BGE 105 Ib 34
 
6. Auszug aus dem Urteil der I. Öffentlichrechtlichen Abteilung vom 21. März 1979 i.S. Zehnder gegen Regierungsrat des Kantons Thurgau (staatsrechtliche Beschwerde)
 
Regeste
Gewässerschutz, Kehrichtbeseitigung, eidg. Rechtsmittelweg.
 
Sachverhalt
Das thurgauische Einführungsgesetz zum eidg. Gewässerschutzgesetz überträgt die Ordnung der Kehrichtbeseitigung den Ortsgemeinden. Das diesbezügliche Reglement der Ortsgemeinde Steckhorn bestimmt, dass die Grundeigentümer und Mieter für die Benützung der öffentlichen Kehrichtabfuhr, welche die Gemeinde im Zusammenwirken mit einem Gemeindeverband betreibt, kostendeckende Gebühren zu entrichten haben. Der Beschwerdeführer Franz Zehnder weigerte sich, die ihm für seinen Gewerbebetrieb auferlegten Kehrichtabfuhrgebühren zu bezahlen, mit der Begründung, dass er die Dienste der gemeindeeigenen Kehrichtabfuhr gar nicht in Anspruch nehme. Das Bundesgericht behandelt das gegen den letztinstanzlichen Entscheid des Regierungsrates eingelegte eidgenössische Rechtsmittel als staatsrechtliche Beschwerde.
 
Aus den Erwägungen:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nur zulässig, sofern sie sich gegen eine Verfügung im Sinne von Art. 5 VWVG richtet (Art. 97 OG). Nach Art. 5 VwVG gelten als Verfügungen Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen (oder stützen sollten). Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist hier daher nur gegeben, wenn sich die umstrittene Kehrichtabfuhrgebühr auf Bundesrecht stützt. Das ist nicht der Fall. Das GSchG und die zugehörigen Verordnungen sind Bundesrecht. Soweit dieses eine Frage selber regelt, sind die Kantone nicht mehr befugt, hierüber abweichende Vorschriften zu erlassen. Kantonale Bestimmungen über den Gewässerschutz haben, soweit sie Gebiete betreffen, die der Bund im wesentlichen bereits geregelt hat, nur noch die Bedeutung von Ausführungsvorschriften zum Bundesrecht (BGE 99 Ia 118 mit Hinweisen).
Anders verhält es sich dann, wenn der Bundesgesetzgeber dem Kanton eine Aufgabe zur selbständigen Erledigung überträgt, ohne ihm vorzuschreiben, auf welche Weise der Auftrag zu erfüllen ist, so dass dem Kanton eine erhebliche Entscheidungsfreiheit zusteht. Soweit der Kanton oder die Gemeinden darüber Rechtsnormen erlassen, bilden diese Teil des kantonalen Rechts, gegen dessen Anwendung im Einzelfall nicht das Rechtsmittel der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist. So verhält es sich im zu beurteilenden Fall. Die Kantone haben gemäss Art. 27 GSchG zwar von Bundesrechts wegen dafür zu sorgen, dass feste Abfälle auf geeignete, den Erfordernissen des Gewässerschutzes Rechnung tragende Weise beseitigt werden.
Auf welche Weise die Kantone oder die Gemeinden dieser Pflicht nachzukommen haben, wird aber durch das kantonale Recht bestimmt. Das thurgauische EG zum GSchG (§ 12) überträgt denn auch die Regelung der Kehrichtbeseitigung generell den Gemeinden. Das Bundesrecht enthält namentlich keine Regeln darüber, von wem die Kosten für die Abfallbeseitigung zu tragen sind. Da die einschlägigen Vorschriften kantonales bzw. kommunales Recht darstellen, wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde hinsichtlich der Modalitäten der Abfallbeseitigung nur in Ausnahmefällen zulässig sein, etwa wenn streitig ist, wer als Verursacher im Sinne von Art. 27 GSchG gelten kann; die Auslegung dieses Begriffes ist eine Frage des Bundesrechtes. Ebenso kann Gegenstand einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde bilden, ob die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 27 Abs. 4 GSchG erfüllt sind. Dagegen ist die Frage, wie die Abfallbeseitigung zu organisieren ist und wer für ihre Kosten aufzukommen hat, nach kantonalem Recht zu entscheiden (vgl. zur Abgrenzung zwischen Bundesrecht und kantonalem Recht auf dem Gebiet des Gewässerschutzes KÜMIN, Öffentlich-rechtliche Probleme des Gewässerschutzes in der Schweiz, Diss. Zürich 1973, S. 9 ff. und 110 ff., BENDEL, Bundesrecht und autonomes kantonales Recht im Bereiche des Gewässerschutzes, ZBl 75/1974, S. 421 ff.). Dass die Ordnung der Kehrichtbeseitigung und ihrer Finanzierung nicht Bundesrecht darstellt, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass die Kehrichtbeseitigung nicht ausschliesslich dem Gewässerschutz dient, sondern noch andere Zwecke verfolgt (Umweltschutz im weiteren Sinne, Ästhetik, Hygiene). Die Kehrichtabfuhr war denn auch in vielen Gemeinwesen schon organisiert, bevor das erste GSchG von 1955 erlassen wurde. Beruht die Kehrichtbeseitigung und ihre Finanzierung auf kantonalem oder kommunalem Recht, so ist die eidg. Verwaltungsgerichtsbeschwerde in diesem Bereich nicht zulässig. Im vorliegenden Zusammenhang sind denn auch nicht eigentliche gewässerschutzrechtliche Massnahmen streitig.