BGE 112 Ia 339
 
52. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. Dezember 1986 i.S. Gemeinde Amriswil gegen Schweizerische Lebensversicherungs- und Rentenanstalt (staatsrechtliche Beschwerde)
 
Regeste
Art. 58 BV; § 36 des thurgauischen Gerichtsorganisationsgesetzes; Verwirkung des Anspruchs auf den verfassungsmässigen Richter.
 
Aus den Erwägungen:
b) Die erwähnte kantonalrechtliche Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
"Kann das Obergericht durch die drei ordentlichen Suppleanten nicht ergänzt werden, so findet die Beiziehung der Bezirksgerichtspräsidenten, und erforderlichenfalls der ihnen im Range folgenden Bezirksrichter statt."
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ist der Beizug von ordentlichen Suppleanten nur zulässig, wenn ordentliche Mitglieder ausfallen und das Obergericht sonst nicht mehr mit der gesetzlich vorgesehenen Zahl von fünf Richtern (vgl. § 42 des Gerichtsorganisationsgesetzes) besetzt werden könnte. Auf ausserordentliche Ersatzrichter dürfe sodann erst zurückgegriffen werden, wenn auch der Kreis der ordentlichen Suppleanten ausgeschöpft sei. ...
c) Die Rüge betreffend die Besetzung des Obergerichts hätte die Beschwerdeführerin bereits zu Beginn der kantonalen Berufungsverhandlung erheben können, zumal sie nicht etwa geltend macht, sie habe die Richter, die bei der Fällung des angefochtenen Entscheids mitgewirkt hätten, bzw. deren amtliche Stellung nicht gekannt. Wer einen (echten oder vermeintlichen) Organmangel der erwähnten Art feststellt und sich nicht dagegen zur Wehr setzt, sondern sich stillschweigend auf den Prozess einlässt, verwirkt den Anspruch auf spätere Anrufung der verletzten Verfassungsbestimmung (vgl. BGE 111 Ia 74 f. E. b betreffend die Ablehnung eines Schiedsrichters). Auf die erwähnte Rüge ist deshalb nicht einzutreten.