Beschluß
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des Zweiten Senats vom 25. März 1966
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-- 2 BvF 1/65 --
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in dem Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 1 des Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1965 vom 18. März 1965 (BGBl. II S. 193), soweit durch diese Bestimmung im Einzelplan 06 Kapitel 02 Titel 612 ein Betrag von 38 Millionen DM für die Aufgaben der Parteien nach Artikel 21 GG bereitgestellt wird, Antragsteller: Die Regierung des Landes Hessen, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Wiesbaden (Antrag vom 10. Mai 1965 - 1 k 40/05 a) - Bevollmächtigter: Rechtsanwalt..., hier: Selbstablehnung des Richters Dr. Leibholz.
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Entscheidungsformel:
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Die Selbstablehnung des Richters Dr. Leibholz wird für begründet erklärt.
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Gründe:
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I.
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1. Die Regierung des Landes Hessen hat im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG beantragt festzustellen, daß § 1 des Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1965 vom 18. März 1965 (BGBl. II S. 193) gegen die Art. 30, Art. 21 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1 Satz 2, Art. 21 Abs. 1 Satz 3 und Art. 3 Abs. 1 GG verstoße und nichtig sei, soweit durch diese Bestimmung im Einzelplan 06 Kapitel 02 Titel 612 ein Betrag von 38 Millionen DM für die Aufgaben der Parteien nach Art. 21 GG bereitgestellt werde.
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Die Gesamtdeutsche Partei (DP/BHE), die Bayernpartei und die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) machen im Wege des Organstreits (2 BvE 1/62, 2 BvE 2/64 und 2 BvE 2/65) nach § 93 Abs. 1 Nr. 1 GG geltend, daß die Gesetze über die Feststellung der Haushaltspläne des Bundes für die Jahre 1962, 1964 und 1965 insoweit verfassungswidrig seien, als darin Zuschüsse an die politischen Parteien bereitgestellt werden.
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In dem Verfahren ist Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 19. April 1966 angesetzt.
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2. Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands und die Bayernpartei haben den Richter Dr. Leibholz wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Durch Beschlüsse vom 2. und 3. März 1966 sind die Ablehnungen für begründet erklärt worden. Der Senat hat festgestellt, daß die Äußerungen des abgelehnten Richters auf der Würzburger Staatsrechtslehrertagung im Oktober 1965 über die Zulässigkeit der Parteifinanzierung durch den Staat und über die Gegner einer solchen staatlichen Finanzierung geeignet seien, bei einem Verfahrensbeteiligten die Befürchtung wachzurufen, der Richter werde an der bevorstehenden Entscheidung nicht mehr unvoreingenommen mitwirken können, und daß dies die Besorgnis der Befangenheit begründe.
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3. In seinem Schriftsatz vom 21. März 1966 betont der Hessische Ministerpräsident, die Tatsache, daß in zwei Verfahren die Ablehnung eines Bundesverfassungsrichters für begründet erklärt worden sei, müsse auch auf das von der Regierung des Landes Hessen eingeleitete Normenkontrollverfahren einwirken. Er führt unter anderem aus: Die Regierung des Landes Hessen habe keine Mitteilung erhalten, daß der Senat in allen die Parteifinanzierung betreffenden Verfahren in der gleichen Besetzung entscheiden werde, wie sie sich aus den Ablehnungsbeschlüssen vom 2. und 3. März 1966 ergebe. Es sei ihr unbekannt, ob der abgelehnte Bundesverfassungsrichter wegen der ergangenen Beschlüsse bereits von sich aus auf die Mitwirkung in dem Verfahren verzichtet habe. Sollte ein solcher Verzicht nicht vorliegen, so halte sich die Regierung des Landes Hessen für verpflichtet, darauf hinzuweisen, daß eine verschiedene Besetzung des Gerichts rechtsstaatlichen Grundsätzen widerspreche und mit dem - Grundrechtsschutz genießenden - Recht des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu vereinbaren wäre. Wenn das Bundesverfassungsgericht einem Ablehnungsgesuch aus Gründen, wie sie in den beiden Beschlüssen niedergelegt seien, stattgebe, so müsse sich diese Entscheidung auf alle Verfahren erstrecken, die - wie hier - zwangsläufig untereinander in innerer Abhängigkeit stünden.
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4. Der Richter Dr. Leibholz hat am 23. März 1966 schriftlich folgende Erklärung abgegeben:
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"Der Schriftsatz des Herrn Hessischen Ministerpräsidenten vom 21. März 1966 zeigt deutlich, daß die Hessische Landesregierung meine Teilnahme an dem Normenkontrollverfahren 2 BvF 1/65 nicht für wünschenswert erachtet. Der Wunsch, die Richterbank in den verschiedenen Verfahren zahlenmäßig gleichzuziehen, kann m. E. nicht anders gedeutet werden, als daß auch die Hessische Landesregierung auf Grund der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 2./3. März 1966 sich besorgt fühlt, ich könnte dem Lande Hessen gegenüber in der Ausübung meiner richterlichen Funktionen möglicherweise befangen sein. Da der Senat in seinen Beschlüssen in Sachen 2 BvE 2/64 und 2 BvE 2/65 diese Möglichkeit gegenüber der Nationaldemokratischen Partei und Bayernpartei unter Zugrundelegung meiner dienstlichen Äußerung vom 11. und 18. Februar 1966 bejaht hat, bin ich bereit, auf meine Teilnahme an dem Normenkontrollverfahren zu verzichten."
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II.
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Die Selbstablehnung des Richters Dr. Leibholz ist begründet.
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1. § 19 Abs. 3 BVerfGG weicht im Wortlaut von den entsprechenden Vorschriften der übrigen Prozeßordnungen ab (§ 48 ZPO und § 30 StPO). Während Zivilprozeß- und Strafprozeßordnung die "Selbstablehnung" darin sehen, daß ein Richter von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung, d.h. die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnte, heißt es in § 19 Abs. 3 BVerfGG, daß sich "ein Richter, der nicht abgelehnt ist, selbst für befangen" erklären kann. Dies bedeutet aber nicht, daß der Begriff der "Befangenheit" in § 19 Abs. 3 BVerfGG ein anderer sein soll als in Absatz 1. Wie der Senat in den Beschlüssen vom 2. und 3. März 1966 ausgesprochen hat, knüpft § 19 BVerfGG an den im deutschen Prozeßrecht seit jeher feststehenden Begriff der "Befangenheit" an. Dies gilt auch für § 19 Abs. 3 BVerfGG. Danach kommt es auch für diese Bestimmung nicht darauf an, ob der Richter wirklich "parteilich" oder "befangen" ist, sondern darauf, ob bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß besteht, an seiner Unvoreingenommenheit und seiner objektiven Einstellung zu zweifeln.
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Hierfür spricht auch die Entstehungsgeschichte. Sie bietet keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber den Begriff der Befangenheit in § 19 Abs. 3 BVerfGG anders verstanden wissen wollte als in Absatz 1 und in den übrigen Prozeßordnungen. Die Regierungsvorlage enthielt eine dem § 45 Abs. 2 Satz 2 ZPO entsprechende Bestimmung dahingehend, daß es keiner Entscheidung bedürfe, wenn sich ein abgelehnter Richter selbst für befangen erkläre. Der Bundesrat schlug eine dem jetzigen Absatz 3 des § 19 entsprechende Formulierung vor, mit der Begründung, die "reine Selbstablehnung" solle "nur mit Billigung des Gerichts" wirksam sein. Dies wurde im weiteren Gesetzgebungsverfahren angenommen. Daß der Begriff der Befangenheit in dieser Vorschrift einen anderen Inhalt haben sollte als in Absatz 1 des § 19 BVerfGG, wurde von keiner Seite zum Ausdruck gebracht (vgl. BT-RA StenProt. 67. Sitzung S. 5,76. Sitzung S. 20).
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§ 19 Abs. 3 BVerfGG ist daher dahin auszulegen, daß die Erklärung des sich selbstablehnenden Richters nicht zum Inhalt haben muß, er sei befangen. Es genügt vielmehr, daß der Richter zum Ausdruck bringt, es lägen Umstände vor, die eine Besorgnis der Befangenheit begründen könnten.
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2. Die Erklärung des Richters Dr. Leibholz vom 23. März 1966 genügt diesen Voraussetzungen.
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Der Richter Dr. Leibholz entnimmt dem Schriftsatz des Hessischen Ministerpräsidenten vom 21. März 1966, daß die Regierung des Landes Hessen die Besorgnis habe, er könne auch dem Lande Hessen gegenüber in der Ausübung seiner richterlichen Funktionen möglicherweise befangen sein. Wenn der Richter anschließend mit dem Hinweis auf die Beschlüsse des Senats vom 2. und 3. März 1966 zum Ausdruck bringt, er sei bereit, auf seine Teilnahme an dem Normenkontrollverfahren zu verzichten, so liegt darin eine Erklärung gemäß § 19 Abs. 3 BVerfGG.
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3. Der Senat hat in seinen Beschlüssen vom 2. und 3. März 1966 in den Organstreitverfahren der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands und der Bayernpartei festgestellt, daß die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Richter Dr. Leibholz gerechtfertigt ist. Diese Gründe gelten auch in dem vorliegenden Normenkontrollverfahren.
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