Das Zusammenwirken des Täters einer Körperverletzung mit einem Gehilfen kann zur Erfüllung des Qualifikationstatbestands der "mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich" begangenen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) ausreichen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der am Tatort anwesende Gehilfe die Wirkung der Körperverletzungshandlung des Täters bewußt in einer Weise verstärkt, welche die Lage des Verletzten zu verschlechtern geeignet ist.
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StGB § 224 Abs. 1 Nr. 4
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5. Strafsenat
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Urteil
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vom 3. September 2002 g.Z. u.a.
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- 5 StR 210/02 -
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Landgericht Neuruppin
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Aus den Gründen:
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Das Schwurgericht hat den Angeklagten L. wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung, die Angeklagten S. und Z. jeweils wegen Beihilfe zur Körperverletzung verurteilt.
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1. Das Schwurgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
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Am 26. Mai 2001 suchte der Angeklagte L. Streit mit dem in einer Gruppe Jugendlicher vor einer Diskothek stehenden Zeugen St. Er hatte bemerkt, daß St. den anderen Jugendlichen demonstrativ L.'s beschädigtes Auto gezeigt hatte, das er als Fahrzeug eines Unfallflüchtigen identifiziert hatte. L. begab sich in die Diskothek und bat dort die Mitangeklagten S. und Z., ihn bei einer Auseinandersetzung zu unterstützen. Beide folgten ihm, um ihn zumindest durch ihre Anwesenheit zu stärken. Sie hielten sich anschließend stets in unmittelbarer Nähe L.'s auf.
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L. ging zunächst auf St. los, den er anpöbelte und bedrängte. Als sich der Geschädigte H., um zu schlichten, dazwischenstellte, versetzte ihm L. einen heftigen Faustschlag ins Gesicht. H. ging zu Boden, rappelte sich jedoch wieder auf und ging erneut auf L. zu.
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Daraufhin wandten sich alle drei Angeklagten dem Zeugen H. zu. Es entwickelte sich ein Gerangel, bei dem H., der gegen die Motorhaube eines geparkten Fahrzeugs gestoßen wurde, schließlich erneut zu Boden stürzte. Bei gewalttätigen Einwirkungen wurde H. vorsätzlich von L. oder mit dessen Billigung von beiden Mitangeklagten oder von einem von ihnen erneut im Gesicht sowie am rechten Unterarm verletzt.
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H. sind, wahrscheinlich am Schluß der Auseinandersetzung, als er erneut zu Boden gegangen war, sieben Messerstiche in den Rücken versetzt worden. Als H. am Boden lag, wandten sich L. und auf dessen Kommando auch die beiden anderen Angeklagten abrupt von ihm ab und entfernten sich. Das Tatmesser wurde nicht gefunden. Die Stichverletzungen waren nicht lebensgefährlich. Wer von den Angeklagten H. die Messerstiche beigebracht hatte, konnte das Schwurgericht nicht klären. Es nimmt zugunsten eines jeden Angeklagten an, daß er einen Messereinsatz eines der anderen weder vorhergesehen noch gebilligt habe.
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2. Die Beweiswürdigung des Schwurgerichts und die hieraus folgende Nichtzurechnung der Messerstiche, deren Zufügung zugunsten eines jeden Angeklagten als möglicher Exzeß eines der anderen Beteiligten gewertet wurde, ist aus Rechtsgründen noch nicht zu beanstanden.
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3. Vor dem Hintergrund der ebenfalls rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, wonach aktive Körperverletzungshandlungen der Angeklagten S. und Z. für keine Phase des Tatgeschehens sicher nachgewiesen worden sind, ist die Wertung des Tatgerichts, diese Angeklagten mangels eigenen Tatinteresses und mangels Tatherrschaft aufgrund ihrer Unterordnung unter den Angeklagten L. nicht als Mittäter, sondern als Gehilfen anzusehen, vom Revisionsgericht aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zwar wäre auch ohne Feststellung eigener Körperverletzungshandlungen nicht ausgeschlossen gewesen, die Angeklagten Z. und S. als Mittäter der Körperverletzung anzusehen, weil sie die vom Angeklagten L. ausgeübte Zwangswirkung bewußt verstärkten (vgl. BGH GA 1986, 229; NStZ 1984, 328, 329). Dies war hier indes nicht zwingend. Aufgrund der Struktur des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB hierfür einen grundsätzlich erweiterten Anwendungsbereich für die Mittäterschaft zu eröffnen, ist wegen der Erfassung des Zusammenwirkens eines Täters mit einem Gehilfen durch diesen Qualifikationstatbestand (vgl. unten 4) nicht geboten. Es gilt daher auch hier uneingeschränkt, daß die tatrichterliche Wertung bei der Abgrenzung zwischen (Mit-)Täterschaft und Beihilfe vom Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen ist (vgl. BGH StV 1998, 540 m.w.N.).
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4. Zutreffend beanstandet die Staatsanwaltschaft indes, daß bei sämtlichen Angeklagten ein Schuldspruch lediglich wegen (einfacher vorsätzlicher) Körperverletzung und nicht wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB ergangen ist. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte L. die Körperverletzung mit anderen Beteiligten, den Angeklagten S. und Z., gemeinschaftlich begangen, zu dieser qualifizierten Körperverletzung haben die Angeklagten S. und Z. ihm vorsätzlich Hilfe geleistet.
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Nach der Fassung bis Inkrafttreten des Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts vom 26. Januar 1998 (BGBl I 164) verlangte § 223 a StGB aF für diese Tatbestandsvariante noch, daß die Körperverletzung "von mehreren gemeinschaftlich begangen" werde. Nach der Neufassung bezieht der Qualifikationstatbestand - trotz des an die Regelung für die Mittäterschaft in § 25 Abs. 2 StGB anknüpfenden, daher etwas mißverständlichen Wortlauts "gemeinschaftlich begeht" - durch den eindeutigen Zusatz "mit einem anderen Beteiligten", wie aus der Definition in § 28 Abs. 2 StGB zu entnehmen ist, neben einem weiteren (Mit-)Täter den Teilnehmer und damit (§ 28 Abs. 1 StGB) auch den Gehilfen ausdrücklich ein. Der Gesetzeswortlaut steht daher einer Auslegung nicht entgegen, wonach das gemeinsame Wirken eines Täters und eines Gehilfen bei Begehung einer Körperverletzung zur Erfüllung der Qualifikation des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB ausreicht (h.M.; vgl. - jeweils m.w.N. - Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 224 Rdn. 11; Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 224 Rdn. 11; Lilie in LK 11. Aufl. § 224 Rdn. 33 bis 35; Rengier ZStW 111, 1, 9 f.; C. Jäger JuS 2000, 31, 35 f.; vgl. bereits Küper GA 1997, 301; a.A. Horn in SK-StGB, 7. Aufl. § 224 Rdn. 25; Schroth NJW 1998, 2861; Renzikowski NStZ 1999, 377, 382; noch offengelassen von BGH, Beschl. vom 5. April 2000 - 3 StR 95/00; vgl. auch zum Gefährlichkeitspotenzial einer Bande durch das Mitwirken eines Gehilfen: BGHSt 47, 214). Sinn und Zweck des Qualifikationstatbestands des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB gebieten die Einbeziehung des Zusammenwirkens von Täter und Gehilfen, soweit durch ein solches Zusammenwirken, nicht anders als durch mittäterschaftliche Begehung, eine verstärkte Gefährlichkeit der Körperverletzung für das Opfer begründet wird.
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Eine gemeinschaftliche Begehung in dieser gegenüber mittäterschaftlichem Handeln schwächeren Beteiligungsform ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der am Tatort anwesende Gehilfe die Wirkung der Körperverletzungshandlung des Täters bewußt in einer Weise verstärkt, welche die Lage des Verletzten zu verschlechtern geeignet ist. Dies wird bei dieser Form der Beteiligung regelmäßig vor allem - wie auch offensichtlich hier - durch eine Schwächung der Abwehrmöglichkeiten verwirklicht, wenn das Opfer durch die Präsenz mehrerer Personen auf der Verletzerseite insbesondere auch wegen des erwarteten Eingreifens des oder der anderen Beteiligten in seinen Chancen beeinträchtigt wird, dem Täter der Körperverletzung Gegenwehr zu leisten, ihm auszuweichen oder zu flüchten. Mit einer derartigen Begehung wird eine erhöhte Gefährlichkeit der Körperverletzung begründet, wie sie für die Qualifikation nach § 224 Abs. 1 StGB kennzeichnend ist. Würde § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB seinem Wortlaut nach diese Form des Zusammenwirkens nicht erfassen - was indes im Blick auf die ausdrückliche Erwähnung des "Beteiligten" nicht der Fall ist -, müßte bei diesem Qualifikationstatbestand weit eher als nach allgemeinen Abgrenzungskriterien üblich die Annahme von Mittäterschaft erwogen werden, um den Unrechtsgehalt erschöpfend würdigen zu können.
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Inwieweit andere Erscheinungsformen des Zusammenwirkens eines Täters mit einem Gehilfen oder auch einem Anstifter ebenfalls die Voraussetzungen des Qualifikationstatbestands des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB erfüllen, insbesondere inwieweit ein Zusammenwirken am Tatort erforderlich ist, bedarf im vorliegenden Fall ebensowenig der Entscheidung wie die Frage, inwieweit bei bestimmten Erscheinungsformen mittäterschaftlichen Zusammenwirkens, insbesondere ohne gleichzeitige Präsenz am Tatort, dieser Qualifikationstatbestand ausnahmsweise nicht erfüllt sein kann (vgl. BGHR StGB § 223 a Abs. 1 aF gemeinschaftlich 2).
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