14. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 2. Mai 1984 i.S. G. und M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
|
Regeste
|
Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen (RVUS).
|
Rechtsschutz gegenüber Anordnungen der Bundesbehörde und der ausführenden kantonalen Behörden; Verhältnis zwischen den bundesrechtlichen und den kantonalen Rechtsmitteln (E. 2c).
|
Aus den Erwägungen:
|
|
Das Bundesgesetz zum Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen vom 3. Oktober 1975 (im folgenden BG-RVUS) enthält keine dem Art. 23 des Bundesgesetzes über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. März 1981 (IRSG) entsprechende Vorschrift, welche die Kantone verpflichtet, gegen die Verfügungen der ausführenden Behörden ein Rechtsmittel einzuräumen. Art. 17 Abs. 1 BG-RVUS sieht indes vor, dass Verfügungen der "letzten Instanzen der Kantone" der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegen, und Art. 19 Abs. 1 BG-RVUS ermächtigt die Zentralstelle, gegen Verfügungen einer kantonalen Behörde selbständig die "einschlägigen kantonalen Rechtsmittel" zu ergreifen. Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass die Verfügungen, welche die kantonalen Behörden in Ausführung eines amerikanischen Rechtshilfebegehrens treffen, mit dem nach dem anwendbaren kantonalen Recht vorgesehenen Rechtsmittel anfechtbar sind. ...
|
a) Die Befugnisse der Zentralstelle und jene der ausführenden kantonalen Behörden werden in den Art. 10-12 BG-RVUS umschrieben. Diesen Vorschriften in Verbindung mit den Art. 3, 5 und 8 BG-RVUS ist zu entnehmen, dass die Zentralstelle (gemäss Art. 28 Ziff. 1 RVUS und Art. 1 Ziff. 4 BG-RVUS das Bundesamt für Polizeiwesen) nicht bloss zu prüfen hat, ob ein Ersuchen den Formerfordernissen des Vertrages entspricht und die Leistung der Rechtshilfe nicht als offensichtlich unzulässig erscheint. Sie hat ausserdem aufgrund des im Ersuchen geschilderten Sachverhaltes zu beurteilen, ob die dem amerikanischen Verfahren zugrunde liegenden Handlungen nach schweizerischem Recht strafbar sind (Art. 10 BG-RVUS). Im weitern kann sie nötigenfalls vorsorgliche Massnahmen nach Art. 8 BG-RVUS verfügen, und sie hat - ohne Anhören der Beteiligten - die Anordnungen für die Ausführung des Ersuchens nach Art. 5 BG-RVUS zu treffen (Art. 10 BG-RVUS). Diese bestehen u.a. darin, die Straftaten zu bezeichnen, für deren Verfolgung die Rechtshilfe gewährt wird, zu bestimmen, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen die Rechtshilfe geleistet wird, soweit dazu nicht das Departement zuständig ist, und darüber zu befinden, ob eine weitere Verwendung von Informationen aufgrund von Art. 5 Ziff. 2 RVUS zulässig ist (Art. 5 Abs. 2 lit. a, b und h BG-RVUS). Erst wenn die Zentralstelle diese Anordnungen getroffen hat, überweist sie die Akten an die ausführende Behörde (Art. 10 BG-RVUS). Ihre Aufgaben sind demnach um einiges weiter gefasst als jene, die das Bundesamt aufgrund von Art. 78 IRSG zu erfüllen hat, bevor es ein Ersuchen (das sich auf alle Formen von Rechtshilfe mit Ausnahme der Auslieferung beziehen kann) an die kantonale Behörde zum Vollzug weiterleitet. Dementsprechend haben im Einspracheverfahren nach Art. 16 BG-RVUS das Bundesamt - und in der Folge allenfalls das Bundesgericht auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin - von Anfang an über die Zulässigkeit der Rechtshilfe zu befinden, während der Entscheid über diese Frage im Rahmen von Art. 79 IRSG in erster Linie den kantonalen Behörden zusteht.
|
Diese im Rechtshilfeverkehr mit den USA geltende Sonderregelung wurde im Hinblick auf die Verschiedenheit der Rechtssysteme der beiden Vertragsstaaten getroffen. Es wäre in Anbetracht der Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben konnten, kaum angebracht gewesen, den Entscheid über die Zulässigkeit der Rechtshilfe in erster Linie den kantonalen, also dezentralisierten Behörden zu übertragen. Für die Schweiz drängte es sich auch mit Rücksicht auf eine einheitliche Rechtsanwendung auf, der Zentralstelle von Beginn des Verfahrens an ausgedehnte Kompetenzen einzuräumen. Nicht zufällig wird übrigens im Rechtshilfevertrag mit den USA und im dazugehörigen Ausführungsgesetz immer von der Zentralstelle gesprochen, während im IRSG, dessen Vorentwurf ungefähr zur gleichen Zeit erstellt wurde wie der RVUS, vom Bundesamt die Rede ist.
|
c) Das Bundesgesetz zum Rechtshilfevertrag mit den USA gewährt der durch eine Rechtshilfehandlung berührten Person einen ausgedehnten Rechtsschutz. Sie kann gegen die Anordnungen der Zentralstelle Einsprache erheben (Art. 16 BG-RVUS), und gegen die Verfügungen der ausführenden kantonalen Behörden steht ihr, wie dargelegt wurde, ein kantonales Rechtsmittel zur Verfügung. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Betroffene berechtigt wäre, mit dem kantonalen Rechtsmittel einfach jene Argumente vorzubringen, die er mit der Einsprache geltend gemacht hat und die vom Bundesamt - und allenfalls vom Bundesgericht auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin - beurteilt worden sind. Damit würde die Aufgabe verkannt, die den ausführenden kantonalen Behörden gemäss Art. 3 BG-RVUS zugedacht ist. Diese greifen nach Art. 12 BG-RVUS erst dann in das Rechtshilfeverfahren ein, wenn die Zentralstelle ihnen die Akten überwiesen hat, d.h. nachdem das Bundesamt die erforderlichen Anordnungen getroffen hat (vgl. E. 2a). Ob diese vertrags- und gesetzeskonform sind, muss auf Einsprache hin zwingend durch das Bundesamt überprüft werden, das sie erlassen hat. Es wäre sinnwidrig, wenn die ausführenden kantonalen Behörden ihrerseits hierüber zu befinden hätten, wie wenn diesbezüglich kein Entscheid vorläge. Bei einem solchen Vorgehen könnte es, da der Einspracheentscheid der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegt, dazu kommen, dass sich die kantonalen Behörden über den Entscheid des Bundesgerichts hinwegsetzen könnten, was mit Art. 39 OG und wohl auch mit Art. 38 OG unvereinbar wäre.
|
Es muss demnach davon ausgegangen werden, dass der Betroffene jene Rügen, die er im Einspracheverfahren vorgebracht hat und die vom Bundesamt beurteilt wurden, im Ausführungsverfahren nicht mehr geltend machen kann. Das kantonale Rechtsmittel, das gegen den Ausführungsentscheid der ersten Instanz bei der oberen kantonalen Behörde eingelegt werden kann, dient anderen Zwecken als die Einsprache. Die Ausführung eines Ersuchens vollzieht sich in erster Linie nach dem kantonalen Recht; dieses bestimmt Zuständigkeit, Organisation und Amtsführung der ausführenden kantonalen Behörden, soweit Vertrag, Gesetz oder übriges Bundesrecht nichts anderes vorsehen (Art. 3 Abs. 1 BG-RVUS). Der Betroffene kann sich daher mit dem kantonalen Rechtsmittel zunächst über eine Verletzung des kantonalen Verfahrensrechts beklagen. Im weitern kann er aber auch noch eine Verletzung des Rechtshilfevertrages oder des Ausführungsgesetzes rügen, soweit es dabei um Fragen geht, die im Einspracheverfahren nicht abgeklärt oder die dem Bundesamt nicht unterbreitet wurden, weil das beim damaligen Stand des Verfahrens noch nicht möglich war. Die wahre Tragweite der Rechtshilfeleistung wird manchmal erst im Ausführungsverfahren konkret ersichtlich. So kann es vorkommen, dass gewisse Fragen, die im Einspracheverfahren in abstrakter Form behandelt wurden, z.B. die Frage der Verhältnismässigkeit der verlangten Erhebungen oder jene der Beachtung des Spezialitätsprinzips, beim Vollzug des Ersuchens durch das Auftauchen neuer Tatsachen in einem veränderten Licht erscheinen. In solchen Fällen muss den Betroffenen gestattet sein, diese Fragen unter dem neuen Gesichtspunkt, der sich durch die Vollzugshandlung ergeben hat, mit dem kantonalen Rechtsmittel vorzubringen. Schliesslich kann bei der kantonalen Rechtsmittelbehörde auch noch eingewendet werden, der Ausführungsakt stehe mit den Anordnungen der Zentralstelle nicht im Einklang.
|