BGE 106 Ib 141 |
23. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 24. September 1980 i.S. Schweiz. Bund für Naturschutz gegen Regionaler Jagdschiessverein Illgraben, Leuk, und Staatsrat des Kantons Wallis (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
Regeste |
Art. 50 Abs. 2 FPolG; Art. 1 Abs. 2 FPolV; Art. 25bis Abs. 1 lit. a und Abs. 4 FPolV. |
2. Waldqualität einer unbestockten Fläche innerhalb des Waldes; deren Überbauung bedarf einer Rodungsbewilligung, auch wenn keine Bäume gefällt werden müssen (E. 4). |
3. Bemessung der Rodungsfläche; Zuständigkeit zum Entscheid über das Rodungsgesuch (E. 5). |
Sachverhalt |
Der regionale Jagdschiessverein Illgraben, Leuk, beabsichtigt den Bau einer Jagdschiessanlage am Illgraben zwischen Pulligen und Güetji. Diese besteht aus einem Jagdschiessstand auf 150 m Distanz, einem Tontaubenstand und einem Hasenstand. Ausserdem sind entlang der Strasse von Pletschen nach Güetji Parkplätze für 130 und 80 Standplätze vorgesehen. Die kantonale Baukommission erteilte aufgrund eines Rekursentscheides des Staatsrates vom 15. Dezember 1976 am 17. Januar 1977 die Baubewilligung für die Anlage, verfügte jedoch in der Folge auf Intervention des Kantonsforstinspektors am 16. März 1977, dass - da sich das Baugelände im Waldareal befinde - "ohne ein bewilligtes Rodungsgesuch keine Bäume gefällt werden und auch kein Waldgebiet für einen Bau beansprucht werden" dürfen. Mit Entscheid vom 6. September 1978 wies der Staatsrat das Rodungsgesuch ab, doch zog er diesen Entscheid auf Gesuch des Jagdschiessvereins hin in Wiedererwägung, hob ihn auf und erteilte die Rodungsbewilligung am 31. Oktober 1979. Hiegegen ergriff der Schweizerische Bund für Naturschutz Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Nach Durchführung eines Augenscheins am 29. Mai 1980 heisst das Bundesgericht die Beschwerde gut und hebt die erteilte Rodungsbewilligung auf, aus folgenden
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Erwägungen: |
Die Rüge des Beschwerdeführers ist daher begründet. Die Anordnung des Art. 25bis Abs. 4 FPolV ist vor allem im Interesse des Empfängers der Rodungsbewilligung zu beachten, da die Rodung erst nach unbenütztem Ablauf der Beschwerdefrist in Angriff genommen werden darf (Art. 25bis Abs. 5 FPolV). Die Eröffnung an den Gesuchsteller und die Mitteilung an das Bundesamt für Forstwesen sowie an die beschwerdeberechtigten Organisationen sollten daher gleichzeitig erfolgen, wobei es sich empfiehlt, die Mitteilung auf dem Entscheid zu vermerken, damit für alle Beteiligten Klarheit über den Lauf der Beschwerdefrist geschaffen wird.
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3. Dem angefochtenen Wiedererwägungsentscheid liegt das von der Burgergemeinde Leuk und vom Präsidenten der Verwaltungskommission des regionalen Jagdschiessvereins Illgraben unterzeichnete Rodungsgesuch vom 12. Juli 1978 zugrunde. In diesem Gesuch wird die Fläche der Rodung mit 600 m2 angegeben und vermerkt, dass die Burgergemeinde als Landeigentümerin die nicht überbaute Fläche als Zwischendeponie für Holz aus Holzschlägen beanspruche. Als Zweck der Rodung wird der Bau einer regionalen Jagdschiessanlage angegeben, wobei beigefügt wird, dass keine Bäume gefällt, sondern lediglich Aufräumungsarbeiten vorgenommen werden müssten. Da sich jedoch die Anlage in einem Waldareal befinde, benötige es dieses Gesuch. Beigefügt wird, dass der regionale Jagdschiessverein Illgraben aus 22 Mitgliedern bestehe; doch werde mit vielen Anmeldungen gerechnet.
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Aus diesem Rodungsgesuche ergibt sich unmissverständlich, dass sowohl von der Burgergemeinde Leuk als Grundeigentümerin als auch vom Jagdschiessverein Illgraben das in Frage stehende Areal als Waldareal betrachtet wurde, obschon für die Verwirklichung der Jagdschiessanlage keine Bäume gefällt werden müssen. Auch dem ersten Staatsratsentscheid vom 6. September 1978, in dem unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Rodungsgesuch vom 12. Juli 1978 die Rodungsbewilligung verweigert wurde, liegt diese Auffassung zugrunde. Es überzeugt daher nicht, wenn im angefochtenen Wiedererwägungsentscheid vom 31. Oktober 1979 ausgeführt wird, der Staatsrat sei irrtümlicherweise davon ausgegangen, es müssten Bäume gefällt werden. Das Rodungsgesuch wie auch die vom kantonalen Forstdienst getroffene Feststellung, es handle sich bei dem Areal um unbestockten Niederwald, lassen keinen Zweifel darüber offen, dass die Bewilligung für eine Zweckentfremdung von nicht oder nur teilweise bestocktem Waldboden verlangt wurde. Hätte sodann der Staatsrat im Wiedererwägungsentscheid mit der Feststellung, es sei zufolge der Grösse der Lichtung "geradezu unzulässig, noch von Wald zu sprechen", den Waldcharakter verneinen wollen, so hätte er richtigerweise feststellen müssen, eine Rodungsbewilligung sei nicht erforderlich. Indem er jedoch in Wiedererwägung seines Entscheides vom 6. September 1978 die Rodungsbewilligung erteilte, ging er in Wirklichkeit wie bei seinem Entscheid vom 6. September 1978 davon aus, es handle sich bei dem für die Jagdschiessanlage benötigten Areal um Waldboden im Sinne der eidgenössischen Forstgesetzgebung.
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4. Diese Auffassung ist - wie der Augenschein bestätigt hat - zutreffend. Das Forstpolizeirecht versteht unter den seinem Schutz unterstehenden Waldungen nicht nur die mit einem zusammenhängenden Baumbestand bestockten Flächen, sondern auch die Weidwaldungen (Art. 2 Abs. 2 FPolG), "Auenwälder und Ufergehölze, Strauch- und Gebüschwälder, Legföhren- und Erlenbestände, aufgelöste Bestockungen an der obern Waldgrenze, Schutz- und Sicherheitsstreifen, Parkwälder, Forstgärten im Walde und unbestockte Flächen wie Blössen, Holzlagerplätze und Waldstrassen" (Art. 1 Abs. 2 FPolV). Aus dieser beispielhaften, einer geltungszeitlichen Interpretation des Forstpolizeigesetzes entsprechenden Umschreibung des Waldes durch die Forstpolizeiverordnung vom 1. Oktober 1965 ergibt sich, dass auch die Überbauung einer unbestockten Fläche innerhalb des Waldes als Rodung zu betrachten ist und daher einer Bewilligung bedarf, obschon keine Bäume gefällt werden müssen.
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Im vorliegenden Falle kann trotz der verhältnismässig grossen Ausdehnung der an den Illgraben anstossenden Lichtung, die von Wald umgeben ist, kein Zweifel darüber bestehen, dass es sich um Waldboden im Rechtssinne handelt. Nicht nur ist die Fläche teilweise mit Erlengebüsch bewachsen, sondern sie dient auch als Holzlagerplatz; sodann nimmt die Jagdschiessanlage mit dem Scheibenstand und den Kabeln zum Teil bestockte Flächen in Anspruch, auch wenn zur Zeit zufolge des verhältnismässig niederen Wuchses des Gebüschwaldes im Illgraben eine Entfernung des Waldwuchses nicht erforderlich ist.
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5. Handelt es sich bei dem für die Jagdschiessanlage vorgesehenen Areal um Waldboden, so muss, wie auch die Burgergemeinde Leuk und der Jagdschiessverein zutreffend angenommen haben, ein Rodungsgesuch gestellt und die Anlage darf nur verwirklicht werden, wenn die Rodung durch die hiefür zuständige Instanz bewilligt wird (HANS DUBS, Rechtsfragen der Waldrodung, Schweiz. Zschft. für Forstwesen 1974, S. 281). Dabei haben sich Gesuch und Bewilligung auf die ganze Fläche des Waldbodens, der seinem Zweck entfremdet wird, zu beziehen. Hiezu zählt jedenfalls die Fläche, deren Umzäunung vorgesehen ist, da im entsprechenden Bereich das für Wald und Weide gewährleistete freie Zutrittsrecht (Art. 699 ZGB) offenbar aufgehoben werden soll. Sodann ist die für Parkplätze bestimmte Fläche einzurechnen und jedenfalls teilweise auch das von der Kabelanlage und dem Scheibenstand beanspruchte Areal. Gemäss dem bewilligten Baugesuch, für welches das Rodungsgesuch eingereicht wurde, handelt es sich um eine Fläche, welche das Mass von 30 a wesentlich übersteigt. Zur Erteilung der Rodungsbewilligung ist daher nicht der Staatsrat zuständig, sondern das Bundesamt für Forstwesen (Art. 50 Abs. 2 FPolG und Art. 25bis Abs. 1 lit. a FPolV). Allein schon aus diesem Grunde muss die Beschwerde gutgeheissen werden.
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