BVerfGE 33, 206 - Waffengesetz |
Beschluß |
des Zweiten Senats vom 30. Mai 1972 |
- 2 BvO 1, 2/69 und 1, 2/70 - |
in den Verfahren zur Prüfung der Frage 1, ob § 26 Abs. 1 Nr. 1 des Waffengesetzes vom 18. März 1938 (RGBl. I S. 265) bis zum 30. November 1968 einschließlich als Bundesrecht fortgegolten hat, a) Vorlegendes Gericht: Amtsgericht München - Aussetzungs- und Vorlagebeschluß vom 27. Mai 1969 in Verbindung mit dem Ergänzungsbeschluß vom 27. August 1969 in Verbindung mit dem Ergänzungsbeschluß vom 27. August 1969 (62 Cs 91/69 jug. 83) - Beteiligter des Ausgangsverfahrens: R... - 2 BvO 1/69 -, b) Vorlegendes Gericht: Amtsgericht Bramsche - Aussetzungs- und Vorlagebschluß vom 27. April 1970 (3 Cs 68/69) - Beteiligter des Augangsverfahrens: V... - 2 BvO 2/70 -; 2. ob § 26 Abs.1 Nr. 2 des Waffengesetzes vom 18. März 1938(RGBl. I S. 265) bis zum 30. November 1968 einschließlich als Bundesrecht fortgegolten hat, a) Vorlegendes Gericht: Amtsgericht München - Aussetzungs- und Vorlagebeschluß vom 27. Mai 1969 (62 Cs 384/69 jug. 83) - Beteiligter des Ausgangsverfahrens: R... - 2 BvO 1/69 -, b) Vorlegendes Gericht: Landgericht Dortmund - Aussetzungs- und Vorlagebeschluß vom 22. Dezember 1969 (14 - 2 Qs 366/69) - Beteiligter des Ausgangsverfahrens: M... - 2 BvO 1/70 |
Entscheidungsformel: |
§ 26 Absatz 1 des Waffengesetzes vom 18. März 1938 (Reichsgesetzbl. I Seite 265), soweit darin das Veräußern, Überlassen, der Erwerb und das Führen von Waffen ohne Waffenerwerbsschein oder Waffenschein unter Strafe gestellt ist, gilt nicht als Bundesrecht fort. |
Gründe |
A. - I. |
In den Ausgangsverfahren ist die Frage streitig geworden, ob seit dem Inkrafttreten des Bundeswaffengesetzes vom 14. Juni 1968 (BGBl. I S. 633) - BWaffG - sowohl Erwerb, Besitz und Überlassen von Waffen und Munition ohne Erlaubnis zum Waffenhandel oder ohne Waffenerwerbsschein - betrifft hier die Verfahren zu 1 a) und b) - als auch das Führen von Schußwaffen ohne Waffenschein - betrifft hier die Verfahren zu 2 a) und b) - noch strafbar sind.
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Nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 BWaffG trat das Waffengesetz vom 18. März 1938 (RGBl. I S. 265) - WaffG -, dessen Abschnitt IV (§§ 11 bis 25) Erwerb, Führen, Besitz und Einfuhr von Waffen und Munition regelte und in Abschnitt V § 26 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Verstöße gegen die vorgenannten Bestimmungen mit Strafe bedrohte, außer Kraft, soweit diese Vorschriften Bundesrecht waren. Das Bundeswaffengesetz ist am 21. Juni 1968 verkündet und - im wesentlichen - nach seinem § 44 am 1. Dezember 1968 in Kraft getreten.
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§ 26 Abs. 1 des Waffengesetzes lautet:
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Mit Gefängnis bis zu drei Jahren und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig den Bestimmungen dieses Gesetzes zuwider 1. Waffen, Munition oder die im § 25 Abs. 1 Nr. 2 bezeichneten Vorrichtungen herstellt, bearbeitet, instand setzt, erwirbt, feilhält, anderen überläßt, besitzt oder einführt, den Erwerb oder das Überlassen solcher Gegenstände vermittelt oder sich zu ihrem Erwerb oder Überlassen erbietet, 2. Schußwaffen führt. |
Das Bundeswaffengesetz enthält keine entsprechende, umfassende Strafvorschrift; es bedroht Zuwiderhandlungen in den im Bundeswaffengesetz selbst geregelten Fällen mit Strafe (§ 36) oder bewertet sie als Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbuße geahndet werden können (§ 38). Die neuen Straf- und Bußgeldvorschriften des Bundeswaffengesetzes erfassen aber nicht Verstöße gegen diejenigen Vorschriften des alten Waffengesetzes von 1938, die nach Art. 125 GG nicht als Bundesrecht fortgelten und deshalb als durch § 43 Abs. 2 Nr. 1 BWaffG nicht aufgehobenes Landesrecht fortbestehen. Der Streit in allen Ausgangsverfahren geht also darum, ob § 26 Abs. 1 WaffG, eine bisher einheitlich die jeweils als Bundes- oder Landesrecht fortgeltenden Vorschriften des Waffengesetzes mit Strafdrohung bewehrende Norm, weiterhin gültig und anzuwenden ist, soweit sie sich auf Verstöße gegen als Landesrecht fortgeltende Vorschriften des Waffengesetzes bezieht.
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II. |
1. a) Gegen den am 14. September 1947 geborenen Beteiligten des Ausgangsverfahrens zu 1 a) beantragte die Staatsanwaltschaft München am 18. April 1969 den Erlaß eines Strafbefehls über 300.-DM (anstelle von 10 Tagen Gefängnis) wegen Sachhehlerei in Tateinheit mit einem Vergehen nach §§ 11, 26 Abs. 1 Nr. 1 WaffG. Der Beschuldigte habe im September 1968 in München eine Walther-Pistole von einem Dritten in Kenntnis des Umstandes erworben, daß diese Waffe aus einem Einbruch in einen versperrt abgestellten PKW stammte.
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b) Das Amtsgericht München - Jugendgericht - hat durch Beschluß vom 27. Mai 1969 das Verfahren gemäß Art. 126 GG in Verbindung mit § 86 Abs. 2 BVerfGG ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber nachgesucht, ob § 26 WaffG bis zum 30. November 1968 als Bundesrecht fortgegolten hat. Durch Ergänzungsbeschluß vom 27. August 1969 ist die Vorlagefrage auf § 26 Abs. 1 Nr. 1 WaffG beschränkt worden. Das Amtsgericht bejaht die Vorlagefrage nach Art. 125 Nr. 1 GG, weil das Waffengesetz zumindest in der amerikanischen Besatzungszone einheitlich bis zum 7. September 1949 gegolten habe und die in § 26 geregelte Materie Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes sei. § 26 WaffG gehöre mit Rücksicht auf die angedrohte Höchststrafe von drei Jahren Gefängnis zum Strafrecht im Sinne des Art. 74 Nr. 1 GG. Dem stehe nicht entgegen, daß damit Bundesrecht die überwiegend als Landesrecht fortgeltenden Vorschriften des IV. Abschnitts des Waffengesetzes mit Strafe bewehre. Die Vorlagefrage sei wegen entgegenstehender beachtlicher Meinungen in Rechtsprechung und Schrifttum streitig; sie sei auch entscheidungserheblich, weil der Strafbefehl antragsgemäß nur erlassen werden könne, wenn § 26 WaffG zum Landesrecht gehöre und daher durch § 43 Abs. 2 Nr. 1 BWaffG nicht aufgehoben worden sei.
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2. a) Gegen den am 11. Januar 1940 geborenen Beteiligten des Ausgangsverfahrens zu 1 b) beantragte die Staatsanwaltschaft Osnabrück am 10. November 1969 den Erlaß eines Strafbefehls über 100.- DM wegen Vergehens nach §§ 11, 26 Abs. 1 Nr. 1 WaffG. Der Beschuldigte habe im August 1969 einem anderen, der keinen Waffenerwerbsschein gehabt habe, fahrlässig seinen Gastrommelrevolver im Tausch gegen ein gebrauchtes Radio überlassen.
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b) Das Amtsgericht Bramsche hat den Erlaß des Strafbefehls mit Beschluß vom 18. Februar 1970 abgelehnt, weil § 26 Abs. 1 Nr. 1 WaffG als Bundesrecht anzusehen und durch § 43 Abs. 2 Nr. 1 BWaffG ersatzlos aufgehoben sei. § 26 Abs. 1 Nr. 1 WaffG sei als Bundesrecht zu qualifizieren, weil er im Gegensatz zum § 26 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, der überwiegend ordnungsrechtlichen Charakter habe, also dem Landesrecht zuzurechnen sei, hauptsächlich durch strafrechtliche und gewerbliche Gesichtspunkte geprägt werde, deren Regelung zur konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Nr. 1 und Art. 74 Nr. 11 GG gehöre.
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c) In der nach erfolgreicher Beschwerde der Staatsanwaltschaft anberaumten Hauptverhandlung vom 27. April 1970 hat das Amtsgericht Bramsche das Verfahren nach Art. 126 GG in Verbindung mit § 86 Abs. 2 BVerfGG ausgesetzt und ebenfalls die vorstehend unter II 1. b) dargelegte Vorlagefrage an das Bundesverfassungsgericht gestellt.
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3. a) Gegen den am 28. Januar 1948 geborenen Beteiligten des Ausgangsverfahrens zu 2 a) erhob die Staatsanwaltschaft München am 9. Juni 1969 Anklage wegen Vergehens nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Er habe im Sommer 1968 eine Selbstladepistole mit Munition erworben und diese in den folgenden Monaten in einem von ihm ständig benutzten PKW mit sich geführt, ohne einen Waffenschein zu besitzen.
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b) Das Amtsgericht München - Jugendgericht - hat durch Beschluß vom 27. August 1969 das Verfahren gemäß Art. 126 GG in Verbindung mit § 86 Abs. 2 BVerfGG ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber nachgesucht, ob § 26 Abs. 1 Nr. 2 WaffG bis einschließlich 30. November 1968 als Bundesrecht fortgegolten hat. Zur Begründung hat es die gleichen Erwägungen wie im Ausgangsverfahren zu 1 a) angestellt.
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4. a) Gegen den am 21. Oktober 1935 geborenen Beteiligten des Ausgangsverfahrens zu 2 b) beantragte die Staatsanwaltschaft Dortmund am 9. September 1969 den Erlaß eines Strafbefehls über 200.- DM wegen Vergehens nach §§ 14 und 26 Abs. 1 Nr. 2 WaffG in Tateinheit mit einer Übertretung nach § 367 Abs. 1 Ziffer 8 und Abs. 2 StGB. Der Beschuldigte habe am 25. Juli 1969 ohne Waffenschein eine Schußwaffe geführt und damit ohne Erlaubnis an bewohnten und von Menschen besuchten Orten geschossen.
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b) Das Amtsgericht Kamen lehnte den Erlaß des Strafbefehls mit Beschluß vom 10. November 1969 ab, weil § 26 WaffG insgesamt zum Strafrecht im Sinne des Art. 74 Nr. 1 GG gehöre, deshalb nach Art. 125 Abs. 1 GG Bundesrecht geworden und durch § 43 Abs. 2 Nr. 1 BWaffG aufgehoben sei. Nordrhein-Westfalen habe die Möglichkeit bisher nicht genutzt, die Weitergeltung der aufgehobenen Vorschriften des Waffengesetzes als Landesrecht rechtswirksam zu beschließen; dies könne mit Rücksicht auf Art. 103 Abs. 2 GG nur im Wege der Gesetzgebung, nicht aber - wie hier nur geschehen - durch einen ministeriellen Runderlaß erfolgen.
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c) Mit sofortiger Beschwerde machte die Staatsanwaltschaft geltend, § 26 WaffG sei zwar bis zum 30. November 1968 nach Art. 125 Abs. 1 und 74 Nr. 1 GG Bundesrecht gewesen, mit dem Inkrafttreten des Bundeswaffengesetzes aber wieder Landesrecht geworden. Der Bundestag habe einen entsprechenden Willen in der Begründung des Entwurfs zum Bundeswaffengesetz erkennen lassen.
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d) Das Landgericht Dortmund hat mit Beschluß vom 22. Dezember 1969 das Verfahren gemäß Art. 126 GG in Verbindung mit § 86 Abs. 2 BVerfGG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 26 Abs. 1 Nr. 2 WaffG bis zum 1. Dezember 1968 als Bundesrecht fortgegolten hat. Es hält die Vorlagefrage für streitig, weil trotz des augenscheinlichen Strafcharakters der Vorschrift nicht auszuschließen sei, daß sie im Sinne verfassungsrechtlicher Kompetenzverteilung einer anderen Kompetenzmaterie zuzurechnen sei, wie dies z. B. vom Bundesverfassungsgericht für die Verjährungsvorschrift des § 22 Reichspressegesetz (BVerfGE 7, 29) bejaht worden sei.
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III. |
1. Der Bundesminister der Justiz hat sich namens der Bundesregierung in allen vier Ausgangsverfahren geäußert. Er hält die Vorlagen für zulässig, weil die aufgeworfene Frage in Literatur und Rechtsprechung umstritten und für die Entscheidung der Ausgangsverfahren erheblich sei.
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a) Die Erheblichkeit einer Vorlagefrage sei nicht auf gültige und fortbestehende Vorschriften beschränkt. Folge man der Auffassung, daß § 26 WaffG partielles Bundesrecht nach Art. 125 Nr. 1 GG geworden sei, könne die Ansicht der vorlegenden Gerichte nicht als offensichtlich unhaltbar angesehen werden, daß diese Vorschrift durch § 43 Abs. 2 Nr. 1 BWaffG ersatzlos aufgehoben worden sei. Zwar sei von den vorbereitend am Gesetzgebungsverfahren zum Bundeswaffengesetz Beteiligten beabsichtigt gewesen, § 26 Abs. 1 WaffG insoweit nicht aufzuheben, als diese Vorschrift landesrechtliche Vorschriften des Waffengesetzes mit Strafe bewehrte. Diese Absicht ergebe sich sowohl aus der Entstehungsgeschichte des Bundeswaffengesetzes, werde aber auch durch inzwischen ergangene Landesgesetze bestätigt, die § 26 Abs. 1 WaffG geändert oder neu gefaßt hätten. Gleichwohl sei diese Absicht in § 43 Abs. 2 Nr. 1 BWaffG nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen. Andererseits seien die Zweifel, die an der Bestimmtheit des § 43 Abs. 2 Nr. 1 BWaffG im Falle seiner Auslegung gegen den Gesetzeswortlaut bestehen könnten, nicht so schwerwiegend, daß die Auffassung der vorlegenden Gerichte offensichtlich unhaltbar wäre, § 26 WaffG sei im Falle seiner Zugehörigkeit zum Bundesrecht außer Kraft getreten.
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b) Mit Rücksicht auf § 2 Abs. 2 Satz 2 StGB sei der ersatzlose Wegfall der Strafvorschrift auch in allen Ausgangsverfahren entscheidungserheblich. Zum Verfahren des Amtsgerichts Bramsche führt der Bundesminister der Justiz noch zusätzlich aus, daß dieses Gericht hinsichtlich der Gültigkeit des § 26 Abs. 1 Nr. 1 WaffG nicht an die Rechtsauffassung des ihm übergeordneten Beschwerdegerichts gebunden gewesen sei und deshalb seine entgegenstehende Meinung im Vorlagebeschluß erneut habe vertreten können; die Entscheidungserheblichkeit sei in diesem Falle nicht anders zu beurteilen, als in den drei anderen Ausgangsverfahren.
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c) Materiell sei § 26 Abs. 1 WaffG ein Sanktionsblankett, das sich zum Teil auf Bundesrecht und zum Teil auf Landesrecht beziehe. Die Vorschrift lasse sich aber nach ihrem Inhalt und ihrer Stellung im Gesetz keiner anderen Kompetenzmaterie als dem "Strafrecht" im Sinne des Art. 74 Nr. 1 GG zurechnen.
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2. Die Bayerische Staatsregierung hält die Vorlagebeschlüsse des Amtsgerichts München für zulässig, weil sich das Gericht in Gegensatz zu Art. 1 des Dritten Gesetzes zur Bereinigung des bayerischen Landesrechts vom 22. Juli 1968 (GVBl. S. 235) und Nr. 10 der Anlage hierzu, zur Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern über die Weitergeltung von Vorschriften des Waffengesetzes vom 18. März 1938 und der Durchführungsverordnung hierzu vom 13. November 1968 (MABl. S. 574), zu Abschnitt VIII Nr. 5 der amtlichen Begründung zum Bundeswaffengesetz (BTDrucks. V/528) sowie zur Auffassung zahlreicher Kommentare und Gerichtsentscheidungen gesetzt habe.
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3. Der Bundesgerichtshof hat sich gemäß § 82 Abs. 4 BVerfGG dahin geäußert, der Dritte Strafsenat habe zu der streitigen Frage eine abschließende Entscheidung bisher nicht getroffen. Dieser Senat neige jedoch zu der Auffassung, daß § 26 Abs. 1 Nr. 1 WaffG insoweit noch als Landesrecht in Kraft sei, als es sich um den nicht gewerbsmäßigen oder selbständig im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung erfolgten Waffenerwerb handle. Der Fünfte Strafsenat habe in einem Beschluß vom 21. Januar 1969 § 26 Abs. 1 WaffG, soweit diese Bestimmung die Überlassung von Waffen und Munition an andere betreffe, als fortgeltendes Recht behandelt. Er sei - ohne nähere Begründung - stillschweigend der vom Bundesverwaltungsgericht (DVBl. 1963 S. 151/152) vertretenen Auffassung gefolgt, nach der diejenigen Teile des Waffengesetzes Landesrecht seien, deren alleiniger und unmittelbarer Zweck die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sei.
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4. Da die vier Vorlagen nach Art. 126 GG in Verbindung mit §§ 86 Abs. 2, 13 Ziffer 14 BVerfGG im wesentlichen die gleichen Rechtsfragen betreffen, sind die Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden.
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B. |
Die Vorlagen sind zulässig.
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I. |
1. Die Verfahren betreffen die Frage, ob eine vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassene Norm - § 26 WaffG - als Bundesrecht fortgilt.
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2. Die Vorlagefragen sind nicht etwa deshalb unzulässig, weil nach dem Wortlaut des § 86 Abs. 2 BVerfGG nur das Fortgelten eines Gesetzes als Bundesrecht zur Prüfung des Bundesverfassungsgerichts gestellt werden kann, hier aber die Gerichte übereinstimmend davon ausgehen, daß § 26 Abs. 1 WaffG - sofern diese Vorschrift nach Art. 125 GG Bundesrecht geworden ist - seit dem Inkrafttreten des Bundeswaffengesetzes am 1. Dezember 1968 nicht mehr gilt. Auch für die Feststellung der Qualität von inzwischen aufgehobenen Normen besteht bei sinngemäßer Auslegung des § 86 Abs. 2 BVerfGG ein Rechtsschutzinteresse, wenn diese Feststellung - wie in den vorliegenden Fällen - für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens erheblich ist (BVerfGE 8, 186).
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II. |
1. Voraussetzung der beantragten Feststellung ist, daß in den Ausgangsverfahren die Vorlagefrage streitig und für die Entscheidung erheblich ist.
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a) Die Frage, ob eine Norm als Bundesrecht fortgilt, ist u. a. dann streitig, wenn die Ansicht des vorlegenden Gerichts der eines Landesverfassungsorgans widerspricht (BVerfGE 13, 367 [371]; zuletzt 28, 119 [137]). Das trifft hier in allen Verfahren zu.
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b) Die vorlegenden Gerichte halten § 26 Abs. 1 WaffG übereinstimmend für Bundesrecht nach Art. 125 GG, weil die Vorschrift nach ihrem Inhalt und dem Umfang der angedrohten Strafe zum Strafrecht im Sinne des Art. 74 Nr. 1 GG gehöre, auch wenn sie überwiegend dem Landesrecht zuzurechnende sicherheits- und ordnungsrechtliche Vorschriften des Waffengesetzes mit Strafe bewehre.
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c) Die Bayerische Staatsregierung (betrifft die Verfahren zu 1 a) und 2 a) hält dagegen § 26 Abs. 1 WaffG ebenso für Landesrecht wie die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen (betrifft das Verfahren zu 2 b) und Niedersachsen (betrifft das Verfahren zu 1 b).
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2. Die Vorlagefrage ist auch in allen Ausgangsverfahren nach Auffassung der vorlegenden Gerichte entscheidungserheblich. Die Vorlagebeschlüsse lassen eindeutig erkennen, daß die Gerichte dann, wenn § 26 Abs. 1 WaffG als Bundesrecht bis zum Inkrafttreten des Bundeswaffengesetzes fortgegolten hat, diese Vorschrift als durch § 43 Abs. 2 Nr. 1 BWaffG aufgehoben ansehen und sich gehindert sehen,
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a) den Strafbefehl antragsgemäß zu erlassen (Fall 1 a), b) den Beschuldigten zu bestrafen (Fall 2 a), c) den Angeklagten entsprechend dem in der Hauptverhandlung gestellten Strafantrag zu verurteilen (Fall 1 b), d) auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft den Beschluß des Amtsgerichts Kamen vom 10. November 1969 aufzuheben und die Durchführung der Hauptverhandlung gegen den Beschuldigten mit dem Ziel seiner Bestrafung nach dem beantragten Strafbefehl anzuordnen (Fall 2 b). |
3. Die Auffassung der vorlegenden Gerichte über die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage ist auch nicht offensichtlich unhaltbar.
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a) Im Verfahren des Amtsgerichts München (62 Cs 91/69 jug. 83) - Fall 1 a) - liegt die Tatzeit (September 1968) vor dem Inkrafttreten des Bundeswaffengesetzes; dies trifft auch für das andere Verfahren des Amtsgerichts München (62 Ds 384/69 jug. 83) - Fall 2 a) - zu (Tatzeit: Beginn Sommer 1968). In beiden Fällen würde, wenn § 26 Abs. 1 WaffG Bundesrecht geworden ist, § 2 Abs. 2 Satz 2 StGB eingreifen, wonach bei Verschiedenheit der Gesetze von der Zeit der begangenen Handlung bis zu deren Aburteilung das mildeste Gesetz anzuwenden ist. Das bedeutet bei der noch weiterreichenden völligen Aufhebung des die Strafandrohung enthaltenden Gesetzes, daß eine Bestrafung nicht mehr erfolgen kann; hier müßte dann in beiden Fällen Freispruch ergehen, soweit den Beschuldigten Vergehen gegen § 26 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 WaffG vorgeworfen werden.
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b) In den beiden anderen Ausgangsverfahren liegt die Tatzeit (Fall 1 b): August 1969; Fall 2b): Juli 1969) nach dem Inkrafttreten des Bundeswaffengesetzes. Hier greift § 2 Abs. 1 StGB ein, der ebenso wie Art. 103 Abs. 2 GG bestimmt, daß eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Ist also § 26 Abs. 1 WaffG nach Art. 125 GG Bundesrecht geworden und durch § 43 Abs. 2 Nr. 1 BWaffG ab 1. Dezember 1968 ersatzlos aufgehoben, ohne daß entsprechende Landesvorschriften an seine Stelle getreten sind, müßte in diesen Verfahren Freispruch erfolgen (Fall 1 b) bzw. die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Ablehnung des Erlasses des beantragten Strafbefehls zurückgewiesen werden (Fall 2 b).
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C. - I. |
1. Nach Art. 123 Abs. 1 GG gilt Reichsrecht fort, soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht. Ob und inwieweit Reichsrecht mit dem Zusammentritt des Ersten Deutschen Bundestages am 7. September 1949 Bundesrecht geworden ist, bestimmen die Art. 124 und 125 GG. Aus beiden Verfassungsbestimmungen ergibt sich als gemeinsame Regel für die Normqualifizierung, daß alles alte Recht nur dann als Bundesrecht fortgelten soll, wenn der Bundesgesetzgeber auch nach der in den Art. 70 ff. GG getroffenen Zuständigkeitsregelung zum Erlaß gleichartiger Vorschriften befugt war. Demgemäß können reichsrechtlich geregelte Gegenstände, die heute in die ausschließliche (Art. 124 GG) oder in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes (Art. 125 GG) fallen, in aller Regel auch nur als Bundesrecht fortgelten.
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Das vom Verfassungsgeber verfolgte Ziel, gleichartige Gegenstände alten und neuen Rechts demselben Gesetzgeber zur Regelung zuzuweisen, schließt es indessen nicht aus, daß verschiedenartige Gegenstände, die in einem einheitlichen Reichsgesetz geregelt waren, zum Teil in die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers und zum Teil in diejenige der Landesgesetzgebung fallen. Der Begriff "Recht" in den Art. 124 und 125 GG ist insoweit nicht gleichbedeutend mit einer zusammenfassenden Regelung verschiedener Materien in einem Gesetz. Daß eine Aufspaltung von bisher in einem Reichsgesetz geregelten Materien - teils in Bundesrecht und teils in Landesrecht - zulässig ist, wird auch dadurch bestätigt, daß die in Art. 139 Abs. 5 (Erste Variante) des Herrenchiemsee'er Entwurfs zunächst vorgeschlagene Lösung
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"Würde dasselbe Gesetz ... teils als Bundesrecht, teils als Landesrecht fortgelten, so gilt das ganze Gesetz als Landesrecht fort..."
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in der endgültigen Fassung des an seine Stelle getretenen Art. 125 GG ersatzlos fortgefallen ist. Daraus folgt, daß ehemalige Reichsgesetze teilweise als Bundesrecht und teilweise als Landesrecht fortgelten können, sofern die in ihnen geregelten Materien nach der Zuständigkeitsregelung des Grundgesetzes zum Teil in die Kompetenz des Bundes und zum Teil in diejenige der Länder fallen.
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2. Das Waffengesetz vom 18. März 1938 wurde nach dem Zusammenbruch 1945, und zwar bis zum 7. September 1949 nicht geändert. Es hat zumindest innerhalb der damaligen amerikanischen Besatzungszone einheitlich gegolten und wurde von besatzungsrechtlichen Vorschriften, insbesondere durch das Gesetz Nr. 24 der Alliierten Hohen Kommission vom 30. März 1950 (AHK ABl. S. 251) lediglich zeitweise überlagert, jedoch nicht aufgehoben. Es enthält in seinen Abschnitten II (§§ 3 bis 6) und III (§§ 7 bis 10) Bestimmungen über die Herstellung von Schußwaffen und Munition sowie über den Handel mit Waffen und Munition. Diese Vorschriften sind nach Art. 125 GG Bundesrecht geworden, weil sie Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes (Art. 74 Nr. 11 GG: Recht der Wirtschaft) betrafen. Sie sind durch die Bestimmungen des Bundeswaffengesetzes vom 14. Juni 1968 (BGBl. I S. 633) ersetzt worden und gemäß § 43 Abs. 2 Nr. 1 dieses Gesetzes am 1. Dezember 1968 außer Kraft getreten.
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3. Dagegen sind diejenigen Vorschriften des Waffengesetzes, die im wesentlichen in Abschnitt IV (Erwerb, Führen, Besitz und Einfuhr von Waffen und Munition) enthalten sind, z. B. § 11 (Überlassen und Erwerb von Faustwaffen nur gegen Waffenerwerbsschein) und § 14 (Führen einer Schußwaffe nur mit Waffenschein), nach Art. 125 GG nicht Bundesrecht geworden. Diese Vorschriften gelten vielmehr seit dem 7. September 1949 als Landesrecht fort, weil sie ausschließlich Angelegenheiten der öffentlichen Sicherheit und Ordnung betreffen, die nicht zur konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes, sondern zur Gesetzgebung der Länder gehören (vgl. BVerfGE 3, 407 [433]; 8, 143 [153]). Die §§ 11 und 14 WaffG sind deshalb auch nicht von der Aufhebungsvorschrift des § 43 Abs. 2 Nr. 1 BWaffG erfaßt worden.
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4. Der Abschnitt V des Waffengesetzes (§§ 26 und 27) enthält Vorschriften, die bestimmte, an anderer Stelle im Waffengesetz näher umschriebene Handlungen mit Strafe (Gefängnis bis zu drei Jahren und Geldstrafe oder eine dieser Strafen nach § 26 bzw. Geldstrafe oder Haft nach § 27) bedrohen. Grundsätzlich gehört das Strafrecht nach Art. 74 Nr. 1 GG zur Gesetzgebung des Bundes (vgl. BVerfGE 13, 367 [372]; 23, 113 [124/125]).
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§ 26 Abs. 1 WaffG bewehrt jedoch in seiner Nr. 1 sowohl Gebote und Verbote des Waffengesetzes, die heute zur Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers gehören (§§ 3 bis 10: Herstellung, Bearbeitung, Instandsetzung und gewerbsmäßiges Feilhalten von Waffen und Munition), als auch solche Normen, die wie § 11 WaffG zur Landesgesetzgebung gehören. Letzteres gilt auch für § 14 WaffG, auf den sich § 26 Abs. 1 Nr. 2 WaffG bezieht. § 26 Abs. 1 WaffG enthält mithin keine selbständige und aus sich allein verständliche Regelung; er ist vielmehr ein unechtes Sanktionsblankett, das die in demselben Gesetz geregelten und insoweit fest umrissenen Tatbestände mit Strafe bewehrt, was sich schon aus den in seinem Eingangssatz verwandten Worten ("... wer ... den Bestimmungen dieses Gesetzes zuwider ...") ergibt. Anders als bei echten Blankettstrafvorschriften, umschreibt § 26 Abs. 1 WaffG einen Tatbestand als strafbar, der in demselben Gesetz als materielle Verhaltensnorm festgelegt ist. Verhaltensnorm und die sie bewehrende Strafvorschrift bilden also hier nach der Systematik des Gesetzes eine rechtliche Einheit, die bei der Überleitung von altem Reichsrecht nach Art. 125 GG nicht aufgelöst werden darf, weil nur so dem besonderen Charakter von § 26 Abs. 1 WaffG als einem unechten Sanktionsblankett hinreichend Rechnung getragen werden kann. § 26 Abs. 1 WaffG ist deshalb. soweit sich die Strafandrohung auf solche Vorschriften des Waffengesetzes bezieht, die Bundesrecht geworden sind, selbst ebenfalls Bundesrecht geworden und insoweit durch § 43 Abs. 2 Nr. 1 BWaffG aufgehoben worden. Soweit dagegen § 26 Abs. 1 WaffG die nach Art. 125 GG Landesrecht gewordenen Vorschriften des Waffengesetzes (§§ 11 und 14) mit Strafdrohung bewehrt, ist er ebenfalls Landesrecht geworden und durch entgegenstehendes Bundesrecht nicht aufgehoben worden.
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5. Mit dieser Qualifizierung des § 26 Abs. 1 WaffG weicht der Senat nicht von seinen Entscheidungen vom 31. Januar 1962 (BVerfGE 13, 367 [373]) und vom 22. Februar 1968 (BVerfGE 23, 113 [125]) ab. In diesen Entscheidungen wird zwar ausgeführt, daß ein Blankettstrafgesetz des Bundes auch landesrechtliche Vorschriften mit Strafe bewehren, gleichwohl aber selbst als Bundesrecht fortgelten kann. In den den beiden Entscheidungen zugrundeliegenden Fällen hatten indessen die ausfüllenden Normen schon immer zur Zuständigkeit des Landesgesetzgebers gehört und sind nicht - wie im vorliegenden Fall - erst kraft Art. 125 GG als altes Reichsrecht zu Landesrecht geworden.
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6. Die Tatsache, daß § 26 Abs. 1 WaffG als Höchststrafe Gefängnis bis zu drei Jahren androht, also einen Strafrahmen enthält, der die dem Landesgesetzgeber in § 5 EGStGB gezogenen Grenzen (Höchststrafe: zwei Jahre) überschreitet, steht der Überleitung der Strafvorschrift als - teilweises - Landesrecht nach Art. 125 GG nicht entgegen. Das kann nur dazu führen, den Strafrahmen dahin auszulegen, daß er lediglich eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren hergibt. Diese Rechtslage kann im Einzelfall bei Anwendung des § 26 Abs. 1 WaffG durch Nichtausschöpfung des Strafrahmens ebenso berücksichtigt werden, wie dies durch entsprechende Ländergesetze generell geschehen ist.
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7. Die Fortgeltung des § 26 Abs. 1 WaffG als Landesrecht, soweit er die §§ 1 und 14 WaffG mit Strafdrohung bewehrt, verstößt auch nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG (nullum crimen, nulla poena sine lege). Nach Art. 103 Abs. 2 GG soll gewährleistet sein, daß der Bürger die Strafbarkeit einer bestimmten Handlung kennt oder sie erkennen und sich dementsprechend verhalten kann. Deshalb muß die Strafbarkeit schriftlich in einem Gesetz oder in einer Rechtsverordnung fixiert sein. Das ist hier der Fall. Denn durch die Überleitung bestehender Strafvorschriften, die niemals aufgehoben worden sind - im übrigen im Bewußtsein der Rechtsunterworfenen auch immer vorhanden waren -, wird die Strafbarkeit nicht neu oder erstmals begründet. Nach der Regel des Art. 125 GG sind die §§ 11 und 14 WaffG sowie § 26 Abs. 1 WaffG, soweit er die vorgenannten Bestimmungen mit Strafdrohung bewehrt, Landesrecht geworden mit der Folge, daß sie als solches seit dem 7. September 1949 in den einzelnen Bundesländern fortgelten, ohne daß der Landesgesetzgeber diese Bestimmungen jeweils als Landesgesetz hätte neu beschließen und verkünden müssen.
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Das von dem normalen Gesetzgebungsverfahren abweichende, vom Verfassungsgeber in Art. 125 GG angeordnete automatische Fortgelten von altem Recht entweder als Bundesrecht oder als Landesrecht kann aber nicht gegen eine andere Verfassungsbestimmung von gleichem Rang verstoßen. Die verfassungsrechtliche Garantie, daß eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde, wird jedenfalls durch die Zuordnung der Strafvorschrift zur Landesgesetzgebung nicht verletzt.
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II. |
Die unter I. dargelegte Rechtsauffassung wird durch die Rechtsentwicklung in den Ländern seit 1949 und durch die Gesetzgebungsgeschichte des Bundeswaffengesetzes bestätigt.
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1. Die sog. Rechtsbereinigungsgesetze der Länder haben zwar keinerlei konstitutive Bedeutung für das Fortgelten einer Vorschrift als Landesrecht. Dies bestimmt sich vielmehr ausschließlich nach Art. 125 GG. Immerhin geben aber diese Gesetze die Auffassung des jeweiligen Landesgesetzgebers wieder.
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a) Das Dritte Gesetz zur Bereinigung des bayerischen Landesrechts vom 22. Juli 1968 (GVBl. S. 235), das am 1. August 1968 in Kraft getreten ist, bestimmt in Artikel 1:
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Rechtsvorschriften des ehemaligen Reichsrechts ... treten, soweit sie als Landesrecht fortgelten, am 1. August 1968 außer Kraft, wenn sie nicht in die Anlage zu diesem Gesetz aufgenommen sind ...
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In die Anlage (BayBSErgB S. 15 f.) ist auch das Waffengesetz aufgenommen mit der Anmerkung
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In der Anmerkung zu Abschnitt V (Strafbestimmungen) steht die Bemerkung "Enthält auch Bundesrecht".
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b) Für das Land Niedersachsen bestimmt das Zweite Gesetz zur Bereinigung des niedersächsischen Rechts vom 30. März 1963 (GVBl. S. 147), daß landesrechtliche Vorschriften, die nur durch Gesetz geändert werden können und in der Zeit vom 1. Januar 1919 bis zum 8. Mai 1945 verkündet worden sind, soweit sie nicht in der Anlage enthalten sind, spätestens am 31. Dezember 1963 außer Kraft treten. In der Anlage Teil I ist unter der Nr. 263 u. a. auch § 26 Abs. 1 WaffG aufgeführt.
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c) Das Gesetz zur Bereinigung des als Landesrecht fortgeltenden ehemaligen Reichsrechts des Landes Nordrhein-Westfalen vom 13. Januar 1970 (GVBl. S. 18) - in Kraft getreten am 1. Januar 1970 - sieht in seinem § 1 folgendes vor:
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1. Reichsrechtliche Vorschriften, die nach Artikel 123 Abs. 1 und Artikel 125 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland als Landesrecht fortgelten und nicht in die Anlage I zu diesem Gesetz aufgenommen sind, treten außer Kraft ... 2. Durch die Aufnahme in die Anlage I wird eine ungültige Vorschrift nicht gültig. ... |
Nach § 5 des Gesetzes sind ferner die in der Anlage II aufgeführten Vorschriften vom Außerkrafttreten ausgenommen. In der Anlage II unter Nr. 5 a ist das Waffengesetz vom 18. März 1938 aufgeführt.
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2. Auch die Gesetze, die in den Ländern Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zur Anpassung des Landesrechts an das Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25. Juni 1969 (BGBl. I S. 645) erlassen worden sind, gehen offensichtlich davon aus, daß § 26 Abs. 1 WaffG insoweit als Landesrecht fortgilt, als er Landesrecht bewehrt.
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a) Das bayerische "Strafrechts-Bereinigungs- und Anpassungsgesetz" vom 31. Juli 1970 (GVBl. S. 345) - in Kraft getreten am 1. September 1970 - erwähnt zwar nicht das Waffengesetz, bestimmt aber in den Überleitungs- und Schlußvorschriften des Achten Abschnittes (§ 71 "Überleitung von Strafdrohungen", Absatz 1), daß, sofern in anderen Vorschriften des Landesrechts für Verbrechen, Vergehen oder Übertretungen Zuchthaus, Gefängnis oder Haft angedroht ist, an die Stelle dieser Strafen Freiheitsstrafe tritt. § 71 Abs. 2 setzt als Höchstmaß für Freiheitsstrafe zwei Jahre fest.
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b) Das niedersächsische "Anpassungsgesetz" vom 24. Juni 1970 (GVBl. S. 237) - in Kraft getreten am Tag nach seiner Verkündung - bestimmt in Art. 40 über das Waffengesetz unter Ziffer 2:
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Der Abschnitt V erhält folgende Fassung: "Abschnitt V Straf- und Bußgeldvorschriften |
§ 26
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(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 11 Abs. 1 Faustfeuerwaffen ohne Aushändigung eines Waffenerwerbsscheins überläßt oder erwirbt, 2. entgegen § 14 Abs. 1 eine Schußwaffe führt, ohne einen Waffenschein zu besitzen, 3.... (2)..." |
c) Im "Anpassungsgesetz" des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. Dezember 1969 (GVBl. 1970 S. 22) - in Kraft getreten am 1. April 1970 - findet sich in Art. XII "Waffengesetz" in bezug auf § 26 Abs. 1 WaffG lediglich die Vorschrift, daß das Wort "Gefängnis" durch das Wort "Freiheitsstrafe" ersetzt wird. In Art. LI ist noch für die "Überleitung von Strafdrohung" bestimmt, daß das Höchstmaß der Freiheitsstrafe zwei Jahre beträgt.
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3. Die Länder Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein haben ebenso wie Niedersachsen in ihren Anpassungsgesetzen jeweils den § 26 WaffG neu gefaßt (Gesetz zur Änderung und Bereinigung von Straf- und Bußgeldvorschriften des Landes Baden-Württemberg vom 6. April 1970 (GBl. S. 111), Art. 7; Hessisches Gesetz zur Anpassung des Landesrechts an das Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 18. März 1970 (GVBl. S. 245), Art. 49 Nr. 2; Gesetz zur Anpassung des schleswig-holsteinischen Landesrechts an das Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts und andere strafrechtliche Vorschriften vom 24. März 1970 (GVBl. S. 66), Art. 4). Diese Gesetze sprechen jeweils davon, daß § 26 WaffG "wie folgt geändert" wird oder "folgende Fassung erhält"; als Überschrift über den inhaltlich neugefaßten Vorschriften steht "§ 26 WaffG".
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4. Auch die Entstehungsgeschichte des Bundeswaffengesetzes spricht für diese Auffassung.
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Im Regierungsentwurf für ein Bundeswaffengesetz - BTDrucks. IV/2883 und V/528 sowie Anlage 2 zu BTDrucks. V/528 = BRDrucks. 61/66 - war in § 49 Abs. 2 BWaffG - dem späteren § 43 - vorgesehen:
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Als Bundesrecht treten außer Kraft 1. Das Waffengesetz vom 18. März 1938 (RGBl. I S. 265) mit Ausnahme seines § 26; ... |
In der Begründung heißt es zu § 49:
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5. § 49 bezeichnet diejenigen Vorschriften, die bei Inkrafttreten des Gesetzes außer Kraft treten. § 49 unterscheidet dabei zwischen Vorschriften, die schlechthin aufgehoben werden (Absatz 1) und solchen, die nur insoweit außer Kraft treten, als sie Bundesrecht darstellen (Absatz 2). Im Fall des Absatzes 2 gelten die bezeichneten Gesetze oder Verordnungen ganz oder teilweise als Landesrecht weiter fort, so z. B. die §§ 1 und 2, die §§ 11 bis 21, 23, 25, 26, 27 und 31 des Waffengesetzes. § 26 des Waffengesetzes muß ... in Kraft bleiben, weil andernfalls die als Landesrecht weitergeltenden Vorschriften des Waffengesetzes ohne Strafschutz bleiben würden ...
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Daß § 26 WaffG auf alle Fälle in Kraft bleiben sollte, war während des ganzen Gesetzgebungsverfahrens offenbar allgemeine Meinung aller Beteiligten. Wenn der Innenausschuß des Bundestages in seiner 74. Sitzung am 29. November 1967 - Prot. Nr. 74, 5. Wp., S. 17 - den Wortlaut des § 49 dadurch geändert hat, daß er den Halbsatz angefügt hat, "soweit diese Vorschriften Bundesrecht sind" und zugleich die Worte "mit Ausnahme seines § 26 ..." gestrichen hat und die Bestimmung dann in diesem Wortlaut als § 43 Abs. 2 Nr. 1 des Bundeswaffengesetzes vom Plenum des Bundestages verabschiedet worden ist, so kann daraus lediglich geschlossen werden, daß der Gesetzgeber der Ansicht war, § 26 WaffG habe, soweit er die als Landesrecht fortgeltenden Vorschriften mit Strafdrohung bewehre, seit dem 7. September 1949 als Landesrecht fortgegolten, so daß sich aus diesem Grunde die Einfügung der Worte "mit Ausnahme seines § 26 ..." erübrigte.
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III. |
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
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Seuffert v. Schlabrendorff Rupp Geiger Hirsch Rinck Rottmann Wand |