt zur Beglaubigung der Auslieferungsurkunde die Beidrückung des Siegels eines Staatsministers ohne jede Unterschrift. Wie die Eidgenössische Polizeiabteilung in ihrem Sachbericht vom 29. November 1974 dazu bemerkt, ist es allerdings üblich, dass neben dem Amtssiegel die zu dessen Anbringung bevollmächtigte Person unterzeichnet. Diese Kompetenz werde jedoch regelmässig delegiert, weshalb die Unterschrift eines Assistant Under Secretary auf einem britischen Auslieferungsbegehren den formellen Anforderungen durchaus genüge. Auch die schweizerischen Ersuchen würden im übrigen nicht durch den Bundeskanzler persönlich, sondern durch einen Vertreter beglaubigt. Dem Begehren Mifsuds um Rückweisung des Auslieferungsgesuchs wegen mangelhafter Beglaubigung kann deshalb weder auf Grund des Wortlautes des Vertrages noch auf Grund der geübten Praxis stattgegeben werden.
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Auf die Frage, ob ein hinreichender Verdacht für die Täterschaft des Verfolgten spreche, hat das Bundesgericht jedoch nicht einzutreten. Das in der Schweiz bzw. in Grossbritannien auf ein Auslieferungsgesuch hin einzuschlagende Verfahren wird in Art. V und VI des britisch-schweizerischen Auslieferungsvertrages eingehend umschrieben. Im Gegensatz zum englischen Richter, der, dem angelsächsischen Rechtssystem entsprechend, zu überprüfen hat, ob die ihm vorgelegten Beweismittel dazu ausreichen würden, den Verfolgten nach englischem Recht anzuklagen (Art. VI lit. A, Abs. 3), haben die schweizerischen Behörden, ohne sich mit der Frage des Tatverdachtes zu befassen, auf den Sachverhalt abzustellen, der im Auslieferungsbegehren und den dazugehörenden Unterlagen geschildert wird (Art. V). Diese unterschiedlichen Verfahrensnormen wurden geschaffen, um der "gegenwärtigen Gesetzgebung und der innern Organisation" der beiden Staaten gerecht zu werden (vgl. Botschaft vom 26. November 1880, BBl 1880 IV 510; SCHULTZ, a.a.O., S. 154, 171), Von gleichlautenden Verfahrensvorschriften für die Vertragsstaaten im Sinne des Prinzips der Gegenseitigkeit wurde somit im Hinblick auf die verschiedenen Rechtssysteme bei der Vertragssetzung bewusst abgesehen. Eine Überprüfung der britischen Auslieferungsbegehren daraufhin, ob gegenüber dem Verfolgten ein hinreichender Tatverdacht bestehe, verstiesse deshalb gegen den klaren Wortlaut des britisch-schweizerischen Auslieferungsvertrages.
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Es darf hier im übrigen erwähnt werden, dass auch Grossbritannien auf die Einhaltung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit verzichtet hat, indem es in Art. I Abs. 1 des Staatsvertrages die Auslieferung aller Personen, auch seiner eigenen Staatsangehörigen gewährt, während die Schweiz eine Auslieferung ihrer Staatsbürger ausschliesst (vgl. BBl 1880 IV 512).
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Mit diesem Vorwurf des formellen Ungenügens des Verhaftsbefehls wird die materielle Frage der Qualifizierung der verfolgten Tat angeschnitten. Der britisch-schweizerische Auslieferungsvertrag verlangt, wie erwähnt, lediglich die "klare Bezeichnung" des verfolgten Verbrechens oder Vergehens, während sämtliche übrigen von der Schweiz abgeschlossenen Auslieferungsverträge fordern, dass die auf die verfolgte Tat anwendbare Gesetzesstelle im Wortlaut wiedergegeben wird (Zusammenstellung bei SCHULTZ, a.a.O. S. 167 N. 37). Selbst bei der Anwendung dieser Verträge, welche die Subsumption der verfolgten Handlung unter die Strafbestimmungen des ersuchenden Staates ausdrücklich voraussetzen, wird jedoch der Prüfung der rechtlichen Qualifikation des Tatbestandes wenig Bedeutung zugemessen, sofern der ersuchte Staat zur Ansicht gelangt, die verfolgte Tat sei nach dem Recht des ersuchenden Staates überhaupt als Auslieferungsdelikt strafbar (SCHULTZ, a.a.O. S. 166 f., 358). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Auslieferungspflicht für eine bestimmte Tat als Lebensgeschehnis besteht, deren strafrechtliche Qualifikation möglicherweise in dem Zeitpunkt des Untersuchungsverfahrens, in welchem das Auslieferungsbegehren gestellt wird, noch nicht eindeutig vorgenommen werden kann (vgl. BGE 101 Ia 63 f., BGE 57 I 294). Auch der Grundsatz der Spezialität der Auslieferung schliesst nicht aus, dass der ersuchende Staat nach erfolgter Auslieferung den dem Auslieferungsbegehren zugrundegelegten Tatbestand rechtlich anders würdigt, vorausgesetzt, dass die verfolgte Tat immer noch als Auslieferungsdelikt bestraft wird und dass die Auslieferung für die anders qualifizierte Tat nicht ausgeschlossen gewesen wäre (SCHULTZ, a.a.O. S. 358; HESS, Der Grundsatz der Spezialität im Auslieferungsrecht, seine Ausgestaltung im Auslieferungsgesetz und in den Auslieferungsverträgen der Schweiz insbesondere, Diss. Zürich 1944, S. 50 ff.; PFENNINGER, Eine Frage des Auslieferungsrechtes, SJZ 10/1913, 14 S. 64).
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Das Bundesgericht hat sich in seiner Eigenschaft als schweizerischer Auslieferungsrichter mit der Qualifikation der verfolgten Tat nach dem Recht des ersuchenden Staates stets nur im Zusammenhang mit der Frage befasst, ob es sich bei der im Auslieferungsbegehren umschriebenen Handlung um ein Auslieferungsdelikt handle und ob die Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit erfüllt sei (BGE 101 Ia 63 f., BGE 92 I 115 ff., E. 2, 387 ff., E. 2, BGE 88 I 41, 95 E. 1, BGE 87 I 200 f., BGE 77 I 55 E. 3). Die richtige Qualifikation an sich stellt kein formelles Gültigkeitserfordernis dar und ist daher auch nicht zu überprüfen, wenn feststeht, dass der in den Auslieferungsurkunden umschriebene Sachverhalt den Tatbestand eines Auslieferungsdeliktes erfüllt. Ein solches formelles Gültigkeitserfordernis wird denn auch keineswegs, wie der Beschwerdeführer behauptet, durch die Vorschrift von Art. V Abs. 1 des britisch-schweizerischen Auslieferungsvertrages aufgestellt.
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Die Bestimmung, wonach das verfolgte Verbrechen oder Vergehen klar zu bezeichnen ist, verpflichtet den ersuchenden Staat lediglich, den Behörden des ersuchten Staates den fraglichen Tatbestand so genau zu bezeichnen, dass diese in der Lage sind abzuklären, ob die dem Angeschuldigten zur Last gelegte Tat ein Auslieferungsdelikt darstelle. Diesen Anforderungen wird im vorliegenden Fall durch die britischen Auslieferungsurkunden Genüge getan. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Frank Mifsud vorgeworfene Tötung Smithsons den Tatbestand eines Auslieferungsdeliktes erfüllt. Selbst wenn nämlich Mifsud nicht dem Haftbefehl entsprechend als Mittäter, sondern - wie er es behauptet - nur als Gehilfe zur Verantwortung gezogen werden könnte, stünde der Auslieferung nichts entgegen. Nach Art. II Abs. 2 des Staatsvertrages findet die Auslieferung auch statt wegen Teilnahme an einem Auslieferungsdelikt, vorausgesetzt, dass diese Teilnahme nach der Gesetzgebung beider Kontrahenten strafbar ist. Die Bedingung der beidseitigen Strafbarkeit ist hier erfüllt, da sowohl nach Art. 24 ff. des Schweizerischen Strafgesetzbuches wie auch nach englischem Recht die Teilnahme bestraft wird, und zwar sieht Art. 1 des Accessories and Abettors Act von 1861 vor, dass für die vor der Tat begangene Beihilfe der Gehilfe oder Anstifter "in jeder Hinsicht eingeklagt, verfolgt, verurteilt und bestraft werden kann, als ob er ein Haupttäter wäre".
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Der Einwand der unklaren Bezeichnung der verfolgten Tat im Haftbefehl ist daher unbegründet.
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5. Mifsud bestreitet an sich nicht, dass die ihm vorgeworfene Anstiftung zu Meineid gemäss Art. II Ziff. 16 des Staatsvertrages ein Auslieferungsdelikt darstelle. Er wendet jedoch ein, Art. 13 Perjury Act von 1911 bestimme, dass niemand für Meineid oder Anstiftung zu Meineid zur Verantwortung gezogen werden könne, solange die entsprechende Anklage nur auf die Aussage eines einzelnen Zeugen gestützt werden könne. Damit werde eine zusätzliche Strafbarkeitsbedingung für Meineid-Vergehen umschrieben, deren Vorliegen vom Auslieferungsrichter zu überprüfen sei. Da sich das Begehren um Auslieferung Mifsuds wegen Meineides nur auf die Zeugenaussage Stockers stützen lasse, fehle es an der genannten Strafbarkeitsvoraussetzung. - Überdies sei eine weitere Strafbarkeitsbedingung nicht erfüllt: Nach englischem Recht könne nur jener Zeuge einen Meineid begehen, der eine für das fragliche Verfahren wesentliche Aussage mache. Die Aussage Stockers sei jedoch im Verfahren gegen Galea nicht massgeblich gewesen, da Galea ein Geständnis abgelegt habe. Die Auslieferung Mifsuds wegen Anstiftung zu Meineid sei daher mangels Strafbarkeit der Tat nach englischem Recht nicht zu bewilligen.
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a) Entgegen der Behauptung Mifsuds stellt die Bestimmung, ein des Meineids oder der Anstiftung zu Meineid Verdächtigter könne nicht nur auf Grund einer einzigen Zeugenaussage zur Verantwortung gezogen werden, keine Strafbarkeitsbedingung im Sinne des schweizerischen Strafrechts dar. Sie gehört vielmehr zu den Regeln über die Beweiswürdigung, die dem englischen Strafprozessrecht eigen sind. Die durch Art. 13 Perjury Act vorgeschriebene Notwendigkeit der Bestätigung einer Zeugenaussage durch einen weiteren Beweis (corroboration) bildet denn auch keine Voraussetzung zur Einleitung des Prozessverfahrens. Die Frage, ob sich die Anklage tatsächlich nur auf eine einzige Zeugenaussage stützen könne, wird erst im Verlaufe des Verfahrens geklärt; gegebenfalls muss der Sachrichter den Angeklagten mangels bestätigenden Beweises freisprechen (K. M. NEWMANN, Das englisch-amerikanische Beweisrecht, Heidelberg 1950, S. 83 ff.; CLAUDE ALLEN, Grundsätze und Methoden der Beweiserhebung im englischen Strafprozess, Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Bd. 72/1960 S. 171 f.). Der Auslieferungsrichter hat sich jedenfalls hiezu nicht zu äussern.
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b) Ebenfalls keine Strafbarkeitsbedingung stellt die Vorschrift dar, dass ein falsch aussagender Zeuge nur dann wegen Meineids verfolgt werden könne, wenn seine Aussage für das Verfahren wesentlich war. Die Wesentlichkeit der Zeugenaussage für den Prozessverlauf ist Tatbestandsmerkmal des Meineid-Delikts, über dessen Vorliegen der englische Strafrichter zu entscheiden hat.
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Nach Art. XII des Vertrages mit Grossbritannien soll die Auslieferung nicht stattfinden, wenn seit der begangenen strafbaren Handlung oder der Einleitung der strafgerichtlichen Verfolgung nach den Gesetzen des ersuchten Staates Befreiung von der strafgerichtlichen Verfolgung eingetreten ist. Da das englische Recht keine allgemeine Verfolgungsverjährung kennt, braucht hier der Grundsatz der beidseitigen Strafbarkeit nicht berücksichtigt zu werden, und ist die Möglichkeit der Verjährung der in Frage stehenden Delikte nur nach dem schweizerischen Recht zu überprüfen (SCHULTZ, a.a.O. S. 322 mit Literaturhinweisen).
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a) In bezug auf die Anstiftung zu Meineid wird geltend gemacht, sie würde nach schweizerischem Recht unter den privilegierten Tatbestand von Art. 307 Abs. 3 StGB fallen, da sich die falsche Aussage auf Tatsachen bezogen habe, die für die richterliche Entscheidung unerheblich gewesen seien. Da für diesen Tatbestand nur Gefängnisstrafe angedroht werde, sei die nach Art. 70 StGB geltende fünfjährige Verjährungsfrist bereits abgelaufen.
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Auf eine unerhebliche Tatsache im Sinne von Art. 307 Abs. 3 StGB bezieht sich eine Zeugenaussage nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nur dann, wenn sie von vornherein, ihrem Gegenstande nach, nicht geeignet ist, den Ausgang des Prozesses irgendwie zu beeinflussen, wenn sie also weder für eine rechtliche Schlussfolgerung noch für eine sich auf rechtlich erhebliche Tatsachen beziehende tatsächliche Schlussfolgerung in Frage kommt (BGE 93 IV 26, 75 IV 68). Derartige, für das Prozessverfahren unwesentliche falsche Zeugenaussagen werden aber vom Perjury Act gerade nicht erfasst (vgl. E. 5b), sondern bleiben nach englischem Recht straffrei. Der Vorwurf des Meineides nach englischem Strafrecht kann daher nie die Tatbestandsmerkmale von Art. 307 Abs. 3 StGB, sondern nur diejenigen von Art. 307 Abs. 1 und 2 StGB erfüllen. Die Verjährungsfrist beträgt deshalb in jedem Falle zehn Jahre (Art. 70 StGB) und ist für das Frank Mifsud vorgeworfene Meineids-Delikt nicht abgelaufen.
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b) Das Tötungs-Delikt wird Mifsud im Verhaftsbefehl als "murder" vorgeworfen, doch umfasst dieses Auslieferungsdelikt nach englischem Recht nicht nur den Tatbestand des Mordes, wie er im Schweizerischen Strafgesetzbuch umschrieben ist, sondern weitere vorsätzliche Tötungshandlungen (vgl. SCHULTZ, a.a.O. S. 329; HONIG, Zur neueren Judikatur des englischen Straf- und Strafprozessrechts, ZStR 66/1951 S. 430). Das schweizerische Strafrecht setzt für vorsätzliche Tötungshandlungen unterschiedliche Verjährungsfristen fest; liegt der einfache Tatbestand der vorsätzlichen Tötung (Art. 111 StGB) vor, tritt die Verjährung nach zehn Jahren ein, liegt der qualifizierte Tatbestand des Mordes (Art. 112 StGB) vor, verjährt die Tat nach zwanzig Jahren (Art. 70 StGB). Die Frage, ob die Mifsud als "murder" vorgeworfene Tat bereits verjährt sei, kann daher nur geklärt werden, wenn festgestellt wird, welche der im Schweizerischen Strafgesetzbuch vorgesehenen Tatbestandsmerkmale sie erfüllt.
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Da sich bei den Auslieferungsurkunden keine Darstellung des Sachverhaltes befand, die eine eindeutige Qualifizierung des Deliktes gestattet hätte, beschloss das Bundesgericht in seiner Sitzung vom 19. Februar 1975, die britischen Behörden in Anwendung von Art. V Abs. 6 des Staatsvertrages um entsprechende Ergänzung der Akten zu ersuchen. Das Begehren wurde der britischen Botschaft von der Eidgenössischen Polizeiabteilung am 20. Februar zunächst mündlich und mit einer vom 20. Februar datierten Note am 24. Februar 1975 schriftlich übermittelt. Die britischen Behörden reichten am 11. März 1975, d.h. innerhalb der ihnen von der Eidgenössischen Polizeiabteilung angesetzten Frist den verlangten Tatsachenbericht ein.
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In seiner Stellungnahme zur nachträglich beigebrachten Auslieferungsurkunde machte Mifsud geltend, die Ergänzung der Akten sei nicht innert der in Art. V Abs. 6 des Staatsvertrages vorgeschriebenen Frist von 15 Tagen erfolgt. Da es sich hiebei um eine peremptorische und absolute, nicht nach schweizerischem Recht zu bestimmende Frist handle, sei Mifsud den Vertragsbestimmungen entsprechend sofort auf freien Fuss zu setzen.
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aa) Die Folge der Nichteinhaltung der Frist zur Ergänzung des Auslieferungsbegehrens ist im Auslieferungsvertrag selbst geregelt: Können die erforderlichen Aktenstücke nicht vor Ablauf von 15 Tagen beigebracht werden, so wird der Verhaftete in Freiheit gesetzt (Art. V Abs. 6). Damit wird jedoch die Auslieferung des Verfolgten wegen der gleichen Tat auf erneutes Ersuchen hin nicht ausgeschlossen. Insofern kann, entgegen der Ansicht Mifsuds, diese Frist nicht als Verwirkungsfrist betrachtet werden.
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bb) Es ist im weiteren nicht einzusehen, weshalb für die Berechnung der Frist nicht schweizerisches Recht anwendbar sein sollte. Da der Vertrag selbst keine Bestimmungen über den Fristenlauf enthält, hat der ersuchte Staat nach eigenem Recht zu entscheiden, ob die vertraglich festgelegte Frist eingehalten worden sei oder nicht. Die Eidgenössische Polizeiabteilung hat sich daher bei der Fristansetzung zu Recht an die Bestimmungen von Art. 32 OG und des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1963 über den Fristenlauf an Samstagen gehalten.
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Die Frage, ob die fünfzehntägige Frist bereits mit der mündlichen Mitteilung des Ergänzungsbegehrens oder erst mit dessen schriftlicher Eröffnung zu laufen begonnen hat, kann offen bleiben. Selbst wenn nämlich die den britischen Behörden angesetzte und von ihnen eingehaltene Frist von der Eidgenössischen Polizeiabteilung falsch berechnet worden wäre, müsste die Ergänzung als rechtzeitig erfolgt betrachtet werden, da ein gegenteiliger Entscheid gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen würde, der von den schweizerischen Behörden auch im zwischenstaatlichen Verkehr zu beachten ist. Aus dem Umstand, dass der ergänzende Tatsachenbericht erst, wie verlangt, am 11. März 1975 eingereicht wurde, darf daher nichts zu Ungunsten der britischen Behörden abgeleitet werden.
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cc) Der zusätzliche Einwand Mifsuds, der nachträglich eingereichte Tatsachenbericht könnte von einem englischen Gericht nicht als beglaubigte Zusammenfassung des Sachverhaltes anerkannt werden und sei deshalb in dieser Form nicht zu berücksichtigen, ist unbehelflich. Der schweizerische Richter hat die Auslieferungsakten nicht in bezug auf ihre Vereinbarkeit mit dem englischen Recht zu überprüfen, sondern nur abzuklären, ob sie den Vorschriften des Auslieferungsvertrages genügen. Dass die ergänzende Sachverhaltsdarstellung in irgendeiner Weise gegen die Vertragsbestimmungen verstossen würde, wird mit Recht nicht behauptet.
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c) Aus der Darstellung des Sachverhaltes und den dem Verhaftsbefehl beigelegten Zeugenaussagen ergibt sich, dass Thomas Smithson einer Auseinandersetzung zwischen rivalisierenden Verbrechergruppen zum Opfer fiel. Smithson soll offenbar bei Malteser Vereinigungen und Londoner Kaffeehausbesitzern Schmiergelder eingezogen haben. Dabei geriet er in den Tätigkeitsbereich von Mifsud, der zusammen mit Bernard Silver versuchte, eine Kontrollorganisation über Spielkasinos und Bordelle aufzubauen. Um den Rivalen aus aus dem Weg zu schaffen und zugleich die eigene Macht zu demonstrieren, liess Mifsud, wie aus den Auslieferungsakten hervorgeht, Smithson von Spampinato und Ellul erschiessen. Mifsud selbst soll den beiden eine Schusswaffe und Munition übergeben haben, mit der die Tat ausgeführt wurde.
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Die Qualifikation des Mordes (Art. 112 StGB) gegenüber dem einfachen Tatbestand der vorsätzlichen Tötung (Art. 111 StGB) liegt in der besonders verwerflichen Gesinnung oder der besonderen Gefährlichkeit des Täters. Das Mifsud zur Last gelegte Verhalten offenbart eine besonders verwerfliche Gesinnung. Sein kaltblütiger Entschluss, einen Rivalen um den Machtanspruch über Londoner Vergnügungsetablissements aus dem Wege räumen zu lassen, und die Absicht, mit dieser Tat gleichzeitig seine Stellung innerhalb der Verbrechergruppen zu stärken, zeugen von einem besonders hohen Grad an Skrupellosigkeit und ungehemmter Machtgier. Die Tat ist daher als Mord zu qualifizieren, welcher, entsprechend der dafür angedrohten lebenslänglichen Zuchthausstrafe, erst nach Ablauf von 20 Jahren verjährt (Art. 70 StGB).
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Francis Frank Mifsud ist deshalb sowohl wegen Anstiftung zu Meineid wie auch wegen Mordes an Grossbritannien auszuliefern.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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