BGE 108 Ib 57 |
9. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 5. Februar 1982 i.S. Bundesamt für Polizeiwesen gegen Forster und Regierungsrat des Kantons Thurgau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
Regeste |
Aberkennung und Einziehung eines ausländischen Führerausweises. |
2. Es stellt noch keine Umgehung schweizerischer Zuständigkeitsbestimmungen (Art. 45 Abs. 1 VZV) dar, wenn eine in der Schweiz wohnhafte Person einen ausländischen Führerausweis zum Gebrauch im Ausland erwirbt, auch wenn dieser in der Schweiz nicht gültig ist (E. 3a). Sind die Voraussetzungen der Aberkennung eines ausländischen Führerausweises nicht gegeben, kommt dessen Einziehung grundsätzlich nicht in Betracht (E. 3b). |
3. Darf auf einen nicht eingezogenen ausländischen Führerausweis dessen Ungültigkeit in der Schweiz vermerkt werden? Frage offen gelassen (E. 3c). |
Sachverhalt |
Matthias Forster, Inhaber eines schweizerischen Motorradführerausweises, erwarb während eines viermonatigen Aufenthaltes in den USA den Führerausweis für leichte Motorwagen. Das Strassenverkehrsamt des Kantons Thurgau, an welches sich Forster nach seiner Rückkehr wandte, verfügte am 29. Oktober 1980 die dauernde Aberkennung des amerikanischen Führerausweises für das Gebiet der Schweiz, weil der Ausweis in Umgehung der schweizerischen Zulassungsvorschriften erworben worden sei; er wurde in der Folge eingezogen. Gegen diese Verfügung reichte Forster Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Thurgau ein. Er machte geltend, den ausländischen Führerausweis nicht in Umgehung, sondern nur unter Nichtbeachtung der schweizerischen Zulassungsbestimmungen erworben zu haben; demzufolge widersetzte er sich der Einziehung des Ausweises und verlangte diesen im Hinblick auf einen gelegentlichen Aufenthalt in den USA zurück. Der Regierungsrat des Kantons Thurgau hiess die Beschwerde am 31. März 1981 gut, hob die Verfügung des Strassenverkehrsamtes auf und wies das Amt an, Forster den eingezogenen Ausweis zurückzuerstatten.
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Gegen diesen Entscheid richtet sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Bundesamtes für Polizeiwesen; das Amt beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die dauernde Aberkennung des ausländischen Führerausweises zu bestätigen. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus, der amerikanische Führerausweis Forsters sei in der Schweiz nicht gültig, weil er unter Umgehung der schweizerischen Zulassungsvorschriften erworben worden sei. Demnach sei der Ausweis abzuerkennen. Aus Gründen der wirksamen Kontrollierbarkeit müssten aberkannte ausländische Ausweise eingezogen werden; dies folge auch aus Art. 45 Abs. 4 VZV. Aus der Einziehung erwachse dem Inhaber kein Nachteil. Der Regierungsrat des Kantons Thurgau und Forster beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
1. Der Sache nach geht es im vorliegenden Fall um die Frage, ob der amerikanische Ausweis des Beschwerdegegners abzuerkennen und einzuziehen ist. Vorgängig ist aber zu prüfen, ob der Beschwerdegegner aufgrund des ausländischen Ausweises zum Führen von Motorfahrzeugen in der Schweiz und zum Erwerb eines schweizerischen Ausweises ohne neue Prüfung berechtigt ist. Hiezu nahm die Vorinstanz nur unklar Stellung. Auch der Beschwerdegegner machte während des gesamten Verfahrens nicht ausdrücklich geltend, der amerikanische Ausweis allein verschaffe ihm das Recht, ohne schweizerische Prüfung ein Motorfahrzeug in der Schweiz zu führen.
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a) Motorfahrzeugführer aus dem Ausland dürfen in der Schweiz während eines Jahres Motorfahrzeuge führen, wenn sie
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- einen gültigen nationalen Führerausweis oder
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- einen internationalen Führerausweis nach dem Abkommen vom 24. April 1926 über den Kraftfahrzeugverkehr oder nach den Abkommen vom 19. September 1949 oder 8. November 1968 über den Strassenverkehr besitzen (Art. 42 Abs. 1 VZV).
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Wer als Motorfahrzeugführer aus dem Ausland gilt, legt die Bestimmung nicht fest. Jedenfalls fällt nicht derjenige darunter, der seinen Wohnsitz in der Schweiz hat. Für internationale Wochenaufenthalter ist Art. 44 Abs. 2 VZV anwendbar. Indes kann nach der Praxis der Behörden auch eine Person mit Wohnsitz in der Schweiz als Motorfahrzeugführer aus dem Ausland gelten. Dies ist der Fall, wenn der Erwerb des ausländischen Ausweises während eines Auslandaufenthaltes von nicht weniger als sechs Monaten erfolgte (vgl. Ziff. 32 Richtlinien der Vereinigung der Chefs der kantonalen Motorfahrzeugkontrollen vom 12. Mai 1977, erlassen im Einvernehmen mit der Eidgenössischen Polizeiabteilung, heute Bundesamt für Polizeiwesen).
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b) Der Beschwerdegegner verliess unbestrittenermassen die Schweiz nicht mit der Absicht, seinen hiesigen Wohnsitz aufzugeben. Zwar schloss er seinen Angaben nach nicht aus, in einem späteren Zeitpunkt von Frauenfeld wegzuziehen. Allein die unbestimmte Vorstellung, den Wegzug einzuleiten oder vorzubereiten, ist jedoch nicht geeignet, den einmal begründeten Wohnsitz aufzugeben. Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Reise des Beschwerdegegners habe andere als touristische Zwecke verfolgt. Sein Aufenthalt in Utica (USA) war einzig deshalb notwendig, weil der Reisekollege auf die Ersatzbrille aus der Schweiz warten musste. Von einer Aufgabe des schweizerischen Wohnsitzes und einer eigentlichen Wohnsitznahme in den USA kann demzufolge nicht gesprochen werden. Der Aufenthalt in den USA betrug endlich weniger als sechs Monate. Beim Beschwerdegegner handelt es sich somit nicht um einen Fahrzeugführer aus dem Ausland (Art. 42 Abs. 1 VZV), weshalb der ausländische Ausweis nicht zum Eintausch gegen einen schweizerischen Führerausweis ohne neue Führerprüfung und zur Verwendung in der Schweiz berechtigt (Art. 44 Abs. 3 VZV; vgl. unveröffentlichtes Urteil vom 28. August 1978 i.S. St.). Die von der Vorinstanz unterlassene Feststellung, dass der amerikanische Führerausweis in der Schweiz ungültig ist, muss daher nachgeholt werden.
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"1. Ausländische Führerausweise können nach den gleichen Bestimmungen aberkannt werden, die für den Entzug des schweizerischen Führerausweises gelten. Sie sind ausserdem auf unbestimmte Zeit abzuerkennen, wenn sie in Umgehung der schweizerischen oder ausländischen Zuständigkeitsbestimmungen im Ausland erworben worden sind. Die Aberkennung eines ausländischen Führerausweises ist der zuständigen ausländischen Behörde direkt oder durch Vermittlung der Eidgenössischen Polizeiabteilung mitzuteilen.
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2. (...)
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3. Bei internationalen Führerausweisen ist die Aberkennung an der dafür vorgesehenen Stelle einzutragen. Der Eintrag ist mit dem Amtsstempel zu versehen.
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4. (...)
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5. (...)
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6. Aberkennungen, die wegen Umgehung der schweizerischen oder ausländischen Zuständigkeitsbestimmungen verfügt wurden, erlöschen, wenn der Inhaber ohne rechtlichen Wohnsitz in der Schweiz sich mehr als drei zusammenhängende Monate im Ausland aufhält. Der Nachweis des dreimonatigen Aufenthalts im Ausland obliegt dem Ausweisinhaber.
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7. (...)"
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a) Sowohl Art. 42 Abs. 4 VZV als auch Art. 45 Abs. 1 VZV sprechen von "Umgehung... der Bestimmungen". Daraus folgt jedoch nicht, dass ausländische Führerausweise, die in der Schweiz nicht verwendet werden dürfen, stets abzuerkennen sind. Die schweizerischen (und a fortiori die ausländischen) Zuständigkeitsvorschriften gestatten vielmehr einer in der Schweiz wohnhaften Person, in einem ausländischen Staat den Führerausweis zu erwerben, wenn der Betreffende diesen nur im Ausland verwenden will. Erst die Verwendung des ausländischen Ausweises in der Schweiz stellt eine Umgehung der schweizerischen Zuständigkeitsbestimmungen dar und begründet die Aberkennung des ausländischen Ausweises. Allein dessen Besitz verstösst nicht gegen schweizerisches Recht und rechtfertigt keine Aberkennung, soweit nicht nachgewiesen ist, dass der Betreffende den Führerausweis benützt hat oder willens ist, dies zu tun. Das trifft auf den Beschwerdegegner nicht zu. Auch ist nicht einzusehen, inwiefern Praktikabilitätsgründe gegen diese Lösung sprechen. Diese sind umso weniger anzunehmen, als die schweizerischen Behörden in den meisten Fällen nicht wissen dürften, dass der Betreffende einen ausländischen (evtl. neben dem inländischen) Führerausweis hat. Aus dem Inhalt der VZV folgt nichts anderes. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Aberkennung eines ausländischen Ausweises grundsätzlich an die Bedingungen zum Entzug des schweizerischen Führerausweises knüpft. Sind die Voraussetzungen zum Entzug des schweizerischen Ausweises nicht gegeben, kann die Aberkennung erst Platz greifen, wenn eine Umgehung, bzw. Umgehungsgefahr der schweizerischen Zuständigkeitsbestimmungen im oben beschriebenen Sinne nachgewiesen ist.
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b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann dem Inhaber eines aberkannten Führerausweises die Möglichkeit nicht verwehrt werden, mit dem ausländischen Ausweis im Ausland zu fahren (BGE 102 Ib 292). Die Einziehung des aberkannten Ausweises wurde daher grundsätzlich abgelehnt (unveröffentlichtes Urteil vom 14. Oktober 1980 i.S. Sch. E. 2a, b). Umso mehr kann die Einziehung nicht Platz greifen, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Aberkennung nicht ausgesprochen wird. Vorbehalten bleibt der Fall, wo der ausländische gegen den schweizerischen Ausweis eingetauscht wird und er deshalb eingezogen werden kann (Art. 44 Abs. 5 VZV).
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c) Im erwähnten Urteil Sch. hielt das Bundesgericht dafür, die Aberkennung könne nicht nur in internationale (Art. 45 Abs. 3 VZV), sondern auch in nationale Führerausweise eingetragen werden, wobei in jenem Fall allerdings die ausdrückliche Einwilligung der betreffenden Person vorlag. Im vorinstanzlichen Verfahren erklärte sich der Beschwerdegegner damit einverstanden, die Ungültigkeit seines Ausweises für das Gebiet der Schweiz durch einen besonderen Vermerk kennzeichnen zu lassen. Ob er hiezu auch verpflichtet werden kann, ist angesichts seiner Einwilligung nicht zu prüfen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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