BGE 101 Ib 231
 
44. Urteil vom 19. Dezember 1975 i.S. Personalfürsorgestiftung der Firma Hälg & Co. gegen Regierungsrat des Kantons St. Gallen
 
Regeste
Stiftungsaufsicht; Pflicht des Arbeitgebers zur Beitragsleistung an die Personalfürsorgeeinrichtung nach dem neuen Arbeitsvertragsrecht.
 
Sachverhalt
A.- Die Personalfürsorgestiftung der Firma Hälg & Co., St. Gallen (nachfolgend Stiftung genannt), bezweckt nach Art. 3 der Stiftungsurkunde vom 29. November 1943 "ganz allgemein die Fürsorge für das Personal der Stifterfirma in dem vom Stiftungsrat zu bestimmenden Umfang, insbesondere die Alters- und Hinterbliebenenfürsorge. Zur Errichtung des Stiftungszweckes kann die Stiftung Versicherungsverträge zugunsten der Destinatäre oder eines Teiles derselben abschliessen oder in solche bestehende Verträge eintreten". Seit dem Jahre 1972 richtet die Stiftung auch bei Invalidität Leistungen aus. Im Sinne dieser Zweckbestimmung hat die Stiftung mit der Schweizerischen Lebensversicherungs- und Rentenanstalt, Zürich (nachfolgend Rentenanstalt genannt), einen Kapitalversicherungs- und einen Rentenversicherungsvertrag abgeschlossen und in zwei entsprechenden Stiftungsreglementen vom 31. Dezember 1965 die Beitragspflicht und die Versicherungsleistungen geregelt. Hinsichtlich der Kostendeckung der Versicherungsbeiträge bestimmt je Art. 8 der beiden Reglemente:
"Die Kosten der Versicherung werden von der Firma bzw. der Stiftung und den Versicherten gemeinsam getragen. Der jährliche Beitrag der versicherten Personen beträgt 4% und derjenige der Firma bzw. Stiftung 6% der versicherten Besoldung. Der Beitrag der versicherten Personen wird in gleich hohen Raten bei der Lohnauszahlung in Abzug gebracht".
Von Anfang an wurde der Arbeitgeberbeitrag jeweils der Stiftung belastet, während die Stifterfirma der Stiftung in den meisten Jahren Zuwendungen von unterschiedlicher Höhe machte. Diese Zuwendungen überstiegen in der Regel den Beitrag der "Firma bzw. der Stiftung" von 6% der versicherten Besoldung. Seit dem Jahre 1969 liegen jedoch die Zuwendungen der Stifterfirma unter dem der Rentenanstalt geschuldeten Arbeitgeberanteil. Im Jahre 1970 erfolgte gar keine Zuwendung, und 1973 beispielsweise leistete die Firma einen Beitrag von Fr. 285'000.--, während sich der von der Stiftung der Rentenanstalt entrichtete Arbeitgeberanteil auf Fr. 440'197.45 belief.
Am 31. Dezember 1973 hat die Stiftung ein Vermögen von Fr. 1'790'422.75 ausgewiesen, das ausschliesslich in einer Forderung gegen die Stifterfirma besteht. Der Rückkaufswert von 2,8 Millionen Franken der Gruppenversicherungen ist in der Bilanz nicht eingeschlossen.
B.- Am 1. Januar 1972 trat das revidierte Arbeitsvertragsrecht in Kraft. Der neue Art. 331 Abs. 3 OR lautet:
"Hat der Arbeitnehmer Beiträge an eine Personalfürsorgeeinrichtung zu leisten, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, zur gleichen Zeit mindestens die gleichen Beiträge zu entrichten".
Am 14. Dezember 1972 teilte das Amt für Stiftungsaufsicht des Kantons St. Gallen (nachfolgend Amt für Stiftungsaufsicht genannt) in einem Kreisschreiben den Organen der Personalfürsorgestiftungen mit, dass das neue Recht ab 1. Januar 1973 Anwendung finden müsse. Bezüglich der Arbeitgeberbeiträge wurde ausgeführt:
"Bei der statistischen Verarbeitung der Stiftungsrechnungen müssen wir immer wieder feststellen, dass Gewinnanteile von Versicherungen und sog. Abgangsgewinne mit den Arbeitgeberbeiträgen verrechnet werden. Da solche Verrechnungen einer indirekten Rückwandlung gleichkommen und letztere gemäss Bundesgerichtsentscheid unstatthaft sind, kann dies nicht zugelassen werden. Gemäss Art. 331 OR (neues Arbeitsvertragsrecht) hat ab 1. Januar 1972 jeder Arbeitgeber mindestens die gleichen Beiträge in die Personalvorsorge einzuzahlen wie die Arbeitnehmer!
Viele Reglemente legen nur den prozentualen Beitragssatz der Arbeitnehmer fest und bestimmen dann, dass die Differenz von der Stiftung zu tragen sei. Solche Reglementsbestimmungen entbinden den Arbeitgeber nicht von seiner Beitragspflicht gemäss Art. 331 OR, da der Arbeitgeber die Stiftung in die Lage versetzen muss, dieser reglementarischen Pflicht nachzukommen. Es gibt Stifterfirmen, die bei guten Geschäftsabschlüssen zusätzlich freiwillige Beiträge in die Stiftung leisten, in der Absicht, später hievon bei schlechtem Geschäftsgang die laufenden Arbeitgeberbeiträge zu bezahlen. Ein solches Vorgehen ist nicht nur möglich, sondern empfehlenswert. Hingegen muss bei solchen freiwilligen Zuwendungen genau festgelegt werden, was für die allgemeine Stiftungsrechnung und was für eine Prämien- oder Beitragsreserve bestimmt ist. Für diese Reserve muss aber ein eigenes Konto innerhalb der Stiftungsrechnung geführt werden, das jederzeit über den Stand der Reserve Aufschluss gibt. Wo ein solches Reservekonto fehlt, wird es später schwer sein, der Stiftungsaufsicht den Beweis darüber zu erbringen, dass die Stiftung berechtigt sei, für die Arbeitgeberbeiträge aufzukommen".
Trotz dieser Weisungen hielt die Stiftung dafür, dass sie nach wie vor befugt sei, das gesamte Stiftungsvermögen zur Zahlung von Arbeitgeberbeiträgen zu verwenden. In der dem Amt für Stiftungsaufsicht zur Genehmigung vorgelegten Jahresrechnung 1973 wurde deshalb kein "Prämienreservekonto" ausgeschieden. Aus der Rechnung geht hervor, dass die Zuwendungen der Stifterfirma im Jahre 1973 die Höhe der Arbeitnehmerbeiträge erreichten, dass aber die Mehrleistung bis auf 6% der versicherten Lohnsumme aus dem Stiftungsvermögen erbracht wurde.
Mit Verfügung vom 4. November 1974 verweigerte das Amt für Stiftungsaufsicht die Genehmigung der Jahresrechnung, stellte jedoch die Genehmigung in Aussicht für den Fall, dass die Prämienreserve nach folgender Berechnung ausgeschieden werde:
"Gesamt-Prämienleistungen an Rentenanstalt ab
1943/44 Fr. 5'557'404.95
daran leisteten die Arbeitnehmer Fr. 2'015'650.--
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Verbleiben für den Arbeitgeber Fr. 3'541'754.95
- Gutschrift für Verbesserung der
Versicherungsleistungen im Jahre 1965;
solche Leistungen können dem freien
Stiftungsvermögen entnommen werden Fr. 520'000.--
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Pflichtbeiträge des Arbeitgebers seit Errichtung
der Stiftung Fr. 3'021'754.95
Effektive Leistungen des Arbeitgebers Fr. 3'578'000.--
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Somit verbleiben per 31. Dezember 1973 die als
Prämienreserve des Arbeitgebers ausgeschieden
und in der Bilanz als solche aufgeführt werden
müssen!" Fr. 556'245.05
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Zur Begründung führte das Amt für Stiftungsaufsicht im wesentlichen aus, nach Art. 331 Abs. 3 OR sei die Firma verpflichtet, jährlich mindestens die gleichen Beiträge wie die Arbeitnehmer zu leisten, wobei diese Beiträge vom Arbeitgeber direkt zu erbringen seien und nicht der Stiftung belastet werden dürften. Nur in dem Umfang, in dem die Stifterfirma früher zusätzliche Leistungen an die Stiftung erbracht und damit eine Prämienreserve geschaffen habe, dürften Arbeitgeberbeiträge aus dem Stiftungsvermögen bezahlt werden. Dagegen gehe es nicht an, diese Beiträge einfach aus dem freien Stiftungskapital zu entnehmen, das sich aus Kapitalerträgen, Gewinnanteilen von Versicherungsgesellschaften und Mutationsgewinnen zusammensetze und in erster Linie für die nichtversicherbaren Nebenzwecke oder für Verbesserungen der Versicherungsleistungen zu verwenden sei.
Den gegen diese Verfügung gerichteten Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons St. Gallen am 4. Februar 1975 ab.
C.- Die Stiftung hat Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben mit dem Hauptantrag, der Rekursentscheid des Regierungsrates des Kantons St. Gallen vom 4. Februar 1975 sei aufzuheben und die Vorinstanz bzw. das Amt für Stiftungsaufsicht sei anzuhalten, die Jahresrechnung per 31. Dezember 1973 in der vorgelegten Form zu genehmigen.
D.- Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen beantragt Abweisung der Beschwerde.
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat auf einen Antrag verzichtet. Es bezeichnet die angefochtene Verfügung als durchaus sinnvoll, hält jedoch dafür, dass die Ausscheidungsmethode und das Ausmass der "Prämienreserve" durch das Amt für Stiftungsaufsicht zu wenig abgeklärt worden sei.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2. Nach Art. 84 Abs. 2 ZGB hat die Aufsichtsbehörde dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen nur zu den in der Stiftungsurkunde genannten und gesetzlich zulässigen Zwecken verwendet wird. Dies schliesst die Befugnis ein, darüber zu wachen, dass das Stiftungsvermögen nach Massgabe der Stiftungsurkunde sowie im Interesse der Destinatäre erhalten bleibt und nicht spekulativ oder allzu risikoreich angelegt oder seinem Zweck entfremdet wird. In diesem Rahmen ist die Aufsichtsbehörde befugt, den Stiftungsorganen bindende Weisungen zu erteilen und bei deren Nichtbeachtung Sanktionen zu ergreifen (BGE 100 Ib 144, 99 Ib 258 f., je mit Hinweisen). Greift die Aufsichtsbehörde hingegen ohne gesetzliche Grundlage in den Autonomiebereich der Stiftungsorgane ein, so verletzt sie Bundesrecht.
Vorliegend ist streitig, wie weit die Stiftungsorgane frei über das Stiftungsvermögen verfügen und welche Aufwendungen sie daraus bestreiten dürfen. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin kann nötigenfalls das ganze Stiftungsvermögen verwendet werden, um die vollen Arbeitgeberprämien für die von der Stiftung abgeschlossenen Gruppenversicherungen zu bezahlen. Demgegenüber vertreten das Amt für Stiftungsaufsicht und der Regierungsrat die Auffassung, für diese Leistungen dürfe nur ein rechnungsmässig ausgeschiedener Teil des Stiftungsvermögens, die sogenannte "Prämienreserve" - besser "Beitragsreserve" genannt - verwendet werden. Dagegen darf nach dieser Auffassung das übrige Stiftungsvermögen - wenig zutreffend auch "freies Stiftungsvermögen" genannt - zur Leistung von Arbeitgeberbeiträgen nicht angegriffen werden. Nicht streitig ist, dass das ganze Stiftungsvermögen, d.h. nicht nur die Beitragsreserve, für Leistungen des Arbeitgebers eingesetzt werden darf, die über die paritätischen Beitragsleistungen hinausgehen.
Bis Ende 1972 richtete sich die Verfügungsfreiheit der Stiftungsorgane nach den Vorschriften von Art. 89bis ZGB und Art. 343bis OR in der Fassung vom 21. März 1958, nach der Stiftungsurkunde und nach den beiden - für die Kapital- resp. die Rentenversicherung erlassenen - Versicherungsreglementen. Es ist zu prüfen, ob sich aus diesen Vorschriften eine Grundlage für die Auffassung der Aufsichtsbehörde ergibt.
a) Vor 1958 war den privaten Unternehmungen die rechtliche Ausgestaltung der betriebsinternen Wohlfahrtspflege freigestellt. Die Revision des Stiftungs- und des Dienstvertragsrechtes von 1958 bewahrte diese freiheitliche Ordnung und beschränkte sich darauf, einige wenige Grundsatzfragen zu ordnen. So wurde künftighin die rechtliche Verselbständigung des Stiftungsvermögens verlangt und seine Anlage in der Stifterfirma erschwert. Ferner wurden eine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers und ein gewisses Mitspracherecht der Arbeitnehmer eingeführt, und endlich erhielten die Destinatäre dann einen Rechtsanspruch auf Stiftungsleistungen, wenn sie selber Beiträge entrichtet hatten. Der Anspruch blieb dabei auf die Summe der eigenen Beiträge beschränkt. Weitere Begehren der Arbeitnehmer wurden in der Gesetzesrevision mit Absicht zurückgestellt, so insbesondere ein im Nationalrat eingereichtes Postulat, mit dem verlangt wurde, dass dem Arbeitnehmer auch dann ein Anspruch auf die vom Arbeitgeber geleisteten Beiträge einzuräumen sei, wenn das Dienstverhältnis vor der Pensionierung beendigt werde (BBl 1956 II 828 f.; Sten.Bull. N. 1958 S. 65 f.). Die Stiftungsorgane waren deshalb nach den vor der Revision des Arbeitsvertragsrechtes geltenden gesetzlichen Vorschriften durchaus berechtigt, das gesamte Stiftungsvermögen im Rahmen des Stiftungszweckes zu verwenden. Sie durften aus dem Stiftungsvermögen insbesondere die aus Gruppenversicherungsverträgen geschuldeten paritätischen Arbeitgeberbeiträge bezahlen, sofern die Stiftungsurkunde dies erlaubte.
b) Nach Art. 3 der Stiftungsurkunde bezweckt die Stiftung allgemein die Fürsorge für das Personal der Stifterfirma in dem vom Stiftungsrat zu bestimmenden Umfang, wobei die Stiftung zur Erreichung des Zweckes Versicherungsverträge zugunsten der Destinatäre abschliessen oder in solche Verträge eintreten kann. Der Abschluss und die Finanzierung von Versicherungsverträgen zugunsten des Personals gehört demnach mit zum Zweck der Stiftung, und diesem Zweck dient ohne Zweifel auch die Zahlung der der Rentenanstalt geschuldeten Arbeitgeberbeiträge.
Nach der aus dem Jahre 1943 stammenden Stiftungsurkunde war die Beschwerdeführerin als reiner Fürsorge- oder Wohlfahrtsfonds konzipiert. Irgendwelche konkrete Ansprüche der einzelnen Destinatäre werden in der Urkunde nicht vorgesehen, und die Freiheit des Stiftungsrates, zu bestimmen, wie der Stiftungszweck zu erreichen sei, wird in keiner Weise eingeschränkt. Da bereits ab 1944 Arbeitnehmerbeiträge einbezahlt und mit der Rentenanstalt Gruppenversicherungsverträge abgeschlossen wurden, wandelte sich die Beschwerdeführerin von einem patronalen Wohlfahrtsfonds zur Versicherungseinrichtung, und die Einzelheiten der Prämienpflicht und der Versicherungsleistungen wurden - wie in Art. 5 Abs. 2 der Stiftungsurkunde vorgesehen - in besonderen Reglementen geordnet.
c) Die heute geltenden Reglemente vom 31. Dezember 1965 umschreiben Ansprüche der Arbeitnehmer auf ein Alterskapital oder eine Altersrente, auf eine Todesfallsumme und auf eine Abfindung bei Dienstaustritt, wobei diese Abfindungssumme gemäss Art. 343bis Abs. 3 OR in der Regel dem Total der vom Versicherten geleisteten Beiträge ohne Zins entspricht. Die genannten Versicherungsleistungen sind vertragliche Ansprüche der Destinatäre, denn mit der Bereitschaft, Arbeitnehmerbeiträge zu leisten, entsteht ein sogenannter Vorsorgevertrag zwischen der Stiftung und dem einzelnen Arbeitnehmer (RIEMER, Kommentar, Systematischer Teil, N. 338; SUTER, Untersuchungen zur Rechtsstellung des Destinatärs von Personalvorsorgeeinrichtungen - Geltendes und werdendes Recht, ZBJV 109/1973 S. 353). Durch den Vorsorgevertrag wird jedoch der Gruppenversicherungsvertrag nicht berührt; dieser besteht ausschliesslich zwischen der Stiftung und dem Versicherer, und die Stiftungsdestinatäre sind Versicherte, nicht aber Begünstigte aus diesem Vertrag. Die Beschwerdeführerin und die Rentenanstalt konnten deshalb im Versicherungsreglement die Beitragspflicht des Arbeitgebers im Rahmen der gesetzlichen und statutarischen Vorschriften vertraglich vereinbaren. Die in Art. 8 der beiden Reglemente getroffene Lösung, wonach der jährliche Beitrag der versicherten Personen 4% und derjenige der "Firma bzw. Stiftung" 6% der versicherten Besoldungen betrage, sprengt die Grenzen der unter altem Recht bestehenden Dispositionsfreiheit nicht und bringt klar zum Ausdruck, dass der Arbeitgeberbeitrag von der Stifterfirma oder der Beschwerdeführerin erbracht werden kann.
d) Bis zum Inkrafttreten des neuen Art. 331 OR jedenfalls war somit die Beschwerdeführerin berechtigt, anstelle der Stifterfirma die der Rentenanstalt geschuldeten Arbeitgeberbeiträge aus dem Stiftungsvermögen zu entrichten. Die Stifterfirma durfte ihre Zuwendungen an die Beschwerdeführerin unabhängig von der Höhe der jährlich geschuldeten Arbeitgeberbeiträge variieren. Sie musste nur dafür sorgen, dass die Stiftung in der Lage war, die aus den Versicherungsverträgen erwachsenden Aufwendungen zu bestreiten. Das gilt auch für die Jahre 1969-1972, in denen die Leistungen der Stifterfirma an die Beschwerdeführerin regelmässig hinter den der Rentenanstalt geschuldeten Arbeitgeberbeiträgen zurückblieben.
Die Stiftungsurkunde und die Reglemente enthalten keinen Hinweis darauf, dass bestimmte Teile des Stiftungsvermögens für diesen Zweck nicht hätten verwendet werden dürfen, beispielsweise nicht die von der Stifterfirma entrichteten Schuldzinsen, die Mutationsgewinne oder die von der Rentenanstalt vergüteten Gewinnanteile. Auch steuerrechtlich stand der Inanspruchnahme des gesamten Stiftungsvermögens für die Bezahlung der Arbeitgeberbeiträge nichts entgegen. Damit eine Zuwendung nach Art. 49 Abs. 2 WStB und Art. 71 Abs. 3 des sanktgallischen Steuergesetzes von der Steuer befreit wird, genügt die Ausscheidung in einer Weise, die jede weitere zweckwidrige Verwendung ausschliesst.
Die beiden Stiftungsreglemente entsprechen durchaus den Anschauungen, die zur Zeit ihres Erlasses herrschend waren. Bei den Arbeitgeberbeiträgen wurde unterschieden zwischen den "ordentlichen Beitragsleistungen" gemäss Reglement und den "effektiven Zuwendungen" der Stifterfirma, und es war üblich, die Arbeitgeberbeiträge aus dem freien Stiftungsvermögen zu leisten (HELBLING, Personalfürsorge, Bern 1964, S. 83). Wohl ist die Beschwerdeführerin eine Mehrzweckstiftung in dem Sinne, dass die Stiftungsorgane in der Lage sein müssen, aus dem Stiftungsvermögen andere Leistungen zu erbringen als die Arbeitgeberbeiträge an die Rentenanstalt, vor allem Fürsorgeleistungen für nicht versicherte Risiken. Weder die Stiftungsurkunde noch die Reglemente verpflichten indessen die Stiftungsorgane, für solche weitere Stiftungszwecke einen Teil des Stiftungsvermögens auszuscheiden.
4. Zu prüfen ist nun, ob mit der Anwendbarkeit des neuen Art. 331 Abs. 3 OR seit dem 1. Januar 1973 die Freiheit der Stiftungsorgane eingeschränkt und die Stifterfirma verpflichtet worden ist, jedes Jahr, zur gleichen Zeit wie die Arbeitnehmer, mindestens die gleichen Beiträge an die Personalfürsorgeeinrichtung zu entrichten wie jene; ob also die Stifterfirma der Beschwerdeführerin jährlich 4% der versicherten Lohnsumme zur Deckung der bei der Rentenanstalt bestehenden Verbindlichkeiten überweisen muss.
a) Für die Auffassung der Aufsichtsbehörden, wonach die paritätische Mindestprämie nunmehr jährlich von der Stifterfirma selber zu erbringen sei, spricht der Wortlaut von Art. 331 Abs. 3 OR, der festlegt, dass die Beiträge vom "Arbeitgeber" zu erbringen sind.
Der Wortlaut einer Bestimmung ist jedoch nicht allein massgebend; von Bedeutung sind auch Wortsinn, Zweck und Tragweite einer Norm, ebenso in gewissen Fällen die Gesetzesmaterialien. Lässt der Wortlaut einer Bestimmung verschiedene, sich widersprechende Auslegungen zu, so kann es geradezu geboten sein, die Entstehungsgeschichte heranzuziehen, zumal wenn offen ist, ob der Gesetzgeber eine Neuerung oder Änderung befürwortet oder ausdrücklich abgelehnt habe und die Materialien auf diese Frage eine klare Antwort geben ( BGE 100 II 57 mit Hinweisen).
b) Im vorliegenden Fall lässt sich aus den Gesetzesmaterialien der wahre Sinn der Vorschrift eindeutig ermitteln. Art. 331 Abs. 3 OR ist zusammen mit Art. 331a, 331b und 331c OR im wesentlichen ein Werk der Eidgenössischen Räte. Diese suchten die Freizügigkeit der Arbeitnehmer durch Verbesserung der Rechtsstellung beim Übertritt in eine andere Firma und eine andere Personalvorsorgeeinrichtung zu vergrössern. Arbeitnehmern, die mindestens fünf Jahre in der gleichen Firma gearbeitet hatten, sollte mehr als nur ihre eigenen Beiträge zurückerstattet werden, also mehr als die bisher in Art. 343bis Abs. 3 OR vorgesehene Abfindung.
Der Nationalrat als Prioritätsrat sah die Forderung auf eine Freizügigkeitsleistung vor, die bei Versicherungseinrichtungen einen angemessenen Teil des Deckungskapitals, bei Spareinrichtungen einen angemessenen Teil des durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer geäufneten Sparkapitals samt Zins umfassen sollte. Die ständerätliche Kommission hielt die nationalrätliche Lösung für verbesserungsbedürftig und beauftragte den Experten des Bundes, Professor Walter Hug, entsprechende Vorschläge auszuarbeiten. In seinem Bericht vom 16. Juni 1970 führte der Experte aus, es könnten sich Schwierigkeiten ergeben, wenn der Arbeitgeber völlig frei sei, ob und wann er seine Beiträge leisten wolle. Es sei festgestellt worden, dass die Arbeitgeberbeiträge häufig erst von einem gewissen Alter oder einer gewissen Anstellungsdauer der Versicherten an geleistet würden, zuweilen gar erst bei Erreichen der Altersgrenze oder beim Tod des Versicherten. Durch eine neue Bestimmung sollte deshalb verhindert werden, dass das Deckungskapital "von Seiten des Arbeitgebers" nicht geäufnet werde. Nach Auffassung des Experten sollte dafür gesorgt werden, dass der "Arbeitgeberbeitrag" gleichzeitig wie der Arbeitnehmerbeitrag geleistet werde. Der Vorschlag wurde in der ständerätlichen Kommission eingehend diskutiert und schliesslich mit acht zu zwei Stimmen angenommen. Dabei wurde teilweise von "Arbeitgeberbeitrag", teilweise von "Beitrag der Arbeitgeber" gesprochen. Doch wurde von keiner Seite die Frage aufgeworfen, ob bei Versicherungseinrichtungen die Arbeitgeberbeiträge weiterhin von den Vorsorgeeinrichtungen aufbracht werden könnten oder ob dies nicht mehr zulässig sein sollte. Einziges Ziel des Vorschlages war es, die Manipulation des Deckungskapitals von Arbeitgeberseite her zu verhindern (Protokoll der Kommission des Ständerats vom 6. Juli 1970, S. 3-25). In diesem Sinne stellte der Kommissionsreferent im Ständerat Antrag, und der Nationalrat stimmte diskussionslos ebenfalls zu (Amtl.Bull. 1971 N. S. 730, S S. 335). In beiden Räten wurde betont, dass die ganze Ordnung der Art. 331-331c OR als Übergangslösung bis zur Schaffung der Gesetzgebung über die zweite Säule zu verstehen sei.
c) Der Werdegang der Bestimmung lässt deutlich werden, dass es dem historischen Gesetzgeber einzig darum ging, sicherzustellen, dass der Arbeitgeberbeitrag gleichzeitig mit dem Arbeitnehmerbeitrag geleistet werde. Nicht geregelt wurde dagegen die Frage, ob der Arbeitgeberbeitrag nur von der Stifterfirma der Versicherungsgesellschaft bezahlt werden könne oder ob die Verbindlichkeit auch von der Stiftung aus dem Stiftungsvermögen erfüllt werden dürfe. Dem gesetzgeberischen Anliegen, die rechtzeitige Äufnung des vollen Deckungskapitals zu gewährleisten, wird auch dann Rechnung getragen, wenn der Arbeitgeberbeitrag aus den Mitteln der Vorsorgeeinrichtung der Versicherungsgesellschaft oder einer von der Stiftung verschiedenen Spareinrichtung überwiesen wird.
d) Die Beschwerdeführerin hat mit Recht darauf hingewiesen, dass der von den Aufsichtsbehörden befürworteten Einschränkung der Freiheit der Stiftungsorgane wirtschaftlich eine weitreichende Bedeutung zukäme. Hätte der Gesetzgeber mit der Einfügung von Art. 331 Abs. 3 OR tatsächlich eine derartige Verfügungsbeschränkung einführen wollen, so hätte das in den Räten gesagt werden müssen; dies hätte mit Sicherheit zu einer eingehenden Auseinandersetzung über die Tunlichkeit der Anordnung geführt. Das Fehlen jeglicher Diskussion in den parlamentarischen Beratungen ist ein weiteres Indiz dafür, dass kein entsprechender Wille des Gesetzgebers vorlag.
e) Nicht zu entscheiden ist, ob dieselbe Lösung im Lichte der historischen Auslegungsmethode auch für die sogenannten autonomen Kassen zulässig wäre, die selber versicherungstechnische Risiken tragen und lediglich rechnungsmässig zwischen Deckungskapital und freiem Stiftungsvermögen unterscheiden. Immerhin erscheint es höchst zweifelhaft, ob eine blosse Umbuchung vom freien Stiftungsvermögen in das Deckungskapital als Entrichtung des Arbeitgeberbeitrages im Sinne von Art. 331 Abs. 3 OR anerkannt werden könnte.
b) In diesem Sinne nimmt die Aufsichtsbehörde an, das Stiftungsrecht enthalte den Grundsatz, dass das Vermögen von Vorsorgeeinrichtungen im Interesse der Destinatäre möglichst zu schonen sei. Deshalb müsse angenommen werden, unter dem neuen Recht dürften die paritätischen Beiträge der Arbeitgeber nicht mehr dem Stiftungsvermögen entnommen werden.
Die gleiche Auffassung wird ausdrücklich oder sinngemäss auch in der neueren, seit dem Inkrafttreten des neuen Arbeitsvertragsrechtes erschienenen Literatur vertreten (vgl. insbesondere H. LÜTHY, Die rechtliche Regelung der freiwilligen Personalvorsorge, Diss. Basel 1974 (nicht gedruckt), S. 18 ff.; ferner RIEMER, Systematischer Teil, N. 328-330; SUTER, a.a.O., S. 364 f.). Da sich aber diese Autoren mit dem Zustandekommen von Art. 331 Abs. 3 OR nicht auseinandersetzen, sind ihre Ausführungen nicht geeignet, Entscheidendes zur Lösung des Falles beizutragen.
c) Auf ein Verbot, nach neuem Recht Arbeitgeberbeiträge aus dem Stiftungsvermögen zu leisten, könnte nur dann geschlossen werden, wenn ein Wille des Gesetzgebers nachgewiesen werden könnte, die frühere Unterscheidung zwischen den "ordentlichen Beitragsleistungen" und den "effektiven Zuwendungen der Firma" aufzugeben. Bestünde von Gesetzes wegen eine nicht auf die Stiftung übertragbare Zahlungspflicht der Stifterfirma im Betrag der Arbeitgeberprämien, so bedeutete tatsächlich die Zahlung dieser Prämien aus dem Stiftungsvermögen im Ergebnis eine unzulässige Rückübertragung von Stiftungsmitteln an die Stifterfirma (RIEMER, Systematischer Teil, N. 30). Die bisherigen Ausführungen zeigen jedoch, dass der historische Gesetzgeber mit der Schaffung von Art. 331 Abs. 3 OR keine persönliche Leistungspflicht des Arbeitgebers begründen wollte. Dem Gesetz ist daher Genüge getan, wenn der "Arbeitgeberbeitrag" von irgend einer Seite an die Versicherungseinrichtung geleistet wird. Durfte die Beschwerdeführerin unter der Herrschaft des alten Rechtes diese Beiträge an die Rentenanstalt erbringen, so darf sie es auch nach neuem Recht tun, ohne dass eine Zweckentfremdung von Stiftungsmitteln vorliegt.
Da sich - wie ausgeführt - aus Art. 331 Abs. 3 OR keine neue persönliche Leistungspflicht der Stifterfirma ergibt, richtet sich die Verwendung des gesamten Stiftungsvermögens ausschliesslich nach der Stiftungsurkunde und den Stiftungsreglementen.
Danach darf das Stiftungsvermögen verwendet werden, um Arbeitgeberbeiträge zu entrichten, ohne dass hinsichtlich der Herkunft der einzelnen Vermögensteile zu unterscheiden wäre. Im übrigen stammen die Zinserträge aus Leistungen der Stifterfirma, ebenso die Mutationsgewinne, bei welchen die Arbeitnehmerbeiträge und das Versicherungsrisiko in Abzug gebracht werden. Die Gewinnbeteiligungen stammen zwar aus dem ganzen Versicherungsverhältnis; allein, da auch die Vermögensteile, die von Arbeitnehmerseite stammen, wiederum im Arbeitnehmerinteresse dem Zweck der Stiftung entsprechend verwendet werden, liegt keine Verletzung der Statuten oder der Reglemente vor. Die Entlastung, die für die Stifterfirma resultiert, ist zulässig.
In Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten dürfte bei einzelnen Unternehmungen die Tendenz bestehen, auf Zuwendungen an die Vorsorgeeinrichtung zu verzichten oder jedenfalls die Leistungen zu vermindern, in der Meinung, dass die Stiftungsmittel gerade in solchen Zeiten die Firma im Bereich der Personalfürsorge entlasten sollten. Ist dieses Vorgehen zulässig, so kann ein rascher Abbau der in einer Vorsorgeeinrichtung vorhandenen freien Mittel die Folge sein. Dabei ist aber zu beachten, dass es sich bei den Mitteln, die so zulässigerweise zur Bezahlung von Arbeitgeberbeiträgen eingesetzt werden, um Vermögen handelt, das in den vergangenen Jahren durch die freiwillig geschaffene Stiftung mit Hilfe der Stifterfirma ohne jede gesetzliche Verpflichtung geäufnet wurde und unter anderem gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zur Beitragszahlung dienen sollte. Eine Vorschrift, die solche Leistungen verbieten würde oder aus der eine Pflicht zur Einholung einer besonderen Bewilligung der Aufsichtsbehörde abgeleitet werden könnte, besteht nicht. Die Stiftungsorgane sind deshalb weiterhin frei, diejenigen Ausgaben zu beschliessen, die Stiftungsurkunde und Stiftungsreglemente zulassen.
Die vom Regierungsrat bestätigte Verfügung des Amtes für Stiftungsaufsicht entbehrt somit der gesetzlichen Grundlage; die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen. Die Beschwerdeführerin hat Anspruch darauf, dass ihre Jahresrechnung in der eingereichten Form abgenommen wird.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, und der Entscheid des Regierungsrates des Kantons St. Gallen vom 4. Februar 1975 wird aufgehoben.