BGE 115 Ib 64
 
8. Verfügung des Präsidenten der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. Februar 1989 i.S. X. gegen Bundesamt für Polizeiwesen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
Regeste
Art. 17 Abs. 5 des Bundesgesetzes zum Rechtshilfevertrag mit den USA; aufschiebende Wirkung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
 
Sachverhalt
Aufgrund eines Rechtshilfeersuchens des Justizdepartementes der Vereinigten Staaten von Amerika ordnete das Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) am 28. Juli 1988 in Anwendung von Art. 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes zum Rechtshilfevertrag mit den USA vom 3. Oktober 1975 (BG-RVUS) bei drei Banken eine vorsorgliche Sperre von Konten des X. an. Dieser erhob gegen die Anordnungen Einsprache, welche das BAP mit Verfügung vom 23. September 1988 ablehnte. Gegen den Entscheid des BAP reichte X. beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein. Er stellte das Gesuch, es sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts weist das Gesuch ab aus folgenden
 
Erwägungen:
Gemäss Art. 17 Abs. 1 BG-RVUS unterliegen Verfügungen der Zentralstelle und der letzten Instanzen der Kantone der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht "nach den Artikeln 97-114 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege". Nach Art. 111 Abs. 1 OG hat die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen eine Verfügung, die zu einer Geldleistung verpflichtet, von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung. Der Beschwerde gegen eine andere Verfügung kommt, wie in Art. 111 Abs. 2 OG bestimmt wird, nur dann Suspensivwirkung zu, wenn der Präsident der urteilenden Abteilung sie von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei verfügt. Die Vorschrift behält abweichende Bestimmungen des Bundesrechts ausdrücklich vor. Gemäss Art. 17 Abs. 5 BG-RVUS hat die Beschwerde aufschiebende Wirkung, vorbehältlich Art. 8 Abs. 4 BG-RVUS, welcher festlegt, dass Einsprache und Beschwerde gegen Verfügungen nach Art. 8 BG-RVUS (vorsorgliche Massnahmen) keine aufschiebende Wirkung haben. Das Bundesgesetz zum Rechtshilfevertrag mit den USA sieht mit dieser Ordnung in Abweichung von Art. 111 Abs. 2 OG vor, dass der Verwaltungsgerichtsbeschwerde - mit Ausnahme derjenigen gegen vorsorgliche Massnahmen - von Gesetzes wegen Suspensiveffekt zukommt.
Das BAP führt aus, soweit sich die vorliegende Beschwerde gegen die gestützt auf Art. 8 Abs. 1 BG-RVUS angeordneten vorsorglichen Kontensperren richte, habe sie nach Art. 8 Abs. 4 BG-RVUS keine aufschiebende Wirkung. Diesbezüglich sei das Begehren des Beschwerdeführers abzulehnen. Soweit sie sich gegen andere Anordnungen bzw. gegen die verlangten Ermittlungen bei den drei Banken richte, komme ihr gemäss Art. 17 Abs. 5 BG-RVUS von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zu, weshalb sich eine entsprechende Verfügung durch das Bundesgericht erübrige. Das BAP ist somit der Ansicht, nach dieser Vorschrift habe eine Beschwerde, sofern sie sich nicht gegen eine Verfügung nach Art. 8 BG-RVUS richte, in jedem Fall von Gesetzes wegen Suspensivwirkung. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Wohl hat nach dem Wortlaut des Art. 17 Abs. 5 BG-RVUS die Beschwerde - abgesehen von derjenigen gegen vorsorgliche Massnahmen - aufschiebende Wirkung. Die Bestimmung muss jedoch ihrem Sinn entsprechend ausgelegt werden. Es ist dabei von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 21 Abs. 4 des Bundesgesetzes Über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG) auszugehen, welcher vorsieht, dass die Beschwerde gegen einen Entscheid, der die Erteilung von Auskünften aus dem Geheimbereich bewilligt, in Abweichung von Art. 111 Abs. 2 OG aufschiebende Wirkung hat. Nach der Auffassung des Bundesgerichts muss Art. 21 Abs. 4 IRSG so verstanden werden, dass nur jenen Beschwerden von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukommt, die sich gegen einen Entscheid richten, mit dem das Rechtshilfeverfahren abgeschlossen und die Weiterleitung der Auskünfte an den ersuchenden Staat angeordnet wurde (BGE 113 Ib 259 und 267 f. E. 4b). Im gleichen Sinne ist auch Art. 17 Abs. 5 BG-RVUS zu interpretieren. Hätte aufgrund dieser Bestimmung bereits die Beschwerde gegen eine Verfügung aufschiebende Wirkung, mit der zu Beginn des Rechtshilfeverfahrens eine Bank zur Erteilung von Auskünften und zur Herausgabe von Unterlagen zuhanden der schweizerischen Rechtshilfebehörde aufgefordert wird, so würde das Rechtshilfeverfahren unter Umständen über längere Zeit hinweg blockiert, was mit dem Sinn des Rechtshilfevertrages Schweiz/ USA, der eine beförderliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten gewährleisten soll, nicht vereinbar wäre. Art. 17 Abs. 5 BG-RVUS muss daher bei sinngemässer Auslegung so verstanden werden, dass nur jene Beschwerden von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung haben, die sich gegen Entscheide richten, welche die Weiterleitung von Auskünften oder Dokumenten an den ersuchenden Staat bewilligen oder den Vollzug von Massnahmen anordnen, bei dem solche Auskünfte dem ersuchenden Staat zur Kenntnis gelangen (z.B. Anordnung der Einvernahme eines Zeugen oder der Sichtung der eingelegten Bankakten in Gegenwart von Vertretern des ersuchenden Staates). Die vorliegende Beschwerde richtet sich nicht gegen einen solchen Entscheid, sondern es geht bei den hier in Frage stehenden Anordnungen des BAP erst um vorsorgliche Massnahmen und um Ermittlungen bei Banken zuhanden der schweizerischen Rechtshilfebehörde. Es liegt somit kein Fall vor, in dem der Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukommt.
Aufgrund von Art. 111 Abs. 2 OG kann einer Beschwerde aufschiebende Wirkung beigelegt werden. Ob die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, hängt von der Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen ab (vgl. BGE 99 Ib 222 E. 6b). Im hier zu beurteilenden Fall geht das Interesse daran, dass das Rechtshilfeverfahren seinen Fortgang nehmen kann bzw. die vom BAP angeordneten Massnahmen vollzogen werden können, dem Interesse des Beschwerdeführers an der Wahrung des Bankgeheimnisses vor. Abgesehen davon, dass das Bankgeheimnis im Rechtshilfeverfahren durchbrochen werden darf (BGE 105 Ib 429 E. 6; BGE 104 Ia 53 E. 4a), drängt sich im gegenwärtigen Zeitpunkt keine vorsorgliche Verfügung zum Schutz der Interessen des von der Lüftung des Bankgeheimnisses betroffenen Beschwerdeführers auf, da es bei den hier in Frage stehenden Massnahmen noch in keiner Weise um die Weiterleitung von Auskünften oder Dokumenten aus dem Geheimbereich an den ersuchenden Staat geht. Das Gesuch, es sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ist daher abzuweisen.