Der eheliche Vater ist nicht nach § 170b StGB strafbar, der vor dem 1. Juli 1958, obgleich er ohne Gefährdung seines standesgemäßen Unterhalts dazu in der Lage war, keinen Unterhalt für sein Kind zahlte, wenn die gleichrangig verpflichtete Mutter, die dazu ohne Gefährdung ihres standesgemäßen Unterhalts in der Lage war, den ganzen Unterhalt zahlte.
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StGB § 170b
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5. Strafsenat
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Urteil
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vom 21. November 1958 g.K.
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- 5 StR 366/58 -
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I. Amtsgericht Berlin-Tiergarten
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II. Kammergericht Berlin
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Gründe:
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Der Angeklagte ist der Vater des am 28. November 1943 geborenen Heinz-Ulrich. Die Ehe des Angeklagten ist im Jahre 1947 geschieden worden. Das Sorgerecht für Heinz-Ulrich hat die Mutter. Der Angeklagte ist am 10. April 1951 zur Zahlung einer monatlichen Unterhaltsrente von 40 DM an das Kind verurteilt worden.
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Der Angeklagte ist seit Ende 1956 bei den Deutschen Industriewerken beschäftigt und verdient seit etwa Mitte März 1957 netto wöchentlich 100 DM. Nach Erledigung einer Pfändung wird ihm seit Mitte April 1957 dieser volle Lohn ausgezahlt. Der Angeklagte ist seit März 1948 wieder verheiratet. Aus seiner zweiten Ehe ist ein Kind hervorgegangen. Seine jetzige Ehefrau ist nicht berufstätig.
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Das Kind Heinz-Ulrich ist seit April 1957 in einem privaten Kinderheim untergebracht. Die Heimkosten in Höhe von 4,40 DM täglich zahlt die Mutter. Sie hatte als Krankenschwester bis April 1957 ein Einkommen von ca. 385 DM netto monatlich, seit dieser Zeit verdient sie ca. 395 DM netto monatlich; sie ist anderen Personen gegenüber nicht unterhaltspflichtig.
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Der Angeklagte hat seit 1. November 1956 für das Kind keinen Unterhalt gezahlt.
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Das Amtsgericht hat den Angeklagten von der Anklage der vorsätzlichen Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170b StGB) freigesprochen.
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Es führt aus, dem Angeklagten sei nicht nachzuweisen, daß er vor Mitte April 1957 in der Lage gewesen sei, den laufenden Unterhalt von monatlich 40 DM an das Kind zu zahlen. Seit dieser Zeit sei er dazu in der Lage gewesen. Trotzdem könne er auch insoweit nicht bestraft werden, da sein Verhalten den Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten nicht gefährdet habe und der Lebensbedarf auch nicht ohne die Hilfe anderer gefährdet gewesen wäre. Der gesamte Lebensunterhalt des Kindes sei während dieses Zeitraums von der Mutter bestritten worden. Diese sei auf Grund ihres Einkommens in Höhe von fast 400 DM netto monatlich ohne Gefährdung ihres eigenen Unterhalts in der Lage gewesen, den gesamten Lebensbedarf des Kindes zu decken.
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Gegen dieses freisprechende Urteil hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, die der Generalbundesanwalt vertreten hat.
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Das Kammergericht hat gemäß § 121 Abs. 2 GVG die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung der Streitfrage vorgelegt,
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ob § 170b StGB auf den ehelichen Vater eines Kindes Anwendung finde, der sich vorsätzlich der Unterhaltspflicht entziehe, wenn der Unterhalt des Kindes von der mit dem Vater gleichrangig verpflichteten ehelichen Mutter des Kindes, die dazu nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen in der Lage sei, geleistet werde.
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Das Kammergericht führt aus, es beabsichtige, der Revision stattzugeben, weil nach seiner Auffassung unter "anderer" im Sinne des § 170b StGB jeder Dritte außer dem Täter und dem Kind selbst, also auch solche Personen zu verstehen seien, die gleichrangig mit dem Täter zum Unterhalt verpflichtet seien. Es sehe sich aber hieran durch die Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 16. Oktober 1956 (2 St 886/55, NJW 1956, 1887 = BayObLGSt 1956, 230) und vom 17. April 1957 (1 St 152/57, FamRZ 1957, 374) gehindert.
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Der Senat teilt die Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts.
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1. Die Vorschriften der §§ 170b bis d StGB sind konkrete Gefährdungsdelikte. Das ergibt für die §§ 170c und d StGB eindeutig der Wortlaut. Es gilt aber auch für § 170b StGB. Nicht die Treupflichtverletzung für sich allein bildet den Grund für die Strafbarkeit nach § 170b StGB, sondern die den Unterhalt des Kindes gefährdende Treupflichtverletzung. Dafür spricht der innere Zusammenhang der Vorschrift mit den beiden folgenden. Ihr Wortlaut steht dieser Auslegung nicht entgegen. Er besagt nur, daß die Abwendung der durch das Verhalten des Täters eingetretenen oder unmittelbar drohenden Gefährdung des Unterhalts des Kindes durch einen Dritten den Täter nicht von Strafe freistellt. So verstanden sind die Worte "oder ohne öffentliche Hilfe oder die Hilfe anderer gefährdet wäre" Ausfluß eines auch sonst das Strafrecht beherrschenden Prinzips.
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2. Der bloße Umstand, daß ein Dritter dem Kind Unterhalt gewährt, führt noch nicht zur Strafbarkeit des kraft Gesetzes Unterhaltspflichtigen. Leistet etwa ein Dritter im Einvernehmen mit dem Unterhaltspflichtigen, um diesen zu entlasten, den Unterhalt anstelle des Pflichtigen oder aber deshalb, weil er durch diese Unterhaltsleistung seine eigenen Beziehungen zu dem Unterhaltsberechtigten verstärken und betonen will, so kann von einer Gefährdung des Unterhalts seitens des Verpflichteten, die nur durch die Hilfe des Dritten abgewendet worden sei, keine Rede sein (vgl. OLG Neustadt NJW 1953, 1805).
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3. Sind für einen bestimmten Unterhaltsanspruch mehrere gleichrangig verpflichtet, so ist der Unterhalt solange nicht gefährdet, wie nur einer der Verpflichteten zahlungsfähig und zahlungswillig ist, mag er auch bei voller Zahlungsfähigkeit für den ganzen Unterhaltsbetrag hinsichtlich eines Teils dieses Betrages nur solange zahlungswillig sein, wie der andere nicht zahlt, und mag das Kind auch Zahlung von diesem verlangt haben. Die öffentliche Fürsorge, die hilft, weil der Unterhaltspflichtige seine Pflicht nicht erfüllt, wendet eine drohende Gefahr von dem Berechtigten ab. Dasselbe tut der Dritte, der freiwillig zahlt, weil der Verpflichtete sich seiner Verpflichtung entzieht, und ebenso derjenige Dritte, der rechtlich erst dann verpflichtet ist, wenn der zunächst Verpflichtete nicht leistet. Die regelmäßige und rechtzeitige Zahlung eines Unterhaltspflichtigen sorgt aber dafür, daß eine Gefahr für den Unterhalt überhaupt nicht drohen kann. Ein anderer gleichrangig Unterhaltsverpflichteter, der sich hierauf verläßt, macht sich deshalb nicht nach § 170b StGB strafbar.
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4. Seit dem 1. April 1953 sind beide Eltern den ehelichen Kindern gegenüber grundsätzlich gleichrangig verpflichtet. Befindet sich das Kind, wie hier, nicht beim Vater oder der Mutter, so kann es von jedem von ihnen den vollen standesgemäßen Unterhalt verlangen, jedoch nur, sofern und soweit beide hierzu nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen ohne Gefährdung ihres eigenen standesgemäßen Unterhalts in der Lage sind.
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Diese Auffassung bedeutet nicht, daß der Vater oder die Mutter das den Unterhalt verlangende Kind auf die gleichrangige Unterhaltspflicht des anderen verweisen könnte. Leisten von zwei gleichrangig verpflichteten Elternteilen beide nicht, so machen sich vielmehr beide strafbar; zivilrechtlich kann sich das Kind nach seiner Wahl an jeden von beiden halten.
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Da sich die Frage, wieviel insgesamt für den standesgemäßen Unterhalt eines Kindes aufzuwenden ist, nach den zusammenzuzählenden Einkommens- und den sonstigen Vermögensverhältnissen beider Eltern richtete, waren die Fälle, in denen der Vater oder die Mutter ohne Gefährdung des eigenen standesgemäßen Unterhalts den ganzen standesgemäßen Unterhalt für das Kind aufbringen konnte, nicht sehr häufig. Insbesondere wird es nicht sehr häufig sein, daß gerade die Mutter ohne Gefährdung ihres eigenen standesgemäßen Unterhalts allein das Kind standesgemäß unterhalten kann. Leistete aber die Mutter mehr, als wozu sie unter Berücksichtigung ihres eigenen standesgemäßen Unterhalts verpflichtet war, dann wendete sie hierdurch eine durch die Pflichtverletzung des Vaters drohende Gefahr von dem Kind ab.
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Der angeklagte Vater war ohne Gefährdung seines eigenen standesgemäßen Unterhalts nur in der Lage, 40 DM monatlich für das Kind zu zahlen, während die Mutter nach den Feststellungen ohne Gefährdung ihres standesgemäßen Unterhalts den gesamten Unterhalt für das Kind aufbringen konnte. In Höhe von 40 DM konnte sich das Kind deshalb an sich nach seiner Wahl an beide Eltern halten. Soweit die Mutter diesen Betrag zahlte, ging der Anspruch des Kindes gegen beide Eltern unter. Diese Auffassung entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 22, 51) für die Zeit vor Inkraft treten des Gesetzes vom 18. Juni 1957, also vordem 1.7.1958. Nur um diese Zeit handelt es sich in dem angefochtenen Urteil.
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5. Geht man hiervon aus, so hat sich der Angeklagte nicht strafbar gemacht. Seine geschiedene Ehefrau erfüllte ihre eigene gesetzliche Unterhaltspflicht, wenn sie auch die 40 DM bezahlte, für die neben ihr auch der Angeklagte haftete. Der Unterhalt des Kindes war daher durch das Verhalten des Angeklagten nicht gefährdet. Die Mutter zahlte nicht, weil sie einer drohenden Gefahr begegnen mußte oder wollte, sondern weil sie ihre Pflicht erfüllte.
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6. Dieses Ergebnis wird auch noch durch folgende Überlegung gestützt: Grundsätzlich entzieht sich schon derjenige der Unterhaltspflicht, der das, was er zu leisten verpflichtet ist, ganz oder zum Teil nicht leistet. Dieser Satz bedarf bei gleichrangig Verpflichteten einer Einschränkung, weil er sonst dazu führen müßte, daß stets einer von beiden oder gar beide sich der Unterhaltspflicht entziehen, weil mindestens einer nicht alles leistet, wozu er verpflichtet ist. Schon die Frage, ob sich einer der beiden gleichrangig verpflichteten Eltern seiner Unterhaltspflicht entzog, ließ sich deshalb überhaupt nicht aus dem Außenverhältnis zum Kind, sondern nur aus dem Innenverhältnis zwischen beiden Eltern beantworten. Leistete einer von beiden den ganzen Unterhalt, so konnte sich der andere nur insoweit seiner Verpflichtung entziehen, als er im Innenverhältnis verpflichtet war, statt des anderen zu leisten. Das zeigt deutlich, daß die Ansicht des Kammergerichts praktisch das Innenverhältnis zwischen den Eltern, und nicht das Außenverhältnis zwischen Eltern und Kind schützt. Es ist aber, gerade im Interesse der Familie, bedenklich, dieses Innenverhältnis mit den Mitteln des Strafrechts zu schützen. Da die Mutter, solange der Vater ohne Gefährdung seines standesgemäßen Lebensunterhalts leisten konnte, nur zur Leistung verpflichtet war, soweit sie ihren eigenen standesgemäßen Lebensunterhalt nicht gefährdete, bestand kein strafrechtliches Schutzbedürfnis für dieses Innenverhältnis.
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Daß dieses Ergebnis in Einzelfällen den unehelichen Vater strafrechtlich schlechter stellte als den ehelichen, trifft zu. Dies war eine Folge der verschiedenartigen Regelung der gesetz lichen Unterhaltspflicht für eheliche und uneheliche Väter. Die Strafwürdigkeit des nicht zahlenden unehelichen Vaters in Fällen, in denen die Mutter zur vollen Leistung des standesgemäßen Unterhalts des Kindes ohne Gefährdung ihres eigenen standesgemäßen Unterhalts in der Lage ist, erscheint im übrigen durchaus zweifelhaft.
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Wie die Rechtslage für die Zeit seit dem 1. Juli 1958 zu beurteilen ist, brauchte der Senat nicht zu entscheiden.
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