BGE 106 Ib 279
 
41. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30. Mai 1980 i.S. Meier gegen Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
Regeste
Beamtenrecht. Anspruch des Beamten auf einen Beitrag an die Kosten nach Art. 64 Abs. 1 Beamtenordnung (3); Verjährung?
2. Analoge Anwendung von Art. 98 Abs. 1 Beamtenordnung (3) auf das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren (E. 2).
3. Wann erhält der Beamte Kenntnis vom Anspruch im Sinn von Art. 98 Abs. 1 Beamtenordnung (3) (E. 3)?
 
Sachverhalt
Peter Meier trat am 1. Juni 1973 als Betriebsassistent (Funker) mit Dienstort Kairo ins Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ein, zunächst als Angestellter im Probeverhältnis. Auf den 1. Juli 1974 wurde er zum Beamten der allgemeinen Dienste gewählt. Als er anfangs 1979 als Funker an die Schweizerische Botschaft in Bangkok versetzt wurde, bemerkte die Sektion Bezüge der Verwaltungsdirektion (heute: Generalsekretariat), dass er bisher für seine beiden Kinder noch kein Gesuch auf Beiträge an die Unterrichtskosten gemäss Art. 64 der Beamtenordnung (3) vom 29. Dezember 1964 (SR 172.221.103; BO 3) gestellt hatte. Auf entsprechende Mitteilung hin erhob Peter Meier mit zwei vom 20. Januar 1979 datierten Formularen Anspruch auf den Grundbeitrag von je Fr. 950.-- im Jahr, ab Schuleintritt; dieser war im Fall der am 22. Mai 1967 geborenen Tochter Brigitte am 1. März 1974 und bei dem am 1. Februar 1969 geborenen Sohn Bruno am 20. September 1975 erfolgt. Mit Schreiben vom 21. Februar 1979 antwortete ihm die Verwaltungsdirektion, wegen der in Art. 98 BO 3 vorgesehenen Verjährungsfrist könne der Grundbeitrag erst ab Beginn des letzten Schuljahres ausgerichtet werden. In der Folge lehnte die genannte Stelle das Begehren des Gesuchstellers um rückwirkende Ausrichtung des Beitrags ab Schuleintritt ab. Nach einer Korrespondenz zu diesem Punkt teilte das Generalsekretariat am 25. Juni 1979 mit, es werde für die beiden Kinder ab 5. September 1977 ein Grundbeitrag an die Unterrichtskosten von je Fr. 950.-- ausgerichtet; der Anspruch für die vor dem Herbst 1977 absolvierten Schuljahre sei gemäss Art. 98 BO 3 verjährt. - Hiegegen erhob der Gesuchsteller beim EDA Beschwerde, die das Departement am 20. November 1979 abwies. Es bestätigte die Auffassung der Vorinstanz, wonach die Voraussetzungen für eine akzessorische Überprüfung des Art. 98 BO 3 nicht gegeben seien. Im übrigen hielt es dafür, der Beschwerdeführer sei nicht mangelhaft über seine Rechte informiert worden. Am 12. Juni 1974 sei ihm unbestrittenermassen ein Exemplar der BO 3 zugestellt worden und er sei schriftlich darauf aufmerksam gemacht worden, dass sich sein Dienstverhältnis nach diesem Erlass richte. Er habe deshalb bei der Lektüre auf die Art. 9 BO 3 (Meldepflicht) und Art. 64 BO 3 (Unterrichtsbeiträge) stossen müssen. Für die Zeit vorher hätte er damals noch genügende Zeit gehabt, die Beiträge nachzufordern.
Mit Eingabe vom 10. Dezember 1979 erhebt Peter Meier verwaltungsgerichtliche Klage gegen die Eidgenossenschaft. Er beantragt, es seien ihm gemäss Vollzugsreglement V der BO 3 vom 5. März 1965 für seine Kinder Brigitte und Bruno Beiträge an die Unterrichtskosten, einschliesslich Verzugszins in gerichtlich zu bestimmender Höhe, zu bezahlen, abzüglich der bereits ausgerichteten Unterrichtsbeiträge. Im Einvernehmen mit dem Eidg. Personalamt vertritt das EDA die Auffassung, der Anspruch sei nicht im Klageverfahren, sondern im Beschwerdeverfahren zu beurteilen. Es beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Das Bundesgericht behandelt die Klage als Beschwerde. Es heisst diese gut, hebt den Entscheid des EDA vom 20. November 1979 auf und weist die Sache zur Festsetzung des Unterrichtsbeiträge an die Vorinstanz zurück.
 
Aus den Erwägungen:
In der Tat handelt es sich um eine Streitigkeit über vermögensrechtliche Leistungen aus dem Dienstverhältnis von Bundespersonal. Für Ansprüche auf solche Leistungen ist nach Art. 116 lit. a OG und Art. 60 BtG die verwaltungsrechtliche Klage grundsätzlich zulässig. Art. 116 OG behält aber den nachfolgenden Art. 117 vor. Nach Art. 117 lit. c OG ist die verwaltungsrechtliche Klage ausgeschlossen, wenn die Erledigung des Streits einer Behörde im Sinne von Art. 98 lit. b-h OG zusteht; gegen deren Verfügung ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (BGE 101 Ib 106 mit Hinweisen). Ein solcher Fall liegt nach der Rechtsprechung unter anderem vor bei Ansprüchen auf Vergütungen für ausserordentliche Dienstleistungen gemäss Art. 44 Abs. 1 lit. f BtG (BGE 102 Ib 241; BGE 101 Ib 107 f.).
Nach Art. 42 Abs. 1 BtG kann dem Beamten, der im Ausland wohnen muss, wenn die Verhältnisse es rechtfertigen, neben der Besoldung eine Auslandzulage ausgerichtet werden. Gemäss Abs. 2 ordnet der Bundesrat den Anspruch auf Auslandzulagen. Art. 64 BO 3 regelt in Anwendung dieser Bestimmung den Beitrag an Unterrichtskosten. Gemäss Abs. 1 erhält der Beamte im Aussendienst für das Kind unter 25 Jahren einen Beitrag an die Unterrichtskosten am Dienstort, wobei das Departement die Beiträge festsetzt (Abs. 7). Analog wie bei den Vergütungen für ausserordentliche Dienstleistungen gemäss Art. 44 Abs. 1 lit. f BtG entscheidet so auch hier die Verwaltungsstelle bzw. das ihr übergeordnete Departement über die Beiträge (BGE 101 Ib 107 f.). Dem Departement ist insofern die Streiterledigung im Sinn von Art. 117 lit. c OG übertragen. Es ist eine der in Art. 98 lit. b-h genannten Behörde (lit. b).
Die verwaltungsrechtliche Klage ist somit nach Art. 117 lit. c OG ausgeschlossen, und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist das gegebene Rechtsmittel.
Das EDA beruft sich auf Art. 98 Abs. 1 BO 3 und macht geltend, der Anspruch des Beschwerdeführers sei mit Ausnahme für das letzte Schuljahr verjährt.
a) Das BtG enthält keine Vorschriften über die Verjährung vermögensrechtlicher Ansprüche der Beamten. Hingegen bestimmt Art. 98 Abs. 1 BO 3 unter dem Randtitel "Verjährung", dass vermögensrechtliche Ansprüche des Beamten gegenüber dem Bund aus dem Dienstverhältnis innert eines Jahres, nachdem der Beamte davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber vor Ablauf von fünf Jahren seit ihrer Entstehung mit verwaltungsrechtlicher Klage beim Bundesgericht geltend gemacht werden können. Entsprechende Bestimmungen enthalten Art. 72 Abs. 1 BO 1, Art. 63 Abs. 1 BO 2 und Art. 79 Abs. 1 Angestelltenordnung. Diese vom Bundesrat festgesetzte Regel, die im hier zu beurteilenden Punkt im wesentlichen mit der früheren Fassung von 1964 (AS 1965, 157) übereinstimmt, gelangt bei Beiträgen, wie sie vom Beschwerdeführer beansprucht werden, nicht unmittelbar zur Anwendung; denn die Bestimmungen über die Bundesrechtspflege schliessen, wie vorne dargelegt, die verwaltungsrechtliche Klage an das Bundesgericht aus und verweisen den Ansprecher auf den Weg der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Verfahrensregeln des Art. 98 Abs. 1 BO 3 können indessen analog auf solche Fälle angewendet werden, wie das Bundesgericht bereits hinsichtlich der entsprechenden Regelung gemäss Art. 72 Abs. 1 BO 1 erkannt hat (nicht veröffentlichtes Urteil I. vom 31. Oktober 1975, E. 4a). Das bedeutet, dass derartige Ansprüche vom Beamten innerhalb von den in Art. 98 Abs. 1 BO 3 genannten Fristen bei der zur Streiterledigung zuständigen Behörde geltend gemacht werden müssen; der Beamte hat somit in diesen Fristen von der Verwaltung eine Verfügung über den vermeintlichen oder tatsächlichen Anspruch auf einen Beitrag zu verlangen. Unterlässt er dies und trifft die Verwaltung an dieser Unterlassung nicht auch ein Verschulden, so hat er sein Recht zur Geltendmachung des Anspruchs verwirkt (zit. Urteil I. vom 31. Oktober 1975, E. 4a).
b) Nach Art. 6 Vollzugsreglement V zur BO 3 entstand der Anspruch des Beschwerdeführers auf die Unterrichtsbeiträge mit dem Schuleintritt der Kinder, mithin am 1. März 1974 (für die Tochter Brigitte) bzw. am 20. September 1975 (für den Sohn Bruno). Die fünfjährige Frist begann danach grundsätzlich ab 1. März 1974 bzw. 20. September 1975 zu laufen. Ob sie in der Tat hier massgeblich sein kann, braucht aber nicht abschliessend abgeklärt zu werden. Denn der Beschwerdeführer hat sie mit seiner Eingabe vom 20. Januar 1979 auf jeden Fall eingehalten.
c) Hinsichtlich der einjährigen Frist macht der Beschwerdeführer in erster Linie geltend, der Bundesrat habe seine Kompetenz überschritten, als er eine solche kurze Frist in der Verordnung einführte. Auf diesen Einwand braucht indessen nicht näher eingegangen zu werden, da die Frist ohnehin eingehalten wurde, wie nachfolgend zu zeigen ist. Im übrigen hat das Bundesgericht seinerzeit die einjährige Frist anerkannt (BGE 87 I 413 E. 2) und seither in verschiedenen Urteilen bestätigt (nicht veröffentlichte Urteile Z. vom 13. April 1962, E. 2; Z. vom 29. Juni 1962, E. 3; H. vom 23. Mai 1966, E. 3; M. vom 12. Dezember 1974, E. 4; B. vom 21. Dezember 1973, E. 7; I. vom 31. Oktober 1975, E. 4).
Der Beschwerdeführer vertritt demgegenüber die Auffassung, er habe erst mit der Mitteilung anlässlich seiner Versetzung nach Bangkok davon erfahren, worauf er umgehend den erwähnten Anspruch erhoben habe.
b) Es versteht sich, dass der Beamte über seine aus dem Dienstverhältnis fliessenden vermögensrechtlichen Ansprüche klar ins Bild gesetzt werden muss. Die Unterrichtsbeiträge gehören zu diesen Ansprüchen. Sie können unter Umständen eine beträchtliche Summe ausmachen, beträgt doch allein der Grundbeitrag gemäss Art. 3 Vollzugsreglement V zur BO 3 für jedes anspruchsberechtigte Kind Fr. 950.-- im Jahr. Dabei braucht die Verwaltung nicht eigens in jedem Anstellungsschreiben bzw. in jeder Wahlurkunde die einzelnen Bedingungen des Dienstverhältnisses aufzuführen; vielmehr vermag sie ihrer Informationspflicht mit der Abgabe der entsprechenden dienstrechtlichen Erlasse zu genügen (vgl. Art. 6 Abs. 1 BO 3). Dieses Vorgehen setzt indessen voraus, dass die Ansprüche des Dienstnehmers klar aus den abgegebenen Erlassen hervorgehen.
c) Es wird nicht bestritten, dass der Beschwerdeführer am 12. Juni 1974 anlässlich seiner Wahl zum Beamten ein Exemplar der BO 3 ausgehändigt erhielt und dass er gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht wurde, dass sich sein Dienstverhältnis nach diesem Erlass richte. Ebensowenig ist umgekehrt streitig, dass dem Beschwerdeführer das Vollzugsreglement zur BO 3 nicht ausgeteilt wurde und dass er auch nicht anderswie über jene Regelung ins Bild gesetzt wurde.
d) Aus Art. 64 Abs. 1 BO 3 konnte der Beschwerdeführer lediglich ersehen, dass an sich ein Anspruch auf Unterrichtsbeiträge besteht ("Im Aussendienst erhält der Beamte für das Kind unter 25 Jahren einen Beitrag an die Unterrichtskosten am Dienstort"). Wann ein solcher Anspruch entsteht, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang er gewährt wird, führt die BO 3 nicht näher aus. Dies ergibt sich erst aus dem Vollzugsreglement V zur BO 3. Dort wird in Art. 2 umschrieben, welche Auslagen unter die Unterrichtskosten am Dienstort fallen; Art. 3 hält fest, dass zur Deckung dieser Auslagen im Jahr für jedes Kind ein Grundbeitrag von Fr. 950.-- gewährt wird, der gleichzeitig mit der Besoldung ausbezahlt wird; nach Art. 4 kann unter Umständen ein zusätzlicher Beitrag gewährt werden, falls jene Auslagen durch den Grundbeitrag nicht gedeckt werden; Art. 6 setzt, wie ausgeführt, Beginn und Ende des Anspruchs fest; Art. 7 schreibt vor, dass für die Unterrichtsbeiträge ein Gesuch auf dem Dienstweg einzureichen ist.
Bevor der Beschwerdeführer über die Rechtslage gemäss Vollzugsreglement nicht ins Bild gesetzt wurde, konnte die einjährige Frist nicht zu laufen beginnen. Er erhielt deshalb frühestens vom strittigen Anspruch Kenntnis, als ihm die Dienststelle anlässlich seiner Versetzung nach Bangkok die erwähnte Mitteilung machte. Die einjährige Verjährungsfrist ist daher auf jeden Fall nicht verpasst.
e) Die Verwaltung wendet allerdings noch ein, der Beschwerdeführer habe die Meldepflicht gemäss Art. 9 BO 3 nicht erfüllt und leitet daraus die Verjährung ab, die eine rechtzeitige Meldung hätte verhindern können.
Gemäss Art. 9 Abs. 5 BO 3 hat der Beamte der zuständigen Amtsstelle der Zentrale auf dem Dienstweg unter anderem den Zivilstand, die Wohnadresse sowie die für die Kinderzulagen und die Beiträge an Unterrichtskosten massgebenden Verhältnisse mitzuteilen und jede Änderung unverzüglich zu melden. Es wird nicht bestritten, dass der Beschwerdeführer eine solche Meldung unterlassen hat. Indes kann dies nicht zur Folge haben, dass deswegen der Anspruch auf die Unterrichtsbeiträge verjährt wäre. Die Meldepflicht dient der Information der Verwaltung und bezweckt, den reibungslosen administrativen Verkehr zwischen ihr und dem Dienstnehmer sicherzustellen. Ihre Verletzung kann allenfalls diesen reibungslosen Ablauf beeinträchtigen, nicht aber die Rechte des Dienstnehmers schmälern. Soweit an die zu meldenden Angaben Rechtsansprüche anknüpfen, wird die umgehende Meldung in der Regel zwar die Erfüllung solcher Ansprüche erleichtern, da die Verwaltung dadurch in die Lage versetzt wird, aufgrund der Angaben von sich aus tätig zu werden. Für die Entstehung und den Bestand jener Ansprüche ist dies aber nicht massgebend. Der Einwand des EDA ist daher nicht stichhaltig.