BVerfGE 43, 47 - Parkstudium |
Urteil |
des Ersten Senats vom 13. Oktober 1976 auf die mündliche Verhandlung vom 5./6. Oktober 1976 |
- 1 BvR 92, 103-114, 140-143, 187/76 - |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden der 1. T.... - Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Ernst Bruckner, München 2 Sophienstraße 3 - 1 BvR 92/76 -; 2-13.... - Bevollmächtigte: Rechtsanwalt Hartmut Fromm, Münster, Martinistraße 2 - 1 BvR 103-114/76 -; 14. - 17.... - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Klaus Rohwedder, Volker Blitz, Dr. Ortrun Lampe, Mainz, Neubrunnenstraße 3 - 1 BvR 140-143/76 -; 18.-29.... - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Felix Busse, Wolfgang Miessen, Bonn, Oxfordstraße 10 - 1 BvR 187/76 - gegen § 32 Abs. 3 Nr. 2 Satz 7 des Hochschulrahmengesetzes vom 26. Januar 1976 (BGBl. I S. 185) sowie gegen weitere Vorschriften dieses Gesetzes, hier: Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung |
Entscheidungsformel: |
1. Die Anwendung des § 32 Absatz 3 Nummer 2 Satz 7 des Hochschulrahmengesetzes vom 26. Januar 1976 (Bundesgesetzbl. I S. 185) wird einstweilen ausgesetzt, soweit nach dieser Vorschrift Studienzeiten ab Sommersemester 1976 auch bei solchen Studierenden nicht mehr auf die Wartezeit angerechnet werden, die sich für die Zulassung zu einem Studienfach bewerben, für das sie sich spätestens bis zum Wintersemester 1974/75 mit erster oder zweiter Präferenz beworben hatten, und die bis einschließlich des Wintersemesters 1974/75 ein Ausweichstudium in einem anderen Studienfach begonnen hatten. Im übrigen werden die Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. |
2. Soweit es zum Vollzug dieser einstweiligen Anordnung erforderlich ist, wird gemäß § 35 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht angeordnet, daß die Fristen zur Einschreibung (Rückmeldung) für das Wintersemester 1976/77 nicht vor dem 13. November 1976 enden. |
Gründe |
I. |
1. Nach dem am 20. Oktober 1972 abgeschlossenen Staatsvertrag der Länder über die Vergabe von Studienplätzen werden in zulassungsbeschränkten Fächern die vorhandenen Studienplätze zu knapp 30% nach der Dauer der seit dem Erwerb der Hochschulreife verbrachten Wartezeit vergeben (Art. 11 des Staatsvertrags in Verbindung mit § 6 der Vergabeverordnung). Wo und wie diese Wartezeit genutzt wird, ist unerheblich. Zahlreiche Bewerber überbrücken sie mit einem Studium in einem Ausweichfach ("Parkstudium"), und zwar häufig in einem dem angestrebten Wunschstudium verwandten Studiengang, da Leistungen in diesem Nachbarfach gegebenenfalls auf das Wunschstudium angerechnet werden können. Die Zahl derartiger Parkstudenten wird sehr hoch geschätzt; im Wintersemester 1974/75 hatten bereits 76% der für Medizin zugelassenen Studienanfänger vorher in einem anderen Fach studiert.
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Da dies zur Überwälzung des numerus clausus auf andere Fächer, zur doppelten Inanspruchnahme von Ausbildungskapazitäten und zu immer längeren Wartezeiten in den sog harten Numerus-clausus-Fächern führt, erstrebte die Bundesregierung schon in dem Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes aus dem Jahre 1973 eine Einschränkung des Parkstudiums. Die am 12. Dezember 1974 vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetzesfassung sah demgemäß vor, daß ab Inkrafttreten des Gesetzes Zeiten eines Hochschulstudiums nicht mehr auf die Wartezeit als rangverbessernd angerechnet werden sollten. In dem anschließenden, auf Antrag des Bundesrats eingeleiteten Vermittlungsverfahren war diese Regelung nicht mehr strittig. Das am 27. Januar 1976 in Kraft getretene Hochschulrahmengesetz - HRG - (BGBl I S. 185) bestimmt nunmehr in der Vorschrift über die Zulassung nach der Wartezeit im Allgemeinen Auswahlverfahren (§ 32 Abs. 3 Nr. 2 Satz 7) folgendes:
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Zeiten eines Studiums an einer Hochschule werden auf die Wartezeit nicht angerechnet; dies gilt erstmals für Studienzeiten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes.
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Diese Regelung findet für Zulassungsentscheidungen ab Wintersemester 1977/78 Anwendung (§ 72 Abs. 2 HRG). Sie will aber diejenigen Bewerber, die nicht damit rechnen können, bis zu diesem Zeitpunkt noch nach bisherigem Recht zugelassen zu werden, zu der alsbaldigen Entscheidung veranlassen, entweder ihr Parkstudium fortzusetzen und von weiteren Bewerbungen für das ursprünglich erstrebte Wunschstudium Abstand zu nehmen oder aber sich zu exmatrikulieren, um das Weiterlaufen der Wartezeit sicherzustellen. Die Regelung wird gegenstandslos, sobald in harten Numerus-clausus-Fächern wegen überhoher Grenzwerte bei der Zulassung nach Leistung und Wartezeit das in § 33 vorgesehene Besondere Auswahlverfahren oder eine abweichende Übergangsregelung gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 HRG eingeführt wird.
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2. Die Antragsteller, die ein Studium in den harten Numerus-clausus-Fächern Humanmedizin, Zahnmedizin und Tiermedizin sowie Psychologie und Pharmazie anstreben, befanden sich bereits vor Inkrafttreten des Hochschulrahmengesetzes - zumeist schon vor der ersten Beschlußfassung des Deutschen Bundestags am 12. Dezember 1974 - in einem Parkstudium, und zwar teilweise in solchen Fächern, in denen mehr Studienplätze als Bewerber vorhanden waren. Sie haben gegen die Parkstudiumsklausel Verfassungsbeschwerde mit der Begründung erhoben, diese greife rückwirkend in bereits erlangte Rechtspositionen ein, sie sei unvereinbar mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und stürze Parkstudenten, die bereits länger auf ihre Zulassung zum Wunschstudium warteten, in ein unzumutbares Entscheidungsdilemma: Setze ein solcher Bewerber sein Parkstudium fort, werde sein Rangplatz auf der Warteliste auf den Stand des Wintersemesters 1975/76 eingefroren; angesichts der langen Wartezeiten für harte Numerus-clausus-Fächer habe er keine echte Zulassungschance mehr. Schließe er sein Ausweichstudium mit einem Examen ab, mache die Neuregelung für das Zweitstudium (§ 32 Abs. 2 Nr. 5 HRG) seine Zulassung zum Wunschstudium aussichtslos. Breche er sein Parkstudium unter dem Druck der strittigen Klausel ab, sei wegen der möglichen Einführung eines besonderen Auswahlverfahrens ungewiß, ob dies sinnvoll sei.
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Die Beschwerdeführer beantragen ferner im Wege einer einstweiligen Anordnung, die Regelung des § 32 Abs. 3 Nr. 2 Satz 7 HRG bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden auszusetzen. Sie halten den Erlaß einer solchen Anordnung für dringend geboten, um unwiederbringliche Nachteile für sich selbst und die große Zahl der betroffenen Parkstudenten zu verhindern.
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3. Die Westdeutsche Rektorenkonferenz, der Hochschulverband und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft halten die Parkstudiumsklausel - sei es wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, sei es wegen mangelnder Erforderlichkeit - in ihrer jetzigen generellen Fassung für verfassungswidrig. Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, der sich namens der Bundesregierung geäußert hat, hält die Verfassungsbeschwerden hingegen für unbegründet und den Erlaß einer einstweiligen Anordnung für nicht geboten.
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II. |
1. Die den Anträgen zugrundeliegenden Verfassungsbeschwerden sind nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung jedenfalls insoweit zulässig und nicht offensichtlich unbegründet, als die strittige Regelung auch auf solche Parkstudenten Anwendung findet, die ihr Ausweichstudium schon vor dem ersten Gesetzesbeschluß des Deutschen Bundestags, also spätestens zum Wintersemester 1974/75, begonnen hatten und bei denen es sich um echte Parkstudenten, nämlich um solche handelt, die sich nachweislich schon bis zum Wintersemester 1974/75 vergeblich mit erster oder zweiter Präferenz für die Zulassung zu dem von ihnen erstrebten Wunschstudium beworben hatten und die sich seitdem im Vertrauen auf den Fortbestand des staatsvertraglichen Zulassungsrechts auf eine Auswahl nach Wartezeit eingestellt haben.
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2. In bezug auf die zuvor umschriebene Gruppe der "Altparker" führt die im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorzunehmende Abwägung (vgl BVerfGE 34, 341 [342 f.]) zu dem Ergebnis, daß dem Antrag stattzugeben ist. Bei dieser Abwägung fällt vor allem folgendes ins Gewicht:
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Bei den genannten Parkstudenten handelt es sich vorwiegend um solche, die sich um eine Zulassung in harten Numerus-clausus-Fächern bewerben. In diesen Fächern kommt aber wegen der für die Zulassung erforderlichen hohen Durchschnittsnoten und langen Wartezeiten ein Übergang zu einem besonderen Auswahlverfahren in Betracht. Erfolgt diese Umstellung in absehbarer Zeit nach der für das Wintersemester 1977/78 vorgeschriebenen erstmaligen Anwendung des neuen Auswahlrechts, kann die strittige Klausel für diese Gruppe der "Altparker" nur für eine verhältnismäßig kurze Zwischenzeit wirksam werden. Das gleiche trifft erst recht für den kleineren Kreis derjenigen "Altparker" zu, die auf ihre Zulassung zum Wunschstudium in anderen Fächern warten. Da für die Zulassung zu diesen Fächern noch verhältnismäßig kurze Wartezeiten genügen, ist damit zu rechnen, daß diese "Altparker" entweder bis zur Anwendung der Neuregelung im Wintersemester 1977/78 bereits zu ihrem Wunschstudium zugelassen worden sind oder bald danach zur Zulassung nach Wartezeit anstehen.
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Für beide Gruppen von "Altparkern" besteht ein erhebliches Interesse daran, ihr spätestens zum Wintersemester 1974/75 im Vertrauen auf die derzeitige Regelung begonnenes Ausweichstudium ohne Nachteile für die Zulassung zum Wunschstudium vorsorglich weiter fördern zu können und nicht genötigt zu werden, für die Zwischenzeit bis zur endgültigen Entscheidung über die Zulassung zu dem angestrebten Wunschstudium auf den ohnehin überlasteten beruflichen Ausbildungssektor außerhalb der Hochschulen und den Arbeitsmarkt ausweichen zu müssen. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß der Abbruch des Ausweichstudiums in höheren Semestern nur dann nennenswerte Anfängerkapazitäten frei machen würde, wenn sich eine größere Zahl an "Altparkern" zur Exmatrikulation entschließen würde. Das läßt sich aber bei Bewerbern für harte Numerus-clausus-Fächer schon deshalb nicht annehmen, weil sie nicht hinreichend übersehen können, ob sie im Falle einer Einführung des besonderen Auswahlverfahrens eine Zulassung zum Wunschstudium erhalten werden. Soweit das Ausweichstudium in Fächern ohne Zulassungsbeschränkung erfolgt, besteht erst recht kein gewichtiger Grund, die "Altparker" zu einer Änderung ihrer ursprünglichen Entscheidung zu nötigen.
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Bei dieser Sachlage entstünden einerseits für diejenigen "Altparker", die sich unter dem Zwang der strittigen Regelung exmatrikulieren, schwerwiegende Nachteile, die im Falle der Verfassungswidrigkeit dieser Regelung einen irreparablen Eingriff in die Grundrechte darstellen würden. Andererseits sind keine schwerwiegenden Nachteile für den Fall erkennbar, daß sich die strittige Regelung als verfassungsmäßig erweist und einstweilen in begrenztem Umfang außer Vollzug gesetzt wird.
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Soweit eine Aussetzung der strittigen Regelung auch zugunsten solcher Parkstudenten begehrt wird, die ihr Ausweichstudium erst nach dem Gesetzesbeschluß des Deutschen Bundestags vom 12. Dezember 1974 begonnen oder sich erstmals nach diesem Zeitpunkt für ein Studium in einem anderen Wunschfach beworben haben, überwiegt hingegen das Allgemeininteresse daran, ohne weitere Verzögerung den mit einem Parkstudium verbundenen Nachteilen entgegenzuwirken.
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Die Entscheidungsformel dieses Urteils ist im Bundesgesetzblatt zu verkünden.
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Benda Haager Rupp-v. Brünneck Böhmer Simon Faller Hesse Katzenstein |