BGE 118 Ia 282 - Schaffhauser Frauenhaus |
39. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung |
vom 27. August 1992 |
i.S. A gegen T und Mitbeteiligte sowie Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Schaffhausen |
(staatsrechtliche Beschwerde) |
Regeste |
Art. 58 Abs. 1 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 26 KV/SH; Anspruch auf einen unbefangenen Richter. |
1. Die Auffassung, der Grundsatz der Gewaltentrennung gemäss Art. 26 KV/SH beziehe sich nur auf die Gewalten derselben Gebietskörperschaft, ist nicht willkürlich und ist mit Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar (E. 3). |
2. Den Kantonen ist es nicht verwehrt, die Einhaltung gewisser Vorschriften bei der Ausübung des Anspruchs auf einen unvoreingenommenen, unabhängigen und unparteiischen Richter nach Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu verlangen (E. 5a). Aufgrund der kantonalen Strafprozessbestimmungen war es nicht willkürlich, den Anspruch des Beschwerdeführers auf Ablehnung eines Richters als verwirkt zu betrachten (E. 5b-E. 5e). |
3. Verfassung und Konvention stehen einer Verwirkung nicht entgegen (E. 6a). Unverzichtbarer und unverjährbarer Charakter von Art. 58 BV im vorliegenden Fall verneint (E. 6b und E. 6c). |
Sachverhalt |
A.- Im Berufungsverfahren sprach das Obergericht des Kantons Schaffhausen A mit "Zwischenurteil" vom 30. August 1991 der Schändung gemäss Art. 189 Abs. 1 und 2 StGB schuldig. Bereits am 26. August 1991, am Tag vor Beginn der Berufungsverhandlung, ging beim Obergericht ein Brief einer Patientin von A ein, in dem diese die Unvoreingenommenheit von Oberrichterin X, unter Hinweis auf deren Mitgliedschaft im Vorstand des Vereins Schaffhauser Frauenhaus in Frage stellte. Das Obergericht übermittelte dieses Schreiben am selben Tag per Telefax dem Anwalt von A.
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Gegen dieses Urteil vom 30. August 1991 erhob A mit Eingabe vom 13. September 1991 staatsrechtliche Beschwerde. Er macht eine Verletzung von Art. 4 und Art. 58 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK geltend, da die am angefochtenen Urteil mitwirkende Oberrichterin X gleichzeitig auch Mitglied des Grossen Stadtrates der Stadt Schaffhausen ist.
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Anlässlich des zweiten Teils der Berufungsverhandlung vom 16. und 17. September 1991 stellte A, soweit hier überhaupt interessierend, ein Ausstandsbegehren gegen Oberrichterin X. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen trat darauf mit Beschluss vom 16. September 1991 nicht ein und verurteilte A mit Urteil vom 17. September 1991 zu 2 1/2 Jahren Zuchthaus.
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Gegen den Nichteintretensbeschluss des Obergerichts vom 16. September 1991 erhebt A mit Eingabe vom 15. Oktober 1991 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 und Art. 58 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK sowie Art. 30 Abs. 2 und Art. 32 der Strafprozessordnung des Kantons Schaffhausen vom 15. Dezember 1986 (StPO). Das Bundesgericht weist die beiden Beschwerden ab, soweit es darauf eintritt.
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Auszug aus den Erwägungen: |
Aus den Erwägungen:
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Erwägung 3 |
Da sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet erweist, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann (vgl. nachfolgende Erwägungen), braucht vorliegend nicht geprüft zu werden, ob der Beschwerdeführer die Einwände gegen die Zusammensetzung des Gerichts rechtzeitig erhoben hat.
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b) Bei staatsrechtlichen Beschwerden, mit denen eine Verletzung des Rechts auf den verfassungs- und konventionsmässigen Richter geltend gemacht wird, überprüft das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung des kantonalen Gesetzesrechts lediglich unter dem Gesichtswinkel der Willkür. Mit freier Kognition prüft es indessen, ob die als vertretbar erkannte Auslegung des kantonalen Prozessrechts mit den Garantien nach Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar ist (BGE 116 Ia 33 E. 2a, 114 Ia 52 E. 2b).
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In ihren Vernehmlassungen machen die kantonalen Behörden geltend, der Grundsatz der Gewaltentrennung gemäss Art. 26 KV beziehe sich nur auf die Gewalten derselben Gebietskörperschaft, was auch aus dem Gesetz über die Gewaltentrennung hervorgehe. Eine Unvereinbarkeit zwischen den kantonalen Gewalten einerseits und den kommunalen Gewalten andererseits lasse sich aus Art. 26 KV nicht ableiten. Infolge Fehlens einer ausdrücklichen Bestimmung, welche die Unvereinbarkeit zwischen dem Amt einer Oberrichterin und dem Mandat in einem kommunalen Parlament vorsehe, könne von einer Verletzung des Grundsatzes der Gewaltentrennung keine Rede sein.
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Diese Auffassung ist nicht zu beanstanden, zumal auch nach der Lehre der Grundsatz der personellen Gewaltentrennung nur für Staatsorgane der gleichen Ebene gilt (vgl. ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 2. Auflage, Zürich 1988, Rz. 613; BLAISE KNAPP, Précis de droit administratif, 4. Auflage, Basel 1991, Rz. 30). Die Ausführungen des Beschwerdeführers sind deshalb nicht geeignet, die von den kantonalen Behörden vorgenommene Auslegung von Art. 26 KV als verfassungswidrig erscheinen zu lassen. Es bleibt demnach zu prüfen, ob diese Auslegung von Art. 26 KV mit den Garantien von Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar ist.
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d) Sowohl aufgrund von Art. 58 Abs. 1 BV als auch gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat der Einzelne einen Anspruch darauf, dass seine Sache von einem unvoreingenommenen, unparteiischen und unbefangenen Richter beurteilt wird. Damit soll garantiert werden, dass keine Umstände, die ausserhalb des Prozesses liegen, in sachwidriger Weise zugunsten oder zu Lasten einer Partei auf das Urteil einwirken; es soll mit andern Worten verhindert werden, dass jemand als Richter tätig wird, der unter solchen Einflüssen steht und deshalb kein "rechter Mittler" mehr sein kann. Voreingenommenheit in diesem Sinn ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters zu erwecken. Solche Umstände können entweder in einem bestimmten persönlichen Verhalten des betreffenden Richters oder in gewissen funktionellen und organisatorischen Gegebenheiten begründet sein (BGE 116 Ia 33 f. E. 2b mit Hinweisen). Wegen persönlichen Verhaltens ist der Richter nicht erst dann von der Mitwirkung ausgeschlossen, wenn er deswegen tatsächlich befangen ist. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die den Anschein der Befangenheit zu begründen vermögen. In beiden Fällen kann bei der Beurteilung der Umstände, welche die Gefahr der Voreingenommenheit begründen, nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abgestellt werden; das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen (BGE 116 Ia 33 f. E. 2b).
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Erwägung 4 |
4.- Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Beschwerde vom 15. Oktober 1991 gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 16. September 1991, mit dem dieses auf ein Ablehnungsbegehren gegen Oberrichterin X nicht eingetreten ist, eine Verletzung von Art. 4 und Art. 58 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK sowie von Art. 30, Art. 31 und Art. 32 der Strafprozessordnung für den Kanton Schaffhausen vom 15. Dezember 1986 (StPO).
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Mit einer Alternativbegründung im angefochtenen Beschluss führt das Obergericht weiter aus, das Gesuch hätte abgewiesen werden müssen, wenn darauf einzutreten gewesen wäre. Die Zugehörigkeit zu bestimmten Organisationen, die sich abstrakt mit Zielen befassen, die in eine bestimmte Richtung weisen, bewirke nicht den Anschein der Befangenheit. Nach glaubhaften und unbestrittenen Aussagen von Oberrichterin X habe sie sich in keiner Weise konkret engagiert. Sie habe sich insbesondere von der Mitwirkung im Vorstand des Frauenhauses zurückgezogen; sie habe also nichts zu tun mit dem Leserbrief B/F/M.
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Erwägung 5 |
Auf staatsrechtliche Beschwerde hin prüft das Bundesgericht dann im Einzelfall die Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts unter dem Gesichtswinkel der Willkür. Mit freier Kognition prüft es indessen, ob die als vertretbar erkannte Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts vor den materiellen Verfassungs- und Konventionsgarantien standhält, etwa dann, wenn das kantonale Recht die Befangenheitseinrede als verspätet oder nicht formgerecht und damit als verwirkt bezeichnet oder von einem stillschweigenden Verzicht ausgegangen wird. Dabei ist hinsichtlich der Garantie des verfassungsmässigen Richters zu beachten, dass ein Verzicht auf die Geltendmachung nicht leichthin angenommen werden kann (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte i.S. Pfeifer und Plankl vom 25. Februar 1992, Série A vol. 227, Ziff. 37 ff., in EuGRZ 1992 S. 99; Urteil i.S. Oberschlick vom 23. Mai 1991, Série A vol. 204, Ziff. 51, in EuGRZ 1991 S. 216). Zum andern hat die Rechtsprechung in Art. 58 BV selbst gewisse Schranken erblickt und erkannt, dass auf den Anspruch verzichtet werden kann und dass ein verspätetes Vorbringen gegen Treu und Glauben verstossen und daher die Verwirkung der Geltendmachung mit sich bringen kann (vgl. BGE 117 Ia 323 f., 116 Ia 142 und 389, 114 Ia 280 E. 3e und 350, 112 Ia 340 E. 1c; Entscheid des Bundesgerichts vom 17. Juni 1992 i.S. W, in EuGRZ 1992 S. 548 f.).
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b) Das schaffhauserische Strafprozessrecht unterscheidet zwischen Ausschliessungs- und Ablehnungsgründen (Art. 25 und 26 StPO). Soweit ein Ausschliessungsgrund vorliegt, hat ein Richter von Gesetzes wegen in den Ausstand zu treten (Art. 25 StPO). Demgegenüber sind Ablehnungsgründe von einer Partei oder vom Richter selbst (Selbstablehnung) geltend zu machen (Art. 26, 27 und 30 StPO; ROBERT HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Auflage, Basel 1984, S. 65). Eine Partei hat ein begründetes Ausstandsbegehren schriftlich einzureichen oder mündlich anzubringen, sobald ihr der Ausschliessungs- oder Ablehnungsgrund bekanntgeworden ist (Art. 30 Abs. 1 StPO). Nach Art. 262 Abs. 1 StPO, der gemäss Art. 306 StPO auch im Berufungsverfahren gilt, können die Parteien Vorfragen, etwa betreffend die Besetzung des Gerichts, zu Beginn der Hauptverhandlung aufwerfen.
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Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass das Obergericht seinem Verteidiger am Nachmittag des 26. August 1991, am Tag vor Beginn der Berufungsverhandlung, einen Brief einer Patientin per Telefax zustellte, nachdem es seinen Verteidiger vorgängig telefonisch auf dieses Schreiben und die darin genannte Befangenheitsproblematik hinwies. Dieses Schreiben hat unter anderem folgenden Inhalt:
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"... Als Bürgerin mit einem - wie ich bis anhin meinte - intakten Rechtsempfinden, habe ich Mühe zu begreifen, dass im bevorstehenden Prozess eine Frau als Richterin sitzt (X), die in Kreisen verkehrt(e) (Vorstandsmitglied des Frauenhauses SH), die sich vehement gegen Dr. A, die Ärzte im allgemeinen und die Männer überhaupt stellen. Ist es ihr wirklich möglich, diesen Fall objektiv zu beurteilen? Im ersten Prozess spielte der Begriff "Befangenheit" eine sehr grosse Rolle. Wie steht es mit der Befangenheit dieser Richterin? Kann sie allenfalls dem zu erwartenden Druck der Frauenrechtlerinnen standhalten?..."
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Aufgrund dieses Schreibens war es dem Beschwerdeführer bekannt, dass Oberrichterin X zumindest formell Vorstandsmitglied des Vereins Schaffhauser Frauenhaus war. Auch bestreitet der Beschwerdeführer nicht, im Zeitpunkt des ersten Teils der Berufungsverhandlung den am 23. Januar 1990 in den "Schaffhauser Nachrichten" erschienenen Leserbrief gekannt zu haben. Er hat denn auch diesen Leserbrief zusammen mit anderen Artikeln und einer Vorstandsliste des Frauenhauses Schaffhausen am 28. August 1991 nach seinem Schlusswort zu den Akten gegeben. Für ein allfälliges Ablehnungsbegehren im Zusammenhang mit diesem Leserbrief hatte der Beschwerdeführer somit bereits im ersten Teil der Berufungsverhandlung genügend Anhaltspunkte. Im Grunde genommen gibt er dies auch zu, wenn er in seiner Beschwerdeschrift in diesem Leserbrief einen selbständigen Befangenheitsgrund sieht.
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Hinsichtlich des Engagements von Oberrichterin X für Frauenfragen ist es fraglich, ob der Beschwerdeführer, der im Zeitpunkt des Berufungsverfahrens seit ungefähr 6 1/2 Jahren in Schaffhausen wohnte, davon keine Kenntnis hatte. Dies ist indessen im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Der Beschwerdeführer vermag nämlich nicht darzutun, inwieweit das Engagement in Organisationen, die sich nie zum vorliegenden Strafverfahren geäussert haben, den Anschein der Befangenheit von Oberrichterin X erwecken sollte. Das Einstehen für Frauenanliegen, wie etwa für die Gleichbehandlung der Geschlechter, vermag jedenfalls den Anschein der Befangenheit in keiner Weise zu begründen.
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Ähnlich verhält es sich mit den geltend gemachten "Beziehungen" zum Nottelefon für vergewaltigte Frauen. Der Beschwerdeführer macht diesbezüglich nicht geltend, dass Oberrichterin X Mitglied dieser Organisation sei, was übrigens gemäss der Stellungnahme von Oberrichterin X auch nicht zutreffen würde. Dass sie allenfalls einige Mitglieder des Nottelefons kennt bzw. diese Oberrichterin X kennen, vermag den Anschein der Befangenheit nicht zu begründen. Auch ihre frühere Mitarbeit in der Rechtsberatungsstelle "Rote Fade" der SP, welche offenbar vom Nottelefon rechtsuchenden Frauen angegeben wird, vermag daran nichts zu ändern. Die Auffassung des Obergerichts im angefochtenen Beschluss, der Beschwerdeführer habe nichts wesentlich Neues mehr vorgebracht, als ihm im Zeitpunkt des ersten Teils des Berufungsverfahrens bereits bekannt war, ist deshalb nicht zu beanstanden.
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Dem Beschwerdeführer war weiter bekannt, dass es zu einer Zweiteilung der Berufungsverhandlung kommen werde (vgl. Art. 267 StPO), so dass in einem ersten Teil über die Schuldfrage und erst anschliessend in einem zweiten Teil, soweit überhaupt noch notwendig, über den Strafpunkt entschieden werde. Indem der Beschwerdeführer trotz Kenntnis des von ihm behaupteten Ablehnungsgrundes im Zusammenhang mit dem Leserbrief im ersten Teil der Berufungsverhandlung kein Ablehnungsbegehren stellte, sondern damit zuwartete, bis eine für ihn nachteilige Verurteilung im Schuldpunkt vorlag, ist es aufgrund der kantonalen Strafprozessbestimmungen nicht willkürlich, dass das Obergericht dieses Verhalten als Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben wertete und deshalb den Anspruch des Beschwerdeführers auf Ablehnung von Oberrichterin X als verwirkt betrachtete.
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Erwägung 6 |
6.- Grundsätzlich bleibt somit zu prüfen, ob sich diese Auslegung der kantonalen Strafprozessnormen als verfassungs- und konventionskonform erweist. In diesem Zusammenhang macht der Beschwerdeführer in einer den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Weise einzig geltend, dass das Recht auf einen verfassungsmässigen bzw. auf einen unvoreingenommenen Richter im Sinne von Art. 58 BV nicht verwirken könne, da es sich dabei um ein unverzichtbares Recht handle.
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In der Lehre wird verschiedentlich in Zweifel gezogen, ob es gerechtfertigt sei, von einem festen Katalog von unverjährbaren und unverzichtbaren Grundrechten auszugehen (vgl. ZBl 83/1982, S. 359 f. E. 2b). So wird etwa gefordert, das Privileg der Unverjährbarkeit und Unverzichtbarkeit müsse überall dort gelten, wo Grundrechte in zentraler Weise und schwer betroffen seien (JÖRG PAUL MÜLLER, in Kommentar BV, Einleitung zu den Grundrechten, Rz. 19) oder wo der Kerngehalt irgendeines verfassungsmässigen Rechts verletzt sei (WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1984, S. 112).
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Das Bundesgericht hat in Erwägung 2c eines zur Publikation in BGE 118 Ia bestimmten Urteils vom 8. Mai 1992 i.S. L dieser Kritik insofern Rechnung getragen, als es die von der bisherigen Rechtsprechung definierte Kategorie der unverjährbaren und unverzichtbaren Grundrechte nicht im Sinne eines Numerus clausus als abschliessend und unverrückbar betrachtet. Danach kommen dafür unter Umständen auch bisher noch nicht als privilegiert anerkannte Grundrechtsgarantien in Frage. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen sind allerdings angesichts der äusserst weitreichenden Auswirkungen restriktiv zu handhaben.
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c) Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer keine Ausschliessungsgründe geltend gemacht, die von Gesetzes wegen hätten beachtet werden müssen, sondern er behauptet einzig das Vorliegen von Ablehnungsgründen (vgl. vorangehende E. 5b). Ein allfälliger Nichtigkeitsgrund ist deshalb zu verneinen. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer trotz Kenntnis des von ihm behaupteten Ablehnungsgrundes sich auf das Verfahren eingelassen hat, lässt zudem auch nicht auf einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff schliessen. Der vom Beschwerdeführer angerufene Anspruch auf einen unvoreingenommenen, unparteiischen und unbefangenen Richter im Sinne von Art. 58 BV wird deshalb durch die behauptete Verletzung nicht derart fundamental und schwer betroffen, dass dieses Verfahrensrecht allenfalls als unverzichtbares und unverjährbares Grundrecht anzuerkennen wäre.
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