BGE 101 Ia 533
 
83. Auszug aus dem Urteil vom 12. Dezember 1975 i.S. Lynas gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft und Eidg. Justiz- und Polizeidepartement
 
Regeste
Auslieferungsgesetz und Auslieferungsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika
Art. I des Auslieferungsvertrages: Wann gilt ein Verbrechen oder Vergehen als auf dem Gebiet der USA begangen? (E. 5).
Verhältnis zwischen dem Auslieferungsvertrag und dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen (E. 7).
 
Sachverhalt
William Posnett Lynas ist irischer Staatsbürger. Er wurde von den Zürcher Strafverfolgungsbehörden wegen Urkundenfälschung im Schweizerischen Polizeianzeiger ausgeschrieben, am 17. April 1972 in Genf verhaftet und der Bezirksanwaltschaft Zürich zugeführt, die ihn bis am 28. Juli 1972 in Untersuchungshaft hielt. Am 19. April 1972 ersuchte die amerikanische Botschaft in Bern die Polizeiabteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes (EJPD), Lynas gemäss Art. VI des Auslieferungsvertrages zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika von 14. Mai 1900 (Auslieferungsvertrag, AV) provisorisch zu verhaften. Ferner verlangte sie die Beschlagnahme der im Besitz von Lynas befindlichen Gegenstände sowie seiner Barschaft und seiner Bankguthaben. Am 14. Juni 1972 stellte die amerikanische Botschaft bei der Polizeiabteilung das Begehren um Auslieferung, gestützt auf Art. II Ziff. 13 AV. Nach der dem Gesuch beigelegten Anklageschrift der Grand Jury des District Court für den Central District of California wird Lynas Verschwörung (conspiracy) zur Einfuhr von Betäubungsmitteln sowie deren Einfuhr in die USA zur Last gelegt.
Lynas wurde am 28. Juli 1972 in Auslieferungshaft versetzt.
Die Gegenstände, die sich in seinem Besitz befanden, sowie ein Bankguthaben wurden beschlagnahmt. Er bestritt, die in der Anklageschrift erwähnten Straftaten begangen zu haben, und machte geltend, er habe sich zur Tatzeit nicht in den USA aufgehalten. Zudem rügte er formelle Mängel des Auslieferungsbegehrens. Sein Anwalt brachte in einer Eingabe vom 6. September 1972 vor, die von den USA eingelegten Dokumente genügten nicht, um die Auslieferung zu gestatten.
Die Polizeiabteilung bewilligte die Auslieferung am 16. November 1972. Ein Gesuch um provisorische Freilassung wies sie ab.
Lynas wandte sich mit einem Rekurs an das EJPD, wobei er wiederum den Einwand erhob, es fehle an den formellen Voraussetzungen für eine Auslieferung. Er verlangte erneut seine provisorische Freilassung, die mit Zwischenentscheid des EJPD vom 1. Februar 1973 und auf Beschwerde hin am 17. September 1973 vom Bundesrat verweigert wurde.
Am 25. März 1974 reichte Lynas beim EJPD eine weitere Rechtsschrift ein, in der er behauptete, einen Alibibeweis erbringen zu können, und geltend machte, die amerikanischen Behörden verfolgten mit dem Auslieferungsbegehren in Wirklichkeit nur den Zweck, ihn aus politischen Gründen zu verfolgen. Zum Beweis für seine Behauptungen legte er verschiedene Dokumente ein, namentlich eine von einem Zürcher Notar am 14. Dezember 1973 ausgestellte Urkunde mit den Aussagen einer Person, die sich als chilenischer Staatsbürger und ehemaliger Geheimagent des amerikanischen Geheimdienstes CIA ausgab. Lynas stellte den Antrag, die Akten seien dem Bundesgericht zum Entscheid zu überweisen, soweit die Beurteilung des Auslieferungsbegehrens aufgrund der neuen Vorbringen in dessen Zuständigkeit falle.
Das EJPD wies die gegen die Auslieferungsverfügung der Polizeiabteilung erhobene Beschwerde am 18. September 1974 ab. Es entschied, die Akten seien nicht dem Bundesgericht zu überweisen. Sowohl die formellen wie die materiellen Voraussetzungen für die Auslieferung hielt es für gegeben.
Eine dagegen eingereichte Beschwerde hiess der Bundesrat am 9. Juni 1975 teilweise gut und hob die Verfügung der Polizeiabteilung vom 16. November 1972 auf. Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden, soweit in die Kompetenz des Bundesrates fallend, abgewiesen, ebenso das Begehren um Freigabe der beschlagnahmten Gegenstände und des Bankguthabens. Das EJPD wurde jedoch beauftragt, die Einsprache dem Bundesgericht zu überweisen, damit es die übrigen Einwände beurteile.
 
Aus den Erwägungen:
In der Rechtslehre ist die Ansicht vertreten worden, der Verfolgte könne keine solche Einsprache mehr erheben, wenn die Polizeiabteilung oder das EJPD bereits über ein Auslieferungsbegehren entschieden hätten. Dieser Schluss ergebe sich zwingend aus der Zuständigkeitsordnung des Auslieferungsgesetzes, denn die Zuständigkeiten der Polizeiabteilung und des Bundesgerichtes stünden nebeneinander (SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, Basel 1953, S. 211). Das Bundesgericht hat sich indessen in einem Meinungsaustausch mit dem Eidgenössischen Finanz- und Zolldepartement auf den Standpunkt gestellt, eine derartige Einsprache könne während des ganzen Verwaltungsverfahrens, also bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens, erhoben werden. Wohl stünden in Auslieferungssachen die Zuständigkeiten von Verwaltungsinstanzen und Bundesgericht nebeneinander; das Bundesgericht sei jedoch in seiner Entscheidungsbefugnis jenen Instanzen nachgeordnet. Die Kompetenzbereiche von Verwaltung und Gericht blieben daher auch dann unangetastet, wenn dem Verfolgten bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens die Möglichkeit offen stehe, die zusätzliche Überprüfung seiner Einwendungen durch das Bundesgericht zu verlangen. In diesem Fall sei eine Stellungnahme der Vorinstanz einzuholen. Der Bundesrat hat sich in seinem Entscheid vom 9. Juni 1975 dieser Auffassung angeschlossen. Auf die Einsprache, die sich auf Art. 23 AuslG stützt, ist deshalb einzutreten. Dabei kann das Bundesgericht beim Entscheid über das Auslieferungsbegehren auch Vorbringen berücksichtigen, die Lynas nicht in der Einsprache, sondern in andern Rechtsschriften geltend gemacht hat, denn es ist von Amtes wegen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Auslieferung erfüllt sind (BGE 100 Ia 410).
Eine solche Vertragsbestimmung ist selten. In den meisten Verträgen wird bloss verlangt, dass die Behörden des ersuchenden Staates zur Verfolgung und Beurteilung der Tat zuständig sind, und die Auslieferung allenfalls bloss dann ausgeschlossen, wenn das Delikt auf dem Gebiet des ersuchten Staates begangen wurde. Das bedeutet, dass die Auslieferung auch für in einem Drittstaat begangene Straftaten zu bewilligen ist, sofern sie dem Strafrecht des ersuchenden Staates unterstehen. Der mit den USA abgeschlossene Auslieferungsvertrag gehört zu den wenigen, welche die Auslieferung nur für strafbare Handlungen vorsehen, die auf dem Gebiet des ersuchenden Staates begangen wurden.
Der Einsprecher hat in seiner Eingabe vom 25. März 1974 im Sinne eines Eventualstandpunktes geltend gemacht, es seien ihm keine Tathandlungen auf dem Gebiet der USA vorgeworfen. In der Anklageschrift wird ausgeführt, Lynas habe in West Los Angeles ein Postfach gemietet. Diese Tat ist blosse Teilhandlung der conspiracy. Abgesehen von dieser Postfachmiete ist zum Teil unklar, wo der Einsprecher die ihm vorgeworfenen Taten ausgeführt hat, obwohl die Angaben im Auslieferungsgesuch über den Ort der Tatbegehung den Anforderungen von Art. 15 AuslG durchaus genügen. Nach der Umschreibung im ersten Anklagepunkt wurden die Verschwörungshandlungen der beschuldigten Personen "im Central District of California und anderswo" begangen, und im vierten Anklagepunkt wird dem Einsprecher vorgeworfen, zusammen mit Illene Felshaw Kokain "in das Gebiet von Los Angeles County im Central District of California" eingeführt zu haben. Nach der Darstellung der Anklagebehörde scheint sich die Tätigkeit von Lynas vor allem in Südamerika abgewickelt zu haben, indem er von da aus den Absatz der Rauschgifte in den USA organisierte und die Betäubungsmittel in Filmbehältern nach Los Angeles schickte. Es stellt sich die Frage, ob die Straftat gemäss Art. I AV auf dem Gebiete der USA begangen ist, wenn ein Täter von einem Drittstaat aus illegal Rauschgift in die USA einführt und durch eine Verschwörung mit andern vor allem von einem Drittstaat aus in den USA einen Rauschgiftvertrieb organisiert.
b) Für das schweizerische Recht wäre die Frage zu bejahen, denn nach dem in Art. 7 Abs. 1 StGB festgehaltenen Ubiquitätsprinzip gilt ein Verbrechen oder Vergehen als da verübt, wo der Täter es ausführt, und da, wo der Erfolg eingetreten ist (vgl. BGE 97 IV 208 f., BGE 91 IV 231 f., je mit Hinweisen). Durch den Aufbau der Vertriebsorganisation in den USA und durch die illegale Einfuhr des Rauschgiftes ist in den Vereinigten Staaten ein Erfolg im Sinne dieser Gesetzesvorschrift eingetreten, die Tat also - auch - dort verübt worden.
Massgebend ist aber nicht in erster Linie das schweizerische Landesrecht, vielmehr ist in Auslegung des Auslieferungsvertrages zu entscheiden, wann eine Tat als auf dem Gebiet des ersuchenden Staates begangen gilt. Die Vertragsregel ist nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien zu interpretieren, wobei Gegenstand und Zweck des Übereinkommens zu berücksichtigen sind (BGE 97 I 364 f.). Nach dem Zweck des Auslieferungsvertrages sind Straftaten, wie sie dem Einsprecher zur Last gelegt werden, nicht nur dann auf dem Gebiete des ersuchenden Staates begangen, wenn sie auf dessen Territorium ausgeführt wurden, sondern auch dann, wenn die vom Täter beabsichtigte Wirkung dort eintrat. Eine andere Auslegung widerspräche dem Zweck des Übereinkommens. Würde im vorliegenden Fall angenommen, die Tat sei nur in einem südamerikanischen Staat begangen worden, so hätte dieser Staat, wenn die Handlung nach seinem Recht überhaupt strafbar wäre, kaum ein Interesse an der Strafverfolgung, da sich die Tat, entsprechend der Absicht des Täters, einzig in den USA auswirkte. In vielen Fällen könnte sich der Täter der Strafe entziehen, wenn er in einem Drittstaat Straftaten begeht, deren Erfolg nach seinem Willen in den USA eintritt und die gegen die Strafgesetze dieses Landes verstossen (vgl. dazu allgemein E. KALTCHAS, De l'extradition en cas de concours de compétences de plusieurs Etats, Diss. Lausanne 1934, S. 34).
Dass im Recht der zwischenstaatlichen Auslieferung der Begriff der Verbrechensbegehung in Anlehnung an die Ubiquitätstheorie auszulegen ist, geht auch aus andern Staatsverträgen hervor. Der am 21. November 1910 abgeschlossene Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Griechenland bestimmt in Art. I ebenfalls, dass die Auslieferung nur erfolgt für Delikte, die auf dem Gebiet des ersuchenden Staates begangen wurden. In Art. 4 wird die Auslieferung ausgeschlossen für im ersuchten Staat begangene Taten. Diese Regelung hat nur ihren guten Sinn, wenn davon ausgegangen wird, dass eine Tat im Sinne der Ubiquitätstheorie in zwei Staaten begangen werden kann (vgl. BGE 43 I 75 f., Frage offen gelassen).
c) Selbst wenn angenommen würde, das amerikanische Landesrecht sei allein massgebend (so SCHULTZ, a.a.O., S. 70 oben), ergäbe sich dieselbe Lösung. Das ist bei der Auslegung des Auslieferungsvertrages deshalb von besonderer Bedeutung, weil die für die Schweiz ungebräuchliche Einschränkung, die Auslieferung nur zu bewilligen, wenn die Tat auf dem Gebiet des ersuchenden Staates begangen wurde, mit Rücksicht auf das in den USA geltende angelsächsische Territorialitätsprinzip in den Vertragstext aufgenommen wurde (SCHULTZ, a.a.O., S. 68). Nach amerikanischem Recht schliesst das Territorialitätsprinzip das Ubiquitätsprinzip durchaus nicht aus, sondern steht mit ihm in Einklang. Es gilt der Grundsatz, dass ein Staat Taten und Unterlassungen bestrafen darf, deren Erfolg bewusst oder gewollt in ihm durch ein Handeln ausserhalb seiner Grenze herbeigeführt worden ist. Das gilt insbesondere auch für Verschwörungen zu kriminellen Zwecken (D. OEHLER, Internationales Strafrecht, Köln usw. 1973, S. 235 mit Hinweisen auf die amerikanische Rechtsprechung; M. C. BASSIOUNI, International Criminal Law, Band II, Springfield, Ill., 1973, S. 20 f.). Demnach gelten die dem Einsprecher zur Last gelegten Straftaten nach dem Recht der Vereinigten Staaten - gleich wie nach schweizerischem Recht - als in den USA begangen, und zwar auch insoweit, als Handlungen in einem Drittstaat ausgeführt wurden, die vom Täter beabsichtigte Wirkung aber in den USA eintrat.
Die amerikanischen Gerichte scheinen Art. I AV ebenfalls im Sinne des Ubiquitätsprinzips auszulegen. So entsprach ein amerikanisches Bundesgericht einem schweizerischen Auslieferungsbegehren, obwohl der Verfolgte die ihm zur Last gelegte Tat nicht in der Schweiz ausgeführt hatte (Urteil Eatessami v. Marasco, 275 F. Supp. 492, District Court Southern District of New York 1967).
Dem Einsprecher wird zur Last gelegt, im Sinne von Art I AV Delikte auf dem Gebiete der USA begangen zu haben, da er durch sein Handeln den Aufbau des Rauschgiftvertriebes in den Vereinigten Staaten und die Einfuhr von Kokain in dieses Land bewusst und gewollt unmittelbar bewirkt habe. Da nach dem Gesagten Art. I des Auslieferungsvertrages im Sinne des Ubiquitätsprinzips auszulegen ist, ist der Einwand Lynas unbehelflich, er habe auf dem Gebiet der USA keine Tathandlungen ausgeführt.
7. a) Art. VII Abs. 1 AV bestimmt, dass die Auslieferung wegen eines politischen Verbrechens oder Vergehens nicht bewilligt wird. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung fallen unter den Begriff des politischen Delikts nicht nur Straftaten, die gegen die politische und gesellschaftliche Ordnung eines Staates gerichtet sind (rein politische Delikte), sondern auch solche, die an sich den Tatbestand eines gemeinrechtlichen Delikts erfüllen, aber wegen der Umstände, unter denen sie begangen wurden, vor allem mit Rücksicht auf Beweggrund und Ziel, einen überwiegend politischen Charakter haben (relativ politische Delikte; vgl. BGE 95 I 468 f.; 90 I 299 f.). Dem Einsprecher werden Betäubungsmitteldelikte zur Last gelegt, die ohne Zweifel nicht als politische Verbrechen oder Vergehen im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gelten können.
Lynas anerkennt das selber. Er ist aber der Ansicht, die moderne Auffassung über die Rechtsschutzgarantie eines Auszuliefernden, die im Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EuA) ihren Niederschlag gefunden habe, gebiete es, auch die politisch motivierte Verfolgung zu beachten. Nach Art. 3 Ziff. 2 EuA wird die Auslieferung nicht bewilligt, wenn der ersuchte Staat ernstliche Gründe hat anzunehmen, dass das Auslieferungsersuchen wegen einer nach gemeinem Recht strafbaren Handlung gestellt worden ist, um eine Person aus rassischen, religiösen, nationalen oder auf politischen Anschauungen beruhenden Erwägungen zu verfolgen oder zu bestrafen, oder dass die verfolgte Person der Gefahr einer Erschwerung ihrer Lage aus einem dieser Gründe ausgesetzt wäre.
Die Schweiz ist dem Übereinkommen am 20. März 1967 beigetreten, dagegen sind die Vereinigten Staaten von Amerika nicht Vertragspartei. Das Bundesgericht hat in seinem Urteil BGE 99 Ia 547 ff. entschieden, Art. 3 Ziff. 2 EuA, der seinem Gehalt nach mit dem schweizerischen Landesrecht übereinstimmt, sei auch dann anwendbar, wenn mit dem ersuchenden Staat kein bilateraler Auslieferungsvertrag besteht und dieser Staat auch dem Auslieferungsübereinkommen nicht angeschlossen ist. Diese Lösung kann jedoch nicht übertragen werden auf die Fälle, in denen das Auslieferungsbegehren von einem Staat ausgeht, der dem Übereinkommen nicht beigetreten ist, mit dem aber die Schweiz einen Auslieferungsvertrag abgeschlossen hat, der die in Art. 3 Ziff. 2 EuA bzw. Art. 3 Ziff. 4 EuA enthaltene Einschränkung nicht kennt (vgl. BGE 91 I 132 E. 3c, 43 I 74 E. 1). Art. 3 Ziff. 2 EuA bzw. Art. 3 Ziff. 4 EuA lässt ausdrücklich diejenigen Verpflichtungen unberührt, welche die Vertragsparteien auf Grund eines anderen mehrseitigen internationalen Übereinkommens übernommen haben oder übernehmen werden. Der Auslieferungsvertrag geht somit dem Übereinkommen vor, und die Schweiz kann deshalb die Auslieferung nicht unter Hinweis auf den schweizerischen ordre public oder das Übereinkommen verweigern. Die Schweiz könnte sich der gegenüber den USA eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen nur durch Kündigung des Auslieferungsvertrages entschlagen, wenn die zuständigen Behörden zur Auffassung gelangten, das Vertrauen in ein rechtsstaatliches Strafverfahren des Vertragspartners sei nicht mehr gerechtfertigt (SCHULTZ, a.a.O., S. 239 f.). Das ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die Auslieferung kann somit nicht unter Hinweis auf Art. 2 Ziff. 3 EuA verweigert werden.
b) In der neueren Rechtslehre wird hingegen angenommen, dass eine Auslieferung gegen zwingende Regeln des Völkerrechts verstossen würde, wenn sie zu einer mit den Sätzen über die Achtung der Menschenrechte in Widerspruch stehenden Behandlung des Ausgelieferten im ersuchenden Staat führen würde (T. VOGLER, Auslieferungsrecht und Grundgesetz, Berlin 1970, S. 220). Auch wenn man den Einwand des Einsprechers unter diesem Gesichtspunkt eines internationalen ordre public betrachtet, vermag er nicht durchzudringen. Es besteht kein hinreichender Grund zur Annahme, dass das Verfahren vor dem zuständigen amerikanischen Gericht, der Grand Jury des Distriktsgerichts des Central District of California, zu einem Zweck durchgeführt und Lynas in einer Art behandelt werden könnte, die mit dem Grundsatz der Wahrung der Menschenrechte in Widerspruch stünden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Einsprache des William Posnett Lynas wird abgewiesen.
2. Die Auslieferung des Einsprechers an die Vereinigten Staaten von Amerika wird bewilligt.