18. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. Juni 1986 i.S. Gemischte Gemeinde Wahlern gegen X. und Regierungsrat sowie Verwaltungsgericht des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
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Regeste
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Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG; Interessenabwägung.
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Sachverhalt
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Die Firma X. beabsichtigt, im übrigen Gemeindegebiet der Gemeinde Wahlern eine Kiesgrube zu eröffnen. Sie beschwerte sich über die Verweigerung der Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG beim Regierungsrat des Kantons Bern, der die Akten am 13. Juni 1984 zur Erteilung der Ausnahmebewilligung an die Baudirektion zurückwies. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies am 19. November 1984 eine dagegen gerichtete Beschwerde der Gemeinde ab, soweit es darauf eintrat. Die Gemischte Gemeinde Wahlern führt mit Eingabe von 21. Dezember 1984 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht, das die Beschwerde gutheisst.
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Aus den Erwägungen:
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4. Das Verwaltungsgericht kam zum Ergebnis, dass der Eröffnung der streitigen Kiesgrube am vorgesehenen Standort keine überwiegenden Interessen gemäss Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG entgegenstehen. Die Beschwerdeführerin bestreitet das mit der Begründung, das Gericht habe den Sachverhalt im Hinblick auf die Interessenabwägung teils offensichtlich unrichtig, im wesentlichen aber unvollständig sowie in Missachtung des Untersuchungsgrundsatzes festgestellt und zudem bei der Auslegung von Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG Bundesrecht verletzt. Sie erhebt diese Rüge unter dem Gesichtspunkt der Interessen der Landwirtschaft, der Landschaftserhaltung, des Immissionsschutzes, des Gewässerschutzes, der - bereits überprüften - planerischen Ordnung sowie in bezug auf zwei Anmerkungen im Grundbuch. Wie erwähnt, ist hier auch auf die Rüge der offensichtlich unvollständigen Feststellung des Sachverhalts einzugehen, welche die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Frage der Standortgebundenheit der streitigen Anlage erhoben hatte (E. 3a). Es betrifft dies die Gesichtspunkte des zweckmässigen geographischen Standortes, des Gewässerschutzes und der Erschliessung.
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Wie jede Interessenabwägung muss auch jene nach Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG umfassend sein und von der nämlichen Behörde vorgenommen werden (vgl. BGE 104 Ia 181 ff.). Die richtige Anwendung von Art. 24 RPG verlangt die Beurteilung eines Projekts als Ganzes; sie schliesst es aus, dass für die Interessenabwägung massgebende Einzelfragen separaten Verfahren vorbehalten werden (Urteil vom 18. Dezember 1985 i.S. X. gegen Bootshafen Vitznau AG und Regierungsrat des Kantons Luzern, E. 3, in: ZBl 87/1986, S. 397 ff.). Wird bei der Beurteilung einer Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG in Missachtung des Grundsatzes der umfassenden Interessenabwägung durch die nämliche Behörde ein wesentlicher Gesichtspunkt ausser acht gelassen, so liegt darin in der Regel nicht nur eine unvollständige Feststellung des Sachverhalts, sondern auch eine Verletzung von Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG.
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Die Anwendung dieses Grundsatzes auf den vorliegenden Fall führt zu folgendem Ergebnis:
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a) In bezug auf den geographischen Standort ist vorweg festzuhalten, dass der Beweis für allenfalls besser geeignete Abbaustandorte entgegen der Auffassung des Regierungsrates nicht der Beschwerdeführerin obliegt. Die Abklärung der Standortfrage ist vielmehr Sache der Gesuchstellerin und der Bewilligungsbehörden, die den Sachverhalt von Amtes wegen zu ermitteln haben. Dem Verwaltungsgericht kann jedoch in dieser Frage jedenfalls keine offensichtlich unvollständige Sachverhaltsfeststellung im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG vorgeworfen werden. Auf Grund der drei bei den Akten liegenden Berichte der Gutachterfirma Colombi/Schmutz/Dorthe AG gelangte das Gericht zum Schluss, dass sich die Parzelle GB Nr. 1785 unter dem Gesichtspunkt abbauwürdiger und abbaufähiger Kiesvorkommen als bestgeeigneter Standort in der Umgebung von Schwarzenburg erweise. Diese Annahmen sind nicht zu beanstanden; sie werden denn auch von der Beschwerdeführerin nicht in einer Weise in Frage gestellt, die das Bundesgericht in diesem Punkt von der Bindung an die verwaltungsgerichtliche Sachverhaltsfeststellung befreien würde (Art. 105 Abs. 2 OG).
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Fehl geht namentlich die Rüge, das abbaubare Kiesvolumen sei für die Parzelle GB Nr. 1785 nicht hinreichend abgeklärt worden, da die Höhe des Grundwasserspiegels nicht erhoben worden sei. Laut Bericht BE 1527 vom 22. Juli 1982 der Gutachterfirma Colombi/Schmutz/Dorthe AG ist in den Sondierschächten und in der Sondierbohrung SB 1 bis 16 m Tiefe kein Grundwasser festgestellt worden; erst bei der Sondierbohrung SB 2 gegen den Dorfbach hin habe sich ungefähr auf der Kote des Bachs Grundwasser gezeigt. Der Bericht schliesst mit der Feststellung, dass das Gebiet "im Buech" wohl die letzte zusammenhängende Kiesabbaumöglichkeit im Raum Schwarzenburg darstelle. Unter diesen Umständen durfte die genaue Bestimmung des Grundwasserspiegels dem späteren gewässerschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren überlassen werden. Für die Interessenabwägung nach Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG genügt die von der Beschwerdeführerin nicht widerlegte Feststellung, dass auch bei der späteren Begrenzung einer gewässerschutzrechtlich bedingten Abbaukote der streitige Abbaustandort als bestgeeigneter der Region Schwarzenburg erscheint.
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Wie der Augenschein ergeben hat, ist die Grundwasserfassung beim Schützenhaus genügend vom Grundstück GB Nr. 1785 entfernt, so dass auch insoweit keine Bedenken des Gewässerschutzes bestehen.
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Da die beiden Grundbucheintragungen der Eröffnung der streitigen Kiesgrube nicht entgegenstehen, brauchten sie nicht in die Interessenabwägung einbezogen zu werden.
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b) Nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts haben Fragen der rechtlichen und technischen Erschliessung eines Bauvorhabens "mit der Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG grundsätzlich nichts zu tun". Entsprechend hat das Gericht die Beurteilung dieser Fragen ausgeklammert. Es hat sich darauf beschränkt, sich beiläufig der positiven Würdigung der weiträumigen Transportwege durch den Regierungsrat anzuschliessen. Die konkrete Erschliessung der projektierten Kiesgrube hat es bei der Interessenabwägung nach Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG jedoch ausser acht gelassen.
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Dieses Vorgehen ist mit dem Grundsatz der umfassenden Interessenabwägung unvereinbar. Der Betrieb einer Kiesgrube in der Grösse der projektierten stellt wegen der Besonderheit der Transporte von Kies und Auffüllmaterial erhöhte Anforderungen an die verkehrsmässige Erschliessung. Das zeigt etwa die Stellungnahme der Kantonspolizei des Kantons Bern vom 23. September 1981, worin ein Ausbau der Stiersacherstrasse zwischen projektierter Grubenausfahrt und dem Zivilschutzausbildungszentrum auf eine Breite von 6 m als erforderlich bezeichnet wird. Der bundesgerichtliche Augenschein hat im weitern ergeben, dass die als Kiesgrubenzufahrt vorgesehene Stiersacherstrasse der Gemeinde gehört und vorwiegend dem landwirtschaftlichen Verkehr sowie dem Zivilschutzausbildungszentrum als Zufahrt dient. Auch nach Ansicht der Gemeinde wäre ein Ausbau der Stiersacherstrasse nicht zu umgehen. An Landreserven verfügt die Gemeinde Wahlern nur zwischen der Walkenbrücke und dem Zivilschutzausbildungszentrum über ein 3 m breites Leitungstrasse. Im übrigen gehört ihr kein für eine Strassenverbreiterung geeignetes Land. Zu diesen technischen und rechtlichen Erschliessungsfragen, deren Lösung für die Interessenabwägung nach Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG erheblich ist, haben sich die kantonalen Bewilligungsbehörden noch nicht geäussert. Indem aber das Verwaltungsgericht die Interessenabwägung ohne Einbezug dieser Erschliessungsfragen vorgenommen hat, hat es sowohl den Sachverhalt offensichtlich unvollständig festgestellt als auch Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG verletzt.
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Ebenso verhält es sich mit der Regelung des Abbauvorgangs, der Wiederauffüllung und der Rekultivierung. Abklärung und Beurteilung der damit zusammenhängenden Fragen wurden ebenfalls dem späteren Baubewilligungsverfahren vorbehalten. Jedenfalls sind sie bisher nicht und vor allem nicht im Ausnahmebewilligungsverfahren behandelt worden. Die Art des Abbaus, der Wiederauffüllung und der Rekultivierung sind für die Interessenabwägung von grosser Bedeutung, wirken sie sich doch unmittelbar auf die Landschaft und die Nutzung des Kulturlandes aus. Zu diesen Fragen liegen ebenfalls weder Abklärungen noch Stellungnahmen der zuständigen Baubewilligungsbehörden vor. Auch insoweit ist der Sachverhalt offensichtlich unvollständig festgestellt und damit Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG verletzt worden. Hieran vermag nichts zu ändern, dass die Beschwerdegegnerin korrekterweise einen Abbau- und Rekultivierungsplan ausgearbeitet und sich am bundesgerichtlichen Augenschein zur Rekultivierung und zu deren Sicherung mittels Bankgarantie verpflichtet hat. Entscheidend ist einzig, dass bei der Interessenabwägung die damit zusammenhängenden Fragen unberücksichtigt geblieben sind.
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Schliesslich sind die Probleme von Lärm und Staub unzureichend abgeklärt und berücksichtigt worden. Das Verwaltungsgericht begnügte sich mit dem blossen Hinweis, die Beschwerdeführerin bringe nichts vor, was die Annahme entkräften könnte, wonach sich diese Immissionen durch bauliche und betriebliche Vorkehren auf ein tragbares Mass herabsetzen lassen. Damit kann es indessen nicht getan sein. Die konkret verbleibenden Immissionen lassen sich erst zuverlässig beurteilen, wenn konkrete Schutzmassnahmen bekannt und durch entsprechende Nebenbestimmungen der Ausnahmebewilligung oder der Baubewilligung durchsetzbar geworden sind.
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In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesgesetz über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (USG) am 1. Januar 1985 in Kraft getreten ist (BRB vom 12. September 1984, AS 1984 1143). Es ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auf all jene Fälle anzuwenden, in denen das den Umweltschutz betreffende Verfahren beim Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht abgeschlossen ist (BGE 112 Ib 42 E. 1c). Die mit dem Betrieb der projektierten Kiesgrube verbundenen Emissionsfragen werden nunmehr nach Art. 11 und 12 USG zu behandeln sein, damit die Anlage nach Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG beurteilt werden kann.
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