BVerfGE 38, 281 - Arbeitnehmerkammern |
Die Gesetze der Länder Bremen und Saarland über die Errichtung von Arbeitnehmerkammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Pflichtzugehörigkeit aller Arbeitnehmer sind mit dem Grundgesetz vereinbar. |
Beschluß |
des Ersten Senats vom 18. Dezember 1974 |
- 1 BvR 430/65 und 259/66 -- |
in den Verfahren über die Verfassungsbeschweren 1. der Frau Z .., .., gegen a) das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11. Mai 1965 -- VI 279/63 U -, b) mittelbar gegen das Gesetz über die Arbeitnehmerkammern im Lande Bremen vom 3. Juli 1956 (GBl. S. 79) -- 1 BvR 430/65 -; 2. des Herrn E .., .. -- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Kirsch, Saarbrücken 1, Eisenbahnstraße 40 -- gegen a) das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes in Saarlouis vom 17. April 1962 -- 3 K 245/61 -, b) das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes in Saarlouis vom 20. Februar 1964 -- I R 53/62 -, c) das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Februar 1966 -- VII C 72.64 -, d) mittelbar gegen das Saarländische Gesetz Nr. 255 über die Errichtung einer Arbeitskammer für das Saarland vom 30. Juni 1951 (Amtsbl. S. 960) in der Fassung vom 15. November 1960 (Amtsbl. S. 887) -- 1 BvR 259/66 -. |
ENTSCHEIDUNGSFORMEL: |
Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen. |
Gründe: |
A. -- I. |
1. Bestrebungen, die bis ins 19. Jahrhundert zurückgehen, führten nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in Bremen zur Errichtung von Arbeitnehmerkammern. Die Verfassung vom 18. Mai 1920 schuf die Grundlage für eine Angestelltenkammer (§ 83) und eine Arbeiterkammer (§ 84).
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Diese Kammern waren den Handels-, Handwerks-, Gewerbe- und Landwirtschaftskammern gleichgestellte öffentlich-rechtliche Körperschaften, "berufen, auf alles was den von ihnen vertretenen Wirtschaftszweigen dienlich sein kann, ihr Augenmerk zu richten, darüber zu beraten, und dem Senat auf dessen Antrag oder auch unaufgefordert gutachtlich zu berichten, wie auch die ihnen zur Förderung ihrer Aufgaben angemessen erscheinenden Maßregeln bei der zuständigen Behörde zu beantragen" (§ 85). Auf Grund dieser Verfassungsbestimmungen wurden am 17. Juli 1921 ein Arbeiterkammergesetz und ein Angestelltenkammergesetz fast gleichen Inhalts verabschiedet (Bremisches Gesetzblatt S. 291, 296).
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Die 1936 aufgelösten Kammern wurden durch Verordnung der Militärregierung vom 22. Juni 1945 wieder errichtet, jedoch ohne Zwangsmitgliedschaft.
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2. Das Gesetz über die Arbeitnehmerkammern im Lande Bremen vom 3. Juli 1956 (GBl. der Freien Hansestadt Bremen [GBl.] S. 79) stellte den früheren Rechtszustand wieder her. Es wurde unwesentlich geändert durch die Gesetze vom 24. März 1964 (GBl. S. 41) und vom 23. Dezember 1965 (GBl. S. 156). Im einzelnen ist bestimmt:
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(1) Die Arbeiterkammer und die Angestelltenkammer (Arbeitnehmerkammern) haben die Aufgabe, im Einklang mit dem Allgemeinwohl die Interessen der im Lande Bremen tätigen Arbeitnehmer in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht wahrzunehmen und zu fördern.
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(2) Sie sollen insbesondere die Behörden und Gerichte in Fachfragen, vor allem durch Erstatten von Gutachten und Berichten, unterstützen.
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(3) Die Arbeitnehmerkammern sind berufen, im Zusammenwirken mit den zuständigen Körperschaften und Behörden Maßnahmen zur Förderung und Durchführung der kaufmännischen, gewerblichen, handwerklichen und landwirtschaftlichen Berufsausbildung zu treffen. Die durch Bundesgesetze anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts zugewiesenen Aufgaben und Zuständigkeiten bleiben unberührt.
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(4) Sie können die ihnen zur Durchführung ihrer Aufgaben angemessen erscheinenden Maßnahmen bei der Aufsichtsbehörde beantragen. Sie sind außerdem berechtigt, dem Senat unaufgefordert gutachtlich zu berichten. Die Arbeitnehmerkammern haben das Recht, zur Beratung eines Gesetzes, das sie vorgeschlagen oder begutachtet haben, einen Vertreter in die Bürgerschaft zu entsenden. Dem Vertreter der vorschlagenden Kammer ist Gelegenheit zu geben, den Standpunkt der Kammer mündlich darzulegen. Auf Verlangen der Bürgerschaft hat sie einen Vertreter zu entsenden.
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(5) Die Arbeitnehmerkammern sind vor Erlaß landesrechtlicher Vorschriften über Angelegenheiten, die ihr Aufgabengebiet betreffen, zu hören.
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(6) Der Senat kann den Arbeitnehmerkammern durch Rechtsverordnung staatliche Aufgaben im Rahmen des Absatzes 1 zur Erfüllung nach Weisung (Auftragsangelegenheiten) übertragen.
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§ 2 Rechtsform und Rechtsfähigkeit
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Die Arbeitnehmerkammern sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Sie besitzen Dienstherrenfähigkeit. Ihr Sitz ist Bremen.
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§ 3 Kammerzugehörigkeit
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(1) Der Arbeiterkammer gehören alle im Lande Bremen tätigen weiblichen und männlichen Arbeiter an.
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(3) bis (6) ...
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Organe der Arbeitnehmerkammern sind die Vollversammlung, der Vorstand, der Präsident und die Ausschüsse (§ 4). Die laufenden Geschäfte der Kammern führt der Geschäftsführer nach den Weisungen des Vorstandes (§ 19). Dieser besteht bei jeder der beiden Arbeitnehmerkammern aus dem Präsidenten, der seine Kammer gerichtlich und außergerichtlich vertritt (§ 20), dem Vizepräsidenten und dem Rechnungsführer (§ 16), zu denen noch Beisitzer treten können. Der Vorstand wird von der Vollversammlung gewählt (§ 16), führt ihre Beschlüsse aus und ist ihr für die ordnungsmäßige Wahrnehmung der ihm obliegenden Aufgaben verantwortlich (§ 15).
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Die Vollversammlung jeder Kammer besteht aus 18 Mitgliedern, die von den ihr angehörenden über 18 Jahre alten Arbeitnehmern unmittelbar auf 4 Jahre gewählt werden (§§ 6, 7). Wahlvorschläge können nur von Gewerkschaften und von Berufsvereinigungen von Arbeitnehmern eingereicht werden (§ 8). Die Vollversammlung stellt den Haushaltsplan der Kammer fest und beschließt eine Satzung (§§ 5, 21).
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Zur Deckung des Finanzbedarfs erheben die Arbeitnehmerkammern von ihren wahlberechtigten Mitgliedern Beiträge, deren Höhe die Vollversammlungen festsetzen (§ 22). Zur Zeit beträgt der Beitragssatz 0,1 v.H. des Bruttolohnes, bei der Angestelltenkammer höchstens 2,80 DM im Monat. Die Beiträge werden vom Arbeitgeber einbehalten und über das Finanzamt an die Kammern abgeführt (§ 22 Abs. 3, 4).
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II. |
1. Die "Regierungskommission für das Saargebiet", die auf Grund des Versailler Friedensvertrages im Auftrag des Völkerbundes amtierte, schuf auf Anregung des für das Sozialwesen des Saargebietes zuständigen Internationalen Arbeitsamtes durch Verordnung vom 18. September 1925 eine Arbeitskammer. Sie war paritätisch mit je 18 Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern besetzt und hatte die Aufgabe, deren gemeinsame Interessen gegenüber der Regierungskommission zu vertreten. Mit der Rückgliederung des Saarlandes 1935 endete die Tätigkeit der Arbeitskammer; nach 1945 nahm sie ihre Tätigkeit wieder auf.
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Art. 59 Abs. 1 der Verfassung des Saarlandes vom 15. Dezember 1947 (Amtsbl. S. 1077) bestimmt:
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Die Wirtschaft des Saarlandes findet ihre öffentlich-rechtliche Vertretung jeweils in der Industrie- und Handelskammer, in der Handwerkskammer, in der Landwirtschaftskammer und in der Arbeitskammer ...
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2. Das Gesetz Nr. 255 über die Errichtung einer Arbeitskammer für das Saarland vom 30. Juni 1951 (Amtsbl. S. 980) in der Fassung vom 15. November 1960 (Amtsbl. S. 887) hatte u. a. bestimmt:
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§ 1 Errichtung und Sitz der Arbeitskammer
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(1) Zur Wahrnehmung der allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellte) und zur Förderung der auf die Hebung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage abzielenden Bestrebungen wird eine Kammer für Arbeitnehmer (Arbeitskammer) im Saarland mit dem Sitz in Saarbrücken errichtet.
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(2) Die Erörterung von politischen Angelegenheiten ist nicht Aufgabe der Kammer. Ebenso erstreckt sich ihre Tätigkeit nicht auf die Wahrnehmung der besonderen wirtschaftlichen und sozialen Interessen, die den Berufsorganisationen vorbehalten sind (§ 1 des Gesetzes über die Berufsorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer vom 30. Juni 1949, Amtsbl. S. 743).
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§ 2
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(1) Die Arbeitskammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie untersteht der Dienstaufsicht des Ministeriums für Arbeit und Sozialwesen.
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(2)...
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§ 3 Aufgaben der Arbeitskammer
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(1) Zur Zuständigkeit der Arbeitskammer gehören insbesondere
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a) durch Berichte und Gutachten Vorschläge zu machen über die Regelung der Arbeitsverhältnisse, des Arbeitsschutzes, der Sozialversicherung und des Arbeitsmarktes, sowie über alle wirtschaftlichen Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die auf eine Hebung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Landes abzielen;
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b) Gutachten zu erstatten über die Errichtung und Organisation von öffentlichen Anstalten oder Einrichtungen, welche der Förderung der Industrie, des Bergbaus, des Gewerbes, des Handels und Verkehrs, des Geld-, Kredit- und Versicherungswesens, sowie der Haus-, Land- und Forstwirtschaft dienen;
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c) die Arbeitnehmer in wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten, die ihre allgemeinen Interessen berühren, zu beraten;
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d) die Bestrebungen der einzelnen Berufsorganisationen der Arbeitnehmer miteinander in Übereinstimmung zu bringen;
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e) bei der Überwachung der arbeitsrechtlichen und unfallverhütenden Vorschriften die zuständigen Behörden zu beraten;
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f) die Einhaltung der Bestimmungen zum Schutze gegen Berufskrankheiten, die Besichtigung von Arbeitsstätten aller Art, von Dienst- und Werkswohnungen anzuregen;
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g) bei der Gestaltung der Ausbildungsverhältnisse (Lehr-, Anlern- und Praktikantenausbildung), sowie der Arbeitsverhältnisse jugendlicher Arbeitnehmer beratend mitzuwirken und die Durchführung der geltenden gesetzlichen und sonstigen allgemeinverbindlichen Bestimmungen in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden und öffentlich-rechtlichen Körperschaften zu sichern;
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h) durch Vorschläge die Ausbildung des Berufsnachwuchses und die berufliche Weiterbildung der beschäftigten Arbeitnehmer durch geeignete Maßnahmen zu fördern.
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(2) Vor Einbringung von Gesetzen durch die Regierung, die Fragen der in § 3 Abs. 1 erwähnten Art betreffen, soll der Arbeitskammer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Die Erstattung von Gutachten muß in einer angemessenen Frist erfolgen.
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3. Eine Neuregelung brachte das Gesetz Nr. 846 über die Arbeitskammer des Saarlandes vom 5. Juli 1967 (Amtsbl. S. 635). Es bestimmt u. a.:
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§ 1
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(1) Die Arbeitskammer des Saarlandes hat die Aufgabe, als öffentlich-rechtliche Vertretung der Arbeitnehmer gemäß Artikel 59 der Verfassung des Saarlandes die allgemeinen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer wahrzunehmen und die auf die Hebung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lage der Arbeitnehmer abzielenden Bestrebungen zu fördern.
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(2) Die Arbeitskammer des Saarlandes hat durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Regierung des Saarlandes, Behörden, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts und selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung zu unterstützen sowie zu beraten und dabei das Allgemeinwohl zu berücksichtigen.
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(3) Die Arbeitskammer des Saarlandes kann mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde Einrichtungen, die der Förderung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer dienen, gründen, unterhalten und unterstützen.
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§ 2
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(1) Die Arbeitskammer des Saarlandes ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, der die im Saarland wohnhaften oder beschäftigten Arbeitnehmer als Mitglieder angehören.
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(2) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten...
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(3) ...
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§ 5
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Vor Einbringung von Gesetzen durch die Regierung des Saarlandes, vor dem Erlaß von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften, die die Interessen der Arbeitnehmer unmittelbar berühren, ist der Arbeitskammer des Saarlandes Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
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Organe der Arbeitskammer sind die Vertreterversammlung mit ihrem Vorstand und das ebenfalls von ihr gewählte Präsidium, das vom Vorstand überwacht wird (§§ 10, 15). Das Präsidium leitet die Verwaltung der Kammer und vertritt sie gerichtlich und außergerichtlich (§ 16). Die Vertreterversammlung besteht aus 41 Mitgliedern. Sie werden auf 5 Jahre vom Landtag des Saarlandes auf Grund von Vorschlagslisten gewählt (§§ 7, 8). Vorschlagslisten können von den Gewerkschaften oder von Arbeitnehmern mit Unterstützung von mindestens 3000 Unterschriften unterbreitet werden (§ 8 Abs. 1 bis 3). Bei der Wahl hat der Landtag die einzelnen Wirtschaftszweige angemessen zu berücksichtigen und, wenn mehrere Vorschlagslisten vorliegen, die Mitglieder der Vertreterversammlung anteilmäßig, jedoch unter billiger Berücksichtigung der Minderheiten zu wählen (§ 8 Abs. 4).
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Die Vertreterversammlung beschließt eine Satzung und stellt den Haushaltsplan der Kammer fest (§§ 14, 19).
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Zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhebt die Arbeitskammer von den im Saarland beschäftigten Arbeitnehmern mit Ausnahme der Lehrlinge, Anlernlinge und Praktikanten Beiträge, deren Höhe die Vertreterversammlung festlegt (§ 18). Die Beitragshöhe liegt bei 0,17 v.H. des Bruttoarbeitsentgelts, der monatliche Höchstbeitrag beträgt z. Zt. 2,00 DM. Die Arbeitgeber sind verpflichtet, die Beiträge von den Arbeitnehmern einzubehalten und über das Finanzamt an die Kammern abzuführen (§ 18).
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III. |
Arbeitnehmerkammern bestehen auch in Österreich und Luxemburg. Auf Grund der hier sowie in Bremen und im Saarland gemachten Erfahrungen hat der Gedanke, solche Kammern zu errichten, auch in anderen Ländern der Bundesrepublik in Kreisen der Sozialpolitiker Anhänger gewonnen. Im Jahre 1972 hat sich eine "Bundesarbeitsgemeinschaft für Arbeitskammern e. V. (BAAK)" gebildet. Zu gesetzlichen Maßnahmen ist es jedoch noch nirgends gekommen, in erster Linie wohl wegen der ablehnenden Haltung der Gewerkschaften. In der Diskussion spielen verfassungsrechtliche Gesichtspunkte nur eine untergeordnete Rolle. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird die Zulässigkeit der Errichtung von Arbeitnehmerkammern und Zwangszugehörigkeit durchweg bejaht (s. J. Peters, Arbeitnehmerkammern in der Bundesrepublik Deutschland?, 1973, S. 163).
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B. -- I. |
Verfassungsbeschwerde betreffend die Angestelltenkammer Bremen.
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Die Beschwerdeführerin hatte bereits am 21. Oktober 1961 ihren Austritt aus der Angestelltenkammer Bremen erklärt und, nachdem der Austritt abgelehnt worden war, erfolglos dagegen Klage bei den Verwaltungsgerichten in Bremen erhoben.
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Die Beschwerdeführerin beantragte bei der Finanzverwaltung in Bremen, den nach ihrer Ansicht unter Verstoß gegen die Verfassung einbehaltenen Jahresbeitrag zur Angestelltenkammer für 1962 zu erstatten. Den Antrag lehnte das Finanzamt Bremen/Ost ab. Die Berufung zum Finanzgericht Bremen hatte keinen Erfolg. Die Rechtsbeschwerde der Beschwerdeführerin wurde vom Bundesfinanzhof als unbegründet zurückgewiesen.
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Zur Begründung führte der Bundesfinanzhof aus, der Angestelltenkammer seien durch § 1 des Arbeitnehmerkammern-Gesetzes öffentliche Aufgaben übertragen, die an sich von staatlichen Verwaltungsbehörden zu erledigen und von anderer Art seien als die üblichen Aufgaben einer Gewerkschaft. Ob die Errichtung der Angestelltenkammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts zweckmäßig oder gar notwendig sei, müsse der Gesetzgeber als politische Frage in eigener Verantwortung entscheiden. Dabei unterliege er einer Kontrolle durch die Gerichte nur im Hinblick auf die Grundrechte und andere Rechtsstaatsprinzipien. Der Angestelltenkammer seien jedoch weder Aufgaben übertragen, die den Gewerkschaften nach Art. 9 GG vorbehalten seien, noch werde Art. 2 GG dadurch verletzt, daß der Gesetzgeber willkürlich Zwangsorganisationen begründet habe und dadurch die freie Entfaltung der Person und die freie Bildung privatrechtlicher Vereinigungen beeinträchtige. Art. 9 GG stehe dem Organisationszwang in der Angestelltenkammer nicht entgegen, weil Zusammenschlüsse von Arbeitnehmern, die andere Zwecke verfolgten als die Festlegung kollektiver Arbeitsbedingungen, keine Koalitionen im Sinne von Art. 9 GG seien. Die Deckung der Verwaltungskosten der Angestelltenkammer durch Zwangsbeiträge sei nicht zu beanstanden, weil ohne sie die Angestelltenkammer ihre Aufgabe nicht erfüllen könne und die Beiträge wegen ihrer geringen Höhe das Einkommen nicht nennenswert belasteten.
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2. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, die Zwangsmitgliedschaft in der Angestelltenkammer verstoße gegen Art. 2, 9 und 33 GG. Sie trägt im wesentlichen folgendes vor:
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Art. 33 GG sei verletzt, weil Bürger in anderen Bundesländern nicht die gleichen Pflichten hätten wie sie als Bremerin und Mitglied der Bremer Angestelltenkammer.
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Die Angestelltenkammer erfülle keine "echten" Aufgaben. Sie sei schon deshalb nicht in der Lage, die Interessen ihrer Mitglieder zu erforschen, weil ihr diese namentlich unbekannt seien. Den Angestellten sei auch an der Tätigkeit der Angestelltenkammer nichts gelegen, weil die in § 1 des Gesetzes vorgesehenen Aufgaben bereits von den Gewerkschaften wahrgenommen würden.
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Nach dem Verbot der Zwangsmitgliedschaft durch die amerikanische Besatzungsmacht habe die Angestelltenkammer vor dem Ruin gestanden. Nur deshalb sei die Pflichtzugehörigkeit wieder eingeführt worden. Die der Angestelltenkammer zugewiesene Gutachtertätigkeit könne auch von der Industrie- und Handelskammer übernommen werden. Die Gerichte hätten die Arbeitskammern nie in Anspruch genommen. Auch die den Arbeitnehmerkammern zugewiesene Förderung der Berufsbildung in Zusammenarbeit mit anderen Stellen sei keine eigentliche Aufgabe für die Arbeitnehmerkammern, da diese Arbeit von den anderen Stellen bereits allein erledigt werde.
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Eine Bestätigung der Entscheidung des Bundesfinanzhofs durch das Bundesverfassungsgericht könne dazu führen, daß die Verwaltung auch andere Aufgaben auf Körperschaften des öffentlichen Rechts delegiere, so daß deren Erledigung mit Zwangsbeiträgen zusätzlich zu den Steuern, also doppelt, bezahlt werden müsse. Es sei nicht einzusehen, daß Art. 9 GG nicht gegen staatliche Zwangsorganisationen schützen solle. Bei "selbständigen und eigenständigen Berufsständen", wie Ärzten und Apothekern, deren rechtmäßiges Handeln gewährleistet sein müsse, seien solche Organisationen vertretbar, nicht aber bei den Angestellten, die als solche keinen Berufsstand darstellten. Die Angestelltenkammer sei ein unnötiges staatliches Interessengebilde auf Kosten der Arbeitnehmer.
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3. Die Angestelltenkammer Bremen hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Sie beruft sich zunächst auf die fünf gegen die Beschwerdeführerin ergangenen Gerichtsentscheidungen und auf die sich für die Verfassungsmäßigkeit der Arbeitnehmerkammern aussprechende Literatur und bejaht mit eingehenden Ausführungen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Zwangszugehörigkeit im Hinblick auf Art. 9 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3 und Art. 2 Abs. 1 GG.
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II. |
Verfassungsbeschwerde betreffend die Arbeitskammer des Saarlandes.
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1. Der Beschwerdeführer ist als technischer Kaufmann in Saarbrücken beschäftigt. Er wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde dagegen, daß er wie alle Arbeitnehmer im Saarland einen Beitrag für die Arbeitskammer des Saarlandes zu entrichten hat, der vom Arbeitgeber über das Finanzamt abgeführt wird und 1961 für den Beschwerdeführer monatlich 1,50 DM betrug.
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Der Beschwerdeführer erhob beim Verwaltungsgericht des Saarlandes Klage gegen die Arbeitskammer auf Feststellung, daß er nicht verpflichtet sei, an die Kammer Beiträge zu zahlen. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Berufung des Beschwerdeführers blieb erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht wies die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision zurück.
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Das Bundesverwaltungsgericht führte unter anderem aus: Die der Arbeitskammer zugewiesenen Tätigkeiten seien legitime öffentliche Aufgaben, die der Gesetzgeber nach seinem Ermessen einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit Zwangsmitgliedschaft übertragen dürfe. Einen allgemeinen Verfassungsgrundsatz der Subsidiarität gebe es nicht. Auch treffe es nicht zu, daß Körperschaften des öffentlichen Rechts Daseinsnotwendigkeit zur Voraussetzung hätten. Da sich die Tätigkeit der Arbeitskammer nicht auf die Wahrnehmung der "besonderen" wirtschaftlichen und sozialen Interessen erstrecke, auf denen der Schwerpunkt der Tätigkeit der Gewerkschaften liege, werde deren Institution durch das Arbeitskammergesetz nicht beeinträchtigt. Ebensowenig verletze das Gesetz die negative Koalitionsfreiheit, da diese nicht gegenüber einem gesetzlichen Organisationszwang gelte.
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2. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3 und Art. 105 GG.
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Die nach der Rechtsprechung zu Art. 2 Abs. 1 GG erforderliche "legitime öffentliche Aufgabe" für die Errichtung von Zwangskörperschaften bedeute, daß bei Maßnahmen im Rahmen des Sozialauftrags "nach rechtsstaatlichen Grundsätzen Zweck und Mittel in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen müssen" (BVerfGE 1ni0, 89 [103]).
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Die Errichtung der Arbeitskammer liege außerhalb dessen, was bei Maßnahmen zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens als allgemein zumutbar zu dulden sei (BVerfGE 4, 7 ff.), weil kein zwingender Grund für die Errichtung der Kammer spreche.
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Im Gegensatz zu den übrigen berufsständischen Kammern nehme die Arbeitskammer keine Verwaltungsaufgaben wahr. Die anderen Kammern seien errichtet worden, um den Staat mit Hilfstätigkeit, Erfahrungen und Beratungen zu unterstützen. Daneben habe sich die Interessenwahrnehmung für die Kammermitglieder als in der Sache liegend von selbst ergeben. Die Hilfstätigkeit für den Staat erfordere die Mitgliedschaft aller Berufsangehörigen; hingegen sei die Zwangsorganisierung nur zur Interessenwahrnehmung nicht zulässig. Nur dies oder sogar nur die reine Repräsentation sei jedoch die einzige Aufgabe der Arbeitskammer. Die besondere öffentliche Verantwortung, die der Arbeitskammer dabei obliege, ergebe sich aus ihrer Eigenschaft als öffentlich-rechtliche Körperschaft und rechtfertige noch nicht deren Errichtung mit Zwangsmitteln, weil anderenfalls keine Schranken mehr gegen weitere Zwangsorganisationen bestünden.
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An konkreten sachlichen Aufgaben, wie sie das Bundesverfassungsgericht bei den Industrie- und Handelskammern ermittelt habe, fehle es der Arbeitskammer. Als rein ständische Gliederung sei die Kammer nicht erforderlich und deshalb verfassungswidrig; auch die Gewerkschaften führten Aufgaben ohne arbeitskampfrechtlichen Aspekt aus und träten für Interessen aller Arbeitnehmer ein.
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Die Arbeitskammer sei nicht etwa erforderlich, um Interessen verschiedener Branchen und Berufe auszugleichen, wie es die Aufgabe der Industrie- und Handelskammer sei. Denn die Interessen aller Arbeitnehmer seien im wesentlichen gleichgerichtet, so daß sie von den Gewerkschaften ausreichend vertreten würden; diese könnten auch Gutachten und Vorschläge unterbreiten. Seiner fürsorgerischen Aufgaben könne sich der Staat nicht dadurch entledigen, daß er sie auf die gesamte Arbeitnehmerschaft abwälze. Jedenfalls müsse es dann bei sozialen, fürsorgerischen Einrichtungen bleiben; das Ferienwerk der Arbeitskammer dürfe aber nicht, wie es tatsächlich der Fall sei, in kommerzielle Konkurrenz treten.
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Das Arbeitskammergesetz verstoße gegen Art. 9 Abs. 3 GG, der die Betätigung der Gewerkschaften garantiere, zu der es auch gehöre, sich untereinander ohne Zutun Gewerkschaftsfremder über ihre verschiedenen Bestrebungen zu einigen. Der Auftrag an die Arbeitskammer in § 3 Abs. 1 d des Arbeitskammergesetzes, die Bestrebungen der einzelnen Berufsorganisationen der Arbeitnehmer untereinander zur Übereinstimmung zu bringen, weise die Arbeitskammer als "Supergewerkschaft" aus.
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Das Arbeitskammergesetz verstößt nach Ansicht des Beschwerdeführers schließlich gegen Art. 105 GG, weil der Beitrag zur Arbeitskammer im Grunde eine Besteuerung seines Einkommens sei.
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3. Die Arbeitskammer und der Minister für Arbeit, Sozialordnung und Gesundheitswesen des Saarlandes halten die Verfassungsbeschwerde für unbegründet und beziehen sich für ihre Ansicht im wesentlichen auf Rechtsprechung und Literatur. Sie weisen darauf hin, daß die Vertreterversammlung 1952 und 1956 ordnungsgemäß gewählt worden sei. 1960 sei auf Grund der Einigung der Wählergruppen gemäß § 5 Abs. 4 des Arbeitskammergesetzes von einer Wahlhandlung abgesehen worden. Lediglich 1964 habe eine Neuwahl nicht stattgefunden, weil die Arbeitsämter ihre Beschäftigtenkarteien aufgelöst hätten und eine Wahl nicht möglich gewesen sei. Die Amtszeit der Vertreterversammlung sei deshalb durch Gesetz vom 25. März 1965 (Amtsbl. S. 285) verlängert worden. Da die direkte Wahl der Vertreterversammlung gegenwärtig nicht möglich sei, sehe die neue Regelung durch das Gesetz vom 5. Juli 1967 (Amtsbl. S. 635) die Berufung der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane durch den Landtag vor.
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4. Nach Ansicht der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) sind die Gewerkschaften nicht nur zur Interessenwahrung zugunsten einzelner Mitglieder legitimiert, sondern haben zumindest gleichrangig die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Arbeitnehmerschaft insgesamt zu vertreten; die Arbeitskammer greife somit in die Aufgaben der Gewerkschaften ein. Die Beschränkung des durch Art. 9 GG geschützten Kernbereichs gewerkschaftlicher Betätigung auf das zur wirksamen Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Unerläßliche (BVerfGE 17, 319 [333]) sei in Anbetracht der Erweiterung des gewerkschaftlichen Aufgabenbereichs und der Wandlung der Gewerkschaften von Mitgliederverbänden oder Interessenverbänden zu Berufsorganisationen aller Arbeitnehmer nicht mehr gerechtfertigt. Das Arbeitskammergesetz könne deshalb wegen Eingriffs in den Kernbereich des Art. 9 Abs. 3 GG verfassungswidrig sein.
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Die Arbeitskammer hat nach Ansicht der DAG keine legitimen öffentlichen Aufgaben wahrzunehmen, weil sie neben den Gewerkschaften nicht zwingend erforderlich sei. Das sei für die Aufgaben nach § 3 Abs. 1 Buchst. a, c, e, f, g, h des Arbeitskammergesetzes (in der ursprünglichen Fassung) ohne weiteres ersichtlich. Die verbleibenden wenigen Aufgaben von verhältnismäßig geringer Bedeutung machten die Arbeitskammer nicht erforderlich, so daß auch für die Zwangsmitgliedschaft kein Bedürfnis bestehe. Außerdem verhelfe die staatliche Autorität der Arbeitskammer als öffentlich-rechtlicher Körperschaft zu einem sachlich nicht gerechtfertigten Vorteil hinsichtlich Effizienz und Chancengleichheit gegenüber freien Arbeitnehmerkoalitionen.
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5. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält das Arbeitskammergesetz für verfassungswidrig, soweit es die Zwangsmitgliedschaft aller Arbeitnehmer vorsieht. Ansatzpunkt dafür sei Art. 2 Abs. 1 GG, nicht Art. 9 Abs. 3 GG. Daß dem Gesetzgeber bei der Errichtung öffentlich-rechtlicher Körperschaften ein weiter Ermessensspielraum zustehe, sich die verfassungsgerichtliche Kontrolle deshalb darauf beschränken müsse, "ob der Gesetzgeber die Grenzen seines Ermessens beachtet hat", und sich nicht auf die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit der gewählten Organisationsform erstrecken dürfe (BVerfGE 10, 89 [102]; 10, 354 [363]), beruhe auf dem polizei-rechtlichen Verbot des Ermessensmißbrauchs, das sich jedoch auf das Verfassungsrecht nicht ohne weiteres übertragen lasse. Vielmehr sei die Grundentscheidung des Art. 9 Abs. 1 GG für eine institutionelle Garantie des Vereinswesens zu beachten. Deshalb könnten nicht nach freiem Belieben öffentlich-rechtliche Körperschaften errichtet werden.
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Außerdem hätten nach dem Grundgesetz die Aufgabenbewältigung durch den Bürger und freie gesellschaftliche Zusammenschlüsse den Vorrang. Deshalb könnten Pflichtzusammenschlüsse nur bei Daseinsnotwendigkeit zulässig sein. Das sei dann der Fall, wenn entweder der Einsatz hoheitlicher Mittel erforderlich oder die Aufgabenübertragung auf private Träger unmöglich sei, weil die Aufgabenerfüllung die Mitgliedschaft aller Betroffener erfordere.
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Die Arbeitskammer des Saarlandes habe keine hoheitlichen Aufgaben, insbesondere auch nicht - wie in Bremen - die Gesetzesinitiative. Die der Arbeitskammer übertragenen Aufgaben würden sämtlich bereits von den Gewerkschaften wahrgenommen und könnten von der Arbeitskammer nicht sachgerechter erledigt werden. Auch sei nach Zielsetzung und Aufgaben der Arbeitskammer die Mitgliedschaft aller Arbeitnehmer nicht erforderlich; ein Ausgleich unter verschiedenen Interessen erübrige sich, weil die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer wegen ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit prinzipiell gleichgerichtet seien.
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Die Tätigkeit der Gewerkschaften diene der gesamten Arbeitnehmerschaft, sowohl bei Initiativen gegenüber dem Gesetzgeber als auch bei den Bemühungen um die Verbesserung der Lage der Arbeitnehmer in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht. Einen Unterschied in der Interessenlage zu der Arbeitskammer gebe es nicht. Daß die Gewerkschaften auf dem Tarifgebiet in erster Linie die Interessen ihrer Mitglieder wahrnähmen, lasse keine Rückschlüsse auf die übrige Tätigkeit der Gewerkschaften zu.
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Aber nicht nur bei der Interessenvertretung träten die Gewerkschaften für alle Arbeitnehmer auf; ihre Bildungseinrichtungen und -veranstaltungen stünden allen Arbeitnehmern offen und würden auch von Nichtorganisierten in Anspruch genommen. Lediglich die Rechtsberatung und -vertretung gewährten die Gewerkschaften nur ihren Mitgliedern. Das rechtfertige aber keinen Zwangsverband.
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Daß die Arbeitskammer bei der Interessenwahrnehmung das Allgemeinwohl zu berücksichtigen habe, könne sie nicht verfassungsrechtlich legitimieren. Auch die Gewerkschaften übten viele öffentliche Funktionen aus, was ohne Rücksicht auf die Belange der Allgemeinheit nicht möglich sei. Zur Beratung und Unterstützung staatlicher Organe würden die Gewerkschaften ebenfalls allenthalben herangezogen.
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Letztlich stelle es keine legitime öffentliche Aufgabe dar, wenn mit der Arbeitskammer nur die Arbeitnehmerschaft insgesamt eine Vertretung erhalten solle, weil öffentlich-rechtliche Körperschaften Aufgaben außerhalb ihrer eigenen Existenz dienen müßten und nicht um ihrer selbst ins Leben gerufen werden dürften.
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C. |
Die Verfassungsbeschwerden sind nicht begründet.
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I. |
Die Beschwerdeführer fühlen sich dadurch beschwert, daß sie gesetzlich gezwungen sind, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Notwendigkeit sie bestreiten, als Mitglieder anzugehören. Die Frage, auf welches Grundrecht sie sich zur Stütze ihrer Auffassung berufen können, ist vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung dahin beantwortet worden, daß verfassungsrechtliche Schranken einer Zwangsmitgliedschaft in einem öffentlich-rechtlichen Verband sich nicht aus Art. 9, sondern nur aus Art. 2 Abs. 1 GG ergeben. In der Entscheidung vom 29. Juli 1959 (BVerfGE 10, 89) heißt es dazu (S. 102):
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... die Frage nach den verfassungsrechtlichen Schranken einer Zwangsmitgliedschaft in einem öffentlich-rechtlichen Verband ... läßt sich nicht aus Art. 9 GG beantworten, denn diese Bestimmung garantiert lediglich die Freiheit, privatrechtliche Vereinigungen zu gründen, ihnen beizutreten oder fernzubleiben. Wohl aber zeigt Art. 2 Abs. 1 GG, daß eine solche Zwangsmitgliedschaft nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung möglich ist. Danach dürfen öffentlich-rechtliche Verbände nur gegründet werden, um legitime öffentliche Aufgaben wahrnehmen zu lassen. Doch ist es Sache des gesetzgeberischen Ermessens, zu entscheiden, welche dieser Aufgaben der Staat nicht durch seine Behörden, sondern durch eigens gegründete öffentlich-rechtliche Anstalten oder Körperschaften erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht kann hierbei nur nachprüfen, ob der Gesetzgeber die Grenzen seines Ermessens beachtet hat. Ob die Wahl der Organisationsform zweckmäßig oder notwendig war, hat das Bundesverfassungsgericht also nicht zu prüfen.
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An dieser auch in späteren Entscheidungen (BVerfGE 10, 354 [361 f.]; 12, 319 [323]; 15, 235 [239]) vertretenen Auffassung, die auch im Schrifttum überwiegend Zustimmung gefunden hat (von Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., Anm. III/6 [S. 320] zu Art. 9; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Rdnr. 41, 44 zu Art. 9; von Münch in Bonner Kommentar, Zweitbearbeitung [1966]; Anm. 52 zu Art. 9 mit weiteren Angaben; Friauf in Festschrift für R. Reinhardt, 1972, S. 389 ff., bes. Abschnitt III) wird festgehalten.
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Dem Einzelnen ist in Art. 9 Abs. 1 GG die - nur nach Abs. 2 einschränkbare - Freiheit garantiert, sich aus privater Initiative mit anderen zu Vereinigungen irgendwelcher Art zusammenzufinden, sie zu gründen, aber auch ihnen fernzubleiben und aus ihnen wieder auszutreten. Etwas anderes ist es, wenn der Staat sich aus Gründen des Gemeinwohls entschließt, durch Gesetz eine Körperschaft des öffentlichen Rechts als Personenverband zu errichten, der zur sachgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben ein bestimmter Kreis von Bürgern angehören muß. Sicherlich darf der Staat dies nicht unbegrenzt tun. Sein Gesetz muß zur "verfassungsmäßigen Ordnung" gehören, d. h. es muß in formeller wie in materieller Hinsicht voll mit dem Grundgesetz vereinbar sein (BVerfGE 6, 32 [36 ff., bes. 41]). Dazu gehört auch, daß es dem Erfordernis der Rechtsstaatlichkeit genügt, das den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs in sich schließt. In dem hier vorliegenden Zusammenhang bedeutet dies, daß der Gesetzgeber im Hinblick auf die grundsätzliche Freiheitsvermutung des Art. 2 Abs. 1 GG und auf den aus Art. 9 Abs. 1 GG zu folgernden Vorrang der freien Verbandsbildung die Notwendigkeit der Errichtung solcher öffentlich-rechtlicher Körperschaften sorgfältig prüfen muß. Dem Einzelnen erwächst aus Art. 2 Abs. 1 GG das Recht, nicht durch Zwangsmitgliedschaft von "unnötigen" Körperschaften in Anspruch genommen zu werden (BVerfGE 10, 89 [99]).
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II. |
1. Die angegriffenen Gesetze würden schon dann nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören, wenn den Ländern Bremen und Saarland die Gesetzgebungskompetenz gefehlt hätte. An dieser Kompetenz ist jedoch nicht zu zweifeln. Die - im folgenden noch näher darzustellenden - Aufgaben der Arbeitnehmerkammern halten sich im Bereich des "Arbeitsrechts" im Sinne des Art. 74 Nr. 12 GG, wozu nach allgemeiner Ansicht auch das sog. öffentliche Arbeitsrecht gehört (Maunz-Dürig-Herzog, a.a.O., Rdnr. 78 zu Art. 74; von Mangoldt-Klein, a.a.O., Anm. XXV/2 [S. 1603] zu Art. 74). Da der Bund insoweit seine Kompetenz nicht in Anspruch genommen hat, steht dieses Gebiet den Ländern zur Regelung offen. Wollte man einzelne Tätigkeiten der Kammern dem Bereich der "Wirtschaft" zuordnen, so gälte hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz dasselbe (Art. 74 Nr. 11 GG).
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2. Erste Voraussetzung für die Errichtung eines öffentlichrechtlichen Verbands mit Zwangsmitgliedschaft ist, daß der Verband "legitime öffentliche Aufgaben" erfüllt (BVerfGE 10, 89 [102]; 15, 235 [241]). Damit sind die Aufgaben gemeint, an deren Erfüllung ein gesteigertes Interesse der Gemeinschaft besteht, die aber so geartet sind, daß sie weder im Wege privater Initiative wirksam wahrgenommen werden können noch zu den im engeren Sinn staatlichen Aufgaben zählen, die der Staat selbst durch seine Behörden wahrnehmen muß. Wenn der Staat solche Aufgaben einer eigens für diesen Zweck gebildeten Körperschaft des öffentlichen Rechts überträgt, handelt er grundsätzlich im Rahmen des ihm hier zustehenden weiten Ermessens.
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Die Aufgaben der Arbeitnehmerkammern sind in Bremen und im Saarland im wesentlichen dieselben. Das Bundesverwaltungsgericht hatte, von der früheren Fassung des saarländischen Gesetzes ausgehend, diese Aufgaben in drei große Gruppen geschieden: die Beratung von Behörden in allen Fragen der Arbeitsverhältnisse und des Arbeitsschutzes, die Beratung von Arbeitnehmern in wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten, die ihre Allgemeininteressen berühren, und die Koordinierung der Bestrebungen der einzelnen Berufsorganisationen. In der ersten und dritten Aufgabe sah das Bundesverwaltungsgericht die Verfolgung "staatlicher Zwecke", die hier durch die Kammer in "mittelbarer Staatsverwaltung" wahrgenommen würden. Die zweite Aufgabe legte es dahin aus, daß hier nicht die Beratung in "speziellen Streitfragen, die das konkrete Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers betreffen", gemeint sei, sondern daß es sich um eine "Konkretisierung staatlicher Fürsorgepflichten" handele, wie sie gerade im Rahmen der Arbeitsverwaltung von den staatlichen Behörden in größerem Umfang ausgeübt würden. Der gesamte Aufgabenbereich des saarländischen Gesetzes diene so der Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips, dem u. a. der Gedanke einer Schutz- und Fürsorgepflicht des Staates innewohne. Die Form, in der der Staat dieser Pflicht nachkomme, sei weitgehend dem gesetzgeberischen Ermessen überlassen.
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Die Neufassung des Gesetzes von 1967 hat an den Aufgaben der Arbeitskammer des Saarlandes nichts geändert; sie sind nur in einer Generalklausel zusammengezogen, zu deren Auslegung der frühere spezifizierte Katalog noch immer herangezogen werden kann.
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Eine andere Gliederung unterscheidet zwei Aufgabenbereiche: Nach außen vertreten die Kammern die Interessen der Arbeitnehmer und stellen ihre Sachkenntnis in den Dienst des Staates, indem sie vorbereitend an Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung mitwirken; nach innen entfalten sie umfangreiche Aktivitäten auf dem Gebiet des Bildungswesens, der sozialrechtlichen Schulung, der Beratung in Rechts- und Steuerangelegenheiten und durch andere Tätigkeiten, die unmittelbar den Arbeitnehmern zugute kommen (Peters, a.a.O., S. 44 f.).
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In beiden Bereichen ist die Wirkungsweise der Kammern dadurch gekennzeichnet, daß ihnen grundsätzlich Eingriffsbefugnisse gegenüber ihren Mitgliedern fehlen. Nach außen werden sie durch Vorschläge, Gutachten, Berichte usw. tätig. Den Kammerangehörigen bieten sie Dienstleistungen an, beraten sie und helfen ihnen, verhalten sich aber nicht "imperativ". Es handelt sich um "schlicht verwaltende Tätigkeit", um rein administrative Förderung eines Lebensbereichs.
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Diese den Arbeitnehmerkammern gesetzlich zugewiesenen Aufgaben sind als "legitime öffentliche Aufgaben" im Sinne der Rechtsprechung anzuerkennen. Das Bundesverfassungsgericht hat es als legitime öffentliche Aufgabe der Industrie- und Handelskammern angesehen, daß sie "die staatlichen Organe und Behörden durch Berichterstattung und Beratung in wirtschaftlichen Fragen unterstützen und ihnen verläßliche Grundlagen für ihre Entscheidungen auf diesem Gebiet liefern" können (BVerfGE 15, 235 [239 f.]). Dasselbe muß für die gleichgeartete Tätigkeit der Arbeitnehmerkammern gelten. In der Unterstützung der Behörden und Gerichte in Fachfragen, vor allem durch die Erstattung von Gutachten und Berichten, liegt auch tatsächlich einer der Schwerpunkte der Tätigkeit der Kammern. Darüberhinaus können sie die Tätigkeit der Gesetzgebungsorgane unmittelbar durch ein - besonders in Bremen stark ausgestaltetes - Initiativ- und Anhörungsrecht beeinflussen. Hier rücken sie nahe an die Stellung staatlicher Organe heran. Aber auch die sonstige Tätigkeit der Kammern dient der Förderung der Interessen der großen sozialen Gruppe der Arbeitnehmer und nimmt damit eine Aufgabe wahr, an deren Erfüllung der Gemeinschaft gelegen sein muß. Hier wird ein Stück staatlicher Daseinsvorsorge geleistet; der Staat läßt Aufgaben, die seinem Sozialauftrag (Art. 20, 28 GG) entsprechen, von den Kammern erfüllen. So fügt sich die Tätigkeit der Kammern, im ganzen gesehen, in das von der Landesverfassung gestaltete Gesamtbild staatlicher Sozialverwaltung und staatlicher Wirtschafts- und Sozialpolitik organisch ein - ohne daß dies für jede einzelne von den Kammern entfaltete Tätigkeit besonders belegt werden müßte.
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3. Daß die Kammern legitime öffentliche Aufgaben wahrnehmen, rechtfertigt ihre Existenz jedoch noch nicht. Der Gesetzgeber hat die Organisation der Kammern auf das Prinzip der Pflichtzugehörigkeit aller Arbeitnehmer gegründet. Darin liegt prinzipiell ein empfindlicher Eingriff in das Grundrecht der individuellen Freiheit des Verhaltens im Wirtschafts- und Arbeitsleben. Das Gesetz, das diesen Eingriff vornimmt, ist nur dann Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung, wenn der Eingriff sich als verhältnismäßig erweist. Das bedeutet, daß er zur Erreichung des vom Gesetzgeber erstrebten Zieles geeignet, aber auch erforderlich sein muß, d. h. daß das Ziel nicht auf eine andere, den Einzelnen weniger belastende Weise ebensogut erreicht werden kann, und daß schließlich das Maß der den Einzelnen durch seine Pflichtzugehörigkeit treffenden Belastung noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den ihm und der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht (BVerfGE 30, 292 [316 f.]; 35, 382 [401]).
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Hier setzen die Angriffe der Verfassungsbeschwerden, aber auch die Kritik des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft an. Die Errichtung der Arbeitnehmerkammern ist - so wird gesagt - überflüssig; denn die Aufgaben, die sie nach dem Gesetz erfüllen sollen, könnten ebensogut von den Gewerkschaften erfüllt werden und würden von ihnen tatsächlich seit langem erfüllt. Die Gewerkschaften aber beruhen auf dem Prinzip des freiwilligen Beitritts. Sie folgen damit dem Verfassungsprinzip der freien Verbandsbildung (Art. 9 Abs. 1 GG), das der grundgesetzlichen Forderung nach größtmöglicher Freiheit des Individuums weit eher entspricht als staatlich verordnete öffentlich-rechtliche Körperschaften mit Pflichtmitgliedschaft. Der Staat darf nicht durch beliebige Errichtung öffentlich-rechtlicher Körperschaften das freie Verbandswesen unterlaufen und den freien Vereinigungen durch Pflichtmitgliedschaften in parallelen öffentlich-rechtlichen Verbänden die Lebensmöglichkeit nehmen. In Art. 9 Abs. 3 GG ist zudem den Koalitionen, vor allem den Gewerkschaften, sowohl der Bestand als auch die ungestörte Ausübung ihrer koalitionsgemäßen Tätigkeit garantiert; ein Einbruch in ihr Aufgabengebiet durch Errichtung einer staatlichen Körperschaft mit Zwangsmitgliedschaft würde sie in diesem verfassungsmäßig geschützten Recht verletzen.
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a) Ohne Zweifel kommt in Art. 9 Abs. 1 GG ein wesentliches Prinzip freiheitlicher Staatsgestaltung zum Ausdruck. Daß man sich - zu beliebigen Zwecken - mit anderen in Vereinen, Verbänden und Assoziationen aller Art zusammenschließen darf, gehört zu den elementaren Äußerungsformen der menschlichen Handlungsfreiheit (BVerfGE 17, 306 [314]). Das Prinzip freier sozialer Gruppenbildung grenzt die freiheitliche Ordnung von einem System ab, in dem das Volk von oben her in ständischkorporative Gruppen gegliedert und nur noch in dieser von vornherein durch obrigkeitliche Lenkung "kanalisierten" Form an der öffentlichen Meinungs- und Entscheidungsbildung beteiligt wird. Für den Bereich des Arbeits- und Wirtschaftslebens gewährleistet Art. 9 Abs. 3 GG Bestand und Tätigkeit der (frei gebildeten) Koalitionen (d. h. praktisch der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände), ebenso aber auch das Recht der Mitglieder einer Koalition, an deren Arbeit teilzunehmen und Beeinträchtigungen ihrer Tätigkeit zugleich als Verstoß gegen das eigene Grundrecht anzufechten (BVerfGE 4, 96 [101]; 17, 319 [333]; 18, 18 [26]; 19, 303 [312]; 20, 312 [320]; 28, 295).
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Die grundsätzlich bestehende Freiheit des Staates, nach seinem Ermessen öffentliche Aufgaben durch öffentlich- rechtliche Körperschaften mit Zwangsmitgliedschaft wahrnehmen zu lassen, erfährt von diesen Verfassungsgrundsätzen her eine gewisse Einschränkung. Bei echter Konkurrenz der solchen Körperschaften zugedachten Aufgaben mit solchen, die von frei gegründeten Vereinigungen ebensogut erfüllt werden können, kann der in der Pflichtmitgliedschaft liegende Eingriff in die Freiheit des Einzelnen sich als übermäßig, weil nicht unbedingt erforderlich, und deshalb als verfassungswidrig erweisen. Dieses Bedenken ist noch nicht dadurch ausgeräumt, daß durch die Errichtung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft die Gründung eines privatrechtlichen Verbands mit paralleler Zielsetzung rechtlich nicht behindert wird. Es müßte bereits als verfassungswidrig angesehen werden, wenn eine durch staatlichen Hoheitsakt gegründete Körperschaft dem freien Verband eine Tätigkeit, die er im Rahmen seiner Zielsetzung legitimerweise ausübt, faktisch unmöglich machte. Dies gilt besonders im Verhältnis zu den Koalitionen; denn von der Verfassung her haben sie eine institutionelle und funktionelle Garantie erhalten (BVerfGE 28, 295 [304]), und in zahlreichen Gesetzen sind ihnen Mitwirkungsrechte im öffentlichen Leben gesichert.
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b) Es kommt also darauf an, ob eine echte Konkurrenz der Aufgaben der Arbeitnehmerkammern mit denen der Gewerkschaften tatsächlich besteht.
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Sieht man zunächst auf die Generalklauseln, mit denen die Arbeitnehmerkammer-Gesetze die Aufgaben der Kammern umschreiben, so ist diese Konkurrenz unleugbar vorhanden; denn "die Wahrnehmung und Förderung der Interessen der Arbeitnehmer in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht" (so die im wesentlichen inhaltsgleichen Formeln im § 1 Abs. 1 des bremischen und des saarländischen Gesetzes) ist seit jeher auch Aufgabe der Gewerkschaften, wie der Deutsche Gewerkschaftsbund anhand der Satzungen der einzelnen Gewerkschaften nachweist.
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Aber auch für die einzelnen gesetzlichen Aufgaben der Arbeitnehmerkammern legt der Deutsche Gewerkschaftsbund eingehend dar, daß es sich ausschließlich um Aufgaben handelt, die auch von den Gewerkschaften wahrgenommen werden könnten und tatsächlich wahrgenommen würden. Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft stellt dasselbe für die in § 3 Abs. 1 Buchst. a, c, e, f, g und h des saarländischen Gesetzes von 1951 genannten Aufgaben fest; dabei weist sie besonders auf die "beträchtliche Erweiterung des gewerkschaftlichen Aufgabenbereichs während der vergangenen zwanzig Jahre" hin; die Gewerkschaften hätten sich in dieser Zeit von "reinen Mitglieder- bzw. Interessenverbänden zu Berufsorganisationen aller Arbeitnehmer" gewandelt; deshalb müsse heute der in Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Wesensgehalt gewerkschaftlicher Betätigung anders abgegrenzt werden.
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In der Tat ergibt die Prüfung des gesetzlichen Aufgabenkatalogs der Arbeitnehmerkammern, daß sich hier keine Tätigkeit findet, die ihrem Inhalt nach nicht auch von einer Gewerkschaft oder von den gewerkschaftlichen Spitzenorganisationen wahrgenommen werden könnte. Dies gilt besonders für das weite Gebiet der Bildungsarbeit bis hin zu der wissenschaftlichen Fundierung der eigenen Tätigkeit. Die Gewerkschaften sind in den letzten Jahrzehnten über ihre ursprüngliche Zielsetzung - Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Arbeitnehmer - weit hinausgewachsen; sie beanspruchen die Repräsentation der Arbeitnehmerinteressen in Staat und Gesellschaft in umfassender Weise und bilden heute einen bestimmenden Faktor im Wirtschafts- und Sozialleben. Es läßt sich nicht leicht eine die Arbeitnehmerinteressen auch nur mittelbar berührende Maßnahme denken, bei der ihnen nicht ein Mitspracherecht eingeräumt wird. Soweit sie Aufgaben in diesem Bereich nicht selbst an sich ziehen, besitzt ihr Votum in der Öffentlichkeit und auch bei den staatlichen Stellen, bei Legislative und Exekutive erhebliches Gewicht. Unzweifelhaft stellen die Arbeitnehmerkammern eine vergleichbare soziale Macht nicht dar; es liegt nahe zu fragen, ob sie neben den Gewerkschaften nicht entbehrlich sind.
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c) Scheint sonach zunächst die Folgerung unabweislich, die Arbeitnehmerkammern seien Gebilde ohne rechten Daseinszweck, so bleibt doch folgendes zu bedenken:
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist den Koalitionen (Gewerkschaften) nur ein "Kernbereich" koalitionsgemäßer Tätigkeit verfassungsrechtlich garantiert, d. h. diejenigen Tätigkeiten, für die sie gegründet sind und die für die Erhaltung und Sicherung ihrer Existenz als unerläßlich betrachtet werden müssen (BVerfGE 4, 96 [101 f.]; 28, 295 [304 f.]). Der Zweck aller Koalitionen, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern, wird von den Gewerkschaften vorwiegend dadurch erfüllt, daß sie in der Auseinandersetzung über Löhne und Arbeitsbedingungen mit dem sozialen Gegenspieler, den Arbeitgebern, für die Arbeitnehmer möglichst günstige Tarifverträge abschließen und, wenn nötig, in Arbeitskämpfen durchsetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb den Kernbereich des Art. 9 Abs. 3 GG vor allem in der Garantie eines vom Staat bereitzustellenden Tarifvertragssystems und in der Bildung freier Koalitionen als Partner der Tarifverträge gesehen (BVerfGE 4, 96 [106]; 18, 18 [26]). Hier liegt das eigentliche Betätigungsfeld der Gewerkschaften, in dem sogar der Staat selbst grundsätzlich zugunsten der Tarifpartner sich jeder Einflußnahme enthält und wo er deshalb ebensowenig die Ingerenz "halbstaatlicher" Organisationen dulden dürfte (s. auch BVerfGE 28, 295 [304]).
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Dieser Ausschließlichkeitsanspruch läßt sich auf die allgemeine Vertretung der Arbeitnehmerinteressen gegenüber dem Staat und der Öffentlichkeit nicht übertragen. Wenn auch die "freie Darstellung der Gruppeninteressen der Arbeitnehmer" durch Art. 9 Abs. 3 GG den Gewerkschaften ebenfalls gewährleistet ist, stehen sie hier doch seit jeher in Konkurrenz mit anderen privaten Verbänden, mit den Parteien und auch mit einzelnen öffentlichrechtlichen Körperschaften. Die Gewerkschaften könnten sich deshalb nur dann unter Berufung auf Art. 9 Abs. 3 GG gegen die Errichtung und Betätigung anderer Vertretungskörperschaften in diesem Bereich wehren, wenn solche Körperschaften die Wirkungsmöglichkeiten oder sogar den Bestand der Gewerkschaften beeinträchtigen.
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Die Arbeitnehmerkammern haben unbestrittenermaßen keine Befugnis, in die Auseinandersetzungen der Gewerkschaften mit den Arbeitgebern einzugreifen. Sie können weder Tarifverträge abschließen noch auf den Inhalt solcher Verträge Einfluß nehmen; ebensowenig dürfen sie sich in Arbeitskämpfe schlichtend oder auch nur stellungnehmend einschalten. Es fehlt ihnen das Recht, in konkreten Arbeitsverhältnissen zugunsten der Arbeitnehmer zu intervenieren. Sie sind keine Rechtsschutzstellen für den einzelnen Arbeitnehmer in seinen Streitigkeiten mit seinem Arbeitgeber; sie dürfen nur allgemein in Rechtsfragen beraten und aufklären. An der besonderen Postulationsfähigkeit der Gewerkschaftsvertreter im arbeits- und sozialgerichtlichen Prozeß (§ 11 ArbGG und § 73 Abs. 6 SozGG) haben sie nicht teil. So bleibt das wichtigste Tätigkeitsfeld der Gewerkschaften von einer Konkurrenz der Arbeitnehmerkammern unberührt; schon deshalb läßt sich von einer Existenzgefährdung der Gewerkschaften durch die Kammern nicht sprechen.
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Diese Feststellung führt aber auch zu einer grundsätzlichen Überlegung: Die Gewerkschaften sind nach ihrem Ursprung Kampfverbände, entstanden aus dem Gegensatz zu den Arbeitgebern, denen gegenüber die Ansprüche der abhängigen Arbeitnehmer auf gerechten Lohn und angemessene Arbeitsbedingungen durchzusetzen waren. Ihrer ganzen Arbeit ist daher von Haus aus der Bezug auf den sozialen Gegenspieler eigen, mit dem sie verhandeln, dem sie fordernd entgegentreten, den sie gelegentlich offen bekämpfen. Ihre Tätigkeit ist deutlich interessengerichtet. Selbstverständlich müssen auch die Gewerkschaften angesichts der Bedeutung ihrer Tätigkeit für die gesamte Wirtschaft und ihres (auch geistigen) Einflusses auf weite Bereiche des öffentlichen Lebens bei allen ihren Aktivitäten das gemeine Wohl berücksichtigen. Trotzdem erhält ihre ganze Arbeit ihren besonderen Akzent von dem Gedanken des "Kampfes" für die Hebung der sozialen und wirtschaftlichen Stellung der Arbeitnehmer.
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Die Konzeption, von der aus die Arbeitnehmerkammern ins Leben gerufen worden sind, ist eine andere. Die Initiative zu ihrer Gründung ist in Bremen wie im Saarland vom Staat ausgegangen. Er wollte sich in ihnen ein Oran schaffen, das ihm helfen sollte, die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Lage der sozialen Gruppe der in abhängiger Arbeit Tätigen von einem neutralen, objektiven - d. h. nicht von vornherein interessenbestimmten - Standpunkt aus zu sehen und auf der so gewonnenen Grundlage die zur Wahrung und Förderung der Interessen dieser Gruppe erforderlichen Maßnahmen in Abstimmung mit den Interessen der übrigen Bevölkerungsgruppen zu treffen. Dem dienen periodisch zu erstattende allgemeine Berichte der Kammern (so der nach § 4 des saarländischen Gesetzes vorgeschriebene Jahresbericht über die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Lage der Arbeitnehmer), periodische Mitteilungsblätter, Informationsbroschüren, Schriftenreihen u. ä. wie auch ihre Vorschläge, Gutachten und Berichte zu Einzelfragen. Der Blick der Kammern soll nach der Intention des Gesetzgebers stets auf die Interessen der Arbeitnehmerschaft im ganzen gerichtet sein; das Verbindende bei dieser Gruppe ist die soziale Stellung als Arbeitnehmer, ohne Rücksicht, bei welchem Arbeitgeber gearbeitet wird. Die Gegensätze, die etwa zwischen Deutschem Gewerkschaftsbund und Deutscher Angestellten-Gewerkschaft oder zwischen den einzelnen Gewerkschaften aus der besonderen Sicht ihrer Wirtschaftszweige oder Berufsgruppen bestehen können, bleiben hier von vornherein ausgeschaltet. Die Kammerarbeit ist immer auf das Ganze von Staat und Gesellschaft bezogen, nicht auf einen sozialen "Gegner". Diese Heranführung an den Staat ist in Bremen besonders deutlich sichtbar. Hier nähern sich die Kammern der Stellung von Staatsbehörden. Sie können zu den von ihnen vorgeschlagenen oder begutachteten Gesetzesvorschlägen in der Bürgerschaft selbst Stellung nehmen; vor Erlaß aller ihr Arbeitsgebiet berührenden Rechtsvorschriften müssen sie gehört werden; es können ihnen sogar echte staatliche Aufgaben in Auftragsverwaltung übertragen werden.
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d) Sieht man die Aufgaben der Arbeitnehmerkammern so, dann wird ihnen trotz der auf dem Gebiet der freien Interessenwahrung unzweifelhaft bestehenden Konkurrenz mit den Gewerkschaften die Daseinsberechtigung nicht völlig abgesprochen werden können. Freilich können sie nicht als eine für die Gemeinschaft oder auch nur für die Gruppe der Arbeitnehmer schlechthin notwendige Einrichtung bezeichnet werden. So viel ist hier aber auch nicht zu verlangen; zu entscheiden ist nicht, ob Arbeitnehmerkammern in allen Ländern errichtet werden dürfen, sondern lediglich, ob sie in den Ländern Bremen und Saarland, wo sie seit einem halben Jahrhundert das Gesamtbild der staatlichen Organisation mitbestimmen, weiterbestehen dürfen. Den Gesetzgebern der beiden Ländern muß zugestanden werden, daß sie - in Berücksichtigung der bei ihnen gegebenen besonderen geschichtlichen und sozialpolitischen Entwicklung - anzuerkennende sachliche Gründe für ihre Regelung hatten, so daß keine Rede davon sein kann, es seien hier willkürlich unnütze, den Arbeitnehmer unnötig belastende Einrichtungen geschaffen worden. In beiden Ländern stellen die Arbeitnehmerkammern wesentliche, organisch gewachsene Bestandteile der Sozialverfassung dar. Im Saarland ist die Arbeitskammer in der Verfassung verankert (Art. 59). Auch in Bremen war das ursprünglich so (Art. 83, 84 d. Verf. von 1920); die Verfassung von 1947 setzt den damals geschaffenen Zustand voraus (Spitta, Kommentar zur bremischen Verfassung von 1947, 1960, Einl., S. 11 ff., u. Erl. zu Art. 46, S. 105 f.; Kulenkampff-Coenen in Jahrbuch des öffentlichen Rechts, Neue Folge, Bd. 3 [1954], S. 195) und weist, wie bereits erwähnt, den Kammern wesentliche Funktionen innerhalb der staatlichen Organisation zu. Innerhalb des vom Grundgesetz gezogenen - weiten - Rahmens bleibt dem Landesgesetzgeber ein gewisser Bereich, in dem er eigene Ideen zur Gestaltung des Soziallebens im Lande zur Geltung bringen und in Berücksichtigung einheimischer Rechtstraditionen besondere Institutionen zu ihrer Durchsetzung schaffen kann. Auch die Gewerkschaften erkennen die so geschaffene Situation an; in beiden Ländern hat sich zwischen ihnen und den Arbeitnehmerkammern eine befriedigende Arbeitsteilung entwickelt; die grundsätzlich ablehnende Haltung der Spitzenorganisation hindert nicht, daß die örtlichen Gewerkschaftsorganisationen mit den Kammern ohne Anstände zusammenarbeiten, wie sie auch ihre Wiedererrichtung nach dem Kriege begrüßt und gefördert haben.
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Ob in anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland, deren sozialgeschichtliche Entwicklung die in Bremen und im Saarland bestehenden Besonderheiten nicht aufweist, die hier zu entscheidende Frage ebenso zu beurteilen wäre, kann offen bleiben; möglicherweise käme hier dem Einwand der "Überflüssigkeit" größeres Gewicht zu.
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4. Können sonach unter den dargelegten besonderen Verhältnissen in Bremen und im Saarland gegen das weitere Bestehen der Arbeitnehmerkammern durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht erhoben werden, so bedarf noch der Erörterung, ob die Pflichtmitgliedschaft aller Arbeitnehmer bei den Kammern zur sachgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich und die dem einzelnen Arbeitnehmer daraus erwachsende Belastung zumutbar ist. Beide Fragen sind zu bejahen. Die Erwägungen, mit denen das Bundesverfassungsgericht die Notwendigkeit des Organisationszwangs für die Industrie- und Handelskammern begründet hat (BVerfGE 15, 235 [242 f.]), gelten im wesentlichen auch hier. Wenn der Arbeitnehmerschaft als einer sozialen Gruppe nach der Konzeption des Gesetzgebers eine neutrale, unpolitisch-objektive Vertretung ihrer allgemeinen Interessen gesichert werden soll, ist die Mitgliedschaft aller Arbeitnehmer sinnvoll. Es liegt auf der Hand, daß der Wert eines Gutachtens oder Berichts steigt, wenn er sich auf das Votum von Organen stützen kann, in denen mutmaßlich die Anschauungen aller Arbeitnehmer zu Wort gekommen und gegeneinander abgewogen worden sind. Die Notwendigkeit, um freiwillige Mitglieder zu werben, brächte stets die Gefahr mit sich, daß die Interessen einzelner besonders aktiver Gruppen sich ungebührlich in den Vordergrund drängten und der unbefangene gleichmäßige Überblick über die Bedürfnisse aller Arbeitnehmerschichten verloren ginge. Auch die finanzielle Basis der Kammern wäre nicht mehr gesichert, wenn die - nur bei großer Mitgliederzahl mögliche - geringe Beitragshöhe beibehalten werden sollte. Dieser sachlichen Notwendigkeit gegenüber ist die dem Einzelnen aus der Zwangszugehörigkeit zur Kammer entstehende Belastung geringfügig. Sie erschöpft sich in der formalen Mitgliedschaft und der Beitragszahlung. Irgendwelche Pflichten zu aktiver mitgliedschaftlicher Betätigung bestehen nicht; die Kammern haben auch keine Befugnis, die Berufsausübung ihrer Mitglieder zu regeln oder sie bei Verstößen gegen ihre Berufspflichten zu disziplinieren. Die Beiträge sind bei den Arbeitnehmerkammern beider Länder so gering (vor allem durch die Festsetzung niedriger Höchstgrenzen), daß eine fühlbare Belastung des einzelnen Arbeitnehmers nicht entsteht. Dies wird indirekt auch dadurch bewiesen, daß die Zwangszugehörigkeit zu den Kammern die Bereitschaft zum Beitritt zu einer Gewerkschaft offensichtlich nicht gemindert hat; in Bremen wie im Saarland liegt der Organisationsgrad der Gewerkschaften mit 55 v.H. sogar wesentlich über dem Bundesdurchschnitt von etwa 35 v.H. (Peters, a.a.O., S. 116 f., 131).
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Der Einwand des saarländischen Beschwerdeführers, die Beiträge seien in Wahrheit (Einkommen-)Steuern, ist unzutreffend. Es handelt sich, wie alle Gerichte, insbesondere Bundesverwaltungsgericht und Bundesfinanzhof, mit Recht annehmen, um echte Beiträge im abgabenrechtlichen Sinne (§ 1 AO), d.h. um die Beteiligung der Interessenten an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung, von der sie Nutzen haben (BVerfGE 9, 291 [297 f.]; 14, 312 [317]; ebenso Peters, a.a.O., S. 167 f. mit weiteren Nachweisen).
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5. In den Ausführungen der Beschwerdeführer und der gewerkschaftlichen Organisationen klingt gelegentlich die Besorgnis an, die Arbeitnehmerkammern griffen über den ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgabenkreis hinaus und betätigten sich auf Gebieten, die mit ihrer Zweckbestimmung nur in losem Zusammenhang stünden, wo sie vielmehr im allgemeinen Wirtschaftsleben in Konkurrenz mit privatwirtschaftlichen Unternehmen träten. Daß dies in größerem Umfang geschähe, ist jedoch nicht ersichtlich, angesichts des begrenzten Haushaltsvolumens der Kammern (s. dazu Peters, a.a.O., S. 82) auch nicht zu vermuten. Es mag genügen darauf hinzuweisen, daß die Kammern die Beiträge, die sie von den Mitgliedern zwangsweise erheben, selbstverständlich nur für ihre gesetzlich festgelegten Aufgaben verwenden dürfen. Es wäre zu beanstanden, wenn sie Einrichtungen schüfen, die mit gleichgerichteten Unternehmen der Gewerkschaften oder der freien Wirtschaft in Wettbewerb träten; die Staatsaufsicht hätte dies zu verhindern.
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(gez.) Dr. Benda, Ritterspach, Dr. Haager, Dr. Brox, Rupp-v. Brünneck |
Der Richter Dr. Böhmer ist an der Unterschrift verhindert. |
Dr. Benda, Dr. Simon |