BGE 104 Ia 226 - Konsultativabstimmung Wädenswil |
37. Auszug aus dem Urteil vom 12. Juli 1978 i.S. Fauquex und Brändli gegen Stadtgemeinde Wädenswil und Regierungsrat des Kantons Zürich |
Regeste |
Art. 85 lit. a OG, Konsultativabstimmung. |
1. a) Zulässigkeit der Stimmrechtsbeschwerde gegen eine Konsultativabstimmung (E. 1a). |
b) Aktuelles praktisches Interesse an der Beschwerdeführung (E. 1b). |
2. Erfordernis der gesetzlichen Grundlage für die Durchführung einer Konsultativabstimmung (E. 2, 3). |
Sachverhalt |
Die Stadtgemeinde Wädenswil verfügt seit 1969 über keinen Schiessplatz mehr, da die frühere Anlage aus Sicherheitsgründen geschlossen werden musste. In den Jahren 1969 und 1973 verwarfen die Stimmbürger der Gemeinde zwei Kreditvorlagen für die Erstellung einer neuen Anlage am Standort "Beichlen", und die Gemeindevorsteherschaft erklärte sich nach diesen negativen Volksentscheiden ausserstande, der ihr obliegenden bundesrechtlichen Pflicht zur Bereitstellung der erforderlichen Schiessplätze nachzukommen. Auf Intervention des Vorstehers des Eidg. Militärdepartements hin fand sie sich jedoch bereit, noch eine dritte Abstimmungsvorlage auszuarbeiten. Im Rahmen der Vorbereitung dieser Vorlage fasste der Gemeinderat (Gemeindeparlament) auf Antrag des Stadtrates (Exekutive) den Beschluss, eine konsultative Volksabstimmung durchzuführen und den Stimmbürgern die Frage zu unterbreiten, welchen der drei Standorte "Beichlen", "Grossholz" oder "Ödischwend" sie bevorzugten. Der Stadtrat erklärte in der Weisung an die Stimmbürger, er werde eine Schiessanlage für denjenigen Standort projektieren lassen, der am meisten Befürworter finde. Anschliessend werde dem Gemeinderat und den Stimmbürgern im ordentlichen Verfahren ein entsprechendes Kreditbegehren für die Erstellung der Anlage unterbreitet.
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Eugen Fauquex und Heinrich Brändli fochten die Anordnung der Konsultativabstimmung ohne Erfolg beim Bezirksrat Horgen und beim Regierungsrat des Kantons Zürich an. Gestützt auf Art. 85 lit. a OG erhoben sie staatsrechtliche Beschwerde, im wesentlichen mit der Begründung, die Konsultativabstimmung sei mangels einer gesetzlichen Grundlage unzulässig. Das gleichzeitig gestellte Gesuch um aufschiebende Wirkung wurde vom Präsidenten der staatsrechtlichen Kammer abgewiesen. Die Konsultativabstimmung fand in der Folge statt, wobei 2307 Stimmbürger dem Standort "Beichlen" den Vorzug gaben, während auf das Areal "Grossholz" 2001 und auf "Ödischwend" 461 Stimmen entfielen. In der nachfolgenden ordentlichen Abstimmung genehmigten die Stimmbürger von Wädenswil mit 3148 Ja gegen 2613 Nein den Kredit für die Erstellung eines neuen Schiessplatzes "Beichlen". Diese Abstimmung blieb unangefochten.
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Aus den Erwägungen: |
Erwägung 1 |
1. Gemäss Art. 85 lit. a OG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen. Dabei überprüft es nicht nur die Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, sondern auch die Auslegung anderer kantonaler Vorschriften, welche den Inhalt des Stimm- und Wahlrechts normieren oder mit diesem in engem Zusammenhang stehen. In ausgesprochenen Zweifelsfällen schliesst sich das Bundesgericht jedoch der von der obersten kantonalen Behörde vertretenen Auslegung an (BGE 103 Ia 561, 55 E. 2c; BGE 101 Ia 232 E. 1; BGE 100 Ia 238 mit Hinweisen).
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a) Im vorliegenden Fall ist vorab zu prüfen, ob es sich bei der streitigen Volksbefragung überhaupt um eine Abstimmung handelt, die gemäss Art. 85 lit. a OG mit Stimmrechtsbeschwerde angefochten werden kann, oder ob es, ähnlich wie im Falle einer sogenannten indirekten Abstimmung (vgl. BGE 99 Ia 448 E. 1), an einem tauglichen Beschwerdegegenstand fehlt. Zweifel mögen sich daraus ergeben, dass die in Wädenswil durchgeführte Konsultativabstimmung keinen rechtlich verbindlichen Entscheid der Stimmbürger bewirkte, sondern im Hinblick auf die vorzubereitende Kreditvorlage lediglich Aufschluss darüber geben sollte, welchem von drei möglichen Schiessplatz-Standorten die Stimmbürger den Vorzug einräumten. Aus diesem Umstand lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die in Art. 85 lit. a OG vorgesehene Beschwerde nicht ergriffen werden könne. Es trifft zwar zu, dass eine Volksabstimmung, die nicht zu einem die Behörden rechtlich bindenden Entscheid führt, gewisse Merkmale einer blossen Meinungsumfrage trägt, und es steht ausser Zweifel, dass die Stimmrechtsbeschwerde nicht gegeben ist, um die Anordnung, das Verfahren oder das Ergebnis einer formlosen Umfrage anzufechten, die im Stichprobeverfahren oder anderswie, z.B. aufgrund einer Fragebogenaktion oder mittels Zeitungstalons, durchgeführt worden ist. Von einer solchen Befragung unterscheidet sich eine eigentliche Konsultativabstimmung aber dadurch, dass sie in den spezifischen äusseren Formen des Abstimmungsverfahrens erfolgt und dass zur Teilnahme daran die Gesamtheit der Stimmbürger aufgerufen ist. Die Stimmbürger geben in öffentlicher Funktion ihrem Willen Ausdruck, und die Konsultativabstimmung ist dazu bestimmt, die Meinung des Souveräns autoritativ festzulegen. Selbst wenn sie nicht zu einem rechtlich verbindlichen Entscheid führt, kommt ihr doch eine faktische Verbindlichkeit und eine Bedeutung für die Behörden zu, die mit jener einer formlosen Umfrage nicht vergleichbar ist. Wird eine konsultative Volksbefragung in den spezifischen Formen des Abstimmungsverfahrens durchgeführt, so muss dem Stimmbürger deshalb ein Anspruch darauf zustehen, dass die Abstimmung rechtmässig erfolgt und der politische Wille der Stimmberechtigten unverfälscht zum Ausdruck kommt. Eine derartige Volksbefragung ist daher als Abstimmung im Sinne von Art. 85 lit. a OG zu betrachten, was zur Folge hat, dass sie der Anfechtung mittels der Stimmrechtsbeschwerde unterliegt.
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b) Das Bundesgericht tritt auf eine staatsrechtliche Beschwerde nur ein, wenn der Beschwerdeführer an ihrer Gutheissung ein aktuelles praktisches Interesse hat. Fehlt ein solches, weil der angefochtene Hoheitsakt widerrufen worden ist oder weil er im Urteilszeitpunkt aus einem anderen Grunde keine Wirkungen mehr entfaltet, so führt das zur Unzulässigkeit der Beschwerde. Anders verhält es sich nur, wenn der gerügte Eingriff sich jederzeit wiederholen könnte und eine rechtzeitige verfassungsgerichtliche Prüfung auch in künftigen Fällen kaum je möglich wäre, so dass das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses eine Kontrolle der Verfassungsmässigkeit faktisch verhindern würde (BGE 100 Ia 394 E. 1b mit Hinweisen). Diese Rechtsprechung gilt nicht nur für die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG), sondern grundsätzlich auch für die Stimmrechtsbeschwerde gemäss Art. 85 lit. a OG (BGE 94 I 33; BGE 91 I 193 E. 1d; nicht publ. Urteil i.S. Brönnimann vom 23. März 1977, E. 2b). Im Falle der Stimmrechtsbeschwerde ist freilich zu beachten, dass der Bürger mit dem politischen Stimm- und Wahlrecht nicht nur ein Individualrecht, sondern gleichzeitig eine Organkompetenz und damit öffentliche Funktionen ausübt. Eine Verletzung des politischen Stimmrechts kann deshalb in Frage stehen ohne Rücksicht darauf, ob der Bürger irgendwie in seinen persönlichen Interessen betroffen ist, und die Stimmrechtsbeschwerde ist auch dann zulässig, wenn der Beschwerdeführer damit ausschliesslich die Wahrung der öffentlichen Interessen verfolgt (BGE 99 Ia 728 E. 1). Es kann sich im Hinblick auf diese Besonderheit rechtfertigen, eine Stimmrechtsbeschwerde auch dann zur materiellen Prüfung entgegenzunehmen, wenn an der Kassation der angefochtenen Abstimmung oder Wahl kein praktisches Interesse mehr besteht, die Beschwerde aber Rechtsfragen zum Gegenstand hat, deren Klärung nach wie vor im öffentlichen Interesse liegt. Für dieses Vorgehen kann insbesondere dann Grund bestehen, wenn das Fehlen eines aktuellen praktischen Interesses allein darauf zurückzuführen ist, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung verweigert wurde, weil einer solchen Anordnung andere und überwiegende öffentliche Interessen entgegenstanden. So verhält es sich auch hier. Die streitige Konsultativabstimmung fand im Laufe des bundesgerichtlichen Verfahrens statt, nachdem das Gesuch, es sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung beizulegen, im Hinblick auf das vordringliche Interesse der Gemeinde an der Erstellung einer neuen Schiessanlage abgewiesen worden war. Da die Stimmbürger von Wädenswil anschliessend in einer ordentlichen Abstimmung die Kreditvorlage für den Bau der neuen Anlage am Standort "Beichlen" genehmigten und diese Abstimmung unangefochten blieb, ist offenkundig, dass für die Aufhebung der konsultativen Volksbefragung kein praktisches Interesse mehr besteht. Es ist indes nach wie vor ein hinreichendes öffentliches Interesse an der Klärung der Frage gegeben, ob die Konsultativabstimmung trotz Fehlens einer gesetzlichen Grundlage habe angeordnet werden dürfen. Da diese Frage Gegenstand einer Stimmrechtsbeschwerde bildet, ist sie im folgenden näher zu prüfen.
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Erwägung 2 |
2. a) Als Konsultativabstimmungen werden in der Regel Volksbefragungen bezeichnet, die nicht zu einem rechtlich verbindlichen Entscheid der Stimmbürger führen. Diese Terminologie wird freilich nicht einheitlich befolgt. Art. 48 der st. gallischen Kantonsverfassung bestimmt, dass der Grosse Rat befugt ist, über die Aufnahme einzelner Grundsätze in einen auszuarbeitenden Erlass eine Volksabstimmung ergehen zu lassen, und das nidwaldische Gesetz über die Organisation und das Verfahren der gesetzgebenden und vollziehenden kantonalen Gewalten sieht vor, dass der Landrat befugt ist, die Landsgemeinde über die Aufnahme einzelner Grundsätze in die Gesetzgebung abstimmen zu lassen. Das kantonale Gesetzesrecht bezeichnet diese Volksbefragungen als Konsultativabstimmungen, doch schreibt es ausdrücklich vor, dass deren Ergebnis den Grossen Rat bzw. den Landrat bindet (Art. 31 des st. gallischen Gesetzes über Referendum und Initiative; Art. 49 des nidwaldischen Organisationsgesetzes). Es erscheint zutreffender, im Falle derartiger Abstimmungen, die rechtlich verbindlich sind, aber die Eigenart aufweisen, dass sie nicht zu einem definitiven Entscheid über ein Gesetz oder einen anderen ordentlichen Abstimmungsgegenstand führen, von Grundsatz- und nicht von Konsultativabstimmungen zu sprechen. Art. 42 Abs. 2 der schaffhausischen Kantonsverfassung enthält eine praktisch gleichlautende Bestimmung wie die erwähnte st. gallische Verfassungsnorm. Die entsprechende Abstimmung wird im schaffhausischen Verfassungstext selber als "Volksbefragung" bezeichnet, doch fehlt eine ausdrückliche Vorschrift darüber, ob das Ergebnis der Befragung für den Grossen Rat verbindlich sei oder nicht. Wie es sich damit verhält, steht deshalb dahin. Um eine eigentliche, rechtlich nicht verbindliche Konsultativabstimmung handelte es sich aber offenbar beim Institut der Volksbefragung über grundsätzliche Fragen der künftigen Gesetzgebung, das 1972 in der solothurnischen Kantonsverfassung verankert werden sollte. Die Vorlage, die mit der Abschaffung des obligatorischen Gesetzesreferendums im Zusammenhang stand, fand in der Volksabstimmung jedoch keine annehmende Mehrheit (vgl. dazu Derendinger, Die konsultative Volksbefragung, in Festgabe Jeger, 1973, S. 396, ferner Giacometti, Über die Zulässigkeit von Volksabstimmungen in nichtreferendumspflichtigen Materien, SJZ 52/1956, S. 307).
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Ob die zürcherischen Gemeinden zur Durchführung konsultativer Volksabstimmungen befugt sind, wird im kantonalen Verfassungs- und Gesetzesrecht nicht näher geregelt (vgl. BGE 103 Ia 489, ferner die Weisung des Regierungsrates zur Änderung der Art. 29, 30 und 31 KV, Zürcher Amtsblatt 1974, S. 1868, 1887), und auch der Gemeindeordnung von Wädenswil ist hierüber keine ausdrückliche Vorschrift zu entnehmen. Im folgenden ist deshalb zu prüfen, ob die Gemeinde Wädenswil ihre Stimmbürger zu einer rechtlich nicht verbindlichen Willensäusserung an die Urne rufen durfte, auch wenn eine solche Abstimmung weder im kantonalen noch im kommunalen Recht vorgesehen war.
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b) Die Frage, ob eine Konsultativabstimmung ohne entsprechende rechtliche Grundlage angeordnet werden darf, ist in der Lehre umstritten. Es wird einerseits die Auffassung vertreten, eine solche Grundlage sei entbehrlich, da die Konsultativabstimmung nicht zu einem rechtlich verbindlichen Ergebnis führe und damit auch keine verfassungs- und gesetzmässigen Zuständigkeiten verschiebe. Eine derartige Volksbefragung stelle ein blosses Hilfsmittel zur Vorbereitung von Gesetzen und Beschlüssen dar, von dem die Behörden nach ihrem pflichtgemässen Ermessen Gebrauch machen könnten (vgl. Derendinger, a.a.O., S. 400 ff., Etter, Die Gewaltendifferenzierung in der zürcherischen Gemeinde, Diss. Zürich 1967, S. 72). Anderseits wird verlangt, dass auch eine blosse Konsultativabstimmung auf einer gesetzlichen und allenfalls sogar verfassungsmässigen Grundlage beruhe. Begründet wird diese Auffassung im wesentlichen damit, dass die Behörden den in der Konsultativabstimmung zum Ausdruck kommenden Volkswillen nicht unberücksichtigt lassen könnten, unbekümmert darum, dass der Befragung keine rechtliche Verbindlichkeit zukomme. Eine solche Abstimmung unterscheide sich von einer rechtlich verbindlichen deshalb nicht wesentlich, und sie führe zu einer unzulässigen Abschiebung der behördlichen Verantwortung auf das Volk, wenn dafür keine rechtliche Grundlage gegeben sei (vgl. Giacometti, a.a.O., S. 309 ff., der sich freilich vorab mit einer konsultativen Befragung in einem Sachbereich befasst, in welchem den Stimmbürgern keine Entscheidkompetenz zukommt; Briner, Grundsatzentscheide am Beispiel der zürcherischen Gemeinde, Diss. Zürich 1974, S. 80 f.). Zu Grundsatzabstimmungen, deren Ergebnis für die künftige Tätigkeit der Behörden verbindlich sein soll, wird nirgendwo die Auffassung vertreten, dass solche Abstimmungen ohne gesetzliche oder allenfalls verfassungsmässige Grundlage angeordnet werden könnten.
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c) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine gesetzliche Grundlage, d.h. eine generell-abstrakte Norm, die sich ihrerseits als verfassungsmässig erweist, in erster Linie für die Einschränkung verfassungsmässiger Rechte der Bürger und für die Auferlegung von Pflichten erforderlich. Der Gesetzesvorbehalt ist jedoch nicht auf diese Art behördlichen Handelns beschränkt, sondern kann in weiteren Bereichen der staatlichen Tätigkeit, so z.B. auf dem Gebiet der leistungsgewährenden Verwaltung, Geltung beanspruchen (vgl. dazu im einzelnen: BGE 103 Ia 376 ff. E. 3b, 5 und 6, 402 E. 3a). Im Bereich der staatlichen Organisation ist eine gesetzliche Grundlage für jedes Verfahren erforderlich, in welchem rechtlich bindende Entscheide zustandekommen, sei es auf dem Gebiet der Gesetzgebung, der Rechtsprechung oder der Verwaltung. Aus diesem Grundsatz folgt, dass eine Volksbefragung einer gesetzlichen Grundlage bedarf, wenn ihr Ergebnis als rechtlich verbindlich zu gelten hat. Es sprechen indes gewichtige Gründe dafür, diese Anforderung auch im Falle einer blossen Konsultativabstimmung zu stellen. So lässt sich für diese Auffassung vorab anführen, dass eine Konsultativabstimmung die Behörden faktisch fast ebenso bindet, wie wenn eine rechtlich verbindliche Volksbefragung durchgeführt worden wäre, denn es erscheint politisch kaum denkbar, dass sich die Behörden über das Abstimmungsergebnis hinwegsetzen. Das widerspräche schon dem Sinn und Zweck der Konsultativabstimmung, Kenntnis über den Volkswillen zu erhalten, damit eine künftig zu treffende Entscheidung auf dieser Grundlage vorbereitet werden kann. Es entspricht sodann der Bedeutung des Abstimmungsverfahrens, in welchem die Gesamtbürgerschaft in öffentlicher Funktion als höchstes Organ der staatlichen Willensbildung in Anspruch genommen wird, dass es nur nach Massgabe von Verfassung und Gesetz angeordnet werden kann und dass es in streng rechtlich geordneten Bahnen verläuft. Würden ausserhalb der rechtlichen Ordnung und ohne Beachtung der strikten Regeln des Abstimmungsverfahrens Konsultativabstimmungen unter den Stimmbürgern durchgeführt, so wäre nicht nur eine Beeinträchtigung der Aussagekraft derartiger Volksbefragungen zu erwarten, sondern es wären überdies nachteilige Auswirkungen auf die Autorität der ordentlichen Volksabstimmungen zu befürchten. Es trifft freilich zu, dass ein wachsendes Bedürfnis danach geltend gemacht wird, die Stimmbürger nicht erst am endgültigen Entscheid über Gesetze und andere Sachfragen teilnehmen zu lassen, sondern sie vermehrt in früheren Stadien der staatlichen Willensbildung zu beteiligen, besonders im Rahmen der Planung oder bei der Festlegung von Grundsätzen für die Ausarbeitung umfangreicher Einzelprojekte. Dies wird damit begründet, der Bürger erhalte auf diese Weise ein Mitspracherecht, bevor er weitgehend vor vollendete Tatsachen gestellt sei; ferner vermindere die frühe Beteiligung der Bürger das Risiko, dass eine mit erheblichem Aufwand ausgearbeitete Vorlage in der endgültigen Abstimmung scheitere (vgl. Derendinger, a.a.O., S. 391; Briner, a.a.O., S. 51 ff., 67 ff.). Über diese Ziele und ihre Verwirklichung herrscht indes keine Einigkeit.
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So wird die Auffassung vertreten, es sollten keine neuen Abstimmungsformen vorgesehen werden, da dies zu Unsicherheiten und zur Gefahr der Manipulation, des Missbrauchs und der Verwischung der Verantwortungen führen würde; ferner wird geltend gemacht, die rechtzeitige Mitsprache der Bürger könne, soweit dafür ein sachlich begründetes Bedürfnis bestehe, bereits bei richtiger Handhabung der bestehenden Institutionen ermöglicht werden (vgl. dazu die bereits erwähnte Weisung des Zürcher Regierungsrates, a.a.O., S. 1856 ff., ferner mit Bezug auf die Einführung eines "Behördenreferendums" den Bericht der Expertenkommission für die Totalrevision der Bundesverfassung, 1977, S. 141). Es besteht auch keine Einhelligkeit darüber, ob im Falle der Erweiterung der bestehenden Institutionen der rechtlich unverbindlichen Konsultativabstimmung oder der verpflichtenden Grundsatzabstimmung der Vorzug zu geben sei (vgl. Derendinger, a.a.O., S. 399 f.; Briner, a.a.O., 172 ff.). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass gewichtige Gründe, insbesondere die faktische Verbindlichkeit konsultativer Volksbefragungen und das erhebliche öffentliche Interesse an der Erhaltung einer klaren Abstimmungsordnung, dafür sprechen, die Durchführung von Konsultativabstimmungen nur nach Massgabe des Gesetzes zuzulassen. Zum Erfordernis der gesetzlichen Grundlage braucht aber nicht abschliessend und generell Stellung genommen zu werden, da im vorliegenden Fall besondere und aussergewöhnliche Umstände vorliegen, welche die Anordnung einer Konsultativabstimmung auch ohne ausdrückliche Grundlage im kantonalen oder kommunalen Recht als zulässig erscheinen lassen.
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Erwägung 3 |
3. Wie aus den Akten hervorgeht, konnten die Wädenswiler Schützen nach der Schliessung des alten Schiessplatzes ihre ausserdienstliche obligatorische Schiesspflicht vorerst in den Nachbargemeinden erfüllen, doch erwuchs dieser Notlösung immer grösserer Widerstand. Da die Gemeinden von Bundesrechts wegen verpflichtet sind, die für die obligatorischen ausserdienstlichen Schiessübungen notwendigen Schiessplätze bereitzustellen, musste die Gemeinde Wädenswil nach dem Scheitern der zwei Projekte für eine neue Schiessanlage ernsthaft mit einer Ersatzvornahme durch die kantonalen oder eidgenössischen Behörden rechnen. Anlässlich einer Aussprache mit dem Vorsteher des Eidg. Militärdepartements wurde die Gemeindevorsteherschaft denn auch eindringlich ersucht, noch eine dritte Vorlage auszuarbeiten, um einer aufsichtsrechtlichen Intervention zu entgehen. Die Gemeinde befand sich nach dem negativen Ausgang der beiden ersten Volksabstimmungen in einer ausgesprochenen Zwangslage, und es musste alles daran gesetzt werden, dass hinsichtlich der neu zu erstellenden Schiessanlage doch noch ein annehmender Entscheid der Stimmbürger zustandekomme. Es kann in Anbetracht dieser besonderen Umstände nicht gesagt werden, die Behörden hätten durch die Anordnung einer Konsultativabstimmung die ihnen obliegende Verantwortung auf die Stimmbürger abschieben wollen, und es verhält sich auch nicht so, dass die Volksbefragung geeignet war, die nachfolgende ordentliche Abstimmung in unzulässiger Weise zu beeinflussen. Wenn die Gemeindebehörden über die in Frage kommenden Schiessplatz-Standorte eine Konsultativabstimmung anordneten, so geschah dies einzig, um die dritte Kreditvorlage so gut wie möglich vorzubereiten, damit der neue Schiessplatz doch noch aufgrund eines autonomen Entscheids der Gemeindebürger erstellt und die drohende Ersatzvornahme verhindert werden könne. Es lässt sich sodann nicht sagen, dass der Gemeinde zu diesem Zweck andere, ebenso taugliche Mittel zur Verfügung gestanden hätten, für die eine gesetzliche Grundlage zweifellos nicht erforderlich oder im kantonalen oder kommunalen Recht vorhanden gewesen wäre. Was die Durchführung eines Vernehmlassungsverfahrens oder einer formlosen Meinungsumfrage betrifft, so konnten die Gemeindebehörden ohne weiteres annehmen, dass das Ergebnis dieser Verfahren keinen genügend sicheren Aufschluss über den Willen der Stimmbürger geben würde. Es kann der Gemeinde auch nicht vorgeworfen werden, sie hätte statt der Konsultativabstimmung eine verbindliche Alternativabstimmung anordnen sollen. Die Durchführung einer Alternativabstimmung ist nach dem Gesetz über das Gemeindewesen vom 6. Juni 1926 (GG) für den Fall vorgesehen, dass die Gemeindeexekutive ihren vom Gemeindeparlament abgelehnten Antrag neben den Anträgen und Beschlüssen des Parlaments zur Abstimmung bringen will (§ 95 GG). Die Gemeinde Wädenswil konnte davon ausgehen, dass im vorliegenden Fall kein solcher Konflikt zwischen Gemeindeparlament und Exekutive bestehe und dass deshalb nicht nach Massgabe von § 95 GG vorzugehen sei. Berücksichtigt man die dargelegten Umstände, so lässt sich die Veranstaltung der streitigen Konsultativabstimmung nicht als unzulässig erachten. Die Befugnis des Gemeindeparlaments, die Durchführung einer Konsultativabstimmung anzuordnen, kann in einem Sonderfall wie dem vorliegenden unmittelbar aus der Zuständigkeit der kommunalen Behörden zur Vorbereitung der Abstimmungsvorlagen abgeleitet werden, was mit dem allgemeinen staatsrechtlichen Grundsatz übereinstimmt, dass eine Behörde auch ohne gesetzliche Grundlage die Befugnis zum Einsatz derjenigen Mittel besitzt, ohne die eine klarerweise gegebene Aufgabe nicht erfüllt werden kann (vgl. Aubert, Traité de droit constitutionnel suisse, Nrn. 620-23).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |