BGE 119 Ia 214 - Gemeindeautonomie Küsnacht |
25. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung |
vom 7. Mai 1993 |
i.S. Politische Gemeinde Küsnacht und Mitbeteiligte gegen Regierungsrat des Kantons Zürich |
(staatsrechtliche Beschwerde) |
Regeste |
Art. 4 BV und Gemeindeautonomie; Art. 88 OG: Finanzausgleichsgesetz des Kantons Zürich; Legitimation des Privaten. |
1. Die beschwerdeführenden Gemeinden können sich gegenüber der ihnen vom Kanton auferlegten Abgabepflicht aufgrund des Finanzausgleichsgesetzes nicht auf verfassungsmässige Individualrechte berufen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 1). |
2. Legitimation des Privaten zur Anfechtung von Regelungen des interkommunalen Finanzausgleichs verneint (E. 2). |
3. Voraussetzungen, unter denen ein geschützter kommunaler Autonomiebereich bei der Anwendung kantonalen Rechtes bestehen kann (E. 3). |
Sachverhalt |
A. |
Das zürcherische Gesetz vom 11. September 1966 über die Staatsbeiträge an die Gemeinden und über den Finanzausgleich (Finanzausgleichsgesetz, FAG) regelt in den §§ 11 und 15 die Voraussetzungen, unter denen finanzschwache Gemeinden Anspruch auf Leistungen aus dem Ausgleichsfonds und finanzstarke Gemeinden Beiträge in diesen Fonds zu liefern haben. § 17 FAG schreibt u.a. vor, dass die Direktion des Innern den beitragspflichtigen Gemeinden "die voraussichtlichen Ablieferungen rechtzeitig zur Erstellung des Voranschlags" mitteilt und die Ablieferungen jährlich bis Ende September aufgrund der zu diesem Zeitpunkt bekannten Grundlagen bezieht. Nach § 18 FAG kann der Kantonsrat zum Ausgleich der Fondsrechnung die Höhe der Beiträge und Ablieferungen durch Änderung der in den §§ 11 und 15 umschriebenen Faktoren aufeinander abstimmen (Abs. 1); der Regierungsrat kann nötigenfalls "kurzfristige Massnahmen" treffen (Abs. 2).
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Gestützt auf § 18 Abs. 2 des Finanzausgleichsgesetzes beschloss der Regierungsrat des Kantons Zürich am 1. Juli 1992:
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"Mit Wirkung ab dem Berechnungsjahr 1992 wird der Berechnungsfaktor für die Beiträge gemäss § 11 Abs. 2 des Finanzausgleichsgesetzes so angesetzt, dass er dem um 38 Steuerprozente erhöhten Kantonsmittel der Gemeindesteuerfüsse entspricht; der Berechnungsfaktor für die Ablieferungen gemäss § 15 Abs. 2 Finanzausgleichsgesetz wird so festgesetzt, dass er 29 Steuerprozente tiefer liegt als das Kantonsmittel der Gemeindesteuerfüsse."
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Dieser Beschluss wurde im Amtsblatt des Kantons Zürich vom 17. Juli 1992 publiziert.
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Die politische Gemeinde Küsnacht und fünfzehn weitere beitragspflichtige politische Gemeinden sowie drei Privatpersonen führen mit gemeinsamer Eingabe vom 3. September 1992 fristgerecht staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Regierungsrates vom 1. Juli 1992 sei insofern aufzuheben, als er den Berechnungsfaktor für die Ablieferungen gemäss § 15 Abs. 2 des Finanzausgleichsgesetzes schon für das Berechnungsjahr 1992 auf 29 Steuerprozente tiefer als das Kantonsmittel der Gemeindesteuerfüsse festlege. Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung von Art. 4 BV sowie der Gemeindeautonomie.
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Der Regierungsrat beantragt in seiner Vernehmlassung vom 6. November 1992 Abweisung der Beschwerde.
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Auszug aus den Erwägungen: |
Aus den Erwägungen:
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Erwägung 1 |
c) In Betracht kommt einzig eine Geltendmachung der Gemeindeautonomie. Da der angefochtene Akt die beschwerdeführenden Gemeinden nach dem Gesagten in ihrer hoheitlichen Stellung trifft, sind sie zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung ihrer Autonomie befugt. Ob ihnen im betreffenden Bereich eine geschützte Autonomie zusteht, ist gemäss bundesgerichtlicher Praxis nicht eine Frage des Eintretens, sondern eine solche der materiellen Beurteilung (BGE 117 Ia 354 E. 3a, mit Hinweisen).
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Erwägung 2 |
b) Das zürcherische Finanzausgleichsgesetz und auch die gestützt darauf ergangene, hier angefochtene Anordnung des Regierungsrates richten sich einzig an die in das Finanzausgleichssystem einbezogenen Gemeinden und berühren nicht die Rechtsstellung des einzelnen Bürgers. Die allfälligen Auswirkungen auf die Steuerfüsse in den Gemeinden sind lediglich eine mittelbare Folge dieser Finanzausgleichsordnung. Derartige bloss mittelbare Auswirkungen begründen nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung noch keine allgemeine Beschwerdebefugnis all jener Steuerzahler, die an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Ordnung ein faktisches Interesse haben könnten. Indirekte Beeinflussungen der Steuerlast können sich auch aus Ausgabenbeschlüssen, aus der Übernahme neuer öffentlicher Aufgaben und aus mancherlei anderen Sachentscheidungen des Gemeinwesens ergeben, ohne dass dies dem einzelnen Steuerpflichtigen die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen solche Anordnungen verschaffen würde (vgl. BGE 101 Ia 543 E. 2 sowie Urteil vom 18. Juli 1978, in ZBl 79/1978 S. 555, mit weiteren Hinweisen). Insofern kann an der in BGE 93 I 443 E. 5a vertretenen Auffassung, welche die Legitimation des einzelnen Bürgers zur (direkten) Anfechtung des hier fraglichen zürcherischen Gesetzes über den interkommunalen Finanzausgleich bejahte, nicht festgehalten werden. Das Bundesgericht hat denn auch bereits im erwähnten späteren Urteil vom 18. Juli 1978 die Legitimation eines Bürgers, der unter Berufung auf seine Eigenschaft als Steuerzahler die Änderung eines Finanzausgleichsgesetzes mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten hatte, verneint; an dieser letzteren Rechtsprechung ist festzuhalten.
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Auf die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde ist, soweit sie von drei einzelnen Bürgern erhoben wird, nicht einzutreten.
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Erwägung 3 |
b) Ein geschützter kommunaler Autonomiebereich kann auch bei der Anwendung kantonalen Rechtes bestehen, wenn dieses der Gemeinde eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit belässt (BGE 118 Ia 219 E. 3a, mit Hinweisen). Voraussetzung ist jedoch, dass der (erstinstanzliche) Vollzug solcher kantonalen Vorschriften der Gemeinde übertragen ist und dass die Art der zu regelnden Materie für ein Selbstbestimmungsrecht der einzelnen Gemeinden Raum lässt.
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Bei den hier in Frage stehenden Bestimmungen der §§ 17 und 18 des kantonalen Finanzausgleichsgesetzes ist weder das eine noch das andere der Fall. Die Handhabung dieser Vorschriften obliegt nicht den Gemeinden, sondern Organen des Kantons. Bei der Festlegung der von den Gemeinden im Rahmen des interkommunalen Finanzausgleiches zu erbringenden bzw. zu beziehenden Ausgleichsleistungen können die einzelnen Gemeinden und ihre Behörden sodann auch von der Sache her kein Selbstbestimmungsrecht für sich beanspruchen. Es geht hier, ähnlich wie bei der Abgrenzung der Steuerhoheit zwischen den Gemeinden (BGE 114 Ia 83 E. 3, 110 Ia 50 E. 4b), um einen Interessenkonflikt zwischen einander gleichgeordneten Rechtssubjekten, dessen verbindliche Regelung naturgemäss einem übergeordneten kantonalen Organ vorbehalten sein muss und nicht in den Autonomiebereich der einzelnen Gemeinden fallen kann (so Urteil des Bundesgerichtes vom 23. Juni 1981, in ZBl 82/1981, S. 451). Eine geschützte Autonomie könnte höchstens soweit bestehen, als der Kanton den Vollzug des Finanzausgleiches in bestimmten Punkten, etwa bezüglich der Modalitäten der Verwendung erhaltener Beiträge, bewusst den beteiligten Gemeinden überlässt und deren diesbezügliche Gestaltungsfreiheit alsdann zu respektieren hätte (Urteil vom 23. Juni 1981, a.a.O.); solches steht hier nicht in Frage.
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Wie es sich mit der Begründetheit dieser Einwände verhält, ist hier nicht zu prüfen. Es handelt sich jedenfalls nicht um Fragen des Autonomieschutzes. Wohl trifft zu, dass die Gemeinden durch eine allfällige unrichtige Handhabung des Finanzausgleichsgesetzes in ihren Interessen beeinträchtigt werden können. Solche Konflikte können indessen überall auftreten, wo Gemeinden der Entscheidungsgewalt übergeordneter Organe unterworfen sind. Der Schutz der Autonomie greift aber erst dann Platz, wenn die beanstandete kantonale Anordnung die Gemeinde in einem Bereich trifft, wo ihr das kantonale Recht einen Spielraum selbständiger kommunaler Gestaltung einräumt (BGE 118 Ia 223 E. 3e). Das ist in bezug auf die hier streitigen Fragen nicht der Fall.
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Im übrigen kann im blossen Umstand, dass den belasteten Gemeinden infolge der sofortigen Inkraftsetzung der angeordneten Änderung des Berechnungsfaktors eine rechtzeitige Budgetierung der damit verbundenen Mehrausgaben verunmöglicht wurde, noch keine Beeinträchtigung oder gar Infragestellung ihrer Budgetautonomie erblickt werden. Dass dadurch gar ihre Existenz gefährdet oder mindestens bedroht werde, machen die beschwerdeführenden Gemeinden nicht geltend (vgl. dazu BGE 110 Ia 51 E. 4b, mit Hinweisen). Ob der Regierungsrat auch bei kurzfristigen Massnahmen gemäss § 18 Abs. 2 FAG an die Regelung von § 17 FAG gebunden ist, braucht daher nicht entschieden zu werden.
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