BGHSt 37, 106 - Strafrechtliche Produkthaftung: Lederspray |
1. Der Ursachenzusammenhang zwischen der Beschaffenheit eines Produkts und Gesundheitsbeeinträchtigungen seiner Verbraucher ist auch dann rechtsfehlerfrei festgestellt, wenn offenbleibt, welche Substanz den Schaden ausgelöst hat, aber andere in Betracht kommende Schadensursachen auszuschließen sind. |
2. Wer als Hersteller oder Vertriebshändler Produkte in den Verkehr bringt, die derart beschaffen sind, daß deren bestimmungsgemäße Verwendung für die Verbraucher - entgegen ihren berechtigten Erwartungen - die Gefahr des Eintritts gesundheitlicher Schäden begründet, ist zur Schadensabwendung verpflichtet (Garantenstellung aus vorangegangenem Gefährdungsverhalten). Kommt er dieser Pflicht schuldhaft nicht nach, so haftet er für dadurch verursachte Schäden strafrechtlich unter dem Gesichtspunkt der durch Unterlassen begangenen Körperverletzung. |
3. Aus der Garantenstellung des Herstellers oder Vertriebshändlers ergibt sich die Verpflichtung zum Rückruf bereits in den Handel gelangter, gesundheitsgefährdender Produkte. |
4. Haben in einer GmbH mehrere Geschäftsführer gemeinsam über die Anordnung des Rückrufs zu entscheiden, so ist jeder Geschäftsführer verpflichtet, alles ihm Mögliche und Zumutbare zu tun, um diese Entscheidung herbeizuführen. |
5. Beschließen die Geschäftsführer einer GmbH einstimmig, den gebotenen Rückruf zu unterlassen, so haften sie für die Schadensfolgen der Unterlassung als Mittäter. |
6. jeder Geschäftsführer, der es trotz seiner Mitwirkungskompetenz unterläßt, seinen Beitrag zum Zustandekommen der gebotenen Rückrufentscheidung zu leisten, setzt damit eine Ursache für das Unterbleiben der Maßnahme. Dies begründet seine strafrechtliche Haftung auch dann, wenn er mit seinem Verlangen, die Rückrufentscheidung zu treffen, am Widerstand der anderen Geschäftsführer gescheitert wäre. |
7. Führt die Verletzung desselben Handlungsgebots nacheinander zu mehreren Schadensfällen, so liegt insgesamt nur eine einzige Unterlassungstat vor. |
StGB vor § 1, § 13 Abs. 1, § 223a, 230; StPO § 261 |
2. Strafsenat |
Urteil |
vom 6. Juli 1990 g.S.u.a. |
- 2 StR 549/89 - |
Landgericht Mainz |
Aus den Gründen: |
I. |
1. Die Firma W. u. M. GmbH befaßt sich unter anderem mit der Herstellung von Schuh- und Lederpflegeartikeln. Dazu gehören auch Ledersprays, die - abgefüllt in Treibgasdosen zum Versprühen bestimmt sind und der Pflege, dem Imprägnieren oder dem Färben, insbesondere von Schuhen und sonstigen Bekleidungsgegenständen, dienen. Vertrieben werden diese Produkte unter anderem durch die Tochterfirmen E. R. GmbH und S. GmbH. Während die erstgenannte Firma Artikel der Marke "E." über den Lebensmittelhandel, Verbrauchermärkte und Drogerien absetzt, beliefert die letztgenannte Firma mit Artikeln der Marke "S." den Schuh- und Lederfachhandel.
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Ab dem Spätherbst 1980 gingen bei der Firmengruppe Schadensmeldungen ein, in denen berichtet wurde, daß Personen nach dem Gebrauch von Ledersprays der bezeichneten Marken gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten hatten. Diese Beeinträchtigungen äußerten sich zumeist in Atembeschwerden, Husten, Übelkeit, Schüttelfrost und Fieber. Die Betroffenen mußten vielfach ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, bedurften oftmals stationärer Krankenhausbehandlung und kamen in nicht seltenen Fällen wegen ihres lebensbedrohlichen Zustands zunächst auf die Intensivstation. Die Befunde ergaben regelmäßig Flüssigkeitsansammlungen in den Lungen (Lungenödem). Bei den meisten Betroffenen stellte sich - insbesondere nach Verabreichung von Cortisonpräparaten - alsbald eine durchgreifende Besserung ein, die zur völligen Genesung führte.
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Die ersten Schadensmeldungen lösten firmeninterne Untersuchungen aus. Diese bezogen sich auf zurückgegebene Spraydosen. Fabrikationsfehler ergaben sich dabei nicht. Festgestellt wurde nur, daß bei einem Spray seit Mitte 1980 der Wirkstoffanteil des Silikonöls erhöht worden war. Diese Rezepturänderung wurde Anfang 1981 rückgängig gemacht. Gleichwohl folgten weitere Schadensmeldungen. Fachgespräche mit Toxikologen zweier Chemieunternehmen und einem beratenden Arzt brachten keine Klärung. Der Silikonöl-Wirkstoff wurde aus den Produkten genommen. Als sich herausstellte, daß 1980 der Lieferant; der zur Produktion verwendeten Fluorkarbonharze gewechselt hatte, wurden diese Stoffe ab März 1981 wieder vom vormaligen Lieferanten bezogen. Die Schadensmeldungen setzten sich jedoch fort; sie betrafen nun nicht mehr nur - wie noch zu Anfang - Ledersprays der Marke "S.", sondern auch solche der Marke "E.". Mitte April 1981 kam es deshalb zu einem kurzfristigen Produktions- und Vertriebsstopp für bestimmte "E."-Sprays; dieser wurde jedoch, nachdem Untersuchungen in der firmeneigenen Chemieabteilung ohne Ergebnis geblieben waren, nach wenigen Tagen wieder aufgehoben.
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Am 12. Mai 1981 fand eine Sondersitzung der Geschäftsführung statt. Den einzigen Tagesordnungspunkt bildeten die bekanntgewordenen Schadensfälle. Teilnehmer waren unter anderem sämtliche Geschäftsführer der Firma W. u. M. GmbH, nämlich die Angeklagten S. und Dr. Sch., der inzwischen verstorbene Mitangeklagte Br. und der frühere Mitangeklagte Bo. (das Verfahren gegen ihn ist abgetrennt worden). Der Angeklagte Dr. B., der in der Firmengruppe Leiter des Zentrallabors war, wurde als "Chefchemiker" hinzugezogen. Er trug den Sachstand vor. Dabei verwies er insbesondere darauf, daß nach den bisherigen Untersuchungen kein Anhalt für toxische Eigenschaften und damit eine Gefährlichkeit der Sprays gegeben sei, weshalb keine Veranlassung zu einem Rückruf dieser Produkte bestehe. Er schlug vor, eine externe Institution mit weiteren Untersuchungen zu beauftragen, außerdem Warnhinweise auf allen Spraydosen anzubringen und bereits vorhandene Hinweise gegebenenfalls zu verbessern. Diesem Vorschlag schloß sich die Geschäftsführung an. Einigkeit bestand darüber, daß die Anordnung eines Vertriebsstopps, einer Rückruf- oder auch Warnaktion nur dann in Betracht zu ziehen sei, falls die noch ausstehenden Untersuchungen einen "echten Produktfehler" oder ein "nachweisbares Verbraucherrisiko" ergeben sollten.
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Im Anschluß an diese Sitzung wurden die Angeklagten W. und D. umfassend informiert. W. war damals Geschäftsführer der Firma S. GmbH, D. bekleidete dieselbe Stellung in der Firma E. R. GmbH. Beide machten sich die in der Sitzung getroffene Entscheidung jeweils für ihren Verantwortungsbereich zu eigen.
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In der Folgezeit kam es zu weiteren Gesundheitsschäden nach der Verwendung von Ledersprays der bezeichneten Marken. Auch bei den neuerlichen Untersuchungen gelang es nicht, eine bestimmte Substanz als schadensauslösend zu identifizieren. Im Laufe der Zeit wurden die auf den Spraydosen angebrachten Warnhinweise ergänzt und verbessert. Am 20. September 1983 begann die Firma W. u. M. GmbH nach Interventionen des Bundesgesundheitsamts und des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Durchführung eines Verkaufsstopps sowie einer Rückrufaktion, ohne allerdings völlig auf die Weiterverwendung der in den zurückgerufenen Produkten enthaltenen Rezepturen zu verzichten.
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Das Landgericht macht den Angeklagten S., Dr. Sch., W. und D. zum Vorwurf, zahlreichen Benutzern der Sprays teils durch Unterlassung des rechtzeitigen Rückrufs der Produkte bei den Händlern, teils durch Fortsetzung der Produktion und des Vertriebs dieser Erzeugnisse körperliche Schäden zugefügt zu haben. Fahrlässige Körperverletzungen nimmt es, jeweils als selbständige Taten, für vier Schadensfälle an, die eintraten, nachdem am 14. Februar 1981 der Schadensfall F. bekanntgeworden war. Weitere 38 Schadensfälle, die sich nach der Geschäftsführersitzung vom 12. Mai 1981 ereigneten, legt es der Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung zugrunde, wobei es insoweit das Verhalten jedes der Angeklagten als eine einzige Tat wertet. Den Angeklagten Dr. B. hält es der Beihilfe hierzu für schuldig, weil er die Geschäftsführung am 12. Mai 1981 unzureichend informiert und beraten habe.
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Demgemäß hat das Landgericht - von Nebenentscheidungen abgesehen - die Angeklagten wie folgt verurteilt:
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- S. und Dr. Sch. jeweils wegen fahrlässiger Körperverletzung in vier Fällen zu Gesamtgeldstrafen und wegen gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten, - W. wegen fahrlässiger Körperverletzung in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, - D. wegen fahrlässiger Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtgeldstrafe, und - Dr. B. wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Geldstrafe. |
2. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten. Sie rügen die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts.
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Die Rechtsmittel der Angeklagten S., Dr. Sch., W. und D. haben keinen Erfolg. Dagegen führt die Revision des Angeklagten Dr. B. zu dessen Freispruch.
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II. |
Die beiden von allen Beschwerdeführern übereinstimmend erhobenen Verfahrensrügen sind unbegründet (wird ausgeführt).
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III. |
Die Verurteilung der Angeklagten S., Dr. Sch., W. und D. hält - mit der Maßgabe, daß die Bewertung des Konkurrenzverhältnisses zwischen den Gesetzesverstößen einzelner, noch zu erörternder Korrekturen bedarf - der rechtlichen Nachprüfung stand. Das gilt sowohl für die Schuldsprüche als auch für die Bestimmung der daran geknüpften Rechtsfolgen, deren Art und Maß nicht zu bemängeln und daher im Ergebnis zu bestätigen sind.
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1. Die Angeklagten haben sich in dem von der Strafkammer festgestellten Umfang der fahrlässigen Körperverletzung und der gefährlichen Körperverletzung in der Form einer das Leben gefährdenden Behandlung der Verletzten schuldig gemacht (§§ 230, 223a StGB).
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a) Rechtsfehlerfrei festgestellt ist zunächst, daß in allen Schadensfällen, die der Verurteilung zugrunde liegen, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der betroffenen Verbraucher durch die jeweils benutzten Ledersprays (insbesondere "S. 3-fach", "E. Nässeschutz", aber auch andere Sprays mit gleicher Rezeptur) ausgelöst worden sind. Die Strafkammer hat - entgegen den hieran geäußerten Zweifeln der Beschwerdeführer - nicht etwa offen gelassen, ob die Ursache der Schadensfälle in der Beschaffenheit der Sprays zu erblicken ist. Abgesehen davon, daß sich dies jedenfalls aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe ergibt, hat sie im Rahmen der Sachverhaltsschilderung ausdrücklich festgestellt, daß die Ursache der Vorfälle "nur in etwaigen toxikologischen Wirkungsmechanismen einzelner Rohstoffe allein oder zumindest in der Kombination mit anderen Rohstoffen liegen" konnte und mithin gelegen hat. Diese für das Revisionsgericht bindende Feststellung reichte zur Bejahung des Ursachenzusammenhangs aus. Daran ändert es nichts, daß es wie die Kammer selbst einräumt - bis heute nicht möglich war, diejenige Substanz oder Kombination von Substanzen naturwissenschaftlich exakt zu identifizieren, die den Produkten ihre spezifische Eignung zur Verursachung gesundheitlicher Schäden verlieh. Auf die Ermittlung des dafür verantwortlichen Inhaltsstoffes, die Kenntnis seiner chemischen Zusammensetzung und die Beschreibbarkeit seiner toxischen Wirkungsweise kam es im vorliegenden Falle nicht an. Ist in rechtsfehlerfreier Weise festgestellt, daß die - wenn auch nicht näher aufzuklärende inhaltliche Beschaffenheit des Produkts schadensursächlich war, so ist zum Nachweis des Ursachenzusammenhangs nicht noch weiter erforderlich, daß festgestellt wird, warum diese Beschaffenheit schadensursächlich werden konnte, was also nach naturwissenschaftlicher Analyse und Erkenntnis letztlich der Grund dafür war (so auch Kuhlen, Fragen einer strafrechtlichen Produkthaftung 1989 S. 69 f., 72). Freilich müssen dort, wo sich die Ursächlichkeit nicht auf diese Weise darlegen läßt, alle anderen in Betracht kommenden Schadensursachen aufgrund einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung ausgeschlossen werden können. Dies aber hat die Strafkammer hier getan. Sie hat sich eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Schadensfälle auf andere, nicht in der stofflichen Beschaffenheit des Sprays liegende Ursachen zurückgeführt werden könnten, und sie ist nach Erörterung aller in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten mit sachverständiger Hilfe zu dem Ergebnis gelangt, daß solche anderen Ursachen ausscheiden. In diesem Zusammenhang hat sie, was freilich nicht den Ursachenzusammenhang, sondern nur die Verantwortlichkeit der Angeklagten beseitigen könnte, zutreffend dargetan, daß in keinem der Schadensfälle eine mißbräuchliche, außerhalb des bestimmungsgemäßen Gebrauchs liegende Verwendung der Ledersprays zu verzeichnen war. Soweit sie im einzelnen ausgeführt hat, daß auch eine bestimmte Disposition oder Gewohnheit der geschädigten Verbraucher (Allergiker, Raucher) nicht für die Schadensfolgen maßgebend war, hätte es solcher Darlegungen nicht einmal bedurft; denn dadurch würde der Ursachenzusammenhang nicht in Frage gestellt, und auch die Verantwortlichkeit der Angeklagten bliebe angesichts des nicht unbeträchtlichen Anteils von Allergikern und Rauchern an der Gesamtheit der Bevölkerung jedenfalls dem Grunde nach unberührt: Das jeweilige Produkt muß, falls solche Gruppen nicht ausdrücklich vor seiner Verwendung gewarnt werden, in der Regel so beschaffen sein, daß es auch von ihnen ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen bestimmungsgemäß benutzt werden kann.
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Der von den Beschwerdeführern geäußerte Verdacht, die Strafkammer habe den ursächlichen Zusammenhang zwischen Produktbenutzung und Schadenseintritt allein aus deren zeitlichem Nacheinander geschlossen, findet in der Bewelswürdigung des Tatgerichts keine Stütze. Dieses hat vielmehr zu Recht darauf abgestellt, daß in den einzelnen Schadensfällen der Krankheits- und Heilungsverlauf signifikante Übereinstimmungen aufwies, die ein gewichtiges Indiz für das Wirksamwerden ein und derselben Ursache, hier also der Benutzung der Sprays, abgeben konnten. Die zu verzeichnenden Abweichungen durften demgegenüber als unwesentlich gewertet werden. Hinzu kam, daß auch Tierversuche mit den Rezepturen der beanstandeten Ledersprays Lungenschädigungen vergleichbarer Art zur Folge gehabt hatten. Angesichts dieser Beweislage läßt sich die Überzeugungsbildung des Tatgerichts rechtlich nicht beanstanden. Daß es sich nicht um ein bloß zufälliges Zusammentreffen von Spraybenutzung und Schadenseintritt handelte, bedurfte im Blick auf die Vielzahl gleichartiger Schadensfälle keiner besonderen Darlegung; dies war eine bloß theoretische Denkmöglichkeit. Wie die Kammer ausgeführt hat, stand auch die im Verhältnis zur Gesamtproduktion der Ledersprays geringe Anzahl von Schadensfällen der Bejahung des Ursachenzusammenhangs nicht entgegen. Gleiches gilt schließlich für den von der Kammer ebenfalls erörterten Umstand, daß dieselben Produkte bereits seit langer Zeit hergestellt und vertrieben worden waren, ohne daß dies zu entsprechenden Verbraucherbeschwerden geführt hätte.
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b) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeklagten für die durch den Gebrauch der Ledersprays eingetretenen Körperschäden ergibt sich aus ihrer Stellung als Geschäftsführer der Herstellerfirma W. u. M. GmbH sowie der Vertriebsfirmen S. GmbH und E. R. GmbH, da diese Firmen die schadensursächlichen Artikel in den Verkehr gebracht haben.
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Dabei ist - wie die Strafkammer richtig erkannt hat - innerhalb der als gefährliche Körperverletzung gewerteten Fälle tatbestandsmäßiges Verhalten durch positives Tun anzunehmen, soweit Schäden durch die Verwendung solcher Sprays eintraten, die erst nach der Sondersitzung der Geschäftsführung vom 12. Mai 1981 produziert oder vertrieben worden waren (10 Schadensfälle). Denn Produktion und Vertrieb von Erzeugnissen durch eine im Rahmen ihres Gesellschaftszwecks tätige GmbH sind ihren Geschäftsführern als eigenes Handeln - auch strafrechtlich zuzurechnen. Sie haften für etwaige Schadensfolgen unter dem Gesichtspunkt des Begehungsdelikts. Anders verhält es sich mit den weit zahlreicheren Fällen, in denen das jeweils schadensursächliche Lederspray zu dem für den Schuldvorwurf maßgeblichen Zeitpunkt zwar schon in den Handel gelangt war, den Verbraucher aber noch nicht erreicht hatte. In diesen Fällen (28 Schadensfälle aus dem Gesamtkomplex der gefährlichen Körperverletzung und alle vier Schadensfälle der fahrlässigen Korperverletzung) sind die Geschäftsführer allein unter dem Gesichtspunkt des (unechten) Unterlassungsdelikts für die entstandenen Schäden verantwortlich.
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Als Geschäftsführern der drei genannten Firmen oblag den Angeklagten die Rechtspflicht, dafür zu sorgen, daß Verbraucher der von diesen Firmen produzierten und vertriebenen Ledersprays vor Gesundheitsschäden bewahrt blieben, die ihnen bei bestimmungsgemäßer Benutzung dieser Artikel infolge deren Beschaffenheit zu entstehen drohten. Wer gesundheitsgefährdende Bedarfsartikel in den Verkehr bringt, ist zur Schadensabwendung verpflichtet und muß, falls er dieser Pflicht schuldhaft nicht nachkommt, für dadurch verursachte Schadensfolgen strafrechtlich einstehen.
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Die Strafkammer leitet diese Schadensabwendungspflicht aus der zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflicht, namentlich der Pflicht zur Produktbeobachtung ab, und stützt sich dabei unmittelbar auf die Grundsätze, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für den Bereich der zivilrechtlichen Produkthaftung (beginnend mit BGHZ 51, 91 - Hühnerpest - bis hin zu BGHZ 104, 323 - Sprudelflasche) entwickelt worden sind (vgl. jetzt auch das die verschuldensunabhängige Haftung regelnde Produkthaftungsgesetz vom 15. Dezember 1989, BGBl I 2198; dazu des näheren: Graf v. Westphalen NJW 1990, 83 ff.; Taschner/Frietsch, Produkthaftungsgesetz und EG-Produkthaftungsrichtlinie 2. Aufl.; Palandt/Thomas, BGB 49. Aufl. S. 2452 ff.). In der Tat spricht manches dafür, daß dieselben Pflichten, die für die zivilrechtliche Produkthaftung maßgebend sind, auch die Grundlage strafrechtlicher Verantwortlichkeit bilden, zumal die Verpflichtung zum Ersatz produktfehlerbedingter Schäden als ein Fall deliktischer Haftung (§ 823 ff. BGB) begriffen wird. Andererseits dürfen die schadensersatzorientierten Haftungsprinzipien des Zivilrechts nicht unbesehen zur Bestimmung strafrechtlicher Verantwortlichkeit benutzt werden. Ob und gegebenenfalls inwieweit die zivilrechtlichen Pflichten zur Schadensverhütung mit den die strafrechtliche Haftung begründenden übereinstimmen (vgl. dazu Kuhlen a.a.O. S. 148 ff., 171 ff.; Schmidt-Salzer, Produkthaftung Bd. I Strafrecht 2. Aufl. Rn. 1.023 ff.), braucht aber nicht entschieden zu werden. Denn jedenfalls war hier auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen auch nach strafrechtlichen Grundsätzen eine zur Schadensabwendung verpflichtende Garantenstellung der Angeklagten gegeben. Diese Garantenstellung folgte aus vorangegangenem, pflichtwidrigen Gefährdungsverhalten (Ingerenz).
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Dabei bedarf es in diesem Zusammenhang keiner Stellungnahme zu der - insbesondere im Schrifttum - unterschiedlich beurteilten Frage nach Berechtigung, Grund und Voraussetzungen der strafrechtlichen Haftung aus vorangegangenem Tun (vgl. den Überblick bei Lackner, StGB 18. Aufl. § 13 Anm. 3 b aa). Anerkannt ist jedenfalls, daß derjenige, der durch pflichtwidriges Vorverhalten eine Gefahrenlage für Dritte geschaffen hat, verpflichtet ist, den dadurch drohenden Schaden abzuwenden; dies gilt mindestens dann, wenn das Vorverhalten die Gefahr des Schadenseintritts als naheliegend erscheinen läßt (Adäquanz) und die Pflichtwidrigkeit gerade in der Verletzung eines solchen Gebotes besteht, das dem Schutz des gefährdeten Rechtsguts zu dienen bestimmt ist (Pflichtwidrigkeitszusammenhang, vgl. BGHSt 34, 82; BGH NStZ 1987, 171; BGH, Urt. v. 9. Mai 1990 - 3 StR 112/90; Stree in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 13 Rn. 32 ff.; Rudolphi in SK-StGB 10. Lfg. § 13 Rn. 38 ff.; Jescheck in LK 10. Aufl. § 13 Rn. 30 ff.).
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Zumindest in diesem Rahmen besteht auch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Herstellung und den Vertrieb fehlerhafter Produkte. Wer dadurch, daß er solche Produkte in den Verkehr bringt, pflichtwidrig eine Gefahr für deren Verbraucher herbeiführt, muß prinzipiell dafür einstehen, daß sich diese Gefahr nicht in einem entsprechenden Schaden verwirklicht. Das gilt namentlich für die Herstellung und den Vertrieb von Konsumgütern, die derart beschaffen sind, daß deren bestimmungsgemäße Verwendung für die Verbraucher - entgegen ihren berechtigten Erwartungen - die Gefahr des Eintritts gesundheitlicher Schäden begründet; insoweit haftet nicht nur, wer den Schaden durch positives Tun verursacht (vgl. LG Aachen JZ 1971, 507, 514 ff . - Contergan; LG München II in Schmidt-Salzer, ES Produkthaftung 1982 Nr. IV.28 S. 330 - Monza Steel, ferner: BGH in Schmidt-Salzer a.a.O. Nr. IV.4 S. 171 - Zwischenstecker; LG Lüneburg in Schmidt-Salzer, ES Produkthaftung 1988 Nr. IV.3.7 - Spielzeugpistole), sondern auch derjenige, der die Abwendung des drohenden Schadens unterläßt (zum ganzen: Schmidt-Salzer, Produkthaftung Bd. 1 Strafrecht 2. Aufl. Rn. 1.319 ff .; Goll in Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch Bd. 1 § 45 Rn. 4ff., 9ff.; Brinkmann in Brendl, Produkt- und Produzentenhaftung Gruppe 11 S. 67 ff ., 71; Firgau in HWiStR, Artikel "Produkthaftung, strafbare"; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 15 Rn. 223). Dieser Rechtssatz liegt unausgesprochen auch einer neueren Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde; im entschiedenen Fall hat der erkennende Senat die Verurteilung eines Angeklagten wegen Körperverletzung bestätigt, der es als Geschäftsführer einer Großhandelsfirma der Lebensmittelbranche versäumt hatte, den Rückruf einer verdorbenen, bereits ausgelieferten Ware zu veranlassen, weshalb es bei einer Reihe von Konsumenten zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen gekommen war (BGH NStE Nr. 5 zu § 223 StGB - Mandelbienenstich; vgl. auch OLG Karlsruhe NJW 1981,1054 - Reifen, mit ablehnenden Anmerkungen von Scholl NJW 1981, 2737 und Schmidt-Salzer, ES Produkthaftung 1988 Nr. IV.2.17 [3]).
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Die Voraussetzungen einer solchen, zur Erfolgsabwendung verpflichtenden Garantenstellung hat die Strafkammer im vorliegenden Fall rechtsfehlerfrei festgestellt. Das gefahrbegründende Vorverhalten aller vier Angeklagten bestand darin, daß sie als Geschäftsführer der beteiligten Gesellschaften Ledersprays auf den Markt brachten, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch gesundheitliche Schäden bei den Benutzern zu verursachen drohten. Daß es sich um gesundheitsgefährdende Produkte handelte, die Gefährdung also in ihrer stofflichen Beschaffenheit selber begründet lag, ergibt sich aus den Erwägungen, die bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs zwischen Spraybenutzung und Schadenseintritt angestellt worden sind.
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Das hiernach gefahrbegründende Vorverhalten der Angeklagten war auch objektiv pflichtwidrig. Dies folgt bereits daraus, daß es die Rechtsordnung, wenn auch nicht ausnahmslos, so doch grundsätzlich verbietet, Gefahren zu schaffen, aus denen sich, greift niemand in den Lauf der Ereignisse ein, im weiteren Fortgang körperliche Schäden für Dritte entwickeln. Das gilt auch dort, wo sich keine besondere Gesetzesnorm nachweisen läßt, die solches Gefährdungsverhalten mit Sanktionen belegt, insbesondere den Verursacher strafrechtlich haftbar macht (grundlegend zum Verhältnis zwischen objektiver Pflichtwidrigkeit und Haftung: Münzberg, Verhalten und Erfolg als Grundlage der Rechtswidrigkeit und Haftung 1966 S. 72 ff., 92 ff.). Schon der generelle Schutz, den das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit genießt (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), bietet dafür die rechtliche Grundlage.
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Davon abgesehen folgt im zu entscheidenden Fall die objektive Pflichtwidrigkeit des gefahrbegründenden Vorverhaltens auch aus gesetzlichen Bestimmungen. Die Angeklagten haben den Vorschriften des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) zuwidergehandelt. Die in Rede stehenden Ledersprays waren Bedarfsgegenstände im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 7 a und b LMBG (Zipfel in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze L 52 § 5 LMBG Anm. 3 0). Nach § 30 Nr. 2 LMBG ist es verboten, "Gegenstände oder Mittel, die bei bestimmungsgemäßem ... Gebrauch geeignet sind, die Gesundheit durch ihre stoffliche Zusammensetzung ... zu schädigen, als Bedarfsgegenstände in den Verkehr zu bringen." Den Begriff des Inverkehrbringens, wie er in § 7 Abs. 1 LMBG gesetzlich umschrieben ist ("jedes Abgeben an andere"), erfüllt der Vertrieb eines Produkts auch auf dem Wege vom Produzenten und seiner Vertriebsorganisation zum Groß- und Einzelhandel (Zipfel a.a.O. § 7 LMBG Anm. VI A m.w.N.). Demgemäß verstieß der Vertrieb der gesundheitsgefährdenden Ledersprays gegen das in § 30 Nr. 2 LMBG normierte Verbot und begründete eben jene Gefahr, zu deren Vermeidung diese Bestimmung nach ihrer Überschrift ("Verbote zum Schutz der Gesundheit") wie auch nach dem Zweck des Gesetzes im ganzen zu dienen bestimmt ist (vgl. Meier DB 1985, 1220). Dabei ist unbeachtlich, daß die Angeklagten im vorliegenden Verfahren nicht (mehr) wegen dieses Verstoßes verfolgt werden.
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Die objektive Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens entfiel hier - wie die Strafkammer zu Recht ausgeführt hat - auch nicht unter dem Gesichtspunkt des "erlaubten Risikos" (vgl. hierzu Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 94); denn angesichts der Zahl der Schadensfälle handelte es sich bei den schadensursächlichen Ledersprays nicht bloß um sogenannte "Ausreißer", die, weil sie selbst bei der Fabrikation generell einwandfreier Massenerzeugnisse nicht ausnahmslos zu vermeiden sind, unter Umständen keine strafrechtliche Haftung begründen (Goll in Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch Bd. 1 § 45 Rn. 39; vgl. auch LG München II in Schmidt-Salzer, ES Produkthaftung 1982 Nr. IV.28 S. 321 - Monza Steel).
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War danach eine Garantenstellung der Angeklagten gegeben, so versagt demgegenüber der vom Beschwerdeführer S. erhobene Einwand, der Eindruck von der Gefährlichkeit der Ledersprays habe sich allenfalls nach der Geschäftsführerbesprechung vom 12. Mai 1981 derart gefestigt, daß der weitere Vertrieb dieser Produkte und ihre Belassung im Handel "sorgfaltswidrig" erscheinen konnte. Die objektive Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens setzt nicht voraus, daß der Handelnde bereits damit seine Sorgfaltspflichten verletzt, sich also fahrlässig verhalten hat (a.A. offenbar Schünemann ZStW 96, 287, 295, 308; wohl auch Jakobs, Strafrecht AT 29/45 S. 670). Insoweit genügt die rechtliche Mißbilligung des Gefährdungserfolgs. Darauf, ob das Verhalten dessen, der ihn herbeiführt, im Sinne persönlicher Schuld vorwerfbar ist, kommt es nicht an. Demgemäß begründet die Schaffung einer Gefahrenlage die zur Schadensabwendung verpflichtende Garantenstellung auch dann, wenn darin noch keine Sorgfaltswidrigkeit liegt; schuldhaft muß das pflichtwidrige Vorverhalten des Garanten nicht sein (statt aller: Stree in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 13 Rn. 38 m.w.N.).
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Dies bedeutet keine unzulässige Erweiterung seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Denn die Bejahung der Garantenstellung entscheidet noch nicht darüber, ob er sich strafbar gemacht hat, sondern rückt ihn zunächst nur in die Position des Normadressaten, an den sich das Verhaltensgebot des strafrechtlichen Tatbestands richtet. Daß dieses Verhaltensgebot hier eine Pflicht zum Handeln begründet, während es im Bereich der Begehungsdelikte das Unterlassen des verbotenen Tuns fordert, ändert nichts daran, daß er in beiden Fällen erst dann strafrechtlich haftbar wird, wenn er dem Verhaltensgebot schuldhaft nicht nachkommt.
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c) Aus der demgemäß zu bejahenden Garantenstellung ergab sich wie die Strafkammer zu Recht annimmt - hier die Verpflichtung zum Rückruf der bereits in den Handel gelangten, gesundheitsgefährdenden Ledersprays (zur Rückrufpflicht vgl. BGH NStE Nr. 5 zu § 223 StGB - Mandelbienenstich; LG München II a.a.O. - Monza Steel; Schmidt-Salzer, Produkthaftung Bd. 1 Strafrecht 2. Aufl. Rn. 1.370, 1.476; ders. NJW 1988, 1939, 1941 Fn. 32; Brinkmann in Brendl, Produkt- und Produzentenhaftung Gruppe 11 S. 70; Jakobs a.a.O.; Pfleiderer, Die Garantenstellung aus vorangegangenem Tun 1968 S. 133; aus zivilrechtlicher Sicht: Foerste in Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch Bd. 1 § 24 Rn. 233 ff. m.w.N.).
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Der gegenteiligen Auffassung von Schünemann, der eine strafrechtlich erhebliche Rückrufpflicht in Fällen dieser Art generell ablehnt (Schünemann, Unternehmenskriminalität und Strafrecht 1979 S. 99 ff.; ders. wistra 1982, 41, 44 f., ähnlich: Brammsen, Die Entstehungsvoraussetzungen der Garantenpflichten 1986 S. 274 f.; N. Schmid SchwZStR 105 (1988) S. 156, 167f.), kann nicht gefolgt werden (vgl. auch: Goll in Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch Bd. 1 § 45 Rn. 12 f.). Sie geht davon aus, daß es allein die Sachherrschaft über die gefahrbringenden Gegenstände sei, aus der sich die Garantenhaftung des Unternehmers ergebe; diese müsse deshalb entfallen, sobald die gefährliche Ware den Herrschaftsbereich des Unternehmers verlassen habe. Diese Ausgangserwägung trifft nicht zu; denn bei dem Inverkehrbringen gesundheitsgefährdender Artikel durch einen für den Verbraucher produzierenden Hersteller oder dessen Vertriebsorganisation bezieht sich die Verfügungsmacht der Verantwortlichen nicht nur auf die im Unternehmensbereich gleichsam "ruhende" Ware, sondern auch und vor allem auf den Weg des Produkts, das - seiner Zweckbestimmung entsprechend - in die Hände des Verbrauchers gelangen soll.
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Liegt gerade im Vertrieb gesundheitsgefährdender Konsumgüter die Pflichtwidrigkeit, so wäre es sachlich verfehlt, denjenigen, der dafür verantwortlich ist, von der strafrechtlichen Haftung für die Folgen seines Tuns freizustellen. Auch die Einzelbegründung, die Schünemann für seine Auffassung gibt, überzeugt nicht. Von einer "prinzipiellen Unbrauchbarkeit des Ingerenzansatzes" kann bei pflichtwidrig gefährdendem Vorverhalten die Rede nicht sein. Insbesondere trifft es nicht zu, daß die hier vertretene Auffassung zu "unsinnigen" Folgen führe, weil der neu in den Betrieb Eintretende mangels pflichtwidrigen Vorverhaltens nicht hafte, der ausgeschiedene "Pensionär" dagegen in der Garantenstellung verbleibe. Wer in den Betrieb eintritt, rückt regelmäßig durch Übernahme der Aufgaben in die Garantenstellung des Vorgängers ein, und die - aus fortbestehender Garantenstellung folgende Handlungspflicht des Ausgeschiedenen beschränkt sich naturgemäß darauf, was er als nunmehr Betriebsfremder noch zur Schadensabwendung beitragen kann. Der weitere Einwand, das Unternehmen besitze keinerlei Rechtsmacht zur Beeinflussung des Schicksals der bereits in den Verkehr gelangten Ware, schlägt deshalb nicht durch, weil es für die Anerkennung einer Rechtspflicht zur Schadensabwendung allein auf die tatsächlichen Möglichkeiten der Einflußnahme ankommt und in der Gestalt des - im Vertriebshandel nicht ungebräuchlichen - Rückrufs eine solche Möglichkeit ja gerade besteht. Unzutreffend ist schließlich auch die Behauptung, der Produzent nehme, wenn die Ware seinen Herrschaftsbereich erst einmal verlassen habe, zum drohenden Schadenseintritt keine andere Stellung ein als jeder unbeteiligte Dritte. Bei dieser zustandsfixierten Sicht gerät die Handlungsmöglichkeit und -verantwortung des Gefahrverursachers ganz aus dem Blickfeld. Produzent und Vertriebsorganisation haben den umfassendsten Überblick, da sich bei ihnen die Schadensmeldungen sammeln. Ein von ihnen ausgehender Rückruf hat im Vergleich zum Eingreifen Dritter eine größere Wirkungschance schon deshalb, weil Händler und Verbraucher bei ihnen am ehesten diejenige Sachkenntnis voraussetzen dürfen, die erforderlich ist, um die Fehlerhaftigkeit des Produkts zu beurteilen, das Ausmaß der drohenden Gefahr abzuschätzen und die richtige Auswahl der zu ihrer Beseitigung notwendigen Maßnahmen zu treffen. Auch darin unterscheidet sich die Stellung des verantwortlichen Produzenten oder seiner Vertriebsorganisation gegenüber den Abnehmern von derjenigen eines unbeteiligten Dritten.
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Die Bejahung des Rückrufgebots bedeutet - entgegen der von den Angeklagten vertretenen Ansicht - auch keine Überspannung der ihnen obliegenden Pflichten. Bei den betroffenen Ledersprays handelte es sich um Gegenstände des häuslichen Bedarfs, die massenweise hergestellt worden waren und von denen - wie die bisherige Schadensentwicklung gezeigt hatte eine ernstzunehmende Gefahr für die Gesundheit einer unbestimmten Zahl von Verbrauchern ausging. Wirksame Vorkehrungen zur Schadensverhütung waren deshalb geboten. Weniger einschneidende Maßnahmen als der Rückruf reichten nicht aus. Ergänzungen und Verbesserungen der den Dosen aufgedruckten Gebrauchs- und Warnhinweise genügten schon deshalb nicht, weil solche Maßnahmen die bereits in den Handel gelangten Produkte nicht mehr erfassen konnten. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob bei einer "strengeren", die Gefahren zutreffend aufzeigenden Fassung dieser Hinweise der Vertrieb der Ledersprays noch im Rahmen des rechtlich Zulässigen gelegen hätte. Der Rückruf vertrug auch keinen Aufschub. Daß chemisch-toxikologische Untersuchungen noch keine Klarheit über die eigentliche Ursache der gemeldeten Schadensfälle erbracht, namentlich nicht zur Entdeckung der schadensauslösenden Substanz geführt hatten, rechtfertigte ein weiteres Zuwarten nicht. Abzulehnen ist auch die vom Angeklagten S. vorgetragene Ansicht, eine Rückrufpflicht habe solange nicht bestanden, wie die Behörden, vor allem das Bundesgesundheitsamt, noch andere Vorkehrungen für ausreichend hielten. Die Aufgabe, in wirksamer Weise dafür zu sorgen, daß gesundheitsgefährdende Erzeugnisse, die in den Handel gelangt sind, keinen Schaden anrichten, obliegt - unabhängig davon, was die zuständigen Behörden für geboten erachten - den für Herstellung und Vertrieb dieser Produkte Verantwortlichen (vgl. BGH in Schmidt-Salzer, ES Produkthaftung 1988 Nr. IV.1.5 [2]).
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Schließlich durfte der zur Schadensabwendung erforderliche Rückruf nicht deshalb unterbleiben, weil eine solche Aktion Kosten verursacht, eventuell den Ruf (das "Image") der beteiligten Firmen beeinträchtigt und zu einem Absatzrückgang sowie zu Gewinneinbußen geführt hätte; bei einer Abwägung der in Rede stehenden Belange mußten wirtschaftliche Gesichtspunkte zurücktreten: dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschäden gebührte hier der Vorrang (vgl. Schmidt-Salzer, Produkthaftung Bd. 1 Strafrecht 2. Aufl. Rn. 1.332 f.; Goll in Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch Bd. 1 § 45 Rn. 22; Brinkmann in Brendl, Produkt- und Produzentenhaftung Gruppe 1 S. 70; OLG Karlsruhe NJW 1981, 1054 - Reifen).
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Anders mag die Rechtslage zu beurteilen sein, wenn den Verbrauchern bei Unterbleiben des Rückrufs nur geringfügige Nachteile drohen, der Rückruf jedoch für das Unternehmen mit schwerwiegenden, womöglich existenzgefährdenden Folgen verbunden wäre. Doch lag ein solcher Fall hier nicht vor. Auf der einen, Seite waren die Verbraucher der Gefahr ernsthafter, teilweise sogar lebensbedrohlicher Gesundheitsbeeinträchtigungen ausgesetzt. Auf der anderen Seite betrug der Anteil der Lederspray-Produkte am Gesamtumsatz der Firma W. u. M. GmbH nur etwa 6-8 %; auch ergibt sich aus den Feststellungen kein Anhalt dafür, daß der später tatsächlich vollzogene Rückruf das wirtschaftliche Fortbestehen der Firmengruppe in Frage gestellt hätte.
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d) Die Pflicht zum Rückruf oblag - jeweils zur gemeinschaftlichen Befolgung - den Geschäftsführern der drei Gesellschaften. Sie erstreckte sich allerdings, was auch berücksichtigt worden ist, nur bei den Angeklagten S. und Dr. Sch. (sowie den weiteren Geschäftsführern der Muttergesellschaft) auf alle gesundheitsgefährdenden Ledersprays, beschränkte sich dagegen bei dem Angeklagten W., seiner Geschäftsführerstellung entsprechend, auf Produkte der Marke " S. " und bei dem Angeklagten D. demgemäß auf Produkte der Marke "E.".
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Diese Pflichtenstellung jedes einzelnen Angeklagten erfuhr keine Einschränkung dadurch, daß die genannten Gesellschaften jeweils mehrere Geschäftsführer hatten und in der Firma W. u. M. GmbH jedem von ihnen ein besonderer Geschäftsbereich zugeteilt war: dem Angeklagten S. der Geschäftsbereich I (Chemie), dem früheren Mitangeklagten Br. der Geschäftsbereich II (Technik, Einkauf, Lager- und Speditionswesen), dem Angeklagten Dr. Sch. der Geschäftsbereich III (Verwaltung) und dem früheren Mitangeklagten Bo. der Geschäftsbereich IV (Absatzwesen). Im Prinzip bleibt eine Aufteilung der Geschäftsbereiche unter mehreren Geschäftsführern einer GmbH ohne Einfluß auf die Verantwortung jedes einzelnen für die Geschäftsführung insgesamt (allg. M., vgl. Scholz/Schneider, GmbHG 7. Aufl. § 37 Rn. 25; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG 2. Aufl. § 37 Rn. 43; Fischer/Lutter/Hommelhoff, GmbHG 12. Aufl. § 37 Rn. 28; Hachenburg/Mertens, GmbHG 7. Aufl. § 37 Rn. 10). Ob dieser gesellschaftsrechtliche Grundsatz, der für die Zurechnung zivilrechtlicher Haftungsfolgen maßgebend ist, auch über den Umfang der strafrechtlichen Pflichtenstellung entscheidet, kann freilich zweifelhaft sein. Doch braucht dieser Frage nicht weiter nachgegangen zu werden. Zwar knüpft die Pflichtenstellung des Geschäftsführers im allgemeinen an den von ihm betreuten Geschäfts- und Verantwortungsbereich an (vgl. dazu Schünemann, Unternehmenskriminalität und Strafrecht 1979 S. 107 f.; Schmidt-Salzer NJW 1988, 1937ff.; ders. Produkthaftung Bd. I Strafrecht 2. Aufl. Rn. 1.117 ff.; Goll in Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch Bd. 1 § 46 Rn. 5 ff.). Doch greift der Grundsatz der Generalverantwortung und Allzuständigkeit der Geschäftsleitung ein, wo - wie etwa in Krisen- und Ausnahmesituationen - aus besonderem Anlaß das Unternehmen als Ganzes betroffen ist; dann ist die Geschäftsführung insgesamt zum Handeln berufen (vgl. Schmidt-Salzer a.a.O. Rn. 1.160, 1.146 ff.; Goll a.a.O. Rn. 14 Fn. 15; Brinkmann in Brendl, Produkt- und Produzentenhaftung Gruppe 11 S. 74 f.). So verhält es sich gerade auch bei einer Häufung von Verbraucherbeschwerden über Schadensfälle durch Benutzung eines vom Unternehmen massenweise hergestellten und vertriebenen Serienprodukts, wenn zu entscheiden ist, welche Maßnahmen zu ergreifen sind und ob insbesondere ein Vertriebsstopp, eine Warn- oder eine Rückrufaktion stattfinden muß (Schmidt-Salzer a.a.O. Rn. 1.177; ders. NJW 1988, 1937, 1941). Diese Situation lag hier vor. Es handelte sich - wie die Strafkammer zutreffend ausführt - um die Bewältigung eines "ressortüberschreitenden" Problems, das in unterschiedlicher Weise alle vier Geschäftsbereiche der Muttergesellschaft wie auch die Vertriebsgesellschaften anging. So stellte sich dem Geschäftsbereich 1 die Frage, ob die chemische Zusammensetzung der beanstandeten Produkte zu ändern sei; im Geschäftsbereich II mußte geprüft werden, ob der Einkauf bestimmter, zur Herstellung verwendeter Stoffe fortgesetzt werden könne; der Geschäftsbereich III hatte sich über Art und Weise der Behandlung weiterer Verbraucherbeschwerden schlüssig zu werden; und im Geschäftsbereich IV war zu klären, wie es mit dem Absatz der Ledersprays (über die davon ebenfalls betroffenen Vertriebsgesellschaften) in Zukunft zu halten sei. Angesichts dieser "Allgegenwart" des Problems kam eine ressortinterne, mit den anderen Geschäftsbereichen nicht abgestimmte Lösung von vornherein nicht in Betracht. Gefordert war vielmehr ein Eingreifen der Geschäftsleitung, in deren Kompetenz auch die Entscheidung über den gebotenen Rückruf fiel.
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Was die Angeklagten W. und D. betrifft, so wurde ihre Pflichtenstellung nicht dadurch beseitigt, daß sie - wiewohl selbst Geschäftsführer der Vertriebsgesellschaften - dem früheren Mitangeklagten Bo., der als Geschäftsführer der Muttergesellschaft dem Geschäftsbereich IV (Absatzwesen) vorstand, untergeordnet waren. Auch eine unternehmensinterne Organisationsstruktur, die auf der Ebene der Geschäftsleitung gesellschaftsübergreifende Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnisse schafft, ändert grundsätzlich nichts an der mit der Geschäftsführerrolle verbundenen Verantwortung. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang auch, daß der Angeklagte S. innerhalb des Kreises der Geschäftsführer eine dominierende Stellung einnahm, so daß Entscheidungen gegen sein Votum praktisch ausgeschlossen erschienen. Umstände dieser Art schränken die rechtliche Verantwortlichkeit des einzelnen Geschäftsführers nicht ein (vgl. BGH NStE Nr. 5 zu § 223 StGB - Mandelbienenstich). Sie sind allenfalls für die Frage bedeutsam, ob dem jeweiligen Geschäftsführer das gebotene Handeln zumutbar war.
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e) Von der Pflicht zum Rückruf, die allen Geschäftsführern gemeinsam oblag, war allerdings das den einzelnen Geschäftsführer treffende Handlungsgebot zu unterscheiden.
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Diese Unterscheidung hat das Landgericht nicht getroffen. Bei der rechtlichen Würdigung führt die Strafkammer aus, für jeden der Angeklagten sei der Rückruf möglich und auch zumutbar gewesen. Zumutbar - so meint sie ferner - wäre es auch für jeden von ihnen gewesen, im Falle der Ablehnung einer solchen Aktion durch die anderen von sich aus in dieser Richtung tätig zu werden. Eventuelle betriebsinterne oder berufliche Nachteile hätten angesichts der den Verbrauchern drohenden schweren Gesundheitsschäden in Kauf genommen werden müssen. Tatsächlich wäre allen Angeklagten die Anordnung und Durchführung des Rückrufs möglich gewesen.
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Diese Beurteilung begegnet Bedenken. Denn sie läßt außer acht, daß innerhalb einer GmbH, die mehrere Geschäftsführer hat, grundsätzlich Gesamtgeschäftsführung besteht. Danach sind die Geschäftsführer nur gemeinschaftlich zu handeln befugt. Keiner von ihnen darf ohne Mitwirkung der anderen vorgehen. Maßnahmen der Geschäftsleitung sind von allen Geschäftsführern gemeinsam zu beschließen (allg. M., vgl. Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG 15. Aufl. § 37 Rn. 16; Scholz/Schneider, GmbHG 7. Aufl. § 37 Rn. 21; Rowedder/ Koppensteiner, GmbHG 2. Aufl. § 37 Rn. 16 f.; Fischer/Lutter/Hommelhoff, GmbHG 12. Aufl. § 37 Rn. 27). Dafür, daß hier durch Satzung oder Geschäftsordnung eine abweichende Regelung getroffen worden wäre, fehlt jeder Anhält; festgestellt ist vielmehr, daß Entscheidungen in der Geschäftsführung der Firma W. u. M. GmbH durch Mehrheitsbeschluß zu treffen waren, wobei im Falle der Überstimmung des Angeklagten S. die Entscheidung ausgesetzt werden mußte und der Stichentscheid des Aufsichtsratsvorsitzenden letztlich den Ausschlag gab. Einer Entscheidung der gesamten Geschäftsführung bedurfte es hiernach jedenfalls dann, wenn es sich - wie gerade bei einer Rückrufaktion - um eine ressortübergreifende, die Gesellschaft als ganzes betreffende Maßnahme handelte.
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War demgemäß - entgegen der vom Landgericht vertretenen Ansicht - der einzelne Geschäftsführer nicht berechtigt, aus eigener Machtvollkommenheit den in Rede stehenden Rückruf anzuordnen, so änderte dies zwar nichts am Fortbestand seiner umfassenden, zur Schadensabwendung verpflichtenden Garantenstellung; wohl aber erfuhren dadurch seine aus dieser Garantenstellung fließenden, konkreten Handlungspflichten eine Begrenzung. jeder war hiernach nur dazu verpflichtet, unter vollem Einsatz seiner Mitwirkungsrechte das ihm Mögliche und Zumutbare zu tun, um einen Beschluß der Gesamtgeschäftsführung über Anordnung und Vollzug des gebotenen Rückrufs zustandezubringen. Keiner der Angeklagten hat dieser Handlungspflicht genügt - sie alle haben das ihnen abzuverlangende Tun unterlassen.
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f) Diese Unterlassung war für den Eintritt der den Angeklagten zugerechneten Schadensfälle auch ursächlich, weshalb es sich auf das Ergebnis nicht auswirkt, daß die Strafkammer ihrer Beurteilung einen zu weiten Umfang des die Angeklagten treffenden Handlungsgebots zugrunde gelegt hat.
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Ursächlichkeit liegt bei den (unechten) Unterlassungsdelikten vor, wenn bei Vornähme der pflichtgemäßen Handlung der tatbestandsmäßige Schadenserfolg ausgeblieben wäre, dieser also entfiele, wenn jene hinzugedacht würde (st. Rspr., so in jüngster Zeit BGH StV 1984, 247 f.; BGH NStZ 1985, 26 f.; BGHR StGB § 13 Abs. 1 Brandstiftung 1; BGHR StGB vor § l/Kausalität, Pflichtwidrigkeit 2 m.w.N.; Lackner, StGB 18. Aufl. vor § 13 Anm. III 1 c bb; Dreher/Tröndle, StGB 44. Aufl. vor § 13 Rn. 20; Stree in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 13 Rn. 15). Der im Schrifttum weithin vertretenen Auffassung, es genüge bereits, daß die Vornähme der unterlassenen Handlung das Risiko des Erfolgseintritts (erheblich) vermindert hätte (dies entspricht der sog. Risikoerhöhungstheorie, vgl. Rudolphi in SK- StGB 10. Lfg. vor § 13 Rn. 15 f.; Jescheck in LK 10. Aufl. § 13 Rn. 16 ff.; Stratenwerth, Strafrecht AT I 3. Aufl. Rn. 224 ff.; Roxin ZStW 74, 411 ff.; für den Bereich der Produkthaftung: Goll in Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch Bd. 1 § 45 Rn. 50; Schünemann wistra 1982, 41, 45), ist die Rechtsprechung bisher nicht gefolgt. Soweit sie verlangt, daß durch die gebotene Handlung der Schadenserfolg "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" vermieden worden wäre (vgl. die Nachweise bei Jescheck a.a.O. Rn. 18), ist damit nicht gemeint, daß der Zusammenhang zwischen Ursache und Erfolg hier weniger eng zu sein brauche, als er sonst - bei der Ursächlichkeit positiven Tuns - vorausgesetzt wird; vielmehr liegt darin nur die überkommene Beschreibung des für die richterliche Überzeugung erforderlichen Beweismaßes.
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Nach diesen Grundsätzen ist hier die Bejahung des Ursachenzusammenhangs im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Frage der Ursächlichkeit stellte sich im vorliegenden Fall auf drei verschiedenen Stufen. Auf der ersten Stufe war zu entscheiden, ob die gebotene Rückrufaktion überhaupt zustandegekommen wäre, auf der zweiten, ob sie den jeweils zwischengeschalteten Händler rechtzeitig erreicht hätte, und auf der dritten, ob dieser den Rückruf beachtet, das schadensauslösende Lederspray also nicht dem Verbraucher ausgefolgt hätte, so daß dessen gesundheitliche Schädigung unterblieben wäre.
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aa) Den (hypothetischen) Ursachenzusammenhang der zweiten und dritten Stufe hat die Strafkammer ohne Rechtsfehler dargelegt. Ihre dafür gegebene Begründung liegt ausschließlich auf dem Gebiet der Tatsachenfeststellung und der sie tragenden Beweiswürdigung, mithin in einem Bereich, der einer umfassenden Richtigkeitskontrolle des Revisionsgerichts nicht zugänglich ist. Das gilt insbesondere für die Feststellung des Zeitbedarfs, der für die Durchführung der Rückrufaktion zu veranschlagen ist, wie auch für die Beurteilung des hypothetischen Verhaltens der daran Beteiligten und davon Betroffenen. Daß die Beweisbarkeit des hypothetischen Ursachenzusammenhangs zwischen Rückruf und Schadensabwendung - allgemein gesehen - skeptisch beurteilt wird (vgl. Schmidt-Salzer, Produkthaftung Bd. I Strafrecht 2. Aufl. Rn. 1.482 ff.; Kuhlen, Fragen einer strafrechtlichen Produkthaftung 1989 S. 56 Fn. 121), ist demgegenüber ohne Belang, da es nur auf die tatrichterliche Beweiswürdigung im hier zu entscheidenden Falle ankommen kann. Insoweit decken aber die Revisionen rechtliche Mängel nicht auf. Die in dieser Richtung erhobenen Rügen sind, ohne daß dies Anlaß zu weiteren Ausführungen gäbe, ausnahmslos unbegründet. Rechtlich bedeutungslos ist es insbesondere, ob die von den Schadensfällen betroffenen Verbraucher, wenn sie die hier in Rede stehenden Ledersprays nicht erworben hätten, durch Benutzung anderweit gekaufter Artikel derselben Art auch zu Schaden gekommen wären (BGH in Schmidt-Salzer, ES Produkthaftung 1982 Nr. IV.4 S. 171 - Zwischenstecker; Kuhlen a.a.O. S. 36).
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Die zu weite Bestimmung des Handlungsgebots, das - entgegen der Wertung des Landgerichts - nicht den Rückruf selbst, sondern nur das Eintreten für eine entsprechende Entscheidung der Geschäftsführung zum Gegenstand hatte, läßt den Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und den Schadensfällen unberührt. Zwar wäre bei richtiger Bestimmung des Umfangs der Handlungspflicht innerhalb des hypothetischen Geschehensablaufs zusätzlich die Zeitspanne zu berücksichtigen, die für die Einberufung der Geschäftsführersitzung zu veranschlagen ist. Doch hätte sich dadurch nichts an der Vermeidbarkeit auch des frühesten der zugerechneten Schadensfälle geändert (wird ausgeführt).
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bb) Der (hypothetische) Ursachenzusammenhang der ersten Stufe ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ebenfalls zu bejahen. Allerdings muß auch insoweit berücksichtigt werden, daß - wie bereits dargelegt - die Handlungspflicht jedes einzelnen Angeklagten sich darauf beschränkte, alles ihm Mögliche und Zumutbare zu tun, um einen Beschluß der Gesamtgeschäftsführung über Anordnung und Vollzug des gebotenen Rückrufs zustandezubringen. Demgemäß ist entscheidend, ob die Erfüllung dieser Handlungspflicht dazu geführt hätte, daß ein solcher Beschluß gefaßt worden wäre. Wird diese Frage für jeden der Angeklagten gesondert gestellt, so kann ihre Beantwortung deshalb zweifelhaft sein, weil nicht auszuschließen ist, daß jeder der Geschäftsführer mit dem Versuch, die erforderliche Entscheidung herbeizuführen, am Widerstand der übrigen, den Rückruf ablehnenden Geschäftsführer gescheitert wäre. Doch läßt dies seine strafrechtliche Haftung gleichwohl bestehen.
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cc) Für den Bereich des Schuldvorwurfs der gefährlichen Körperverletzung gilt das schon deshalb, weil die vier Angeklagten zusammen mit den früheren Mitangeklagten Br. und Bo. insoweit Mittäter waren, so daß sich jeder von ihnen die Unterlassungsbeiträge aller anderen zurechnen lassen muß und mithin für das Unterbleiben des gebotenen Rückrufs insgesamt haftet.
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Mittäterschaft ist auch bei den (unechten) Unterlassungsdelikten möglich (RGSt 66, 71 [74]; Dreher/Tröndle, StGB 44. Aufl. § 25 Rn. 7a; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. 25 Rn. 79; Roxin in LK 10. Aufl. § 25 Rn. 154; Jescheck, Strafrecht AT 4. Aufl. S. 617 f.). Sie liegt unter anderem vor, wenn mehrere Garanten, die eine ihnen gemeinsam obliegende Pflicht nur gemeinsam erfüllen können, gemeinschaftlich den Entschluß fassen, dies nicht zu tun (Jescheck in LK 10. Aufl. § 13 Rn. 58).
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So verhielt es sich hier. Bei der Sondersitzung der Geschäftsführung vom 12. Mai 198 1, an der sämtliche Geschäftsführer der Firma W. u. M. GmbH, darunter auch die Angeklagten S. und Dr. Sch., teilnahmen, trafen die Beteiligten einstimmig die Entscheidung, von einem umfassenden Rückruf abzusehen. Darin lag der gemeinschaftlich gefaßte Entschluß, die ihnen gemeinsam obliegende Schadensabwendungspflicht nicht zu erfüllen. Das begründete für die daran Beteiligten die Gemeinschaftlichkeit der Unterlassung und folglich Mittäterschaft.
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In den Kreis der Mittäter traten aber darüber hinaus auch die Angeklagten W. und D. ein, wiewohl sie nicht Geschäftsführer der Muttergesellschaft waren und ihre Anwesenheit bei der genannten Sondersitzung nicht feststeht. Denn sie wurden (jedenfalls) im Anschluß an diese Sitzung über die dort getroffene Entscheidung umfassend informiert, billigten sie und machten sie sich jeweils für ihren Verantwortungsbereich auch zu eigen. Dadurch wurden sie Mittäter. Dem steht nicht entgegen, daß die Entscheidung gegen den Rückruf bereits in der Geschäftsführersitzung der Muttergesellschaft gefallen war, sie diese Entscheidung also nur noch nachträglich guthießen und für ihren Geschäftsbereich übernahmen. Denn zur Begründung der Mittäterschaft bedarf es nicht einer vorherigen Verabredung; vielmehr genügt auch ein erst während der Tat entstandenes Einverständnis (Roxin in LK 10. Aufl. § 25 Rn. 119 m.w.N.). Mit ihrer Billigung schlossen sich die Angeklagten W. und D. aber dem einstimmigen Votum derer an, die nicht nur in der Muttergesellschaft, sondern - neben ihnen selbst - sämtlich zugleich in den beiden Vertriebsgesellschaften Geschäftsführer waren. Auf diese Weise leisteten sie den notwendigen Beitrag dazu, daß auch im Kreise der Geschäftsführer beider Vertriebsgesellschaften ein durch ihre Billigung "komplettiertes" - Einverständnis darüber erzielt wurde, keine Rückrufaktion anzuordnen. Dies geschah auch zu einem Zeitpunkt, als die den Angeklagten als gefährliche Körperverletzung zugerechneten Schadensfälle noch ausstanden, die Tat also noch nicht vollendet war.
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dd) Auch in den Fällen, die das Landgericht den Angeklagten als fahrlässige Körperverletzungen zurechnet, haftet jeder von ihnen für das Unterbleiben des gebotenen Rückrufs. Daran ändert es nichts, daß er hierzu lediglich einen Tellbeitrag leistete, der darin bestand, nicht für den zur Schadensabwendung erforderlichen Rückrufbeschluß eingetreten zu sein. Denn sein Teilbeitrag war dafür - im Zusammenwirken mit den Teilbeiträgen der anderen Geschäftsführer - ursächlich. An dieser Ursächlichkeit fehlt es nicht etwa deshalb, weil, wie dies bereits dargelegt worden ist, sein pflichtgemäßes Bemühen, eine Rückrufentscheidung der Gesamtgeschäftsführung zustandezubringen, möglicherweise bei den anderen Geschäftsführern auf Ablehnung gestoßen und mithin gescheitert wäre.
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Im Bereich der strafrechtlichen Handlungsverantwortlichkeit ist nicht zweifelhaft, daß, wo mehrere Beteiligte unabhängig voneinander den tatbestandsmäßigen Erfolg erst durch die Gesamtheit ihrer Handlungsbeiträge herbeiführen, jeder ein zelne Beitrag im haftungsbegründenden Sinne ursächlich ist (vgl. Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. Vorbem. § 13 ff. Rn. 83; Rudolphi in SK-StGB 7. Lfg. vor § 1 Rn. 51a; Jescheck, Strafrecht AT 4. Aufl. S. 253; Jakobs, Strafrecht AT 7/20 S. 160; Maurach/Zipf, Strafrecht AT Teilbd. 1, 7. Aufl. S. 250 Rn. 56). Dagegen spricht nicht, daß - wie die Verteidigung des Angeklagten S. in der Revisionsverhandlung geltend gemacht hat bei Vorsatztaten in solchem Falle jeder lediglich wegen Versuchs bestraft werden kann. Denn so verhält es sich nur, wenn der Tatbeitrag des anderen für ihn eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf darstellt (Lenckner a.a.O.), beruht also gegebenenfalls nicht etwa darauf, a es am Ursachenzusammenhang fehlen würde, sondern hat seinen Grund darin, daß der tatsächliche Kausalverlauf nicht mehr vom Vorsatz gedeckt ist (vgl. Lackner, StGB 18. Aufl. § 15 Anm. 112 a cc).
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Was aber hiernach für die Handlungsverantwortlichkeit gilt, muß ebenso auch im Bereich der strafrechtlichen Haftung für Unterlassungen gelten. Kann die zur Schadensabwendung gebotene Maßnahme, hier der von der Geschäftsführung zu beschließende Rückruf, nur durch das Zusammenwirken mehrerer Beteiligter zustandekommen, so setzt jeder, der es trotz seiner Mitwirkungskompetenz unterläßt, seinen Beitrag dazu zu leisten, eine Ursache dafür, daß die gebotene Maßnahme unterbleibt; innerhalb dieses Rahmens haftet er für die sich daraus ergebenden tatbestandsmäßigen Folgen (so bereits Engisch, Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände 1931 S. 30 f.). Dabei kann er sich nicht damit entlasten, daß sein Bemühen, die gebotene Kollegialentscheidung herbeizuführen, erfolglos geblieben wäre, weil ihn die anderen Beteiligten im Streitfalle überstimmt hätten. Von seiner strafrechtlichen Mitverantwortung wäre er nur befreit, wenn er alles ihm Mögliche und Zumutbare getan hätte, um den gebotenen Beschluß zu erwirken (ähnlich, wenngleich für den Bereich der Handlungsverantwortlichkeit: BGHSt 9, 203 [215 f.]; vgl. auch OLG Stuttgart NStZ 1981, 27f.; Schmidt-Salzer, Produkthaftung Bd. 1 Strafrecht 2. Aufl. Rn. 1.278; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 15 Rn. 223). Dies traf aber auf die Angeklagten nicht zu; keiner von ihnen hat - wie festgestellt ist - überhaupt eine Initiative zur Herbeiführung des Rückrufbeschlusses ergriffen, so daß sich die Frage erübrigt, welche Schritte dem einzelnen Geschäftsführer möglich, zumutbar und daher abzuverlangen gewesen wären.
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Demgemäß muß jeder der Angeklagten für das Unterbleiben des Rückrufs und die dadurch verursachten Schadensfolgen strafrechtlich einstehen. Nur dieses Ergebnis wird der gemeinsamen und gleichstufigen Verantwortung der Geschäftsführer gerecht. Fiele es anders aus, so bedeutete dies, daß sich - von Fällen mittäterschaftlichen Unterlassens abgesehen - in einer GmbH mit mehreren Geschäftsführern jeder von seiner Haftung allein durch den Hinweis auf die gleichartige und ebenso pflichtwidrige Untätigkeit der anderen freizeichnen könnte. Damit bliebe in diesem Bereich für die strafrechtliche Zurechnung tatbestandsmäßiger Schadensfolgen kein Raum - sie wäre stets und in jedem Falle unmöglich. Daß dies nicht rechtens sein kann, liegt auf der Hand.
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g) Frei von Rechtsfehlern ist die Bewertung der Schadensfälle als Körperverletzungen wie auch die Annahme, daß im zweiten Tatkomplex, dessen Beginn durch die Geschäftsführersitzung vom 12. Mai 1981 markiert wird, der objektive Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung in der Form einer das Leben gefährdenden Behandlung vorliegt (5 223a StGB). Gleiches gilt r die in Anbetracht des festgestellten Kenntnisstandes der Angeklagten berechtigte Bejahung der Fahrlässigkeit wie auch des bedingten Vorsatzes in den jeweils betroffenen Fällen. Schließlich enthält auch die Wertung, daß den Angeklagten im zweiten Tatkomplex lediglich ein vermeidbarer Gebotsirrtum zugute zu halten sei (vgl. BGHSt 15, 155; 19, 295; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 15 Rn. 95 f.), keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten, ohne daß dies besonderer Begründung bedürfte.
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a) Das gilt allerdings nicht, soweit die Strafkammer bei den Angeklagten S., Dr. Sch. und W. im Verhältnis zwischen den fahrlässigen Körperverletzungen und der gefährlichen Körperverletzung Tatmehrheit angenommen hat. Dadurch sind diese Angeklagten nicht beschwert. Das Landgericht hat sie wegen der fahrlässigen Körperverletzungen zu Gesamtgeldstrafen und wegen der gefährlichen Körperverletzung zu Freiheitsstrafen verurteilt. Hätte es bei jedem von ihnen das gesamte Verhalten als eine Tat gewertet, so wäre zwar die Geldstrafe weggefallen; doch hätte sich auf der Grundlage der nicht zu bemängelnden Strafzumessungserwägungen gleichzeitig die Freiheitsstrafe erhöht, weil es geboten gewesen wäre, bei ihrer Bemessung auch die in den Fahrlässigkeitsfällen enthaltene Tatschuld in Anschlag zu bringen. Dieses Ergebnis wäre im Vergleich zu den tatsächlich verhängten Sanktionen das für die Angeklagten ungünstigere, da nach der hierfür allein maßgebenden rechtlichen Wertung Freiheitsstrafe gegenüber Geldstrafe in jedem Falle das schwerere Strafübel darstellt (BGH bei Dallinger MDR 1977, 109; BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 1; BayObLG MDR 1975, 161).
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b) Anders verhält es sich dagegen insoweit, als das Landgericht die Angeklagten lediglich zu Gesamtgeldstrafen verurteilt hat. Die dem zugrunde liegende Annahme von Tatmehrheit hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
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aa) Im Bereich derjenigen Fälle, die den Angeklagten S., Dr. Sch. und W. als fahrlässige Körperverletzungen zugerechnet werden, wertet die Strafkammer die Verursachung jedes einzelnen Schadensfalls als rechtlich selbständige Tat. Denn jeder der Vorfälle sei auf eine selbständige Unterlassung der Angeklagten zurückzuführen. Durch jeden neuen Schadensfall seien sie auf die von den Ledersprays ausgehenden Gefahren hingewiesen und zu Überlegungen veranlaßt worden, wie man den Eintritt weiterer Schäden verhindern könne. Nach jedem gemeldeten Fall seien sie pflichtwidrig untätig geblieben, so daß jeder spätere Schadensfall auf einer besonderen Pflichtverletzung beruhe, die mithin auch jeweils eine neue, selbständige Tat darstelle.
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Dem kann nicht gefolgt werden. jeder Angeklagte hat nur eine fahrlässige Körperverletzung begangen; denn alle ihm insoweit zugerechneten Schadensfälle sind durch ein- und dieselbe Unterlassung verursacht (vgl. RGSt 76, 140 [143]; BGH NJW 1985, 1719 f.). Wann der Eintritt mehrerer Schadensfälle auf derselben Unterlassung beruht (vgl. BGH, Beschl. v. 14. August 1970 - 2 StR 299/76; Dreher/Tröndle, StGB 44. Aufl. vor § 52 Rn. 6), beurteilt sich nach Maßgabe des zur Pflichterfüllung und damit zur Schadensabwendung gebotenen Tuns; stellt sich dies Tun als nur eine, pflichtwidrig unterlassene Handlung dar, so liegt auch nur eine Unterlassungstat vor (BGHSt 18 ,376 [379]; Lackner, StGB 18. Aufl. § 52 Anm. 3 c; Stree in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 28; Samson in SK-StGB 9. Lfg. § 52 Rn. 8; ähnlich: Vogler in LK 10. Aufl. vor § 52 Rn. 40).
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So verhielt es sich hier. Hätten sich die Angeklagten pflichtgemäß zum jeweils frühesten, für sie maßgeblichen Zeitpunkt mit Erfolg, für die erforderliche Rückrufaktion eingesetzt, so wären sämtliche Schadensfälle, also nicht nur der erste, sondern ebenso auch alle folgenden vermieden worden.
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Die Nämlichkeit der gebotenen Handlung wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Angeklagten durch die Meldung des jeweils nächsten Schadensfalles stets von neuem an ihre Pflichtenstellung gemahnt wurden. Allerdings unterscheiden sich die zu den verschiedenen Zeitpunkten gebotenen Handlungen darin, daß nur die erste sämtliche Schadensfälle, jede spätere dagegen lediglich die weiteren Schadensfälle verhindert hätte. Bei einem Vergleich der zu den verschiedenen Zeitpunkten "fälligen" Handlungen ergibt sich jedoch, daß sie nicht nur im jeweils gebotenen Tun, nämlich der Herbeiführung des Rückrufs, übereingestimmt hätten, sondern darüber hinaus auch, was den Erfolg der Schadensvermeidung anging, jedenfalls in einem Punkte zusammengetroffen wären; denn jede von ihnen hätte zumindest den letzten Schadensfall abgewendet. Bereits das teilweise Zusammentreffen der gebotenen Handlungen im Erfolg der Schadensabwendung reicht aber aus, um auf der Ebene des Gebotenen diejenige Einheit zu vermitteln, die spiegelbildlich - auf der Ebene des wirklichen Geschehensablaufs die Annahme tateinheitlichen Unterlassens rechtfertigt. Ebenso wie bei den Begehungsdelikten schon eine. bloß teilweise Überschneidung der Ausführungshandlungen Tateinheit herstellt, wird bei den Unterlassungsdelikten Tateinheit dadurch begründet, daß die gebotenen Handlungen teilweise denselben tatbestandsmäßigen Schadenserfolg verhindert hätten (vgl. Struensee, Die Konkurrenz bei Unterlassungsdelikten 1971 S. 72 f., 46 ff .; a.A. RGSt 16, 290).
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bb) Bei dem Angeklagten D. ist zu beachten, daß die fahrlässige Körperverletzung auch mit der gefährlichen Körperverletzung im Verhältnis der Tateinheit steht. Das Handlungsgebot, das die Herbeiführung des zur Schadensabwendung erforderlichen Rückrufs zum Gegenstand hatte, blieb während des gesamten Tatzeitraums unverändert bestehen. Es reichte auch über die Sondersitzung der Geschäftsführung vom 12. Mai 1981 hinaus. Daß dem Angeklagten für die Zeit davor eine fahrlässige, für die Zeit danach jedoch eine vorsätzliche (gefährliche) Körperverletzung zur Last liegt, betrifft nur die Art, wie er dies Handlungsgebot verletzte. Hätte er zum ersten, für ihn maßgeblichen Zeitpunkt seiner Pflicht zum Handeln genügt, so wären die weiteren Schadensfälle, auch soweit sie den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung begründen, vermieden worden. Damit aber treffen fahrlässige und gefährliche Körperverletzung tateinheitlich zusammen.
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cc) Kein Rechtsfehler ist dagegen darin zu sehen, daß die Strafkammer, die zutreffend sämtliche Schadensfälle der gefährlichen Körperverletzung als eine Tat wertet, dabei auch dielenigen Fälle einbezogen hat, in denen der Tatbestand durch positives Tun verwirklicht worden ist; sie bilden mit den entsprechenden Unterlassungsfällen eine natürliche Handlungseinheit.
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