BVerfGE 27, 375 - Haushaltssicherungsgesetz |
Beschluß |
des Ersten Senats vom 28. Januar 1970 |
– 1 BvL 4/67 – |
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des Art. 20 § 2 Abs. 1, 3 und 6 sowie des Art. 21 § 2 Abs. 1 und 4 des Gesetzes zur Sicherung des Haushaltsausgleichs vom 20. Dezember 1965 (BGBl. I S. 2065), soweit sie sich auf Händler beziehen – Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz in Neustadt an der Weinstraße vom 22. Februar 1967 – III 61, 62/66 –. |
Entscheidungsformel: |
Artikel 20 § 2 Absatz 1, 3 und 6 sowie Artikel 21 § 2 Absatz 1 und 4 des Gesetzes zur Sicherung des Haushaltsausgleichs (Haushaltssicherungsgesetz) vom 20. Dezember 1965 (Bundesgesetzbl. I S. 2065) sind, soweit sie sich auf Händler beziehen, mit dem Grundgesetz vereinbar. |
Gründe: |
A. – I. |
Durch das Gesetz zur Sicherung des Haushaltsausgleichs (Haushaltssicherungsgesetz) – HSichG – vom 20. Dezember 1965 wurde die Schaumweinsteuer für die ganze Flasche (0,75 Liter) von 1,00 DM um 50 v. H. auf 1,50 DM (Art. 20 § 1) und die Steuer für Branntwein zu Trinkzwecken und sonstigen Zwecken von 1000 DM für einen Hektoliter Weingeist um 20 v.H. auf 1200 DM – für Berlin von 250 DM auf 1200 DM – (Art. 21 § 1 Nr. 2) erhöht.
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Außerdem wurden bereits zum bisherigen Steuersatz versteuerte Erzeugnisse einer Nachsteuer unterworfen
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1. nach Art. 20 § 2 Abs. 1:
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Schaumweine und schaumweinähnliche Getränke, die sich zu Beginn des 1. Januar 1966 außerhalb eines Herstellungsbetriebs im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz eines Herstellers oder Händlers befanden
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und
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2. nach Art. 21 § 2 Abs. 1 Satz 1:
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Branntwein zu Trinkzwecken und sonstigen Zwecken (§ 84 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über das Branntweinmonopol) und die hieraus hergestellten Erzeugnisse, die sich zu Beginn des 1. Januar 1966 im freien Verkehr befanden.
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Die Nachsteuer betrug:
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für Schaumweine 0,50 DM für die ganze Flasche – 0,75 Liter – (Art. 20 § 2 Abs. 2 Nr. 1) und für einen Hektoliter Weingeist 200 DM – für Berlin 950 DM – (Art. 21 § 2 Abs. 1 Satz 1). |
Von der Nachsteuer war jedoch befreit bei Schaumweinen und schaumweinähnlichen Getränken,
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wer zu Beginn des 1. Januar 1966 nicht mehr als 200 ganze Flaschen (0,75 Liter) oder eine entsprechende Menge nachsteuerpflichtiger Erzeugnisse im Besitz hatte (Art. 20 § 2 Abs. 6);
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und bei Branntwein zu Trinkzwecken und sonstigen Zwecken (§ 84 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über das Branntweinmonopol),
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wer zu Beginn des 1. Januar 1966 nicht mehr als den Inhalt von 1000 0,7-Liter-Flaschen Trinkbranntwein im Besitz hatte (Art. 21 § 2 Abs. 4).
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II. |
1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens betreibt als Lebensmittelfilialunternehmen 36 Lebensmittelgeschäfte. Zu Beginn des 1. Januar 1966 besaß sie in diesen 36 Geschäften folgende nachsteuerpflichtigen Waren:
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a) Schaumweine 2136 ganze Flaschen (0.75 Liter) 445 halbe Flaschen (0.375 Liter) 5429 viertel Flaschen (0.2 Liter) b) Trinkbranntwein mit einer Gesamtweingeistmenge von 6758 Liter; dies entsprach dem Inhalt von 10 247 0.7-Liter-Flaschen Trinkbranntwein. |
Das Zollamt setzte mit Bescheid vom 31. Januar 1966 die Schaumwein-Nachsteuer auf 1885 DM und mit Bescheid vom selben Tage und mit Änderungsbescheid vom 21. Juli 1966 die Branntwein-Nachsteuer auf 13 516 DM fest.
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Gegen diese Bescheide erhob die Klägerin des Ausgangsverfahrens – mit Zustimmung des Hauptzollamts – Sprungklage.
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2. Das zur Entscheidung über die Sprungklage zuständige Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob Art. 20 § 2 Abs. 1, 3 und 6 sowie Art. 21 § 2 Abs. 1 und 4 HSichG mit Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sind, soweit sie sich auf Händler beziehen.
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3. Das vorlegende Gericht hält diese Vorschriften für unvereinbar mit den Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG.
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a) Branntwein- und Schaumwein-Nachsteuer sollten den Verbraucher belasten. Wenn der Gesetzgeber zur Vermeidung der bei der Steuerschuldnerschaft der Verbraucher zu erwartenden erhebungstechnischen Schwierigkeiten anstelle der Verbraucher anderen Personen die Steuerschuld auferlege, dann hätten diese "Erhebungsgehilfen" aus Art. 2 Abs. 1 GG einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, daß die Steuer auf die Verbraucher abgewälzt werden könne. Dieser verfassungsrechtliche Anspruch werde durch die Erhebung einer Nachsteuer verletzt.
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Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit folge das Verbot der rückwirkenden Belastung durch Erhöhung der Verbrauchsteuer. Die Händler hätten mit einem solchen Eingriff nicht zu rechnen brauchen, nachdem die Waren bereits versteuert und aus der steuerlichen Bindung in den freien Verkehr gekommen seien.
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Der Gesetzgeber habe mit der Einführung der Nachsteuer auch das sich aus Art. 2 Abs. 1 GG ergebende Gebot verletzt, das zwischen den einzelnen Händlern bestehende Wettbewerbsverhältnis nicht zu verändern; er habe die Waren durch die Freigrenzenbestimmungen verschieden hoch mit Nachsteuer belastet und durch die unangemessene Höhe der Freigrenzen den größten Teil der Einzelhändler aus der Nachsteuerschuld entlassen. Die Einbetriebsunternehmen hätten zudem rechtzeitig ihren Warenbestand sogar bis an die Freigrenzen erhöhen können, während die Mehrbetriebsunternehmen, die mit diesen in örtlichem Wettbewerb ständen, sogar den für sie üblichen Bestand an diesen Waren hätten nachversteuern müssen. Die durch die Freigrenzenbestimmungen begünstigten Händler hätten ihren bisherigen Preis beibehalten und damit eine besondere Kundenwerbung betreiben oder bei voller Ausschöpfung der Freigrenzen einen zusätzlichen Erlös bis 660 DM erzielen können.
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b) Die geschilderte Regelung der Freigrenzen verletze auch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
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Es wäre dem Gesetzgeber auch möglich gewesen – bei Wegfall der Freigrenze – alle Nachsteuerschuldner zu erfassen. Der Gesetzgeber habe die Nachsteuerschuldner verpflichtet, Art und Menge der nachzuversteuernden Erzeugnisse zur Steuerfestsetzung anzumelden. Der Gesetzgeber sei demnach selbst nicht von der Auffassung ausgegangen, daß zur Nachsteuer nur diejenigen herangezogen werden könnten, deren Steuerehrlichkeit durch Kontrollen hätte nachgeprüft werden können. Auch bei anderen Steuerarten, insbesondere auf dem Gebiet der Besitz- und Verkehrsteuern, könne die Verwaltung wegen ihrer großen Arbeitslast nicht jede steuerliche Erklärung nachprüfen. Die Freigrenzenregelung laufe auch der Absicht des Gesetzgebers zuwider, die Erhöhung des Steueraufkommens alsbald zu verwirklichen.
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III. |
1. Der Bundesminister der Finanzen, der sich namens der Bundesregierung geäußert hat, hält die Vorlage für unbegründet.
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a) Die Auferlegung einer Steuer greife nicht in den durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Bereich der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit ein, da den Betroffenen – was bei dieser Nachsteuer der Fall sei – ein angemessener Spielraum verbleibe, sich als verantwortliche Unternehmer frei zu entfalten.
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b) Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG werde durch die Nachsteuer nicht verletzt. Diese Regelung sei erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in das Haushaltssicherungsgesetz aufgenommen worden; es sei bekannt gewesen, daß leistungsstarke und finanzkräftige Unternehmen durch außergewöhnliche Maßnahmen, z.B. durch das Mieten von Tankschiffen und aufblasbaren Plastikhüllen, versucht hätten, das Ziel des Haushaltssicherungsgesetzes, die baldige Erzielung eines Steuermehraufkommens, zu unterlaufen und sich zu Lasten der kleinen und mittleren Gewerbetreibenden erhebliche Vorteile zu verschaffen. Der Gesetzgeber habe nach sorgfältiger Überlegung und stichprobenartig durchgeführten Erhebungen – eingehende Erhebungen über den Normalbestand eines Einzelhändlers an Schaum- und Branntwein seien wegen des Zeitdrucks nicht möglich gewesen – eine Freigrenze gewählt, von der er habe annehmen können, daß einerseits die größeren Vorräte im wesentlichen von der Steuerbehörde erfaßt, andererseits aber die Schwierigkeiten vermieden würden, die mit der Erfassung einer allzu großen Zahl von Händlern verbunden gewesen wären.
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Entscheidend sei nicht die Zahl der zur Nachsteuer herangezogenen Hersteller und Händler von Schaum- und Branntwein (Schaumwein: 148 Hersteller, 11088 Händler; Branntwein: 1974 Hersteller, 11650 Händler), sondern der Umstand, daß die wesentlichen Vorräte erfaßt worden seien.
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Für das in Frage kommende Vierteljahr seien 201 Mio DM mehr an Branntweinsteueraufgekommen als im entsprechenden Vierteljahr des vorausgegangenen Jahres. Hierin seien von 1974 Herstellern und 11 650 Händlern 92 Mio DM entrichtete Nachsteuer enthalten gewesen, was einer erfaßten Gesamtmenge von 361 000 hl entspreche. Von den für diesen Zeitraum von der Branntweinmonopolverwaltung und den monopolfreien Herstellern insgesamt an den Verbraucher gelieferten 530 000 hl Weingeist seien demnach nur 169 000 hl von der Nachsteuer nicht erfaßt worden, wovon ein erheblicher Teil auf die an die Verbraucher abgesetzten Mengen entfallen dürfte. Somit stehe fest, daß der weitaus überwiegende Teil der normalen Lagerbestände des Handels an Branntwein erfaßt worden sei.
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Der Absatz an versteuertem Schaumwein habe im 4. Vierteljahr 1965 55,7 Mio 1/1-Flaschen ausgemacht. Die Schaumwein-Nachsteuer habe 12,2 Mio DM erbracht, was einer Menge von 24,4 Mio 1/1-Flaschen entspreche. Wenn man davon ausgehe, daß diese 24,4 Mio 1/1-Flaschen überwiegend aus dem Schaumweinabsatz des 4. Vierteljahres 1965 stammten, dann seien demnach rd. 31,3 Mio 1/1-Flaschen von der Nachsteuer nicht erfaßt worden. Davon dürfte aber ein erheblicher Teil – ungefähr die Hälfte – auf die an die Verbraucher vor Jahresende abgesetzten Mengen entfallen, so daß nur ein nicht nachzuversteuernder Bestand von rd. 15,5 Mio 1/1-Flaschen vorhanden gewesen sei gegenüber 24,4 Mio nachversteuerten 1/1-Flaschen.
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2. Der Bundesfinanzhof sieht in der Einführung der Nachsteuer keinen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 oder gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Im Urteil vom 31. Januar 1967 – VII R 52/66 – (BFH 87, 543) habe er stillschweigend die Gültigkeit der Nachsteuer auf Schaumwein bejaht.
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a) Gegen die Belastung eines Abnehmers des Herstellers mit der Abgabeschuld beständen solange keine Bedenken, als der steuerbegründende Tatbestand vor dem Zeitpunkt liege, in dem die steuerpflichtige Ware in die Hand des Verbrauchers übergehe, also die Verbrauchsteuer noch auf den eigentlichen Steuerschuldner überwälzt werden könne.
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Die Einführung der Nachsteuer habe zu keinem nennenswerten Eingriff in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit und in die Wettbewerbsverhältnisse geführt.
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b) Es sei auch sachlich gerechtfertigt, einen Mindestbestand am Stichtag von der Nachversteuerung auszunehmen, da das Halten eines gewissen Vorrats im Rahmen des normalen Geschäftsbetriebs des Händlers liege. Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet, gerade den üblichen Bestand als Grenze zu wählen; vielmehr könne er die Verhältnisse von Einzelhändlern mit größerem Umsatz in Betracht ziehen. Auch Gesichtspunkte der Praktikabilität dürfe er berücksichtigen.
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3. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hält die Nachsteuerregelung für verfassungswidrig. Die Freigrenze sei nicht nach einem sinnvollen Maßstab ermittelt worden und stelle deshalb eine nach Art. 3 Abs. 1 GG unzulässige Differenzierung dar; diese werde noch dadurch verstärkt, daß das Lebensmittelfilialunternehmen der Klägerin nicht nur einem, sondern im örtlichen Bereich mit seinen jeweiligen Filialen gleich mehreren Einbetriebsunternehmen – im Bereich der Klägerin ungefähr 20 nicht-nachsteuerpflichtigen Betrieben – gegenübertrete. Deshalb erzielten die mit den 36 Filialen der Klägerin im Wettbewerb stehenden Einbetriebsunternehmen eine Steuerersparnis von rd. 47 000 DM. Diese erheblichen Unterschiede in der steuerlichen Belastung führten zu einer unzulässigen Wettbewerbsverzerrung. Dazu habe noch beigetragen, daß die Freigrenze den Normalbestand der meisten Einzelhändler erheblich überschritten habe, wodurch diese veranlaßt worden seien, im Hinblick auf die steuerliche Besserstellung durch zusätzliche Bevorratung die Höchstgrenze auszuschöpfen. Die Konkurrenzbetriebe gehörten auch zum größten Teil zu freiwilligen Handelsketten, so daß sie dieselbe wettbewerbliche Ausgangslage hätten wie ein Filialbetrieb.
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Von der Nachsteuer seien nur 1–2 v.H. aller einschlägigen Betriebe betroffen worden, da die Freigrenze zu hoch gewählt worden sei. Es sei auch nicht der wesentliche Teil des Gesamtvorrats beim Handel erfaßt worden. Der durch die Freigrenze gedeckte Lagerbestand entspreche einem Jahresumsatz von ca. 1,5 Mio DM, der nur von einer kleinen Spitzengruppe erreicht werde. In jedem Fall sei es nicht gelungen, die Nachsteuer abzuwälzen. Mindestens für eine gewisse Übergangszeit habe sich der Verkauf der nachsteuerpflichtigen Waren auf die durch die Freigrenzenregelung begünstigten Händler verlagert.
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Der Gesetzgeber hätte einen sinnvolleren Maßstab bei der Festsetzung der Freigrenze wählen müssen; so hätte z.B. der aus der Inventur ersichtliche durchschnittliche Warenbestand ein brauchbares Kriterium abgegeben.
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Die vom Bundesminister der Finanzen angegebenen Zahlen über die Auslieferung von Branntwein und Schaumwein im 4. Vierteljahr 1965 seien noch um die bereits zu Beginn dieses Vierteljahres vorhandenen Anfangsbestände zu vermehren.
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B. |
Die zur Prüfung gestellten Vorschriften sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
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I. |
Die Branntwein- und die Schaumweinsteuer sind Verbrauchsteuern i. S. von Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG (§ 1 Abs. 1 Satz 2 des Schaumweinsteuergesetzes – SchaumwStG –; § 84 Abs. 1 Satz 2 des Branntweinmonopolgesetzes – BranntwMonG –). Die Verbrauchsteuerschuld bei im Erhebungsgebiet hergestellten Erzeugnissen entsteht mit der Entfernung aus dem Herstellungsbetrieb (§ 3 SchaumwStG), mit der Gewinnung des Branntweins (§ 80 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG) oder mit der Abgabe durch die Monopolverwaltung, bei eingeführten Erzeugnissen mit der Zollabfertigung. Steuerschuldner ist in diesen Fällen der Inhaber des Herstellungsbetriebs (§ 4 SchaumwStG), der Hersteller des Branntweins (§ 80 Abs. 1 Satz 2 BranntwMonG), die Monopolverwaltung im Rahmen des § 84 BranntwMonG oder der Zollbeteiligte (§ 7 SchaumwStG; § 154 BranntwMonG).
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Das Haushaltssicherungsgesetz hat ab 1. Januar 1966 die Steuersätze für Schaumwein und für Branntwein erhöht. Um zu erreichen, daß das mit der Steuererhöhung erstrebte Mehraufkommen möglichst bald erzielt wird und keine Wettbewerbsverschiebung zugunsten der Unternehmer eintritt, die zu alten Steuersätzen große Vorräte horten konnten, wurde eine Nachversteuerung gemäß Art. 20 § 2 Abs. 1 und Art. 21 § 2 Abs. 1 Satz 1 HSichG angeordnet. Mit dieser Maßnahme wurde die Steuererhöhung in gewissem Umfang auf Erzeugnisse erstreckt, die sich nicht mehr im Betrieb des Herstellers oder die sich im freien Verkehr befunden haben.
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Der Gesetzgeber des Steuerrechts besitzt weitgehende Gestaltungsfreiheit, bestehende Steuergesetze oder Steuersätze zu ändern und neue Steuerpflichten zu begründen. Es handelt sich bei der Nachsteuer nicht um die Erhebung einer andersartigen Steuer, sondern nach dem System des Steuerrechts um die Nacherhebung von Schaumwein- und Branntweinsteuer. Als eine die normale Verbrauchsbesteuerung ergänzende Maßnahme kann und muß die Nachsteuer einen anderen Ansatzpunkt und andere Steuerschuldner haben; die Möglichkeit der steuerlichen Erfassung der vom Gesetzgeber belasteten Erzeugnisse ist mit dem Verlassen des Herstellungsbetriebs oder der Abgabe durch die Monopolverwaltung noch nicht abgeschlossen (BFH 87, 543). Erst mit dem Übergang in den Besitz des Endverbrauchers entfällt grundsätzlich die steuerliche Erfassung.
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II. |
Die Einführung der Nachsteuer verstößt nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG.
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1. Das Grundrecht des Bürgers, nur auf Grund solcher Vorschriften zu einer Steuer herangezogen zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind (BVerfGE 19, 206 [215]; 19, 253 [257]; 21, 1 [3]), wird nicht verletzt, da die Nachsteuer eine in die Kompetenz des Bundesgesetzgebers fallende Verbrauchsteuer darstellt. Die Abwälzbarkeit auf den Verbraucher gehört grundsätzlich zum Wesen der Verbrauchsteuer. Sie hat nicht zum Inhalt, daß dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten wird, daß er den von ihm als Steuerschuldner entrichteten Betrag immer von der Person ersetzt erhält, die nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen soll. Mehr als die Möglichkeit einer Überwälzung verlangt das Wesen einer Verbrauchsteuer nicht (BVerfGE 14,76 [96]). Diese Voraussetzung ist für die Nachsteuer auf Schaumwein und Branntwein gegeben. Das Haushaltssicherungsgesetz hat die Überwälzung der Nachsteuer durch die Händler auf die Verbraucher weder rechtlich noch tatsächlich unmöglich gemacht.
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2. Sicherlich hat die Nachsteuer die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Händler berührt; sie greift aber nicht in den durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Bereich ein, da die Möglichkeit der Betroffenen, sich als verantwortliche Unternehmer wirtschaftlich zu betätigen, nicht beeinträchtigt wird (BVerfGE 12, 341 [347 f.]; 23, 12 [30]).
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Der Gesetzgeber hat auf die Belange der Händler weitgehend Rücksicht genommen. Der Eingriff hielt sich nach Dauer und Intensität in engen Grenzen; er beschränkte sich auf einen einmaligen, der Anpassung dienenden Besteuerungsvorgang. Außerdem hat der Gesetzgeber durch die Hinausschiebung der Zahlungstermine (Art. 20 § 2 Abs. 5; Art. 21 § 2 Abs. 1 Satz 3 HSichG) die Steuerpflicht gemildert. Bis zu diesen Terminen war es möglich, die mit Nachsteuer belasteten Erzeugnisse bei normalem Geschäftsgang abzusetzen und die überwälzte Nachsteuer zu vereinnahmen. Die Händler konnten auch ihre Dispositionen und ihre Lagerhaltung an die frühzeitig bekannt gewordene gesetzliche Regelung anpassen; für die Händler, bei denen die Überwälzung der Nachsteuer nicht gelungen ist und Härten entstanden sind, besteht außerdem die allgemeine Möglichkeit eines Billigkeitserlasses nach § 131 AO.
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Die Wettbewerbsfreiheit wurde – entgegen der Ansicht des vorlegenden Gerichts – nicht beeinträchtigt. Bei der Nachsteuerregelung handelt es sich im Hinblick auf die Freigrenzenregelung um die Frage der Wettbewerbsgleichheit, die dem Bereich des Art. 3 Abs. 1 GG angehört.
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3. a) Die Rechtssicherheit gebietet, daß die Steuergesetze grundsätzlich nur solche Sachverhalte erfassen, die erst nach ihrer Verkündung eintreten oder sich vollenden. Die Nachsteuerregelung erstreckt sich erst auf die nach der Verkündung des Haushaltssicherungsgesetzes (am 24. Dezember 1965) vorhandenen Vorräte. Sie regelt somit einen zukünftigen, ab 1. Januar 1966 eintretenden Steuertatbestand. Eine nachträgliche Änderung abgewickelter, der Vergangenheit angehörender Sachverhalte – sog. echte Rückwirkung – liegt deshalb nicht vor (vgl. BVerfGE 14, 76 [104]; 19, 119 [127]).
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b) Die Einbeziehung der bereits einmal versteuerten Vorräte in die Nachsteuerregelung, insbesondere beim Händler, knüpft freilich an den zurückliegenden Erwerb dieser Vorräte an und enttäuscht das Vertrauen der Händler darauf, daß die Verbrauchsbesteuerung der auf Lager genommenen Erzeugnisse abgeschlossen sei. Die Verfassung schützt jedoch nicht die bloße Erwartung, das geltende Steuerrecht werde fortbestehen (BVerfGE 14, 76 [104]). Im Hinblick auf die Erfordernisse der öffentlichen Finanzwirtschaft kann der Steuerpflichtige nicht darauf vertrauen, daß der bisherige Steuertarif und das bisherige Steuerverfahren unverändert bleiben (BVerfGE 18, 135 [144]). Dies gilt um so mehr, als einmalige Nachsteuerregelungen zum typischen Instrumentarium des Gesetzgebers in Verbrauchsteuersachen gehören und auch sonst (vgl. Abschn. III Art. 3 des Verkehrsfinanzgesetzes vom 6. April 1955 – BGBl. I S. 166 – und Abschn. I Art. 7 des Straßenbaufinanzierungsgesetzes vom 28. Mai 1960 – BGBl. I S. 201 –; Art. 8 § 3 des Steueränderungsgesetzes 1966 vom 23. Dezember 1966 – BGBl. I S. 702 –; BFH, BStBl. 1957 III S. 173, 179, 377) bei Erhöhungen des Steuersatzes mit dem gleichen Ziel praktiziert worden sind.
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Wie schon dargelegt, hatten sich die Händler auf die Nachsteuer einrichten können. Es war verhältnismäßig früh bekanntgeworden, daß die Einführung einer Nachsteuer geplant war; außerdem war es, wenn sie den Handel mit Schaumwein und Branntwein weiterbetreiben wollten, gleichgültig, ob sie auf die vorhandenen Lagerbestände eine Nachsteuer entrichten oder neue Ware kaufen mußten, die mit den erhöhten Steuersätzen belastet war.
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III. |
Der Gesetzgeber hat die Nachsteuer auf solche Händler beschränkt, die einen Lagerbestand von mehr als 200 ganzen Flaschen Schaumwein (0,75 Liter) oder mehr als den Inhalt von 1000 0,7-Liter-Flaschen Trinkbranntwein besaßen. Die Festsetzung dieser Freigrenze behandelte zwar die Händler im Verhältnis zueinander verschieden und beeinträchtigte damit die Gleichheit der Chancen im Wettbewerb. Darin läge aber nur dann eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden ließe. Dem Gesetzgeber bleibt bei der Auswahl der Tatbestände, für die eine gesetzliche Regelung getroffen wird, im einzelnen ein weiter Spielraum (BVerfGE 18, 121 [124]; 19, 119 [125]; 21, 12 [26]). Mit der Nachsteuer als einer die allgemeine Steuererhöhung vom 1. Januar 1966 ergänzenden und sichernden Regelung sollten die Vorräte erfaßt werden, die sich in diesem Zeitpunkt außerhalb eines Herstellungsbetriebs oder im freien Verkehr, jedoch noch nicht im Besitz des Endverbrauchers befanden. Die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung des Haushaltsausgleichs – Haushaltssicherungsgesetz – spricht bereits von den im Handel befindlichen Vorräten (BRDrucks. 527/65 S. 24). Der Gesetzgeber befürchtete eine Minderung des ursprünglich ab 1. Januar 1966 zu erwartenden Steueraufkommens durch die umfangreichen Hortungskäufe. Dem entgegenzuwirken, war das ausschlaggebende Motiv für den Gesetzgeber. Das hat zwar im Gesetz selbst keinen unmittelbaren Ausdruck gefunden; der Gesetzgeber hat die Schaumwein- und Branntweinvorräte einer Nachsteuer unterworfen, gleichgültig, ob diese Vorräte einem normalen Lagerbestand entsprachen oder durch Hortung zusammengekommen waren. Diese Regelung ist aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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1. Steuergesetze müssen, soweit sie, wie die Verbrauchsteuern, an Massenvorgänge anknüpfen, praktikabel sein. Aus dem daraus folgenden Zwang zur Typisierung ergeben sich immer ungleiche wirtschaftliche Auswirkungen auf die einzelnen Steuerschuldner und auf ihre Wettbewerbslage (BVerfGE 21,12 [27]). Die Nachsteuerregelung war im Entwurf des Haushaltssicherungsgesetzes, der am 5. November 1965 von der Bundesregierung dem Bundesrat zugeleitet wurde (BRDrucks. 527/65), noch nicht enthalten. Sie wurde als Folge der allgemein beobachteten Hortungskäufe in der Sitzung des Haushaltsausschusses vom 6. Dezember 1965 in den Gesetzentwurf eingefügt (Kurzprot. über die 2. Sitzung des Haushaltsausschusses, 5. Wp., S. 34 f.; BTDrucks. V/84 S. 12, 16). Die Zeitnot ließ keinen Raum für eingehende Ermittlungen der üblichen Vorräte eines mittleren Händlers oder Gastwirts. Bei Erfassung aller Vorräte wären nach den Schätzungen des Bundesministers der Finanzen allein rund 200 000 Händler und rund 100 000 Gastwirte nachsteuerpflichtig geworden. Diesen Personenkreis hätte die Zollverwaltung in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht erfassen können. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, daß bei Einführung einer Nachsteuer auf alle Vorräte die Verpflichtung der Händler zur Anmeldung ihrer Vorräte nicht genügte, um die Steuerschuld zu realisieren. Eine dazu erforderliche wirksame Kontrolle aller Händler wäre den Behörden der Zollverwaltung ohne einen außergewöhnlichen, zur Höhe der aufzubringenden Steuern in keinem vernünftigen Verhältnis stehenden Aufwand nicht möglich gewesen.
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Die Behörden der Zollverwaltung sind bei der Verwaltung der Verbrauchsteuern in der Regel mit einer geringen Zahl von Herstellern oder Inhabern von Steuerlagern befaßt und verfügen daher nicht über auch nur annähernd so umfangreiche Unterlagen wie die Finanzämter. Zudem sind die Finanzämter infolge der langjährigen kontinuierlichen Besteuerung bestimmter Betriebe und infolge der Zusammenhänge von Einkommen-, Körperschaft-, Umsatz- und Gewerbesteuern in der Lage, sich einen Überblick zu verschaffen und die Steuerschuldner entsprechend zu überwachen. Diese Voraussetzungen hätten bei einer umfassenden Nachsteuer nicht vorgelegen. Diese Erwägungen im Hinblick auf eine praktikable Durchführung der Besteuerung (vgl. BVerfG, Beschluß vom 2. Oktober 1969 – 1 BvL 12/68 – S. 12 f.)1 lassen es als gerechtfertigt erscheinen, daß der Gesetzgeber eine Freigrenze einführte, um das Aufkommen an Nachsteuer in eine vernünftige Relation zu dem Verwaltungsaufwand zu bringen.
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Aus den gleichen Erwägungen erscheint es nicht willkürlich, daß der Gesetzgeber eine feste Freigrenze gewählt und nicht die Freigrenze in Anlehnung an den durchschnittlichen Warenbestand während der letzten Geschäftsjahre festgelegt hat. Insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, daß es sich um eine einmalige Übergangslösung handelt, wäre es wenig sinnvoll gewesen, wenn der Gesetzgeber ein so kompliziertes Steuerverfahren eingeschlagen hätte, zu dessen Durchführung schwierige betriebswirtschaftliche Ermittlungen erforderlich gewesen wären.
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2. Eine Freigrenze greift sicherlich in das freie Spiel der wirtschaftlichen Kräfte ein. Eine wettbewerbsneutrale Steuer ist kaum denkbar; geringfügige nur in besonderen Fällen auftretende Ungleichheiten sind unbeachtlich (BVerfGE 13, 331 [341]). Der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die für die Bestimmung einer Freigrenze zunächst maßgebend ist, sind insofern aber äußerste Grenzen gesetzt, als eine Gruppe von Steuerpflichtigen nicht wesentlich stärker belastet werden darf als eine andere, wenn sie dadurch in eine empfindlich ungünstigere Wettbewerbslage geraten kann (BVerfGE 21, 12 [27 f.]).
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Dies ist jedoch bei der Nachsteuerregelung für Schaumwein und Branntwein nicht der Fall. Der steuerliche Vorteil der von der Freigrenzenregelung begünstigten Händler war weder der Dauer noch der Höhe nach erheblich gewesen. Es handelte sich um einen einmaligen Vorteil, der zu Mehreinnahmen von höchstens 660 DM führen konnte. Er beschränkte sich nur auf eine relativ kurze Zeitspanne, nämlich auf den Abbau der am 1. Januar 1966 vorhandenen Vorräte an nachversteuerten Erzeugnissen.
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Die Freigrenzenregelung ließ den begünstigten Händlern die Wahl, entweder den Verkaufspreis der nachversteuerten Erzeugnisse um den Nachsteuersatz zu erhöhen, um dadurch das Betriebsergebnis zu verbessern, oder den bisherigen Verkaufspreis beizubehalten, um auf diese Weise Kundenwerbung zu betreiben und den Umsatz in anderen Warengruppen zu steigern. In beiden Fällen mußte jedoch der Erlös der nachsteuerbaren Erzeugnisse verwendet werden, um die nunmehr mit dem erhöhten Steuersatz belasteten Erzeugnisse wiederbeschaffen zu können. Bei einer Kalkulation zu Wiederbeschaffungskosten schrumpfen somit die Vorteile der Händler erheblich zusammen.
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Es war im Hinblick auf eintretende Wettbewerbsungleichheiten auch sachgerecht, daß der Gesetzgeber bei der Gewährung der Freigrenzen an die rechtliche Selbständigkeit der Steuerschuldner anknüpfte und bei Filialunternehmen – wie der Klägerin des Ausgangsverfahrens – nicht entsprechend der Zahl der rechtlich unselbständigen Betriebe eine mehrmalige Freigrenze einführte. Eine andere Regelung hätte dazu geführt, daß einem Händler eine um so höhere Freigrenze bewilligt worden wäre, je mehr Filialen er unterhalten hätte. Das hätte eine Durchbrechung der berechtigten Konzeption des Gesetzgebers bedeutet; er wollte Vorräte, die sich in der Hand eines Steuerschuldners befanden und deshalb mit einem dem Aufkommen entsprechenden Arbeitsaufwand erfaßt werden konnten, von einer gewissen Grenze an mit einer Nachsteuer belegen.
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3. Durfte der Gesetzgeber aus den dargelegten Gesichtspunkten eine Freigrenze einführen, so ist es auch zunächst eine Sache seiner Gestaltungsfreiheit, wie hoch er diese Freigrenze ansetzt. Das Bundesverfassungsgericht kann nicht nachprüfen, ob er dabei die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat; es kann nur prüfen, ob die Grenzziehung evident unsachlich ist. Dies könnte möglicherweise dann der Fall sein, wenn die Höhe der Freigrenze dazu führen würde, daß nur ein geringer Prozentsatz des im Handel befindlichen Schaumweins und Branntweins von der Nachsteuer erfaßt worden wäre und daß darüber hinaus das Ziel des Gesetzgebers, möglichst bald und weitgehend auch die erhöhte Steuer auf den zwar bereits versteuerten, aber noch nicht in den Besitz des Endverbrauchers gelangten Schaumwein und Branntwein zu vereinnahmen, nur sehr unvollkommen verwirklicht worden wäre (vgl. BVerfGE 16, 147 [177]).
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Nach den vorgelegten Berechnungen des Bundesministers der Finanzen ist jedoch – auch bei Berücksichtigung der Einwendungen der Klägerin des Ausgangsverfahrens – tatsächlich ein nicht unerheblicher Teil des vorhandenen Branntwein- und Schaumweinvorrats von der Nachsteuer erfaßt worden.
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(gez.) Dr. Müller Dr. Stein Ritterspach Dr. Haager Rupp-v. Brünneck Dr. Brox Dr. Zeidler |