BGE 108 Ia 264
 
49. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 20. Oktober 1982 i.S. Wagner und evangelische Kirchgemeinde Roggwil gegen evangelische Landeskirche des Kantons Thurgau (staatsrechtliche Beschwerde)
 
Regeste
Art. 88 OG, Legitimation; Art. 4 BV und Gemeindeautonomie, Nichtgenehmigung einer Pfarrwahl.
Autonomie der thurgauischen Kirchgemeinden auf dem Gebiet der Pfarrwahl (E. 8). Wahl eines ausländischen Pfarrers durch eine Kirchgemeinde, die gestützt auf eine Vorschrift des Organisationsgesetzes der evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau betreffend Gewährung des Stimm- und Wahlrechts an Ausländer in Gemeindeangelegenheiten die passive Wahlberechtigung für ausländische Pfarrer eingeführt hatte. Keine Verletzung der Autonomie der Kirchgemeinde, wenn der Evangelische Kirchenrat des Kantons Thurgau diese Wahl nicht genehmigte (E. 9).
 
Sachverhalt
Die Kirchenvorsteherschaft der evangelischen Kirchgemeinde Roggwil/TG brachte dem Kirchenrat der evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau mit Schreiben vom 29. Mai 1981 zur Kenntnis, sie werde die Kirchbürger auf den 21. Juni 1981 zu einer ausserordentlichen Kirchgemeindeversammlung einladen und folgende Anträge stellen:
1. "Die evangelische Kirchgemeinde Roggwil/TG verleiht, gestützt auf die Bestimmungen von § 6 Abs. 3 des Organisationsgesetzes der evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau, den ausländischen, ordinierten Pfarrern die passive Wahlfähigkeit."
2. "Pfarrer Klaus Joachim Wagner, geb. 8. September 1939, deutscher Staatsangehöriger (urspr. von Siebenbürgen/Rumänien), derzeit Pfarrer in Wil/SG, wird als Pfarrer der evangelischen Kirchgemeinde Roggwil/TG mit Amtsantritt per 15. Oktober 1981 gewählt."
Mit Antwortschreiben vom 17. Juni 1981 an die Kirchenvorsteherschaft Roggwil stellte der Evangelische Kirchenrat fest, ein Pfarrer bekleide ein öffentliches Amt, weshalb nach dem kantonalen Gesetz über Wahlen und Abstimmungen nur Schweizerbürger wählbar seien. Zwar habe die Landeskirche den Kirchgemeinden mit § 6 Abs. 3 des Organisationsgesetzes die Möglichkeit gegeben, für Gemeindeangelegenheiten das Stimm- und Wahlrecht in vollem oder beschränktem Umfange auch den evangelischen Ausländern zu geben. Es sei aber nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen, diese Bestimmung auf die Wahl eines Pfarrers anzuwenden. Es käme einer willkürlichen Anwendung des Organisationsgesetzes gleich, wenn eine Kirchgemeinde einer einzigen Person oder einer Personengruppe ohne Schweizerbürgerrecht das Stimm- und Wahlrecht zuerkennen würde. Ein ordinierter Pfarrer ohne Schweizerbürgerrecht könne vom Kirchenrat als Verweser oder Pfarrvikar gewählt und in einer Kirchgemeinde vollumfänglich wie ein Pfarrer eingesetzt werden.
Die Kirchenvorsteherschaft Roggwil beharrte auf ihrem Standpunkt und unterbreitete einer auf den 28. Juni 1981 einberufenen Kirchbürgerversammlung die im Schreiben vom 29. Mai 1981 an den Kirchenrat angekündigten Anträge. Beide Anträge wurden von der Versammlung mit 150 Stimmen ohne Gegenstimme angenommen. Mit Schreiben vom 10. Juli 1981 ersuchte die Kirchenvorsteherschaft der Gemeinde Roggwil den Kirchenrat um Genehmigung der Wahl von Pfarrer Klaus J. Wagner.
Am 12. August 1981 verfügte der Evangelische Kirchenrat des Kantons Thurgau, Pfarrer Klaus J. Wagner werde als Pfarrvikar der evangelischen Kirchgemeinde Roggwil ernannt.
Pfarrer Klaus J. Wagner und die evangelische Kirchgemeinde Roggwil erheben gegen diese Verfügung des Kirchenrates staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie, und des Art. 4 BV.
 
Aus den Erwägungen:
1. Nach Art. 84 Abs. 1 OG kann gegen kantonale Erlasse und Verfügungen (Entscheide) staatsrechtliche Beschwerde geführt werden. Gegenstand der Beschwerde können nur Hoheitsakte bilden, die von einer kantonalen Behörde ausgehen und auf kantonaler Herrschaftsgewalt beruhen (Birchmeier, Bundesrechtspflege, S. 310; MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, 4. Auflage, N. 134 und 135, S. 87). Zu den anfechtbaren kantonalen Hoheitsakten gehören auch Erlasse und Verfügungen, welche von kantonalen Selbstverwaltungskörpern, also von Gemeinden und kirchlichen Behörden ausgehen, und sogar solche von Privaten, wenn diese vom Kanton mit hoheitlicher Gewalt ausgestattet worden sind (BIRCHMEIER, a.a.O., S. 310/11; MARTI, a.a.O., N. 139, S. 88; BGE 105 Ia 278 E. 1b, BGE 104 Ia 174 E. 2a, BGE 103 Ia 551 E. 5c, BGE 95 I 339 E. 1).
§ 17 Abs. 3 der Verfassung des Kantons Thurgau (KV) gesteht der evangelischen und der katholischen Landeskirche sowie auch andern Religionsgenossenschaften innerhalb der Schranken der staatlichen Ordnung das freie Selbstkonstituierungsrecht zu. Nach § 56 Abs. 1 KV ordnen die evangelische und die katholische Landeskirche ihre Kultusverhältnisse selbständig, in gemischt staatlich-kirchlichen Dingen jedoch unter der Oberaufsicht und unter Vorbehalt der Genehmigung des Staates. Durch diese Verfassungsnormen erlangt die Landeskirche öffentlichrechtliche Anerkennung, sie wird somit, wie gesagt wird, zu einer "Potenz des öffentlichen Rechts" (JOHANNES GEORG FUCHS, Zum Verhältnis von Kirche und Staat in der Schweiz, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Aschendorff 1971, Bd. 5, S. 134). Die evangelische Landeskirche des Kantons Thurgau hat sich durch konfessionelle Volksabstimmung ein Organisationsgesetz (im folgenden als KOG bezeichnet) gegeben, nach welchem sie ihre Angelegenheiten innerhalb der ihr durch die Staatsverfassung gesetzten Schranken selbständig ordnet und verwaltet (§ 2). Sie ist demnach klarerweise eine kantonale Körperschaft und Inhaberin obrigkeitlicher Gewalt. Die Verfügung des Kirchenrates der evangelischen Landeskirche stellt daher einen mit staatsrechtlicher Beschwerde gemäss Art. 84 Abs. 1 OG anfechtbaren kantonalen Hoheitsakt dar.
3. a) Der Kirchenrat bestreitet, dass Pfarrer Klaus J. Wagner zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert sei. Er macht geltend, Pfarrer Wagner habe an seiner Wahl kein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne der bundesgerichtlichen Praxis zu Art. 88 OG und sei daher durch die Verfügung des Kirchenrates nicht in seiner Rechtsstellung betroffen. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Es trifft zwar zu, dass das Bundesgericht in einem Urteil vom 22. Juni 1972 (BGE 98 Ia 654) das Interesse eines nicht gewählten Bewerbers an der Wahl und an der Einhaltung des gesetzlichen Wahlverfahrens als ein bloss tatsächliches bezeichnet und in einem späteren Fall (BGE 105 Ia 271 ff.) ausgeführt hat, die Nichtwiederwahl eines Beamten greife, falls kein Rechtsanspruch auf Wiederwahl bestehe, nicht in rechtlich geschützte Interessen des Beamten ein, weshalb diesem die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde fehle. Im hier zu beurteilenden Fall liegt aber eine wesentlich andere Situation vor: Klaus J. Wagner ist von der Kirchgemeinde Roggwil als Pfarrer gewählt worden, wodurch ihm - vorbehältlich der Genehmigung durch den Kirchenrat - eine Rechtsstellung eingeräumt worden ist. Er hat somit an der Beurteilung der Frage, ob diese Wahl rechtmässig erfolgt ist und ob der Kirchenrat die Genehmigung verweigern durfte, nicht nur ein tatsächliches, sondern ein rechtlich geschütztes Interesse. Seine Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde ist daher zu bejahen.
b) Dass eine Kirchgemeinde befugt ist, wegen Verletzung ihrer Autonomie staatsrechtliche Beschwerde zu erheben, hat das Bundesgericht wiederholt festgestellt (BGE 108 Ia 84; Urteil vom 25. Juni 1980 i.S. evangelische Kirchgemeinde Davos-Platz, E. 1 mit Hinweisen). Zwar wurde in jenen Fällen die Gemeindeautonomie gegenüber staatlichen, nicht gegenüber kirchlichen Oberbehörden eines Kantons angerufen. Dies kann aber keine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Ist der Hoheitsakt der kantonalen kirchlichen Oberbehörde grundsätzlich mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar und wird die Kirchgemeinde dadurch in ihrer Eigenschaft als Trägerin öffentlicher Gewalt berührt, so muss die Legitimation zur Autonomiebeschwerde bejaht werden, da die Kirchgemeinde sonst schutzlos dem Übergriff einer kirchlichen Oberbehörde ausgeliefert wäre. Diese Voraussetzungen treffen hier zu, weshalb auch die Kirchgemeinde Roggwil zur Beschwerdeführung berechtigt ist.
Diese Auffassung ist indessen verfehlt. Der Brief des Kirchenrates an die Gemeindevorsteherschaft vom 17. Juni 1981 enthielt eine Meinungsäusserung zu rechtlichen Fragen, stellte aber keine Verfügung dar. Blosse Ansichtsäusserungen oder Empfehlungen von Behörden sind keine anfechtbaren Hoheitsakte (MARTI, a.a.O., N. 137, S. 87; BIRCHMEIER, a.a.O., S. 318 oben). Dem Schreiben des Kirchenrates vom 17. Juni 1981 fehlte die für eine Verfügung charakteristische Verbindlichkeit. Die Kirchgemeinde war durch das Schreiben nicht gehindert, über die vom Kirchenrat als unzulässig erachteten Anträge abzustimmen. Der Kirchenrat hat denn auch mit Recht erst seine Anordnung vom 12. August 1981 als Verfügung bezeichnet. Die Kirchgemeinde und Pfarrer Wagner haben gegen diese Verfügung rechtzeitig staatsrechtliche Beschwerde eingereicht.
7. Die Beschwerdeführer beklagen sich über eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil die Verfügung des Kirchenrates keine Begründung enthalte. Wohl trifft es zu, dass in der Verfügung nicht dargelegt wird, weshalb Klaus J. Wagner lediglich als Pfarrvikar der Kirchgemeinde Roggwil ernannt und damit stillschweigend seiner Wahl zum Pfarrer der Gemeinde die Genehmigung verweigert wird. Die Rechtsauffassung des Kirchenrates, welche zu dieser Verfügung führte, war aber der Kirchgemeinde schon mit dem Schreiben vom 17. Juni 1981 ausführlich bekanntgegeben worden. Die Beschwerdeführer waren daher über die Erwägungen, welche der angefochtenen Verfügung zugrunde lagen, bereits im Bilde. Dass diese Erwägungen nicht in der Verfügung selbst nochmals wiedergegeben wurden, hinderte die Beschwerdeführer keineswegs daran, ihre staatsrechtliche Beschwerde sachgemäss zu begründen. Das Fehlen einer Begründung in der Verfügung selbst bedeutete deshalb für die Beschwerdeführer keine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (BGE 98 Ia 464 f. E. 5a, BGE 96 I 723 f. E. 5).
Gemäss § 21 Abs. 2 KV geschieht die definitive Anstellung der Geistlichen in der Regel auf Lebenszeit, doch sind die Wahlgemeinden berechtigt, sie jederzeit abzuberufen. Die Verfassung geht damit stillschweigend von der Wahlberechtigung der Kirchgemeinden aus. Diese ergibt sich sodann aus dem Gesetz betreffend die Besetzung der erledigten Pfarrstellen. Nach § 1 dieses Gesetzes erfolgt die Besetzung einer erledigten Pfarrstelle an einer Kirchgemeinde durch die freie Wahl der Kirchgemeinde aus den für den Kanton wahlfähigen Geistlichen, entweder im Wege freier Berufung oder durch Ausschreibung der Stelle. Die Wahl der Pfarrer der evangelischen Landeskirche wird im KOG geregelt. Gemäss § 7 Abs. 1 Ziff. 2 KOG sind die Kirchgemeinden befugt, die Pfarrer zu wählen und abzuberufen. Die Wahl ist geheim vorzunehmen (§ 7 Abs. 2 KOG), und sie unterliegt der Genehmigung des Kirchenrates (§ 7 Abs. 3 KOG).
Nach dieser Regelung kann die Kirchgemeinde einen Pfarrer frei aus der Zahl der wahlfähigen Bewerber wählen. Es steht ihr damit auf dem Gebiet der Pfarrwahl eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit zu. Dass die Wahl der Pfarrer der Genehmigung durch den Kirchenrat bedarf, schliesst die Autonomie der Kirchgemeinde nicht aus. Nach dem Umfang der Kontrollbefugnis des Kirchenrates bestimmt sich indessen, wann die Autonomie der Gemeinde verletzt ist (BGE 104 Ia 138 E. 3a, BGE 102 Ia 170 E. 2d, BGE 101 Ia 261 E. 2). Ob der Kirchenrat die Wahl eines Pfarrers nur auf ihre Gesetzmässigkeit hin überprüfen kann oder ob ihm auch eine Ermessenskontrolle zusteht, kann jedoch offen bleiben, denn der Kirchenrat hat im vorliegenden Fall die Verweigerung der Genehmigung mit einer Rechtsverletzung begründet und keine Ermessenskontrolle vorgenommen. Ist nach dem Gesagten die Kirchgemeinde Roggwil auf dem Gebiet der Pfarrwahl autonom, so kann sie mit staatsrechtlicher Beschwerde vorbringen, der Kirchenrat habe die Genehmigung der Wahl von Pfarrer Wagner zu Unrecht abgelehnt und sie dadurch in ihrer Autonomie verletzt. Da es bei der Beurteilung der Frage, ob die Kirchgemeinde befugt war, ordinierten ausländischen Pfarrern das passive Wahlrecht zu erteilen und gestützt darauf den deutschen Staatsangehörigen Klaus J. Wagner als Pfarrer zu wählen, nicht um die Auslegung und Anwendung von Normen des eidgenössischen oder kantonalen Verfassungsrechts geht, ist der angefochtene Entscheid nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür zu überprüfen (BGE 108 Ia 87 E. 3a, BGE 106 Ia 208 E. 3a mit Hinweisen).
"Den einzelnen Kirchgemeinden steht es frei, für Gemeindeangelegenheiten das Stimm- und Wahlrecht in vollem oder beschränktem Umfange auch den evangelischen Ausländerinnen und Ausländern zu gewähren."
Der Kirchenrat ist der Auffassung, diese Bestimmung habe nicht den Sinn, dass einzelnen Personen oder Personengruppen ohne Schweizerbürgerrecht das Stimm- oder Wahlrecht zuerkannt werden dürfe. Er erklärt, aus ihrer Entstehungsgeschichte, welche in der Vernehmlassung des Kirchenrates einlässlich dargestellt wird, ergebe sich deutlich, dass es bei der Diskussion um das kirchliche Ausländerstimmrecht um eine ganze Bevölkerungsgruppe gegangen sei. An die Privilegierung Einzelner oder kleiner Einzelgruppen sei nie gedacht worden. Auch finde sich keine Andeutung, dass das passive Wahlrecht ohne aktives Stimm- und Wahlrecht gewährt werden könnte. Es verstosse deshalb gegen den Gedanken der Einführung des Ausländerstimmrechts und dessen gesetzgeberische Ordnung in § 6 Abs. 3 KOG, dass durch den Beschluss der Kirchbürgerversammlung Roggwil das passive Wahlrecht nur bestimmten Ausländern gewährt worden sei.
Die Beschwerdeführer begründen ihren entgegengesetzten Standpunkt hauptsächlich damit, die Kirchgemeindeversammlung wähle ausser dem Pfarrer nur die Kirchenvorsteherschaft, weshalb die Erteilung der passiven Wahlfähigkeit an einen Berufsstand die einzige Alternative (offenbar gegenüber dem unbeschränkten Wahlrecht) sei. § 6 Abs. 3 KOG stipuliere eine klare Abkehr von den beim Ausländerstimm- und -wahlrecht unbeweglichen Rechtsnormen des Kantons. Mit diesen Ausführungen werden aber die vom Kirchenrat ins Feld geführten Argumente gegen die Erteilung nur eines beschränkten passiven Wahlrechts an einen engen Personenkreis nicht entkräftet. Es ist in der Tat ungewöhnlich, dass das passive Wahlrecht ohne aktives Stimm- und Wahlrecht erteilt wird. Vor allem aber erweckt die Erteilung eines nur auf das Pfarramt beschränkten passiven Wahlrechts an einen eng begrenzten Kreis von Ausländern gestützt auf § 6 Abs. 3 KOG Bedenken. Es scheint, dass mit der Erteilung des passiven Wahlrechts an ausländische Pfarrer nicht bezweckt wurde, das Ausländerstimm- und -wahlrecht in Gemeindeangelegenheiten einzuführen, sondern die kantonalen Vorschriften über die Wählbarkeit ins Pfarramt für die Kirchgemeinde Roggwil ausser Kraft zu setzen. Dass dies nicht dem Sinn des § 6 Abs. 3 KOG entsprechen kann, ergibt sich nicht nur aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, sondern insbesondere auch aus den Ausführungen des Kirchenrates über die öffentlichen und landeskirchlichen Funktionen des Pfarrers.
Nach § 1 des Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen sind nur Schweizerbürger beiderlei Geschlechts in öffentliche Ämter wählbar.
Dass es sich beim Pfarramt um ein öffentliches Amt handelt, leitet der Kirchenrat aus folgenden Bestimmungen ab: Aus § 1 des Gesetzes betreffend die Besetzung der erledigten Pfarrstellen, wonach die Kirchgemeinden die Pfarrer aus den für den Kanton wahlfähigen Geistlichen zu wählen haben; aus den §§ 48-50 des Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen, welche die Abberufung der Geistlichen regeln; aus den §§ 1, 2 und 16 ff. des Gesetzes über die Verantwortlichkeit der Gemeinwesen, Behördemitglieder und Beamten, wonach auch die Pfarrer dem Verantwortlichkeitsgesetz und dessen Disziplinarordnung unterstehen, und aus den §§ 1 und 3 des Gesetzes betreffend die staatsbürgerliche Stellung der Kirchgemeinden und die ökonomische Ausstattung der Pfarrpfründen des Kantons, wonach die Kirchgemeinden als für die Besoldung der Geistlichen verantwortlich erklärt werden und bestimmt wird, dass sie, falls sie dazu nicht imstande sind, von Kantons wegen aufgelöst werden können. Aus diesen kantonalen Bestimmungen lässt sich mit Grund der Schluss ziehen, der Gemeindepfarrer sei Inhaber eines öffentlichen Amtes und unterliege den Wählbarkeitsvorschriften von § 1 des Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen, welche von den Kirchgemeinden für ihren Bereich nicht aufgrund von § 6 Abs. 3 KOG ausgedehnt werden können.
Hinsichtlich der landeskirchlichen Funktionen des evangelischen Pfarrers bringt der Kirchenrat vor, dieser sei nicht nur "in Gemeindeangelegenheiten" tätig, sondern gelte als Mitglied des Ministeriums auch als landeskirchlicher Amtsträger. Er verweist hiefür auf die Vorschriften des KOG. Der Kirchenrat ist nach § 43 KOG bezüglich der Pfarrer Aufsichts- und Disziplinarbehörde und zuständig zur Amtseinstellung oder Amtsenthebung (Ziff. 5), hat für die Wiederbesetzung erledigter Pfarrstellen und für die Anstellung von Pfarrverwesern besorgt zu sein (Ziff. 6), leitet oder überwacht die Zulassungsprüfungen und sorgt für die Ordination und die Einführung der neugewählten Pfarrer ins Amt (Ziff. 7), ordnet die Wahlen der Pfarrer an und entscheidet über deren Gültigkeit (Ziff. 9). Ferner ist er Beschwerdeinstanz bezüglich der Amtsführung der Pfarrer (§ 24 KOG). Der Kirchenrat führt weiter aus, der landeskirchliche Rang der Pfarrämter ergebe sich deutlich daraus, dass die Einführung der Wählbarkeit von Theologinnen im Jahre 1965 eine Revision des KOG notwendig gemacht habe (§ 19 Abs. 2). Allein aufgrund der Einführung des Frauenstimmrechts für Gemeindeangelegenheiten hätte eine Gemeinde nie eine Pfarrerin wählen können. Die angeführten Vorschriften zeigten, dass ein Pfarrer nicht bloss ein Gemeindeamt versehe, sondern im Dienst der Landeskirche stehe, welche die Wahlvoraussetzungen regle, die Amtsführung beaufsichtige und in deren Namen und Auftrag er sein Amt antrete und ausübe.
Diese Argumentation des Kirchenrates erscheint als sachlich vertretbar und wird durch die Vorbringen der Beschwerdeführer nicht widerlegt. Die erwähnten Vorschriften des KOG zeigen, dass dem Pfarramt eine über die Kirchgemeinde hinausgehende landeskirchliche Bedeutung zukommt. Dies spricht dafür, dass die Wählbarkeitsvorschriften landeskirchlich geregelt sind und von den Kirchgemeinden nicht aufgrund von § 6 Abs. 3 KOG für ihren Bereich geändert werden können. Die Vorschrift ermächtigt die Kirchgemeinden nur, das Stimm- und Wahlrecht "für Gemeindeangelegenheiten" auf Ausländer auszudehnen. Wie dargelegt wurde, handelt es sich aber bei der Wahl eines Pfarrers nicht um eine reine Gemeindeangelegenheit. Nach dem Gesagten hat der Kirchenrat das kantonale Recht nicht willkürlich angewendet, wenn er annahm, die Kirchgemeinde sei aufgrund von § 6 Abs. 3 KOG nicht befugt, ausländischen Pfarrern die passive Wahlberechtigung zu erteilen. Es bedeutete daher keine Verletzung der Autonomie der Kirchgemeinde Roggwil, dass er die Wahl von Klaus J. Wagner zum Pfarrer nicht genehmigte.
Der Kirchenrat durfte ohne Willkür im vorliegenden Fall die Voraussetzungen von § 4 lit. a der genannten Verordnung für erfüllt erachten. Nach dieser Bestimmung erfolgt die Ernennung eines Vikars durch den Kirchenrat,
"a. wenn eine Pfarrstelle infolge Resignation oder Abberufung oder Absterben eines Geistlichen vakant wird und die Gemeinde nicht innert der gesetzlichen Frist vom Rechte der Berufung Gebrauch macht, oder der von ihr berufene Geistliche nicht binnen eines Vierteljahres seit der Vakatur der Stelle die letztere antritt."
Nachdem der Kirchenrat der von der Gemeinde getroffenen Wahl seine Genehmigung versagte, musste er, da im Hinblick auf die Stellungnahme der Gemeinde nicht mit einer baldigen Neuwahl zu rechnen war, von der Wahrscheinlichkeit einer längeren Vakanz ausgehen, welche am besten durch die Ernennung von Klaus J. Wagner zum Pfarrvikar zu verhindern war. Dies war sachlich auch insofern gerechtfertigt, als er damit den Wünschen der Gemeinde soweit entgegen kam, als dies mit seinem Rechtsstandpunkt vereinbar war.
Die Beschwerde ist demnach unbegründet, soweit auf sie eingetreten werden kann.