BGE 113 Ia 46 - Zwei Steuerinitiativen |
9. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. Februar 1987 i.S. Landesring der Unabhängigen des Kantons Zürich und Mitbeteiligte gegen Kanton Zürich und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) |
Regeste |
Art. 85 lit. a OG: Stimm- und Initiativrecht. |
2. Grundsatz und Tragweite des Prinzips der Einheit der Materie namentlich auf dem Gebiet von Initiative und Gegenvorschlag; im vorliegenden Fall verletzt der Gegenvorschlag als solcher das Prinzip der Einheit der Materie nicht (E. 4 und 5). |
3. Die gleichzeitige und gekoppelte Abstimmung über zwei Initiativen und einen Gegenvorschlag verunmöglicht im vorliegenden Fall eine unverfälschte und freie Willensäusserung der Stimmbürger und verletzt den Grundsatz der Einheit der Materie und das Initiativrecht (E. 6). |
4. Grundsätze zur Aufhebung von Volksabstimmungen wegen Verfahrensmängeln; Kassation der Volksabstimmung im vorliegenden Fall; provisorische Aufrechterhaltung des in der Volksabstimmung angenommenen Steuergesetzes (E. 7). |
Sachverhalt |
A. |
A. Am 14. März 1983 wurde im Kanton Zürich die Volksinitiative "Für eine gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden" in der Form der einfachen Anregung eingereicht; sie verlangt, es sei die Besteuerung von Ehepaaren im zürcherischen Steuergesetz so auszugestalten, dass Verheiratete nicht höher belastet werden, als wenn sie einzeln besteuert würden. Ebenfalls am 14. März 1983 wurde die Volksinitiative "Für die Ausschaltung von Steuerverschärfungen infolge Teuerung (Ausgleich der kalten Progression)" in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs eingereicht; diese Initiative verlangt unter der Marginalie "Ausgleich der kalten Progression" die Neufassung von § 200bis des zürcherischen Gesetzes über die direkten Steuern.
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Auf Antrag des Regierungsrates des Kantons Zürich lehnte der Kantonsrat des Kantons Zürich die beiden Initiativen ab und beschloss als Gegenvorschlag eine umfassende Änderung des zürcherischen Gesetzes über die direkten Steuern (Steuergesetz). Diese Änderung bezieht sich auf verschiedene Materien, so insbesondere auf die Familienbesteuerung (§ 8-10), die subjektive Steuerpflicht (§ 16), das Objekt der Einkommenssteuer (§ 19, 24 und 25), die Steuerberechnung (§ 31 und 32), die Steuern der juristischen Personen (§ 46, 48, 51), verschiedene Verfahrensfragen (§ 53, 58bis, 73 und 74 sowie 84 und 85), den Ausgleich der kalten Progression (§ 200bis) sowie die Übergangsbestimmungen (§ 202bis ff.).
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Mit Beschluss vom 5. März 1986 ordnete der Regierungsrat des Kantons Zürich die Volksabstimmung über die beiden Initiativen und den Gegenvorschlag für den 8. Juni 1986 an und formulierte die Abstimmungsfragen für die drei Steuervorlagen wie folgt:
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"Wollen Sie folgende Vorlagen annehmen? A. Volksinitiative für eine gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden B. Volksinitiative für die Ausschaltung von Steuerverschärfungen infolge Teuerung (Ausgleich der kalten Progression) C. Gegenvorschlag des Kantonsrates: Gesetz über die direkten Steuern (Steuergesetz) (Änderung)" |
Gemäss dem Gesetz über das Vorschlagsrecht des Volkes gilt für das Abstimmungsverfahren, dass alle drei Fragen mit Ja beantwortet werden können. Erhalten zwei oder alle drei Vorlagen mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen, so gilt allein diejenige als angenommen, welche die grösste Zahl an Ja-Stimmen aufweist.
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B. |
B. Gegen diesen Beschluss des Regierungsrates vom 5. März 1986 reichten der Landesring der Unabhängigen des Kantons Zürich sowie drei Stimmbürger beim Bundesgericht am 19. März 1986 staatsrechtliche Beschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a OG ein. Sie verlangen die Aufhebung des regierungsrätlichen Beschlusses und machen hierfür eine Verletzung der Einheit der Materie sowie des Initiativrechts geltend. Der Regierungsrat beantragt die Abweisung der Beschwerde.
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C. |
C. Mit prozessleitender Verfügung vom 8. April 1986 wurde das Gesuch der Beschwerdeführer abgewiesen, es sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung beizulegen bzw. die Volksabstimmung sei abzusetzen. In der Folge wurde die Volksabstimmung über die drei Steuervorlagen am 8. Juni 1986 durchgeführt. Alle drei Vorlagen wurden mit den folgenden Stimmenverhältnissen angenommen: - die Volksinitiative für eine gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden mit 98 362 Ja gegen 84 395 Nein, - die Volksinitiative für den Ausgleich der kalten Progression mit 93 263 Ja gegen 86 768 Nein, - der Gegenvorschlag des Kantonsrates mit 99 073 Ja gegen 80 086 Nein. |
Als Vorlage mit der höchsten Anzahl Ja-Stimmen galt demnach der Gegenvorschlag des Kantonsrates auf Änderung des zürcherischen Steuergesetzes als angenommen.
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Auszug aus den Erwägungen: |
Erwägung 1 |
b) Beschwerden betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen sind gemäss Art. 86 Abs. 1 OG nur gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide zulässig. Das zürcherische Wahlgesetz vom 4. September 1983 (WG) sieht in § 123 grundsätzlich eine Beschwerde wegen Unregelmässigkeiten bei der Vorbereitung und Durchführung von Wahlen und Abstimmungen vor, erklärt diese nach Abs. 2 dieser Bestimmung jedoch gegen Beschlüsse der Stimmberechtigten des Kantons und der obersten kantonalen Behörden als unzulässig. Als oberste kantonale Behörden in diesem Sinne gelten nach der Praxis sowohl der Kantonsrat wie der Regierungsrat. Aus diesem Grunde ist der Regierungsrat mit Beschluss vom 26. März 1986 auf eine Beschwerde eines der beteiligten Beschwerdeführer nicht eingetreten, mit welcher der Regierungsratsbeschluss vom 5. März 1986 betreffend das Abstimmungsverfahren angefochten worden war. Demnach stellt der angefochtene Beschluss des Regierungsrates - entsprechend der zum früheren Wahlgesetz des Kantons Zürich geübten Praxis - einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid dar (vgl. ZBl 83/1982, S. 548 ff. E. 1; BGE 106 Ia 22). Auf die Beschwerde kann daher auch in dieser Hinsicht eingetreten werden.
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Erwägung 2 |
Die Einzelheiten des Verfahrens bei Volksinitiativen sind im Gesetz über das Vorschlagsrecht des Volkes vom 1. Juni 1969 (Initiativgesetz; GS 162) geregelt. Neben Bestimmungen über den Gegenstand und die Form von Initiativen und deren Gültigkeit (§ 1- § 4) enthält das Initiativgesetz eine Regelung über den Erlass und die Gegenüberstellung eines Gegenvorschlages mit folgendem Wortlaut:
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"§ 6. Stimmt der Kantonsrat einer Initiative, die zur Volksabstimmung gebracht werden muss, nicht oder nur teilweise zu, so kann er einen formulierten Gegenvorschlag aufstellen. Stellt der Kantonsrat einer oder mehreren, den gleichen Gegenstand betreffenden Initiativen einen Gegenvorschlag gegenüber, so ist dieser gleichzeitig der Volksabstimmung zu unterbreiten." |
Ferner regelt das Initiativgesetz das Abstimmungsverfahren bei gleichzeitiger Abstimmung über mehrere, den gleichen Gegenstand betreffende Vorlagen mit folgender Bestimmung:
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"§ 7. Erfolgt eine gleichzeitige Abstimmung über eine oder mehrere, den gleichen Gegenstand betreffende Initiativen mit oder ohne Gegenvorschlag des Kantonsrates, so werden den Stimmberechtigten einfache Alternativfragen vorgelegt. Die Bejahung mehr als einer dieser Fragen ist zulässig. Erhalten mehrere Vorlagen mehr bejahende als verneinende Stimmen, so gilt diejenige als angenommen, für welche die grössere Zahl von bejahenden Stimmen abgegeben worden ist. Weisen mehrere Vorlagen, auf die mehr bejahende als verneinende Stimmen entfallen sind, die gleiche Zahl von bejahenden Stimmen auf, so gilt diejenige als angenommen, welche die kleinere Zahl von verneinenden Stimmen erhalten hat." |
Erwägung 3 |
Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, dieses vom zürcherischen Recht vorgesehene Abstimmungsverfahren verstosse an sich gegen die politischen Rechte oder das Initiativrecht und sei aus diesem Grunde verfassungswidrig. Das Bundesgericht hat die Zulässigkeit dieses Abstimmungsverfahrens nicht in Zweifel gezogen (vgl. ZBl 87/1986 S. 173 E. 3 und 83/1982 S. 554 E. d). Für die Beurteilung der vorliegenden Stimmrechtsbeschwerde ist daher von diesem Abstimmungsverfahren auszugehen.
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Erwägung 4 |
Die Tragweite des Grundsatzes der Einheit der Materie im einzelnen wird in der Praxis differenziert gewichtet (vgl. unveröffentlichtes Urteil i.S. Hentsch vom 18. Dezember 1984, E. 5). So werden höhere Anforderungen an Partialrevisionen der Verfassung gestellt als an Gesetzesvorlagen (BGE 111 Ia 198; BGE 99 Ia 646). Der Grundsatz wird bei Initiativen strenger gehandhabt als bei behördlichen Vorlagen, da es neben der Gewährleistung des politischen Stimmrechts bei den Initiativen zusätzlich darum geht, die missbräuchliche Ausübung des Initiativrechts und eine unzulässige Erleichterung der Unterschriftensammlung zu verhindern (BGE 111 Ia 198; BGE 99 Ia 182 E. 3b; vgl. Z. Giacometti, Das Staatsrecht der schweizerischen Kantone, Zürich 1941, S. 423 ff.; vgl. ferner die Kritik bei Alfred Kölz, Die kantonale Volksinitiative in der Rechtsprechung des Bundesgerichts, in: ZBl 83/1982 S. 20 mit Fn. 128; Yvo Hangartner, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, Band I, Zürich 1980, S. 225). Schliesslich werden formulierte Initiativen strenger beurteilt als allgemeine Anregungen, welche zusätzlich einer Ausarbeitung durch den Gesetzgeber bedürfen (vgl. BGE 111 Ia 295; BGE 105 Ia 366 E. 4; BGE 96 I 653). In bezug auf Gesetzesvorlagen im speziellen hat das Bundesgericht ausgeführt, dass der Grundsatz der Einheit der Materie gewahrt ist, sofern eine bestimmte Materie geregelt werden soll und die einzelnen, zu diesem Zweck aufgestellten Vorschriften zueinander in einer sachlichen Beziehung stehen. Der Stimmbürger hat keinen verfassungsmässigen Anspruch darauf, dass ihm einzelne, allenfalls besonders wichtige Vorschriften eines Gesetzes, das eine bestimmte Materie regelt, gesondert zur Abstimmung vorgelegt werden; er muss sich vielmehr auch dann für die Gutheissung oder Ablehnung der ganzen Gesetzesvorlage entscheiden, wenn er nur mit einzelnen Vorschriften einverstanden bzw. mit einzelnen Bestimmungen nicht einverstanden ist (BGE 111 Ia 198; BGE 99 Ia 646 E. 5b, mit Hinweisen).
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Erwägung 5 |
5. a) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind die Kantone befugt, einer Initiative - auch ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage - einen Gegenvorschlag gegenüberzustellen (BGE 104 Ia 245; BGE 101 Ia 495 E. 4a; BGE 100 Ia 57; BGE 91 I 193 E. 2; vgl. Kölz, a.a.O., S. 30 f.; Etienne Grisel, Initiative et référendum populaires, Lausanne/Dorigny 1987, S. 218 f.); der Gegenvorschlag kann je nach der Ausgestaltung des kantonalen Rechts unter Umständen eine andere Stufe der Rechtssetzung betreffen als die Initiative (BGE 104 Ia 249 E. c; ZBl 83/1982 S. 552 f.; nicht amtlich publizierte E. 6b von BGE 100 Ia 53, in: SJ 96/1974 S. 557 ff.). Das Bundesgericht hat allerdings nicht übersehen, dass die Vorlage eines Gegenvorschlages die Aussichten eines Volksbegehrens, in der Volksabstimmung angenommen zu werden, mehr oder weniger vermindert. Es hat dies im Hinblick auf die den Stimmberechtigten gebotene grössere Entscheidungsfreiheit sowie in Anbetracht der dem Parlament zukommenden Aufgabe der Gesetzgebung und der durch ein Initiativbegehren ausgelösten Fortentwicklung des Rechts in Kauf genommen (BGE 104 Ia 246; BGE 91 I 193 E. 2; ZBl 87/1986 S. 173 f., 83/1982 S. 554 E. d; Kölz, a.a.O., S. 30 f.; Grisel, a.a.O., S. 218 f.). Die Gegenüberstellung eines Gegenvorschlages ist indessen an gewisse Schranken in formeller und materieller Hinsicht gebunden (vgl. ZBl 83/1982 S. 552 E. b). Zum einen hat das Bundesgericht darauf hingewiesen, es sei in jedem Fall darauf zu achten, dass das Abstimmungsverfahren eine genügend differenzierte Stimmabgabe ermögliche (ZBl 87/1986 S. 173 f.; 83/1982 S. 554 E. d; Kölz, a.a.O., S. 31 und 32 ff.); der Gegenvorschlag dürfe gegenüber der Initiative im Abstimmungsverfahren nicht bevorteilt werden und insbesondere nicht vor der Initiative zur Abstimmung gelangen (BGE 104 Ia 248 E. 4a; ZBl 83/1982 S. 552 und 554; Andreas Auer, Problèmes et perspectives du droit d'initiative à Genève, Lausanne 1987, S. 67 N. 127). Zum andern muss der Gegenvorschlag in materieller Hinsicht mit dem Zweck und Gegenstand der Initiative eng zusammenhängen und dem Stimmbürger eine echte Alternative einräumen. Mit dem Gegenvorschlag darf eine Initiative zwar sowohl formell als auch materiell verbessert werden; doch darf mit ihm keine andere Frage als mit der Initiative gestellt, sondern lediglich andere Antworten vorgeschlagen werden (BGE 101 Ia 496; BGE 100 Ia 58 E. 6a; ZBl 83/1982 S. 552 E. b; vgl. zum Bundesrecht Grisel, a.a.O., S. 211; Jean-Franois Aubert, Traité de droit constitutionnel suisse, Neuchâtel 1967, N. 399; Ursula Hefti-Spoerry, Gegenentwurf und Rückzug bei Verfassungsinitiativen im Bund, Diss. Zürich 1958, S. 10 ff.). Dieser materielle Aspekt hat eine enge Beziehung zum Grundsatz der Einheit der Materie und stellt gewissermassen das Prinzip der Einheit der Materie in einem weiteren Sinne dar (BGE 100 Ia 59; Aubert, a.a.O., N. 399). Diesen Gedanken bringt das zürcherische Initiativgesetz in den § 6 und § 7 zum Ausdruck. Fehlt es in diesem Sinne an der engen Beziehung zwischen Initiative und Gegenvorschlag, so kann der Stimmbürger seinen Willen nicht frei und unverfälscht zum Ausdruck bringen. Darin kann eine Verletzung sowohl der politischen Rechte im allgemeinen als auch des Initiativrechts im speziellen liegen (vgl. Auer, Problèmes et perspectives du droit d'initiative à Genève, S. 26 N. 50; Jrg Paul Müller, Die staatsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1978, in: ZBJV 116/1980 S. 282 f.).
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Das Bundesgericht hat in seiner Praxis anerkannt, dass ein Gegenvorschlag des Parlaments, der die gleiche Materie und den gleichen Zweck betrifft wie die Initiative, in der Realisierung der Anliegen leicht über diese hinausgehen dürfe (BGE 100 Ia 59 f.). Es ist nicht zu verkennen, dass dadurch über den Umstand hinaus, dass überhaupt ein Gegenvorschlag erarbeitet wird, die Aussichten der Initiative, in der Volksabstimmung angenommen zu werden, zusätzlich vermindert werden. Es ist bei dieser Sachlage nicht auszuschliessen, dass die Stimmbürger den Gegenvorschlag gerade wegen der weitergehenden Vorschläge annehmen. Diese Gefahr kann sich insbesondere bei einem Gegenvorschlag auf umfassende Revision des Steuergesetzes ergeben, mit dem Steuererleichterungen gewährt werden sollen, die mit dem auf einen Teilbereich beschränkten Initiativbegehren in keinem Zusammenhang stehen; eigentliche Missbräuche sind in dieser Hinsicht nicht auszuschliessen.
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Es ist den Beschwerdeführern zuzugestehen, dass der hier streitige Gegenvorschlag des zürcherischen Kantonsrates wohl in vermehrtem Masse über die Initiativen hinausgeht als in dem vom Bundesgericht im Jahre 1974 beurteilten Fall betreffend eine genferische Vorlage über den Schutz von Fauna und Flora bzw. ein Jagdverbot (BGE 100 Ia 59 f.; vgl. hierzu die vollständige Publikation des Urteils in: SJ 96/1974 S. 545 ff.). Dennoch kann das Vorgehen des Kantonsrates in dieser Hinsicht nicht als verfassungswidrig bezeichnet werden. Dem Parlament kommt von Verfassungs wegen die Aufgabe der Gesetzgebung zu. Es kann Gesetzesvorlagen nicht nur auf eigene Initiative oder auf Antrag des Regierungsrates hin erarbeiten, sondern ein Volksbegehren auch zum Anlass für den Erlass oder eine Revision von Gesetzen nehmen. Das verfassungsmässige Vorschlagsrecht des Parlamentes wird durch die Ausübung des ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Initiativrechts nicht aufgehoben oder aufgeschoben (vgl. BGE 91 I 194; Auer, Problèmes et perspectives du droit d'initiative à Genève, S. 66 N. 126; Kölz, a.a.O., S. 31). Eine Grenze findet das Vorschlagsrecht des Parlaments dort, wo ein Gegenvorschlag aus sachwidrigen Motiven ausgearbeitet wird und damit als rechtsmissbräuchlich erscheint (Kölz, a.a.O., S. 35; Andreas Auer, Les droits politiques dans les cantons suisses, Genève 1978, S. 150). Im übrigen ist im Einzelfall u.a. durch ein eine genügend differenzierte Stimmabgabe ermöglichendes Abstimmungsverfahren ein Ausgleich zwischen dem verfassungsmässigen Vorschlagsrecht des Parlaments und dem verfassungsmässigen Initiativrecht zu schaffen. Müsste das Parlament seinen Gegenvorschlag auf den engen Bereich der Initiative beschränken, hätte dies oftmals zur Folge, dass eine weitergehende Gesetzesrevision in verschiedene Teilvorlagen unterteilt werden und unter Umständen in mehreren Abstimmungen dem Volke unterbreitet werden müsste; dies widerspräche zusätzlich dem auch im Abstimmungsverfahren zu beachtenden Grundsatz der Praktikabilität (vgl. ZBl 87/1986 S. 175).
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Im Umstand allein, dass einer auf einen engen Sachbereich beschränkten Initiative ein über diesen Bereich hinausgehender Gegenvorschlag gegenübergestellt wird, kann demnach keine Verletzung des Grundsatzes der Einheit der Materie bzw. des Initiativrechts erblickt werden. Dem Kantonsrat kann im vorliegenden Fall auch nicht vorgeworfen werden, seinen weitergehenden Gegenvorschlag aus sachwidrigen und damit rechtsmissbräuchlichen Gründen ausgearbeitet zu haben; denn es galt, das zürcherische Steuergesetz an die Erfordernisse des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG), des bundesgerichtlichen Entscheides BGE 110 Ia 7 sowie von Art. 4 Abs. 2 BV anzupassen. Bei dieser Sachlage erweist sich die Beschwerde als unbegründet, soweit mit ihr Umfang und Tragweite des Gegenvorschlags im Verhältnis zu der einen wie der andern Steuerinitiative gerügt wird.
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Erwägung 6 |
Angesichts des fehlenden Zusammenhangs zwischen den beiden Initiativen werden den Stimmbürgern mit der gleichzeitigen und sich gegenseitig bedingenden Abstimmung über alle drei Vorlagen nicht nur eine einzige, sondern zwei Fragen unterbreitet. Ein solches Vorgehen verletzt den Grundsatz der Einheit der Materie im oben dargelegten Sinne (oben E. 5a). Im einzelnen können zwar mehrere Fragen mit Ja beantwortet werden, doch kann nur eine einzige Variante obsiegen. So ist es der Gesamtheit der Stimmbürger etwa verunmöglicht, in bezug auf die Frage der Familienbesteuerung die Postulate der Initiative zu verwerfen und den Gegenvorschlag zu bejahen, gleichzeitig aber dem Initiativbegehren nach Ausgleich der kalten Progression gegenüber dem Gegenvorschlag den Vorrang zu geben; ebenso können gesamthaft gesehen nicht die Anliegen beider Initiativen befürwortet werden. Damit aber kommt bei dem von den Beschwerdeführern beanstandeten Abstimmungsmodus kein Abstimmungsergebnis zustande, das den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Bei dieser Sachlage erweist sich die Rüge der Verletzung der politischen Rechte als begründet.
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d) Es ist nicht zu verkennen, dass die vorliegende Beurteilung des vom Regierungsrat gewählten Vorgehens gewisse praktische Schwierigkeiten in der Durchführung der Volksabstimmung mit sich bringt. Den Praktikabilitätsüberlegungen kann indessen gegenüber dem Grundsatz der freien und unverfälschten Willensäusserung der Stimmbürger bzw. dem Prinzip der Einheit der Materie sowie dem Initiativrecht kein Vorrang zukommen. Die praktischen Schwierigkeiten sind überdies im vorliegenden Fall nicht unüberwindbar. Es wäre beispielsweise ohne weiteres möglich gewesen, mit getrennten Abstimmungsfragen einerseits der Volksinitiative "Für eine gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden" den Gegenentwurf des Kantonsrates mit Ausnahme der Bestimmungen über den Ausgleich der kalten Progression (§ 200bis Steuergesetz) gegenüberzustellen und andererseits die Volksinitiative "Für die Ausschaltung von Steuerverschärfungen infolge Teuerung (Ausgleich der kalten Progression)" mit dem Gegenvorschlag zu § 200bis des Steuergesetzes zur Abstimmung zu bringen.
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Erwägung 7 |
Im vorliegenden Fall ist vorerst festzuhalten, dass der festgestellte Mangel schwer wiegt; der Abstimmungsmodus erlaubte keine freie und unverfälschte Willensäusserung der Stimmbürger und schloss die Annahme eine der beiden Initiativen zum vornherein aus. Bereits dieser Umstand würde es rechtfertigen, die Abstimmung aufzuheben. Darüber hinaus kann die Möglichkeit, dass die Abstimmung ohne den Mangel anders ausgefallen wäre, nicht als gering betrachtet werden. Denn es ist nicht auszuschliessen, dass eine beachtliche Anzahl von Stimmbürgern dem behördlichen Gegenvorschlag deshalb zustimmte, um die gesamte Revision des Steuergesetzes nicht zu gefährden, und es demnach in Kauf nahm, dass die Anliegen der beiden Initiativen nur in modifizierter Form realisiert werden. Schliesslich zeigt das Abstimmungsergebnis, gesamthaft gesehen, keine eindeutige Annahme des Gegenvorschlages. Denn alle drei Vorlagen wurden mit einer über 90 000 liegenden Anzahl von Ja-Stimmen angenommen; die Mehrheit des Gegenvorschlages gegenüber der Initiative "Für eine gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden" beträgt lediglich 691 Stimmen und diejenige gegenüber der Initiative zum Ausgleich der kalten Progression 5810 Stimmen. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass diese geringen Differenzen im wesentlichen auf die Möglichkeit des mehrfachen Ja zurückzuführen ist. Doch liegen die Resultate derart nahe beieinander, dass die Möglichkeit einer Beeinflussung des Abstimmungsresultates durch den Abstimmungsmodus nicht ausgeschlossen werden kann.
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Gesamthaft gesehen ergibt sich damit, dass der Mangel in der Durchführung der Volksabstimmung so schwer wiegt, dass von einer Kassation nicht Umgang genommen werden kann. Daher ist die Volksabstimmung vom 8. Juni 1986 als ganze aufzuheben. Die zuständigen Behörden werden demnach eine neue Volksabstimmung ansetzen und ein Abstimmungsverfahren wählen müssen, welches den Anforderungen an das Stimm- und Initiativrecht genügt. Bei diesem Ausgang des Verfahrens braucht auf die Eventualanträge sowie die weitern Rügen der Beschwerdeführer nicht mehr näher eingegangen zu werden.
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b) Es ist nicht zu übersehen, dass die Aufhebung der Volksabstimmung vom 8. Juni 1986 schwerwiegende Auswirkungen zur Folge hat. Zum einen ergeben sich praktische Schwierigkeiten für die Steuerperiode 1987/88. Mit erheblichem Aufwand müssten den Steuerpflichtigen neue Steuerformulare zugestellt und die Veranlagungen mit einiger Verzögerung nach altem Recht vorgenommen werden. Die Kassation der Abstimmung hat weiter zur Konsequenz, dass das zürcherische Steuergesetz, das vom Bundesgericht im Entscheid BGE 110 Ia 7 in bezug auf die Steuerbelastung von Ehepaaren und im Konkubinat lebenden Paaren als verfassungswidrig erklärt worden ist, in der alten Fassung aufrechterhalten würde. Weiter fällt in Betracht, dass die Volksabstimmung am 8. Juni 1986 nur aufgrund der Abweisung des Gesuches, es sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung beizulegen und der Abstimmungstermin abzusetzen, durchgeführt werden konnte. Dem Umstand, dass das Volk über die Steuervorlagen tatsächlich abgestimmt hat und die Steuerverwaltung daher die notwendigen und weitreichenden Vorbereitungen für die Taxation 1987 aufgrund der angenommenen Vorlage treffen durfte, kann hier Rechnung getragen werden. Schliesslich ist zu bedenken, dass sich die Mehrheit der Stimmenden klar für eine Revision des Steuergesetzes - in der einen oder andern Form - ausgesprochen hat. Angesichts dieser Sachlage rechtfertigt es sich, die Auswirkungen der Aufhebung des Urnenganges vom 8. Juni 1986 auf die materielle Rechtslage erst auf einen spätern Zeitpunkt eintreten zu lassen. Im Sinne einer vorläufigen Massnahme soll daher der Gegenvorschlag des Kantonsrates, wie er am 8. Juni 1986 von der Mehrheit der Stimmenden angenommen worden ist, vorläufig in Kraft bleiben, bis eine korrekte Abstimmung durchgeführt ist und eine allfällige Revision des Steuergesetzes in Kraft tritt.
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Im einzelnen bedeutet dies, dass das Steuergesetz in der Fassung vom 8. Juni 1986 aus Praktikabilitätsüberlegungen für die Steuerperiode 1987/88 ohne weiteres in Kraft bleiben kann. Wird in der Folge eine neue Abstimmung durchgeführt, so kann eine allfällige Änderung des Steuergesetzes für den Beginn der Steuerperiode 1989/90 in Kraft treten. Falls im Jahre 1987 oder 1988 jegliche Steuervorlage in der Volksabstimmung scheitern sollte, müsste ab 1989 wieder das Steuergesetz in der alten Fassung angewendet werden. Sollte in der Volksabstimmung allerdings die unformulierte Initiative "Für eine gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden" angenommen werden, hätte der Kantonsrat seinerseits eine Vorlage auszuarbeiten und diese erneut dem Volk vorzulegen. Da für diesen Fall mit einem Inkrafttreten einer allfälligen Steuergesetzrevision auf Anfang 1989 nicht gerechnet werden kann, kann das Steuergesetz in der Fassung vom 8. Juni 1986 auch noch für die Steuerperiode 1989/90 gelten. Kommt bis Ende 1990 keine neue Vorlage zustande, die auf den 1. Januar 1991 in Kraft gesetzt werden kann, so gilt auf jeden Fall ab diesem Datum wieder das Steuergesetz in der bisherigen Fassung. Den zürcherischen Behörden bleibt es unbenommen, das Steuergesetz in der Fassung vom 8. Juni 1986 auf einen früheren Zeitpunkt ausser Kraft zu setzen.
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Angesichts des aussergewöhnlichen Vorgehens, die Auswirkungen der Aufhebung der Volksabstimmung erst auf einen späteren Zeitpunkt eintreten zu lassen, sind die zürcherischen Behörden einzuladen, unverzüglich eine neue Volksabstimmung anzusetzen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, und die Volksabstimmung im Kanton Zürich vom 8. Juni 1986 über drei Steuervorlagen wird aufgehoben.
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2. Im Sinne einer vorläufigen Massnahme bleibt das Steuergesetz des Kantons Zürich in der Fassung vom 8. Juni 1986 in Kraft für die Steuerperiode 1987/88 bzw. bis zum Inkrafttreten allfälliger im Zusammenhang mit der Abstimmung über die Volksinitiativen "Für eine gerechte Besteuerung von Familien und Alleinstehenden" sowie "Für die Ausschaltung von Steuerverschärfungen infolge Teuerung (Ausgleich der kalten Progression)" beschlossener Änderungen des Steuergesetzes des Kantons Zürich, längstens aber bis zum Abschluss der Steuerperiode 1989/90.
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