15. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 26. Februar 1982 i.S. Joseph Müller AG gegen Bergesen und Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
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Regeste
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Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958.
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- Die Parteiautonomie verschafft den Litiganten insbesondere die Möglichkeit, durch Abrede den Zeitpunkt zu bestimmen, in welchem der Schiedsspruch unter ihnen verbindlich werden soll (E. 4c). - Verhältnisse im vorliegenden Fall (E. 4d).
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- Zur Annahme der Verbindlichkeit genügt, dass der Schiedsspruch dem Exequatur zugänglich ist (E. 4e).
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Sachverhalt
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Die Joseph Müller AG, Zürich, und Sigval Bergesen, wohnhaft in Stavanger (Norwegen), schlossen am 3. September 1969, 20. Oktober 1970 und 17. März 1971 je einen Chartervertrag. Die drei Verträge weisen je eine Schiedsklausel auf, die folgenden Wortlaut hat (beglaubigte Übersetzung aus dem Englischen):
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"Das Schiedsverfahren findet in der Stadt New York (Staat) New York, statt; es unterliegt den Gesetzen des Staates New York; der mehrheitlich gefällte Schiedsspruch ist durch jedes zuständige Gericht vollstreckbar und für die Parteien in der ganzen Welt endgültig rechtskräftig und bindend."
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Zwischen den Parteien entstand in der Folge Streit, worauf das Schiedsverfahren eingeleitet wurde. Das Schiedsgericht verurteilte die Joseph Müller AG am 14. Dezember 1978 zur Zahlung von total $ 61'406.09 zuzüglich 8% Zins bis zur Bezahlung der Forderung.
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Mit Verfügung vom 7. November 1979 erklärte der Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirks Zürich den Schiedsspruch für vollstreckbar und gewährte definitive Rechtsöffnung im Betrag von Fr. 106'846.60 nebst 8% Zins seit 30. Juni 1979. Auf Rekurs der Joseph Müller AG hin bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich (II. Zivilkammer) die erstinstanzliche Verfügung mit Beschluss vom 8. Dezember 1980.
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Dagegen richtet sich die staatsrechtliche Beschwerde der Joseph Müller AG. Die Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und das Verfahren zur Abweisung des Begehrens und der Vollstreckbarerklärung an das Obergericht zurückzuweisen. Sie beruft sich auf eine Verletzung von Art. V Ziff. 1 lit. e des Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 (SR 0.277.12; im folgenden New Yorker Übereinkommen). Die Verletzung dieses Staatsvertrages erblickt sie darin, dass das Obergericht zu Unrecht den Schiedsspruch als verbindlich betrachtet habe. Nach dem Recht des Staates New York müsse ein Schiedsspruch innerhalb eines Jahres von einem staatlichen Gericht bestätigt werden (sog. "confirmation of award"). Erst der durch die "confirmation" bekräftigte Schiedsspruch stelle ein verbindliches und vollstreckbares Urteil im Sinne des New Yorker Übereinkommens dar. Der Beschwerdegegner beantragt die Beschwerde abzuweisen. Das Obergericht des Kantons Zürich verzichtet auf Vernehmlassung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Das Bundesgericht prüft frei, ob der angefochtene Entscheid gegen Bestimmungen eines Staatsvertrages verstösst. Es beschränkt sich dabei nur auf die Prüfung der in der Beschwerde erhobenen Rügen (BGE 101 Ia 524 E. 1 mit Hinweisen). Neue tatsächliche oder rechtliche Vorbringen sind zulässig (BGE 105 Ib 40 E. 2).
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b) Im Falle der Gutheissung der Beschwerde wird der angefochtene Entscheid aufgehoben. Es wird in diesem Fall Sache des Obergerichts sein, im Lichte der bundesgerichtlichen Erwägungen einen neuen Entscheid zu fällen. Weitere Anordnungen des Bundesgerichts sind nicht notwendig. Insofern daher die Beschwerdeführerin mehr als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids verlangt, ist die Beschwerde unzulässig. Im übrigen ist auf die Beschwerde einzutreten.
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"dass die Bildung des Schiedsgerichts oder das schiedsrichterliche Verfahren der Vereinbarung der Parteien oder, mangels einer solchen Vereinbarung, dem Recht des Landes, in dem das schiedsrichterliche Verfahren stattfand, nicht entsprochen hat;" (Ziff. 1 lit. d) oder
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"dass der Schiedsspruch für die Parteien noch nicht verbindlich geworden ist oder dass er von einer zuständigen Behörde des Landes, in dem oder nach dessen Recht er ergangen ist, aufgehoben oder in seinen Wirkungen einstweilen gehemmt worden ist." (Ziff. 1 lit. e)
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Der Sache nach geht es im vorliegenden Fall einzig darum, ob der Schiedsspruch vom 14. Dezember 1978 verbindlich geworden ist. Die Beschwerdeführerin hat zu beweisen, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt ist. Dazu gehört auch der Nachweis des zuständigen ausländischen Rechts, soweit dessen Verletzung geltend gemacht wird (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 13. Juli 1979 i.S. H. E. 3 in fine).
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"The court shall confirm an award upon application of a party made within one year after its delivery to him, unless the award is vacated or modified upon a ground specified in section 7511."
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In § 7511 CPLR wird sodann das Rechtsmittelverfahren gegen Schiedssprüche geregelt. Insbesondere sind die Gründe für die Aufhebung (vacating) und Abänderung (modifying) geregelt. Aus welchen Gründen hingegen die "confirmation of award" verweigert werden kann, folgt nicht aus dem Gesetzestext.
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Nach Auffassung des Obergerichts dient die "confirmation" der Feststellung der Vollstreckbarkeit (enforcement) des Schiedsspruches. Ziel des New Yorker Übereinkommens sei jedoch gewesen, das doppelte Exequaturverfahren zu vermeiden, wie es unter dem Geltungsbereich des Genfer Abkommens vom 26. September 1927 (SR 0.277.111) zwar nicht ausdrücklich vorgesehen, aber in der Praxis notwendig war. Nach dem New Yorker Übereinkommen bedürfe es keiner gerichtlichen Vollstreckbarerklärung des Staates, unter dessen Recht das Schiedsverfahren durchgeführt wurde.
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b) Ob ein Schiedsspruch für die Parteien verbindlich (französisch "obligatoire"; englisch "binding") geworden ist, richtet sich in erster Linie nach dem für das schiedsrichterliche Verfahren massgebenden Recht. Die Wahl des Verfahrensrechts kann im Rahmen der Parteiautonomie frei bestimmt werden (vgl. Art. V Ziff. 1 lit. d New Yorker Übereinkommen). Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass das Schiedsverfahren in erster Linie durch die von den Parteien selbst vereinbarte Ordnung und, beim Fehlen einer Parteivereinbarung, subsidiär durch das Recht des Staates, wo das Schiedsverfahren stattfindet, beherrscht wird (vgl. Botschaft des Bundesrats betreffend die Genehmigung des New Yorker Abkommens vom 18. September 1964, BBl 1964 II, 616). Der durch das New Yorker Übereinkommen aufgestellte Vorrang des Parteiwillens verschafft den Parteien die Möglichkeit, entweder eine eigene Verfahrensordnung aufzustellen oder ein bereits bestehendes, privates oder staatliches Verfahrensrecht zu wählen. Aus der Befugnis zur freien Gestaltung der Verfahrensordnung folgt ferner, dass durch Parteiabrede auch zwingende staatliche Verfahrensvorschriften unanwendbar erklärt und gegebenenfalls durch eigens getroffene Vorschriften ersetzt werden können (SCHLOSSER, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Bd. 1, S. 415 f.; FOUCHARD, L'arbitrage commercial international, Bd. 2, S. 335 f.; BERTHEAU, Das New Yorker Abkommen vom 10. Juni 1958..., Diss. Zürich 1965, S. 87). Die Parteiautonomie besteht jedoch nicht schrankenlos. Sie unterliegt insofern der staatlichen Kontrolle, als die Parteien in jedem Fall an die Grundsätze des ordre public des Vollstreckungsstaates gebunden sind (Art. V Ziff. 2 lit. b New Yorker Übereinkommen); ob bei der Wahl eines bestimmten nationalen Verfahrensrechts auch dessen ordre public beachtet werden muss, ist umstritten (ablehnend SCHLOSSER, a.a.O., S. 417; anders BERTHEAU a.a.O., S. 87/8). Diese Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, da die Beschwerdeführerin sich nicht auf eine Verletzung des New Yorker ordre public beruft. Wenn ein Schiedsspruch nach dem massgebenden Verfahrensrecht keinem Rechtsmittel unterworfen ist, besteht unter dem Gesichtspunkt des schweizerischen ordre public kein Grund, die Vollstreckung im Inland zu verweigern. Weder das Genfer Abkommen (Art. 1 Abs. 2 lit. d) noch das New Yorker Übereinkommen, welches in diesem Punkte vom Genfer Abkommen nicht abwich (Art. V Ziff. 1 lit. e), setzen voraus, dass ein Schiedsspruch der Kontrolle durch ein staatliches Gericht unterworfen sein muss. Wie das Bundesgericht in BGE 101 Ia 158 ausführte, wäre es nicht angängig, die Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs unter Berufung auf den einheimischen ordre public vom Bestehen bestimmter Rechtsmittelmöglichkeiten abhängig zu machen. Eine zwingende Rechtsmittelkontrolle des Schiedsspruchs als Voraussetzung der Vollstreckung wäre denn auch sachlich nicht angebracht. Es genügt, dass der Vollstreckungsbeklagte die in Art. V Ziff. 1 lit. a-g New Yorker Übereinkommen genannten Einwendungen vorbringen kann, soweit das Übereinkommen anwendbar ist.
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c) Die Parteiautonomie im Sinne von Art. V Ziff. 1 lit. d New Yorker Übereinkommen verschafft den Parteien die Möglichkeit, statt einer staatlichen eine vollkommen eigen gestaltete Verfahrensordnung aufzustellen. Weltweit gesehen existieren denn auch verschiedene Schiedsordnungen, die den Ablauf des schiedsrichterlichen Verfahrens umfassend regeln (Nachweise bei SCHLOSSER a.a.O., Bd. 2, S. 153-274). Dieser Grundsatz verschafft den Parteien auch die Möglichkeit, zwar grundsätzlich eine staatliche Verfahrensordnung als anwendbar zu erklären, diese jedoch im einzelnen durch besondere Abreden zu ergänzen oder zu ersetzen. Dies gilt insbesondere auch für die Frage, ab welchem Zeitpunkt der Schiedsspruch unter den Parteien verbindlich wird (SCHLOSSER, a.a.O., Bd. 1, S. 623).
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d) Im vorliegenden Fall vereinbarten die Parteien, dass das Schiedsverfahren den Gesetzen des Staates New York unterliegen sollte und der mehrheitlich gefällte Schiedsspruch durch jedes zuständige Gericht vollstreckbar und für die Parteien in der ganzen Welt endgültig rechtskräftig und bindend zu sein habe. Sie schlossen damit jeden Weiterzug des Schiedsspruchs aus. Dessen Verbindlichkeit trat somit nicht erst mit Ablauf der Rechtsmittelfrist von 90 Tagen gemäss § 7511 CPLR, bzw. der "confirmation of award" ein, sondern bereits mit der Fällung des Schiedsspruches. Diese Rechtsfolge sehen denn auch mehrere Schiedsordnungen privater und öffentlichrechtlicher Organisationen vor (z.B. Art. 29 der Vergleichs- und Schiedsordnung der internationalen Handelskammer; Rule 19 The Copenhagen Rules 1950). Dass der vorliegende Schiedsspruch durch ein New Yorker Gericht aufgehoben bzw. in seinen Wirkungen einstweilen gehemmt worden wäre, behauptet die Beschwerdeführerin nicht. Die Vereinbarung der Parteien hat deshalb zur Folge, dass der Schiedsspruch seit 14. Dezember 1978 im Sinne von Art. V Ziff. 1 lit. e des New Yorker Übereinkommens verbindlich geworden ist.
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e) Die Beschwerdeführerin behauptet freilich, der Schiedsspruch sei ohne "confirmation of award" nach New Yorker Recht nicht verbindlich. Sie erklärt nicht, wie sie diese Behauptung mit der vorstehenden Schiedsklausel vereinbart und unter welchem Titel New Yorker Recht eingreifen sollte, kraft Parteivereinbarung oder als unabdingbares Recht des Staates, in dem der Schiedsspruch erging. Alle diese Fragen können jedoch offen bleiben. Nach Art. V Abs. 1 Einleitungssatz des New Yorker Übereinkommens hat der Beklagte die von ihm behauptete Unverbindlichkeit des Schiedsspruchs zu beweisen. Diesen Beweis hat die Beschwerdeführerin nicht geleistet. Das von ihr vorgelegte Gutachten nimmt keinen Bezug auf das New Yorker Übereinkommen, fasst den Begriff der Verbindlichkeit nach dessen Art. V Ziff. 1 lit. e nicht ins Auge und prüft nicht, wie die "confirmation of award" im Lichte des Übereinkommens zu qualifizieren ist. Selbst wenn der Schiedsspruch am Ort, wo er erging, nicht vollstreckbar erklärt wurde, kann die Verbindlichkeit gegeben sein. Das Erfordernis der Vollstreckbarerklärung am Ursprungsort des Schiedsspruchs würde dem Sinn des New Yorker Übereinkommens stracks zuwiderlaufen, welches das doppelte Exequatur vermeiden wollte (BERTHEAU, a.a.O., S. 91 ff., Botschaft, a.a.O., 617). Es genügt vielmehr für die Verbindlichkeit, dass der Schiedsspruch im Urteilsstaat einem Exequatur zugänglich ist (vgl. KLEIN, La convention de New York pour la reconnaissance de l'exécution des sentences arbitrales étrangères, SJZ 57 (1961) S. 248). Wenn der von der Beschwerdeführerin angerufene Gutachter, den "unconfirmed award" als "inchoate and unchallenged right to seek judgment thereon" und als "mere expectation" bezeichnet, handelt es sich dabei um eine Charakterisierung im Lichte des New Yorker Rechts, aber nicht im Lichte des Übereinkommens. Dass der Beschwerdegegner nach den Angaben des Beschwerdeführerin schliesslich in der Zwischenzeit das Verfahren zur Erlangung der "confirmation of award" einleitete, ändert unter dem Gesichtswinkel des New Yorker Übereinkommens an der Verbindlichkeit des Schiedsspruchs nichts. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
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