BVerfGE 43, 154 - Datenzentrale Schleswig-Holstein |
Beschluß |
des Zweiten Senats vom 15. Dezember 1976 |
– 2 BvR 841/73 – |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn Dr. Peter B... gegen den Entlassungsbescheid des Verwaltungsrats der Datenzentrale Schleswig-Holstein vom 16. Februar 1971, gegen den Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 21. April 1971 sowie gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 23. November 1972 und des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 10. Mai 1973 (5 A 59/71 – V OVG A 148/72). |
Entscheidungsformel: |
1. Der Entlassungsbescheid des Verwaltungsrats der Datenzentrale Schleswig-Holstein vom 16. Februar 1971, der Widerspruchsbescheid des Verwaltungsrats vom 21. April 1971, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts Schleswig vom 23. November 1972 und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg vom 10. Mai 1973 verletzen Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes; sie werden aufgehoben. Der Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 1973 ist gegenstandslos. |
2. Die Datenzentrale Schleswig-Holstein hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten. |
Gründe: |
A. – I. |
Der Beschwerdeführer ist Diplomphysiker. Nach einer dreijährigen Lehrzeit als Feinmechaniker studierte er in Kiel Physik und Mathematik; seine Diplomhauptprüfung bestand er mit "sehr gut". Anschließend arbeitete er an seiner Dissertation aus dem Gebiet der Plasmaphysik. Von 1961 bis 1965 war er Mitarbeiter der deutschen Computerfirma Zuse KG – zunächst als wissenschaftlicher Arbeiter des Zuse-Rechenzentrums in Hamburg, dann verantwortlich für den Aufbau einer Abteilung für die Projektierung und Realisierung neuartiger industrieller Anwendungen für Datenverarbeitungssysteme, zuletzt Leiter dieser Abteilung. 1965 bis Ende 1967 war er Leiter der Hauptabteilung Industrie in der Firma Bull General Electric GmbH in Deutschland; seit dem 1. Juli 1966 besaß er Prokura. Seit dem 1. Januar 1968 war er Leiter einer internationalen Organisation für rechnergesteuerte Automatisierungssysteme innerhalb des Philips-Konzerns in Eindhoven. Aus dieser ungekündigten Stellung heraus, die ihm nach dem Zeugnis des Dienstherrn weitere Aufstiegschancen bot, bewarb er sich Anfang Mai 1968 auf eine Ausschreibung in der "Welt" um die Stellung eines Mitdirektors im dreiköpfigen Vorstand der eben neu gegründeten Datenzentrale Schleswig-Holstein in Kiel. Nach einem ausführlichen Einstellungsgespräch mit dem Arbeitsausschuß des Verwaltungsrats der Datenzentrale am 10. Juni 1968 beschloß der Verwaltungsrat, den Beschwerdeführer als einen der drei Direktoren des Vorstands einzustellen. Nach Einholung der notwendigen beamtenrechtlichen Ausnahmebewilligungen wurde der Beschwerdeführer mit Wirkung vom 1. November 1968 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Direktor der Datenzentrale ernannt und in die dort freie Planstelle der Besoldungsgruppe B 2 der schleswig-holsteinischen Besoldungsordnung eingewiesen. In den Vorbesprechungen, in denen der Beschwerdeführer u.a. darauf hinwies, daß er mit dem Übertritt in den öffentlichen Dienst eine vertraglich abgesicherte Altersversorgung von damals schon über 2000 DM monatlich aufgebe, wurde ihm nach seinem unwidersprochenen Vortrag die Einstellung zunächst als "Beamter auf Probe" als nach dem Beamtenrecht unvermeidbar, jedoch als eine reine Formalität dargestellt.
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II. |
Die Datenzentrale Schleswig-Holstein ist eine rechtlich selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie untersteht der Rechtsaufsicht der schleswig-holsteinischen Landesregierung, die vom Innenminister ausgeübt wird. Zwischen Datenzentrale und Landesregierung bestanden überdies personelle Verbindungen. Insbesondere war der Vorsitzende des mehrköpfigen Verwaltungsrats während der für die rechtliche Beurteilung erheblichen Zeit der Amtschef des Innenministeriums des Landes Schleswig-Holstein, Staatssekretär Dr. O. Entsprechend der ursprünglichen Konzeption bestand der dreiköpfige Vorstand der Datenzentrale von Anfang an aus einem Verwaltungsfachmann, einem Wirtschaftsfachmann und einem technischen Fachmann. Der Beschwerdeführer war der "Techniker", der Computerexperte im Vorstand. Er war in diesem Gremium derjenige, dessen Probezeit am spätesten endete – nämlich am 1. November 1971 –, und außerdem der "Außenseiter", insofern die anderen beiden Vorstandsmitglieder aus dem Kreis der schleswig-holsteinischen Verwaltung kamen. Erst nachdem die zweijährige Probezeit des Vorstandsmitglieds und ersten Direktors Dr. G. am 1. Juli 1970 beendet und er zum Lebenszeitbeamten ernannt war, begann die nach und nach wachsende Bemängelung des Beschwerdeführers.
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III. |
1. Der Beschwerdeführer erhielt bei seinem Eintritt in die Datenzentrale den Sonderauftrag, möglichst rasch für die Zwecke der Polizei, insbesondere zur Verbrechensbekämpfung, eine zentrale EDV-Anlage (Polizei-Datenbank) zu konzipieren und einzurichten – die erste ihrer Art in einem Land der Bundesrepublik. Dieser Aufgabe entledigte er sich innerhalb von zwei Jahren unter Anerkennung der Regierung und der Fachleute.
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2. Am 14. Dezember 1970 – also im dritten Probejahr und als er eben die Polizei-Datenbank eingerichtet hatte – fand eine Sitzung des Verwaltungsrats der Datenzentrale statt, in der dem gesamten Vorstand Entlastung mit Dank und Anerkennung für die mehr als zweijährige Aufbauzeit erteilt wurde. Ein Vorbehalt hinsichtlich des routinemäßig gerade zum stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstands bestimmten Beschwerdeführers wurde weder ausdrücklich noch andeutungsweise gemacht.
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In einem unmittelbar anschließenden vertraulichen Teil der Verwaltungsratssitzung schlug der Vorsitzende Dr. O. dem Verwaltungsrat vor, das Dienstverhältnis mit dem Beschwerdeführer zu lösen; dieser Vorschlag ging auf eine vertrauliche Sitzung des Arbeitsausschusses des Verwaltungsrats der Datenzentrale am 23. November 1970 zurück. Der Verwaltungsrat nahm davon zustimmend Kenntnis. Während es im Protokoll des Arbeitsausschusses vom 23. November 1970 noch hieß: "Die Neigungen Direktor Dr. B.'s sind mehr wissenschaftlicher Art und werden insoweit den Belangen der Datenzentrale, deren Interessen mehr auf der merkantilen produktionsmäßigen Ebene liegen, nicht voll gerecht...", hieß es im Protokoll der Verwaltungsratssitzung vom 14. Dezember 1970, daß "nach der Überzeugung aller Mitglieder des Arbeitsausschusses die Neigungen des Vorstandsmitglieds Direktor Dr. B. überwiegend wissenschaftlichen Problemen gelten und er den Aufgaben eines technischen Leiters der Datenzentrale im Betrieb und im Verhltnis zu den Mitarbeitern nicht voll gerecht werde ...". Über das, was sich hinter diesem Schritt vom 14. Dezember 1970 verbirgt, bestehen zwischen dem Beschwerdeführer und den Verantwortlichen der Datenzentrale tiefe Meinungsverschiedenheiten.
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3. Entsprechend einem Auftrag des Verwaltungsrats führte Staatssekretär Dr. O. am 13. Januar 1971 mit dem Beschwerdeführer ein Gespräch mit dem Ziel, eine einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers zu versuchen. Das Gespräch basierte auf einem mit dem Datum des 8. Januar 1971 versehenen Vermerk des Oberamtsrats K., auf dessen Zuarbeit sich Dr. O. als Staatssekretär wie als Verwaltungsratsvorsitzender stützte. In diesem Vermerk wird zunächst auf die beamtenrechtliche Lage hingewiesen (Voraussetzungen einer Entlassung während der Probezeit, Fristen, die zu wahren sind, Beweislast). In diesem Zusammenhang heißt es:
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"Nach herrschender Auffassung ist die eindeutige Feststellung mangelnder Bewährung erforderlich; das bedeutet, es müssen Tatsachen festgestellt sein, die unmittelbar oder mittelbar ergeben, daß der Beamte nicht die Eignung oder Befähigung besitzt oder die fachlichen Leistungen erbringt, die erforderlich sind ... Für die Position wie die, die Dr. B. bekleidet und für die ohne Zweifel über alle fachliche Eignung, Leistung und Befähigung hinaus auch ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen Aufsichtsbehörde und zum Vorsitzenden der Organe eine wesentliche Rolle spielt, dürfte eine Lösung des Beamtenverhältnisses auf Probe auch dann schon gerechtfertigt sein, wenn die Ansprüche an das Beherrschen der reinen Fachmaterie vielleicht gerade noch erfüllt werden, aber das Vertrauensverhältnis gestört ist... Es sollte alles versucht werden, den Weg der Entlassung Dr. B. über die Bestimmung des § 43 LBG zu vermeiden. Muß dieser Weg beschritten werden, wird sich nicht vermeiden lassen, schmutzige Wäsche zu waschen ... Nach der Eröffnung der Entscheidung des Verwaltungsrats sollte darauf gesehen werden, daß Dr. B. möglichst bald aus dem Meinungs- und Willensbildungsprozeß bei der Anstalt ausscheidet. Es gilt gegebenenfalls auch eine übereinstimmende Sprachregelung für Aufsichtsbehörde, Datenzentrale und Betroffenen zu finden, die das Ausscheiden motiviert."
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Diesem Vermerk lag der Entwurf einer Vereinbarung über das einvernehmliche Ausscheiden des Beschwerdeführers aus der Datenzentrale und die Übertragung eines Forschungsauftrags bei, der bis zum 30. Juni 1971 gegen ein Honorar von 12 000 DM, zahlbar in drei Monaten, erfüllt werden sollte.
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Nach einer Aufzeichnung von Staatssekretär Dr. O. vom 14. Januar 1971 brachte das Gespräch vom 13. Januar 1971 keine Einigung; Dr. O. legte bei der Darstellung der Lage Wert "auf sein (Dr. B.'s) offenbar nicht befriedigendes Verhältnis zu seinen Mitarbeitern". Er verwies im übrigen "auf einen möglicherweise beiderseitigen Irrtum" (falsche Erwartungen auf beiden Seiten). Der Beschwerdeführer zeigte sich, dem Bericht zufolge, total überrascht. Im übrigen widersprach er auf das entschiedenste; er führte die Schwierigkeiten auf eine falsche Konstruktion des Vorstands zurück und machte Vorschläge zur Verbesserung der Verhältnisse. Man ging auseinander mit der Vereinbarung, der Beschwerdeführer sollte seine Darstellung schriftlich einreichen. Ein weiteres Gespräch sollte am 21. Januar 1971 stattfinden. Das Exposé des Beschwerdeführers trägt das Datum vom 17. Januar 1971; es hatte vier Anlagen, die umfangreiche Konzeptionen zur Weiterentwicklung der Datenzentrale enthielten. Auch das zweite Gespräch vom 21. Januar 1971 verlief ergebnislos. Gleichzeitig begann unter "persönlich-vertraulich" das Recherchieren; zunächst wurde damit der Oberregierungsrat Dr. K. vom Innenministerium beauftragt.
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Am 25. Januar 1971 wandte sich der Beschwerdeführer an das Vorstandsmitglied Dr. G., er möge veranlassen, daß der Verwaltungsrat zu einer Sitzung einberufen werde, um über die gegen ihn (den Beschwerdeführer) vorgebrachten Beschwerden zu entscheiden. Daraufhin lud Staatssekretär Dr. O. die drei Vorstandsmitglieder, ein Mitglied des Verwaltungsrats und Dr. K. vom Innenministerium zu einer Besprechung am 5. Februar 1971 ein, um "das Ihnen bekannte Personalproblem" "vertraulich" zu behandeln. Der Beschwerdeführer wies unter dem 3. Februar 1971 auf die Unzuständigkeit des geladenen Kreises hin und bestand darauf, daß der Verwaltungsrat über die Beschwerden beraten und entscheiden müsse; er werde deshalb an jener Sitzung nicht teilnehmen. Der Verwaltungsrat wurde auf den 15. Februar 1971 einberufen.
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Unter dem 10. Februar 1971 legte der Vorsitzende des Personalrats der Datenzentrale dem Verwaltungsrat "vier Erklärungen von Abteilungsleitern des Bereichs T" vor, "in denen die Schwierigkeiten in der dienstlichen Zusammenarbeit mit Herrn Direktor Dr. B. dargestellt sind".
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Der Sitzung des Verwaltungsrats lag ein schriftlicher Bericht des Staatssekretärs Dr. O. vom 10. Februar 1971 zugrunde, der einleitend u. a. bemerkt: "Bei diesem Stande der Verhandlungen (keine Bereitschaft des Beschwerdeführers, freiwillig auszuscheiden) wurde es notwendig ..., die Herrn Dr. B. vorgehaltenen Mängel beweiskräftig zu sichern... Für den 22. Januar 1971 hatte ich daher zunächst den Personalratsvorsitzenden der Anstalt zu einem Gespräch gebeten". Es werden dann zum ersten Mal etwas konkreter die behaupteten Mängel in der Person des Beschwerdeführers dargelegt: "Mängel, die sich aus der Nichtanerkennung des Führungssystems ergaben", insbesondere die sich aus der "Nichtanerkennung des Unternehmensstils" ergeben, mangelnde "Eignung als Vorstandsmitglied", mangelndes "Sozialverhalten und Rücksichtslosigkeit", mangelnde "Objektivität und Wahrhaftigkeit," "Selbstüberschätzung und Ichbezogenheit des Denkens", Mangel an "Mut zum Risiko", "übersteigertes Sicherheitsdenken", mangelnde "Vertretung der Gesamtinteressen der Anstalt", "mangelndes Geschick zur Menschenführung", "mangelnde Kreativität", "Mangel in der Betriebsführung", "Produktionsmängel". Dieser Bericht schließt mit der Zusammenfassung:
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"Zusammenfassend ergab die dienstliche Erörterung, daß es Herrn Dr. B. nicht gelungen ist, sich als Vorstandsmitglied der Datenzentrale Schleswig-Holstein zu bewähren. Er entspricht nach Auftreten, Manieren, dem nach und nach klarer hervortretenden Charakter- und Persönlichkeitsbild, seinem Führungsstil und seinen Interessen nicht den Anforderungen, die an ein Vorstandsmitglied der Datenzentrale Schleswig-Holstein zu stellen sind. Er erscheint unfähig, die Geschäfte eines Vorstandsmitglieds und Direktors der Datenzentrale ordnungsgemäß zu führen. Darüber hinaus ist das für eine solche Funktion zwingend notwendige Vertrauensverhältnis zu den Organen der Anstalt und zur Aufsichtsbehörde durch sein Verhalten stark gestört."
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4. Der Beschwerdeführer teilte unter dem 11. Februar 1971 mit, daß er die rasche Anberaumung einer Sitzung des Verwaltungsrats begrüße, auch wenn der Termin in seinen Urlaub falle. Er könne jedoch infolge einer Gallenkolik den Termin nicht wahrnehmen; er sei arbeits- und verhandlungsunfähig. Der Arzt habe ihm jede Aufregung verboten und seine Einweisung in die Klinik für notwendig gehalten. Er bitte deshalb um Verlegung des Termins. Darauf antwortete Dr. O.: "... Ich bedaure sehr, daß es Ihnen nicht möglich ist, an dieser Sitzung teilzunehmen, darf dazu aber bemerken, daß ich mich angesichts des Zwangs zur Entscheidung dadurch nicht bestimmen zu lassen vermag, die Entscheidung hinauszuschieben". Die Sitzung fand deshalb in Abwesenheit des Beschwerdeführers statt. Sie schloß mit folgendem in der unmittelbar vorausgegangenen Sitzung des Arbeitsausschusses erörterten und entworfenen Beschluß:
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Herrn Direktor Dr. B ... ist es nicht gelungen, sich als Vorstandsmitglied der Datenzentrale Schleswig-Holstein zu bewähren. Er entspricht nach seinem Auftreten, dem nach und nach klarer hervorgetretenen Charakter- und Persönlichkeitsbild, seinem Führungs- und Arbeitsstil und seinen beruflichen Interessen und Neigungen nicht den Anforderungen, die der Verwaltungsrat an ihn als Vorstandsmitglied der Anstalt stellen muß. Der Verwaltungsrat sieht daher davon ab, die Dienste von Herrn Dr. B... weiterhin in Anspruch zu nehmen. Das mit Herrn Dr. B ... bestehende Beamtenverhältnis auf Probe ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu beenden. Die Entlassung soll, falls nicht Dr. B... selbst um eine solche einkommt, gemäß § 43 Abs. 1 Ziffer 2 des Landesbeamtengesetzes erfolgen. Da Voraussetzung für die Ausübung der Funktion eines Vorstandsmitglieds und Direktors der Anstalt ist, daß die Beziehungen zwischen den Vorstandsmitgliedern und den Organen der Anstalt vom Vertrauen getragen sind, dieses Vertrauensverhältnis aber zwischen Herrn Dr. B ... und dem Verwaltungsrat zerstört ist, ist Herr Dr. B... bis zum Wirksamwerden der Entlassung gemäß § 76 des Landesbeamtengesetzes vom Dienst freizustellen. Gleichzeitig ist – auch im Interesse des Betriebsfriedens – zu unterbinden, daß Herr Dr. B ... seine Dienstgeschäfte weiterführt. Der Vorsitzende des Verwaltungsrats wird das zur Durchführung dieses Beschlusses Erforderliche veranlassen. |
Der Beschluß wurde am 16. Februar 1971 der Aufsichtsbehörde zugeleitet mit der Bitte um fernmündliche Mitteilung, ob von dort Einspruch zu erwarten sei. Die Erklärung, Einspruch werde nicht erhoben, wurde bereits am selben Tage vormittags 10.40 Uhr erteilt. Weiterhin am selben Tag eröffnete Dr. O. dem Beschwerdeführer schriftlich seine Entlassung zum 31. März 1971 und untersagte ihm "mit sofortiger Wirkung" aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung seiner Dienstgeschäfte. Die Zustellung des Briefes durch Oberamtsrat K. persönlich am gleichen Tag (11.10 Uhr) im Hause des Beschwerdeführers mißlang, weil niemand anwesend war. Deshalb erfolgte durch den Oberamtsrat persönlich um 11.50 Uhr die Ersatzzustellung durch Niederlegung beim Hauptamt der Stadt Kiel, Zimmer 252 des Rathauses. Der Beschwerdeführer holte das Schreiben am nächsten Tag ab.
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5. Unter dem 13. März 1971 legte der Beschwerdeführer durch seinen Anwalt Widerspruch ein, den er unter dem 12. April 1971 begründete. Er bemängelte, daß ihm vor dem Verwaltungsrat nicht rechtliches Gehör eingeräumt wurde, daß Ordnungsvorschriften für die Ladung mißachtet wurden, daß Ermittlungen gegen ihn ohne Verfügung des Verwaltungsrats durchgeführt wurden, daß für die Vorwürfe keine ausreichende Begründung gegeben sei, und versuchte im einzelnen, die Vorwürfe zu entkräften. Der Widerspruch wurde durch Beschluß des Verwaltungsrats vom 16. April 1971 zurückgewiesen. Der begründete Widerspruchsbescheid stammt vom 21. April 1971.
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IV. |
Gegen die genannten Bescheide erhob der Beschwerdeführer am 29. April 1971 Klage zum Verwaltungsgericht in Schleswig. Nach einer Beweiserhebung, in der die vier Bediensteten aus dem Bereich Technik der Datenzentrale, die sich dem Personalrat mit schriftlichen Äußerungen zur Verfügung gestellt hatten, sowie der leitende Direktor Dr. G. und Staatssekretär Dr. O. als Zeugen gehört wurden – die Aussage des letzteren schließt mit dem Satz: "Im Anschluß an diese Sitzung (das ist die Sitzung vom 5. Februar 1971) beauftragte ich den Vorstand, nun Munition gegen den Kläger zu sammeln" –, wies das Gericht die Klage mit Urteil vom 23. November 1972 als unbegründet ab. Die Entlassung sei gerechtfertigt durch den "autoritären Führungsstil – geprägt durch Uneinsichtigkeit, von Mißtrauen beherrschtes Abschirmen der eigenen Mitarbeiter gegen andere Abteilungen, vordergründige Suche nach Schuldigen, mangelnde Toleranz und Bereitschaft zur vollen persönlichen Verantwortung –". Eine "Abmahnung" sei vor der Entlassung nicht erforderlich gewesen, weil die Mängel nicht behebbar gewesen seien.
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Die Berufung gegen dieses Urteil wies das Oberverwaltungsgericht Lüneburg nach Vernehmung weiterer Zeugen mit Urteil vom 10. Mai 1973 als unbegründet zurück. Aus den Gründen ergibt sich: Anhaltspunkte dafür, daß das Innenministerium oder eine dritte Stelle (eine Computerfirma) unzulässigen Einfluß auf die Entscheidung des Verwaltungsrats genommen hätte, hätten sich im gerichtlichen Verfahren nicht ergeben. Nach der Überzeugung des Gerichts seien Anlaß und Grund für die Entlassung des Beschwerdeführers allein die "auf der persönlichen Eigenart des Klägers und seiner Arbeitsweise beruhenden Schwierigkeiten" gewesen. Dadurch sei das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen den Mitgliedern des Vorstands und zwischen dem Beschwerdeführer und dem Verwaltungsrat empfindlich gestört worden. Das rechtfertige die Entlassung.
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Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluß vom 18. Oktober 1973 zurückgewiesen.
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V. |
1. Gegen die genannten Urteile und die vorausgegangenen Verwaltungsentscheidungen wendet sich die Verfassungsbeschwerde vom 23. November 1973; gerügt wird die Verletzung des Grundrechts aus Art. 33 Abs. 5 GG. In der Begründung des Beschwerdeführers rückt in den Vordergrund, was im Verwaltungsverfahren zunächst nur als unbestimmter Verdacht nebenbei angeklungen war und in den verschiedenen Instanzen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens immer stärker hervortrat: Die Behauptung, daß die Entlassungsentscheidung unsachlich gewesen sei, weil sie auf einer unzulässigen Einflußnahme des amerikanischen Computerkonzerns IBM auf die Personalpolitik der Datenzentrale zur Erhaltung ihrer Marktanteile beruhe. Dies habe sogar zur Mißachtung von beamtenrechtlichen Vorschriften geführt mit der Folge, daß der Beschwerdeführer sich dem Verwaltungsrat gegenüber vor der Entlassung nicht in Rede und Gegenrede rechtfertigen durfte.
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2. Die Datenzentrale hat sich in diesem Verfahren nur kurz und summarisch geäußert, indem sie zur Vermeidung von Wiederholungen auf ihre Äußerungen im verwaltungsgerichtlichen Prozeß Bezug genommen und im übrigen um Hinweise des Gerichts gebeten hat für den Fall, daß dieses zu einzelnen Punkten zusätzliche Äußerungen wünschen sollte.
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B. |
Gegen die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde bestehen keine Bedenken.
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1. Gerügt ist ausdrücklich, der Beschwerdeführer sei in seinem Grundrecht aus Art. 33 Abs. 5 GG verletzt. Mit den vorgetragenen Tatsachen ist das in vertretbarer Weise schlüssig behauptet: Gehört nämlich die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, so kann in den vorgetragenen Umständen eine Verletzung dieser Fürsorgepflicht erblickt werden.
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist rechtzeitig erhoben.
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C. |
Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet:
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I. |
Zu den hergebrachten und nicht nur zu berücksichtigenden, sondern zu beachtenden Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) gehört hier der Grundsatz der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten. Das ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt (vgl. BVerfGE 8, 332 [356 f.]). Der genannte Grundsatz ist das Korrelat zum hergebrachten Grundsatz der Treuepflicht des Beamten (vgl. Maunz in Maunz-Dürig-Herzog, Kommentar zum Grundgesetz, 1976, Art. 33, Randnote 68; Ule in Bettermann-Nipperdey, Die Grundrechte, Bd. IV/2, 1972, S. 573). Der Grundsatz der Fürsorgepflicht verpflichtet den Dienstherrn, den Beamten gegen unberechtigte Anwürfe in Schutz zu nehmen, ihn entsprechend seiner Eignung und Leistung zu fördern, bei seinen Entscheidungen die wohlverstandenen Interessen des Beamten in gebührender Weise zu berücksichtigen. Was danach der Dienstherr dem Beamten schuldet, läßt sich nur im Einzelfall genauer konkretisieren. Bei der Konkretisierung der Dienstherrnpflicht im vorliegenden Fall ist folgendes zu berücksichtigen:
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1. Der Beschwerdeführer stand im Augenblick seiner Entlassung im Beamtenverhältnis auf Probe. Dieses Rechtsverhältnis ist geschaffen, um dem Dienstherrn die Möglichkeit zu geben, Eignung, Fähigkeiten, Leistung des Beschäftigten zu erproben und sich von ihm ohne Schwierigkeiten zu trennen, wenn er den Ansprüchen und Erwartungen des Dienstherrn nicht genügt. Bei der Entscheidung dieser Frage steht ihm überdies ein Beurteilungsspielraum zu. Das gilt auch für den vorliegenden Fall.
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2. Dieser Ausgangspunkt entbindet jedoch den Dienstherrn nicht von seiner Fürsorgepflicht im Einzelfall. Sie kann verletzt sein, wenn er die besonderen Umstände des Falles nicht würdigt und es deshalb unterläßt, verfahrensmäßig sicherzustellen, daß die Prämissen für eine Entlassung sorgfältig erhoben und mit dem Betroffenen im einzelnen erörtert werden sowie daß das kollegiale Organ, das über die Entlassung zu entscheiden hat, – im Rahmen des Möglichen – einen unmittelbaren Eindruck der für und gegen den Beamten sprechenden Gesichtspunkte erhält, der ihm ein eigenes, von dem Vorschlag eines Dritten unabhängiges Urteil erlaubt. Die so – also im Hinblick auf die Garantie eines Mindeststandards an ordentlicher und fairer Gestaltung des verwaltungsmäßigen Prozedere – konkretisierte Fürsorgepflicht des Dienstherrn ergibt sich, unbeschadet der aus dem Fürsorgegrundsatz abgeleiteten einfachrechtlichen Regelungen, unmittelbar aus dem in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltenen Grundsatz der Verpflichtung des Dienstherrn zur Fürsorge für den Beamten und ergänzt jene Vorschriften des einfachen Beamtenrechts, wie er sie auch bei ihrer Auslegung durchdringt.
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Denn Art. 33 Abs. 5 GG enthält mehr als nur eine institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums. Er enthält auch mehr als einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber einschließlich eines Regelungsprogramms. Über diesen dem Wortlaut zu entnehmenden Gehalt des Art. 33 Abs. 5 GG sind Lehre und Rechtsprechung längst hinausgegangen, – nicht zuletzt aus der allgemeinen Tendenz heraus, den die Rechtspositionen des Bürgers schützenden Verfassungsvorschriften, insbesondere den Grundrechten und ihnen gleichkommenden Bestimmungen eine möglichst große Wirkungskraft zu verleihen. Seit der Entscheidung vom 17. Januar 1957 (BVerfGE 6, 55 [72]) steht fest, daß das Gericht davon ausgeht: "Aufgabe der Verfassungsrechtsprechung ist es, die verschiedenen Funktionen einer Verfassungsnorm, insbesondere eines Grundrechts zu erschließen. Dabei ist derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben, 'die die juristische Wirkungskraft der betreffenden Norm am stärksten entfaltet (Thoma)'" (in Bezug genommen z.B. in BVerfGE 32, 54 [71]) und: "Die Grundrechte bilden einen untrennbaren Teil der Verfassung; sie sind der eigentliche Kern der freiheitlichen demokratischen Ordnung des staatlichen Lebens im Grundgesetz. Ihre Reichweite kann daher nicht davon abhängen, in welcher Weise eine bestimmte Materie durch das einfache Recht geregelt ist; sie ist vielmehr unmittelbar aus den Verfassungsnormen selbst zu erschließen" (BVerfGE 31, 58 [73]).
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In dieser Linie liegt es, daß das Bundesverfassungsgericht dem Art. 33 Abs. 5 GG grundrechtsgleiche (mit Verfassungsbeschwerde verfolgbare) subjektive Ansprüche des Beamten entnommen hat: z.B. den Anspruch auf ein amtsangemessenes Gehalt (BVerfGE 8, 1 [16 ff.]; ständige Rechtsprechung), den Anspruch auf eine amtsangemessene Amtsbezeichnung (z.B. BVerfGE 38, 1 [12]), den Anspruch auf einen besonderen Status (BVerfGE 35, 79 [146]). Für den Anspruch gegen den Dienstherrn auf Fürsorge gilt nichts anderes, wenn er auch bisher nur selten Gegenstand einer Entscheidung des Gerichts war (immerhin BVerfGE 8, 332 [356]; 9, 268 [286 f.]).
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Die verschiedenen in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltenen Rechtsgarantien stehen nebeneinander; insbesondere gibt es zwischen ihnen kein Rangverhältnis etwa so, daß die Rechtsgarantie, die dem Gesetzgeber einen Regelungsauftrag gibt, primären Charakter besäße und demgegenüber die Rechtsgarantie eines grundrechtsgleichen Anspruchs sekundär wäre mit der Folge, daß ihr nur eine beschränkte Bedeutung zukäme.
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Es ist die Eigentümlichkeit von in der Verfassung gewährten Ansprüchen, mögen sie in Grundrechten, grundrechtsähnlichen Vorschriften oder Grundsätzen der Verfassung enthalten sein, daß sie in summarischer Kürze formuliert sind, daß man ihnen durch eine Vielzahl von Varianten des Sichverhaltens gerecht werden kann, daß sie also nicht auf eine bestimmte, konkrete Leistung gehen, daß sie der Ausfaltung im einfachen Gesetz zugänglich und regelmäßig bedürftig sind, daß sie aber unbeschadet dieser Regelung im einfachen Gesetz unmittelbar anwendbar sind, und zwar nicht nur als (auslegungsbedürftiger) Maßstab für die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit des einfachen Gesetzes, sondern – weil und insoweit sie eben dem Bürger gewährte verfassungsrechtliche Ansprüche enthalten – auch in der Weise, daß ihnen unmittelbar im Wege der Auslegung Rechtsfolgen entnommen werden, die ihrerseits generellen Charakter haben, also auf eine Vielzahl von Fällen anwendbar sind und das einfache Gesetz ergänzen mit der Folge, daß der durch Auslegung der Verfassungsvorschrift gewonnene konkretere Verfassungssatz auf jeden konkreten Sachverhalt, der jenem explizierten Verfassungssatz unterfällt, angewendet werden kann und angewendet werden muß. In dieser Eigentümlichkeit liegt auch begründet, daß zwar der in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltene "hergebrachte Grundsatz" (z.B. angemessene Alimentierung, Treuepflicht, Fürsorgepflicht des Dienstherrn usw.) als "hergebracht" nachgewiesen werden muß, daß aber die durch Auslegung gewonnenen Konkretisierungen des Inhalts jenes hergebrachten Grundsatzes keineswegs als hergebracht erwiesen werden müssen. Im Gegenteil: Gerade die Auslegung eines hergebrachten Grundsatzes gestattet es, den Grundsatz in gewissem Umfang elastisch zu halten und veränderten Verhältnissen in beschränktem Umfang anzupassen.
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Im vorliegenden Fall tritt ein sonst nicht relevantes Verhältnis von Verfassungsrecht und einfachem Recht zutage: Gelegentlich ist derselbe Rechtssatz sowohl im Verfassungsrecht als auch im einfachen Recht enthalten, sei es, daß das einfache Gesetz bewußt den Wortlaut der Verfassung wiederholt, sei es, daß das einfache Recht wiederholt, was in der Verfassungsvorschrift enthalten ist und erst im Wege der Auslegung expliziert wird (vgl. zum selben Problem BVerfGE 36, 342 [361]). In einem solchen Fall werden regelmäßig Exekutive und Gerichte bei der Rechtsanwendung den einfachrechtlichen Satz anwenden; das Bundesverfassungsgericht muß den Verfassungssatz zur Grundlage seiner Entscheidung machen. Innerhalb des genannten Verhältnisses von Verfassungsvorschrift und einfachgesetzlicher Bestimmung kann es, je nach der Struktur der Verfassungsvorschrift, auch vorkommen, daß das einfache Gesetz mehr gewährt, als die Verfassungsvorschrift fordert (in einem solchen Fall werden natürlich nicht die einfachrechtlichen Vorschriften von Verfassungs wegen zementiert) oder daß das einfache Gesetz sich damit begnügt, nur einen Teil der Rechtsfolgen aus dem Verfassungssatz näher zu normieren. Und schließlich kann es sein, daß dem von der Verfassungsvorschrift Geforderten im einfachen Recht überhaupt kein Regelungsversuch folgt. Im letztgenannten Fall ist klar, daß mangels einer anderen (einfachgesetzlichen) Norm die Verfassungsvorschrift anzuwenden ist (vgl. BVerfGE 3, 225 [237 ff.] – betr. Gleichberechtigung von Mann und Frau; 33, 1 [12 f.] – betr. besonderes Gewaltverhältnis). Aber auch wenn sich der Gesetzgeber, wie hier, außerstande sieht, das von der Verfassung Geforderte genauer zu normieren und deshalb seine Regelung in ähnlich summarischer Weise wie die Verfassung formuliert (Treuepflicht des Beamten oder Fürsorgepflicht des Dienstherrn), können die Exekutive und die Gerichte den konkreten Fall nur entscheiden mit einem "Rückgriff" auf die Verfassungsvorschrift; das Bundesverfassungsgericht muß hier, weil es den Rechtsschutz nicht verweigern darf, auf eine Verfassungsbeschwerde hin – so auch im vorliegenden Fall – die Verfassungsvorschrift auf den Einzelfall anwenden. Aus der Spruchpraxis des Gerichts läßt sich gegen diese Auffassung nichts herleiten; allenfalls belegt sie, daß das Gericht bisher noch keinen Fall zu entscheiden hatte, in dem Anlaß bestand, die angeschnittene Frage zu erörtern; ein Argument gegen die dargelegte Auffassung ließe sich aus der Rechtsprechung nur gewinnen, wenn es eine Entscheidung gäbe – es gibt sie nicht –, in der die genannte Auffassung abgelehnt worden wäre; dies läßt sich auch nicht aus der Entscheidung vom 6. März 1963 (BVerfGE 15, 298) herleiten, die im summarischen Verfahren des § 91 a Abs. 2 BVerfGG a.F. ergangen ist (die Verfassungsbeschwerde wurde verworfen, weil von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten war und durch die Versagung der Entscheidung zur Sache dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil nicht entstand).
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Das alles ist nichts Neues. Das hat – abgesehen von den Fällen, die den oben zitierten Entscheidungen zugrunde liegen – das Gericht laufend und in feststehender Rechtsprechung getan, insbesondere im Falle des rechtlichen Gehörs und des gesetzlichen Richters, zwei grundrechtsgleichen verfassungsrechtlichen Garantien, die im einfachen Recht zwar geregelt, aber nicht für alle Fallgestaltungen hinreichend geregelt sind, und deshalb vom Gericht unmittelbar auf den Einzelfall angewandt werden: Es wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, obwohl das einfache Recht es für den konkreten Fall nicht vorsieht (z.B. BVerfGE 37, 93 [96 f.], m.w.N.,); es wird der Anspruch auf den gesetzlichen Richter durchgesetzt, obwohl im einfachen Gesetz für bestimmte Fälle eine Regelung fehlt (z.B. BVerfGE 22, 282 [285], m.w.N.); es wird das Grundrecht des Untersuchungs- und Strafgefangenen gegenüber der Anstaltsleitung durchgesetzt, obwohl es an einer ausreichenden gesetzlichen Regelung fehlt (BVerfGE 33, 1 [12]). In diesen Fällen ist die bestehende gesetzliche Regelung keineswegs verfassungswidrig; ebensowenig ist die Voraussetzung der Anwendbarkeit der Verfassungsvorschrift auf den konkreten Einzelfall, daß die bestehende gesetzliche Regelung für verfassungswidrig gehalten werden müßte. Voraussetzung für die Anwendbarkeit einer Verfassungsvorschrift auf den konkreten Einzelfall ist – wie für jede Rechtsnorm –, daß sie ihrem Inhalt nach den Einzelfall "erfaßt".
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Daraus folgt für den hier zu entscheidenden Fall:
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a) Es genügt nicht, einfach zu argumentieren: Das für ein leitendes Kollegium – hier für den Vorstand der Datenzentrale – unerläßliche Vertrauensverhältnis zwischen den Mitgliedern ist grundlegend gestört; ohne Vertrauen leidet die Funktionsfähigkeit des Vorstands Not; das rechtfertigt die Entlassung des Vorstandsmitglieds Dr. B. Deshalb hat es auf anderes überhaupt nicht mehr anzukommen.
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Vielmehr ist zusätzlich zu erwägen: Die Organisation des Vorstands bot die Möglichkeit, ein – aus welchen Gründen immer – mißliebig gewordenes Mitglied besonders leicht unter schwer nachprüfbaren Vorwänden auszubooten. Bei drei gleichberechtigten Mitgliedern konnten zwei von dem dritten ein Bild entwerfen, das den Eindruck erweckt, er sei an der Störung oder Zerstörung des zwischen ihnen zu fordernden Vertrauensverhältnisses schuld, ungeachtet dessen, daß jeder von den dreien Ursache für den Vertrauensverlust innerhalb des Vorstands sein konnte. Über die Interna des Vorstands konnten überdies Dritte etwas Zuverlässiges nicht bekunden. Die Beurteilung der Situation wurde zusätzlich prekär, weil ein Mitglied – Dr. G. – im Augenblick, in dem von ihm zum ersten Mal die Schwierigkeiten innerhalb des Vorstands behauptet und ins Gespräch gebracht wurden, Lebenszeitbeamter war, und Dr. St., der zweite Mann im Vorstand, als nächster zur Berufung ins Beamtenverhältnis auf Lebenszeit anstand, während die Probezeit des Beschwerdeführers erst im Herbst 1971 auslief. Außerdem war er "Außenseiter", der aus einem anderen Wirkungsbereich nach Kiel geholt wurde, während Dr. G. und Dr. St. in Schleswig-Holstein zu Hause waren; und schließlich standen der Verwaltungsexperte und der Wirtschaftsfachmann einander näher als jeder von ihnen dem technischen Experten. In solcher Situation kann nicht darüber hinweggesehen werden, daß es naheliegen könnte, daß sich Dr. G. und Dr. St. zu Lasten des Beschwerdeführers "verbündeten", um durch dessen Entlassung die Verhältnisse im Vorstand, die aus der Art der Aufgabenteilung innerhalb des Vorstands und der Neuheit des Betätigungsfeldes in einer eben errichteten staatlichen Datenbank heraus schwierig gewesen sein mögen, zu erleichtern. In einem solchen Fall gebietet die Fürsorgepflicht eine besondere Zurückhaltung im Urteil, daß gerade der Beschwerdeführer die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Dreiervorstand gestört oder gar zerstört hat. Es bedarf insbesondere der Prüfung, ob der behauptete Mangel ein nicht mehr behebbarer Mangel ist oder die Verhältnisse durch zusätzliche Anstrengungen, möglicherweise auch durch organisatorische Veränderungen innerhalb des Vorstands behoben werden können.
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b) Im vorliegenden Fall fordert die Fürsorgepflicht des Dienstherrn seinem Beamten gegenüber auch, zu bedenken: Der Beschwerdeführer war nicht ein "Anfänger" am Beginn seiner Laufbahn, als er in das Beamtenverhältnis eintrat, sondern ein Mann, der sich bereits durch eine mehrjährige Tätigkeit in führender Stellung von mindestens drei bekannten Firmen, darunter zwei Weltfirmen, bewährt und aus einer ungekündigten Stelle heraus in den Dienst des Landes Schleswig-Holstein gewechselt ist; ihm war – augenscheinlich aus diesem Grunde – bei der Einstellung (gleichgültig ob das rechtlich verbindlich war oder nicht) versichert worden, es handle sich bei der Übernahme in den Probedienst um eine nach dem Beamtenrecht nötige, aber rein formelle Äußerlichkeit.
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Erwägt man trotz der genannten Besonderheiten eine Trennung von dem Beamten, dann muß im Hinblick auf die bestehende Fürsorgepflicht die Art und Weise der Trennung so abgewickelt werden, daß dem Entlassenen kein unzumutbarer Nachteil erwächst. Dazu reichte, wenn ein in anderer leitender Position schon bewährter Angestellter sich im Augenblick des Übertritts in den Staatsdienst bereits einen Pensionsanspruch von mehr als 2 000 DM monatlich erdient hatte und ihn aus Anlaß des Übertritts aufgibt, nicht aus, daß man eine Übergangsregelung anbietet, die für ein Vierteljahr die Fortzahlung eines Monatsbetrags in Höhe des Gehalts vorsieht. Der Dienstherr, der sich vom Beamten trennt in einer Lage, die dieser möglicherweise nicht allein verursacht hat, sondern die auch aus in den Verhältnissen liegenden Umständen objektiv unhaltbar geworden ist, hat unter den geschilderten besonderen Umständen die Pflicht, ihm eine Lösung anzubieten (beispielsweise ein anderes Amt oder die Vermittlung einer Anstellung außerhalb des unmittelbaren staatlichen Bereiches), die ihm eine nach Höhe und Sicherheit jedenfalls annähernd vergleichbare Versorgung sichert.
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c) Je undurchsichtiger eine Situation ist, je schwieriger es ist, die Motive einer Entlassung zu ergründen, je deutlicher parteiliche Interessen hervortreten, die bei der Entscheidung eine Rolle gespielt haben könnten, um so genauer, detaillierter und sorgfältiger muß – in Rücksicht auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinem Beamten – den Einzelheiten nachgegangen werden, auf denen die Entscheidung über die Entlassung fußt, und um so stärkeres Gewicht gewinnen bei der Frage, ob die Entlassung Bestand haben kann, die Umstände des Verfahrens. In beiden Richtungen genügen die angegriffene Entlassung und die angegriffenen Urteile des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts nicht den Mindestanforderungen, die nach den einleitenden Erwägungen an sie gestellt werden müssen:
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aa) § 43 Abs. 5 LBG enthält für den Fall der Entlassung eines Beamten auf Probe die Sollvorschrift, ihn vor seiner Entlassung schriftlich oder zur Niederschrift zu hören. Dem ist durch die beiden Gespräche, die Staatssekretär Dr. O. mit dem Beschwerdeführer vor der Entlassung geführt hat, und durch die Eingaben Genüge getan, die der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit diesen Gesprächen dem Verwaltungsrat der Datenzentrale hat zugehen lassen. Aber ebenso wie die Verwaltungsgerichte in ihrer Rechtsprechung entwickelt haben, daß über die ausdrückliche Vorschrift des Beamtengesetzes hinaus der Entlassung wegen mangelnder Leistung eine fruchtlose Abmahnung vorhergehen müsse, die hier vor der Beschlußfassung des Verwaltungsrats, den Weg der Entlassung zu beschreiten, nicht erfolgt ist, gibt es auch Fälle – der vorliegende Fall gehört dazu –, in denen eine mündliche Vertretung der Interessen des betroffenen Beamten unmittelbar gegenüber dem Organ, das für die Entlassung zuständig ist, geboten erscheint. Das hat auch der Vorsitzende des Verwaltungsrats so empfunden und deshalb den Beschwerdeführer zur entscheidenden Sitzung des Verwaltungsrats geladen.
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Zwei Gesichtspunkte nötigten hier in Rücksicht auf das Verfassungsgebot der Fürsorgepflicht zu einer mündlichen Erörterung des Für und Wider vor dem Verwaltungsrat: Der Dienstherr "Datenzentrale" handelt bei der Entlassung durch den Verwaltungsrat, ein kollegiales Organ, das die Entlassung beschließt. Der Beschwerdeführer als Vorstandsmitglied hatte mit dem Verwaltungsrat dienstlich kaum etwas zu tun. Die Mitglieder des Verwaltungsrats hatten also keine unmittelbare Kenntnis von seiner Arbeitsweise, von seinem persönlichen Stil, von seiner Leistung. Sie waren deshalb auf die Angaben und auf das Urteil Dritter angewiesen. Insbesondere hingen sie von der Darstellung ab, die ihnen der Verwaltungsratsvorsitzende Dr. O., der den Beschwerdeführer aus unmittelbarer Anschauung und Unterhaltung näher kannte, über die Verhältnisse im Vorstand, über die Entwicklung der Dinge seit seinem ersten Gespräch mit dem Beschwerdeführer, über die Reaktionen und über die Einwendungen des Beschwerdeführers gab. Ist derjenige, der die Darstellung gibt, gleichzeitig derjenige, der den Stein in einer bestimmten Richtung ins Rollen gebracht hat, und deshalb daran interessiert sein wird, daß er damit ans Ziel kommt, so ist es ganz unausweichlich, daß der Bericht einseitig gerät. Es wäre geradezu unverantwortlich, wenn die Mitglieder des Verwaltungsrats über die Entlassung zu entscheiden genötigt wären, ohne selbst den zu Entlassenden gesehen und gehört zu haben, sofern dies möglich ist. Es war hier möglich; es hätte bloß der Vertagung der Sitzung bedurft, nachdem der Beschwerdeführer, der am vorgesehenen Sitzungstag unstreitig wegen einer Gallenkolik arbeits- und dienstunfähig war, rechtzeitig davon dem Vorsitzenden mit der Bitte um Verlegung des Termins Kenntnis gegeben hat. Die Ablehnung dieser Bitte deutet auf eine unbedingte Entschlossenheit hin, die Entlassung so rasch wie möglich hinter sich zu bringen, um die lästig gewordenen Auseinandersetzungen mit dem Beschwerdeführer zu beenden.
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Der andere Grund, aus dem es geboten war, den Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsrat anzuhören, ist die besondere Schwierigkeit der Beurteilung jener Umstände, die Grund zur Entlassung sein sollten. Alles, was an schriftlichem Material bis zum Tage der Entscheidung dem Verwaltungsrat vorlag und dem Beschwerdeführer zugänglich war, enthielt nichts "Konkretes" im Sinne der Mitteilung eines eindeutigen Einzelfaktums (z.B. "er ist zu den Sitzungen des Vorstands am ... ohne Entschuldigung nicht erschienen"), sondern bestand aus Werturteilen ("autoritärer Führungsstil", "hartnäckiges Widersprechen", "keine Einsicht in die Notwendigkeiten der Datenzentrale", "mißtrauisch gegenüber Untergebenen", "Abschirmen der eigenen Abteilung gegenüber anderen Abteilungen" u.ä.). Es ist kein faires Verfahren, wenn nur Werturteile – diese allerdings gehäuft und in kräftigen Formulierungen –, aber nicht die Tatsachen mitgeteilt werden, auf denen jene Urteile beruhen. Abgesehen davon ist auch der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe – z.B. – "seinen Mitarbeitern untersagt, mit den Angehörigen der anderen Abteilungen zu verkehren", nur scheinbar die Behauptung einer Tatsache, in Wahrheit ist es eine Verallgemeinerung, die sich auf Tatsachenbehauptungen stützt. Diese letzteren müssen aber in einem Fall wie dem vorliegenden angegeben werden; erst dann läßt sich nachprüfen, ob die Verallgemeinerung berechtigt ist. Und genau darauf kam es für den Beschwerdeführer an. Er mußte hören, welches die ganz konkreten Vorfälle sind, auf denen jene Werturteile und Verallgemeinerungen beruhen, um dann aus seiner Sicht darlegen zu können, daß diese konkreten Vorgänge jenes Unwerturteil und jene Verallgemeinerung nicht rechtfertigen, weil er sich in der konkreten Situation richtig verhalten habe. Dazu Gelegenheit zu geben, war auch der Verwaltungsrat verpflichtet, weil er nicht nur die gegen den Beschwerdeführer, sondern auch die für ihn sprechenden Umstände erheben mußte, also nicht nur, wie sich Staatssekretär Dr. O. später als Zeuge geäußert hat, gegen ihn "Munition zu sammeln" war.
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bb) Die Entlassung des Beschwerdeführers hätte durch den Einspruch der Rechtsaufsichtsbehörde gehindert oder verzögert werden können (§ 8 des Gesetzes über die Datenzentrale Schleswig-Holstein vom 2. April 1968, GVBl. S. 92). Der Einspruch setzt sinnvollerweise voraus, daß die Rechtsaufsichtsbehörde Zeit hat, die beschlossene Entlassung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Diese Prozedur gerät zur Farce, wenn wie hier der Beschluß des Verwaltungsrats am 16. Februar 1971 dem Innenministerium als Aufsichtsbehörde zugeleitet wird mit der Bitte um telefonische Mitteilung, ob von dort Einspruch zu erwarten sei, und die Mitteilung, daß kein Einspruch eingelegt werde, tatsächlich noch am selben Tag vormittags 10.40 Uhr telefonisch eintrifft. Das konnte nur möglich sein, wenn der zuständige Referent im Innenministerium es als reine Routine und Formalie betrachtet und dem Abteilungsleiter oder dem Minister die Entlassungsverfügung nicht vorgelegt hatte. Diese Vorgehensweise gewinnt einen zusätzlichen Aspekt dadurch, daß der Vorsitzende des Verwaltungsrats der Datenzentrale, von dem der Anstoß zur Entlassung des Beschwerdeführers ausging, zugleich als Staatssekretär im Innenministerium die beamtete Spitze der Rechtsaufsichtsbehörde und Vorgesetzter des Referenten war, der mitteilte, daß Einspruch nicht eingelegt werde. Ein Dienstherr, der ein solches telefonisches Blitzverfahren initiiert, verstößt unter den dargestellten Umständen gegen seine Pflicht zur Fürsorge für den Beamten.
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II. |
Auf die Verfassungsbeschwerde waren also der Entlassungsbescheid vom 16. Februar 1971, der Widerspruchsbescheid vom 21. April 1971, das Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 23. November 1972 und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 10. Mai 1973 aufzuheben, weil sie den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 33 Abs. 5 GG verletzen, ohne daß es noch darauf ankommt, ob die angegriffenen Entscheidungen noch gegen andere verfassungsrechtliche Vorschriften verstoßen.
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III. |
Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34 Abs. 4 BVerfGG.
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(gez.) Dr. Zeidler Dr. Geiger Dr. Rinck Der Richter Wand ist an der Unterschrift verhindert. Dr. Zeidler Hirsch Dr. Rottmann Dr. Niebler Dr. Steinberger |
Abweichende Meinung der Richter Wand und Dr. Niebler zu dem Beschluß des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1976 – 2 BvR 841/73 – |
Wir vermögen dem Beschluß weder im Ergebnis noch in der Begründung zuzustimmen. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten aus Art. 33 Abs. 5 GG; sie weisen auch keinen Verstoß gegen sonstiges Verfassungsrecht auf.
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I. |
Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG gehört – wie die Mehrheit zutreffend annimmt – der Grundsatz der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten. Indessen folgt daraus nicht, daß die hier angegriffenen Entscheidungen und das ihnen vorausgegangene Verfahren, das zur Entlassung des Beschwerdeführers geführt hat, unmittelbar an Art. 33 Abs. 5 GG zu messen wären. Die einer solchen Schlußfolgerung zugrunde liegende Auslegung des Art. 33 Abs. 5 GG überschreitet die Grenzen zulässiger Gesetzesinterpretation und ist zudem mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unvereinbar.
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1. Art. 33 Abs. 5 GG richtet sich – unbeschadet der Tatsache, daß er unmittelbar geltendes, alle staatlichen Stellen bindendes Recht beinhaltet – in erster Linie an den Gesetz- und Verordnungsgeber. Er kann daher als Maßstab für die verfassungsrechtliche Überprüfung einer behördlichen Einzelfallentscheidung und des dabei eingeschlagenen Verfahrens zunächst nur insoweit dienen, als die Normen, auf denen diese beruhen, an Art. 33 Abs. 5 GG zu messen sind. Genügt die gesetzliche Regelung – einschließlich der ungeschriebenen allgemeinen Grundsätze des einfachen Beamtenrechts (vgl. BVerfGE 8, 332 [356]) – den Anforderungen dieser Bestimmung, so verbietet sich regelmäßig die Feststellung, daß die zu überprüfende Maßnahme mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar sei. Diese kann unter solchen Umständen zwar gegen sonstiges Verfassungsrecht – etwa gegen das Willkürverbot, das Rechtsstaatsprinzip oder Art. 103 Abs. 1 GG –, nicht aber gegen Art. 33 Abs. 5 GG verstoßen.
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Allerdings stehen die durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Grundsätze des Berufsbeamtentums und die sie konkretisierenden Teile der Beamtengesetze nicht beziehungslos nebeneinander. Art. 33 Abs. 5 GG ergänzt vielmehr jene Vorschriften des einfachen Beamtenrechts und ist bei ihrer Auslegung zu beachten. Das ändert indessen nichts daran, daß er sich primär an den Gesetzgeber wendet und daß, wenn dieser seiner Pflicht, das einfache Beamtenrecht entsprechend den hergebrachten und zu beachtenden Grundsätzen des Berufsbeamtentums zu regeln, nachgekommen ist, eine diesen gesetzlichen Bestimmungen zuwiderlaufende Rechtsanwendung im Einzelfall regelmäßig nicht zugleich einen Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG enthalten kann.
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Für die Annahme, eine behördliche Einzelfallentscheidung oder das ihr vorausgegangene Verfahren verletze Art. 33 Abs. 5 GG, ist deshalb grundsätzlich erst dann Raum, wenn die vorrangige Prüfung ergeben hat, daß die gesetzliche Regelung mit der genannten Vorschrift unvereinbar ist, der Gesetzgeber dem ihm erteilten Regelungsauftrag nur zum Teil nachgekommen ist – und sich die vorhandene "Lücke" nicht aus dem Sinnzusammenhang der einfach-rechtlichen Vorschriften heraus unter Berücksichtigung des Norminhalts des Art. 33 Abs. 5 GG schließen läßt – oder es überhaupt unterlassen hat, eine durch jene Bestimmung vorgeschriebene Regelung zu schaffen.
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2. Diese Auslegung wird durch Wortlaut und Zweck des Art. 33 Abs. 5 GG gefordert; für ihre Richtigkeit spricht zudem die Entstehungsgeschichte der Norm.
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a) Das Recht des öffentlichen Dienstes wird durch den Gesetz- und Verordnungsgeber, nicht aber durch Einzelfallentscheidungen der Fachgerichte und Verwaltungsbehörden geregelt. Diese können nur einzelne, konkrete Rechtsverhältnisse, nicht aber "das Recht" des öffentlichen Dienstes "regeln".
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b) Art. 33 Abs. 5 GG dient der Erhaltung des Beamtenrechts in seinen überkommenen grundsätzlichen Strukturen. Er soll – auch soweit er unmittelbar geltendes, von allen staatlichen Stellen zu beachtendes Recht enthält (BVerfGE 9, 268 [286]; 15, 167 [195]) und dem einzelnen Beamten grundrechtsähnliche Individualrechte verleiht (BVerfGE 8, 1 [16 ff.]; 12, 81 [87]; 15, 298 [301 f.]; 37, 167 [173]) – letztlich das Berufsbeamtentum als Einrichtung insoweit gewährleisten, als es sich in seiner hergebrachten Gestalt in den Rahmen unseres heutigen Staatslebens einfügen läßt (BVerfGE 3, 58 [137] – ständige Rechtsprechung). In dieser Begrenzung schreibt er zugleich eine Neugestaltung des Rechts der im Dienst befindlichen Beamten vor, die er als eine in die Zukunft weisende Aufgabe betrachtet (BVerfGE 15, 167 [196]). Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß es nach der Systematik unserer Rechtsordnung und der historischen Entwicklung des Beamtenrechts vornehmlich Sache des Gesetzgebers ist, "Regelungen" dieser Art zu treffen.
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c) Bis zur 27. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates am 15. Dezember 1948 lautete der damalige Art. 27 b Abs. 2 des Grundgesetz-Entwurfs:
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(2) Den hergebrachten Grundsätzen über die Rechtsstellung der Berufsbeamten ist Rechnung zu tragen.
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In jener Sitzung beantragte der Abgeordnete Dr. Heuß, Art. 27 b Abs. 2 wie folgt zu fassen:
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(2) Die hergebrachten Grundsätze über die Rechtsstellung der Berufsbeamten sind für die gesetzliche Regelung maßgebend.
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Zur Begründung gab er an, diese Fassung sei besser, weil damit eine gesetzliche Regelung als solche in Aussicht genommen sei, während die bisherige Formulierung "etwas zu unmittelbar" erscheine. Der Hauptausschuß nahm diesen Antrag an.
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Später schlug der Redaktionsausschuß folgende Fassung vor:
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(2) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der überlieferten (im endgültigen Entwurf heißt es dann: der hergebrachten) Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln.
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Dazu führte er aus, Absatz 2 wolle sicherstellen, daß die traditionellen und institutionellen Grundzüge des seitherigen Berufsbeamtentums erhalten blieben; darüber hinaus hätten sich aber auch auf dem Gebiete des Rechts der im öffentlichen Dienst stehenden Angestellten Grundsätze gebildet, die ebenfalls bei der Neuregelung des öffentlichen Dienstes Beachtung verdienten. Diesen Vorschlag nahm das Plenum des Parlamentarischen Rates in seiner Sitzung vom 6. Mai 1949 an.
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Die Entstehungsgeschichte des Art. 33 Abs. 5 GG enthält mithin deutliche Hinweise darauf, daß die Norm sich nach dem Willen der Verfasser des Grundgesetzes in erster Linie an den Gesetzgeber richtet. Die Änderung der vom Abgeordneten Dr. Heuß vorgeschlagenen Fassung sollte daran – wie die vom Redaktionsausschuß gelieferte Begründung zeigt – nichts ändern, zumal der Ausschuß dem Anliegen des Abgeordneten der Sache nach dadurch Rechnung trug, daß er die Fassung "... sind ... maßgebend" durch die Worte "... ist... zu regeln" ersetzte.
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3 a) Die amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts enthält unseres Wissens nicht ein einziges Erkenntnis, in dem das Gericht eine behördliche Einzelmaßnahme unmittelbar an Art. 33 Abs. 5 GG gemessen hätte, ohne vorher festgestellt zu haben, daß die einschlägige einfach-rechtliche Regelung mit dieser Vorschrift unvereinbar sei. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht sie in solchen Fällen stets in erster Linie als Prüfungsmaßstab für Normen herangezogen. Dies gilt auch dort, wo eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten im Streit war. So hatte der Erste Senat in seinem Beschluß vom 2. Dezember 1958 (BVerfGE 8, 332 ff.) u.a. über die Rüge des Klägers des Ausgangsverfahrens zu befinden, es verstoße gegen die hergebrachten Grundsätze des Beamtentums anzunehmen, daß ein ihm nachteiliger verwaltungsbehördlicher Bescheid ohne seine vorherige Anhörung in einem "geordneten Verfahren" habe erteilt werden dürfen. Dem ist das Bundesverfassungsgericht mit der Erwägung entgegengetreten, die Sicherung des Beamten gegen eine Verletzung der Fürsorgepflicht liege in der Gewährleistung des Rechtsweges, wenn auch der gerichtlichen Nachprüfung in jenem Fall enge Grenzen gezogen seien (a.a.O., S. 357). Das Gericht hat es also abgelehnt, die Rechtmäßigkeit des behördlichen Verfahrens unmittelbar an Art. 33 Abs. 5 GG zu messen, und den Kläger des Ausgangsverfahrens statt dessen auf die gesetzliche Regelung verwiesen, gegen die – hiervon geht die Entscheidung unausgesprochen aus – keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestanden.
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b) Dem steht nicht entgegen, daß Art. 33 Abs. 5 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht lediglich einen Programmsatz oder eine Anweisung an den Gesetzgeber, sondern unmittelbar geltendes und daher von allen staatlichen Stellen zu beachtendes Recht enthält (vgl. BVerfGE 9, 268 [286]; 15, 167 [195]). Denn aus der unmittelbaren Geltung der Norm läßt sich nicht folgern, daß sie ohne Rücksicht auf die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung als Prüfungsmaßstab für behördliche Einzelmaßnahmen heranzuziehen sei. Sind solche einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen vorhanden, so müssen die Behörden und Gerichte sie – unbeschadet der Vorlagepflichten nach Art. 100 GG – anwenden. Die Bedeutung des Art. 33 Abs. 5 GG erschöpft sich in diesen Fällen grundsätzlich darin, daß er die staatlichen Stellen verpflichtet, ihn bei der Auslegung des einfachen Beamtenrechts zu beachten.
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c) Ebensowenig läßt sich der hier vertretenen Auffassung entgegenhalten, das Bundesverfassungsgericht nehme in ständiger Rechtsprechung an, Art. 33 Abs. 5 GG beinhalte nicht nur eine institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums, er verleihe darüber hinaus dem Beamten im Rahmen der hergebrachten und zu beachtenden Grundsätze ein grundrechtsähnliches Individualrecht, das es dem Staat verwehre, die durch jene Grundsätze geschaffene persönliche Rechtsstellung des Beamten zu verletzen (BVerfGE 8, 1 [16 ff.]; 12, 81 [87]; 15, 298 [301 f.]; 37, 167 [173]). Auch dies bedeutet nicht, daß ein Beamter eine ihm nachteilige behördliche Maßnahme unter Berufung auf Art. 33 Abs. 5 GG erfolgreich angreifen könnte, obwohl die zugrunde liegende einfach-rechtliche Regelung den Anforderungen dieser Bestimmung genügt. Adressat seines Anspruchs, nicht in seinen Rechten aus Art. 33 Abs. 5 GG verletzt zu werden, ist vielmehr auch in einem solchen Fall primär der Staat als Gesetzgeber. Demgemäß hat das Bundesverfassungsgericht auch in Fällen, in denen es betont hat, Art. 33 Abs. 5 GG verleihe dem Beamten grundrechtsähnliche Ansprüche, in erster Linie die gesetzliche Regelung auf ihre Vereinbarkeit mit der genannten Bestimmung geprüft (BVerfGE 37,167 [173 ff.]; vgl. auch 15, 298 [301 f.]). Dazu heißt es in der zuletzt zitierten Entscheidung mit aller wünschenswerten Deutlichkeit, aus Art. 33 Abs. 5 GG könnten sich auch Individualrechte des Beamten gegenüber dem Staat ergeben, die der Beamte mit der Verfassungsbeschwerde verfolgen könne, sofern er geltend mache, die angegriffene Maßnahme lasse sich nicht auf eine Regelung stützen, die mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar sei.
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d) Mit dieser Auslegung werden die verschiedenen Rechtsgarantien des Art. 33 Abs. 5 GG nicht in ein "Rangverhältnis" (Beschluß C I 2) zueinander gesetzt; die "Rechtsgarantie, die dem Gesetzgeber einen Regelungsauftrag gibt", besitzt also nicht "primären Charakter" gegenüber der Garantie grundrechtsähnlicher Individualansprüche. Der Regelungsauftrag bezeichnet vielmehr lediglich die Richtung, in welcher Art. 33 Abs. 5 GG in erster Linie seine Wirkungen entfaltet. Dieser Richtung haben sich seine verschiedenen Teilinhalte anzupassen. Das gilt auch für die Garantie grundrechtsähnlicher Individualansprüche, für deren Gewährleistung Sorge zu tragen primär Sache des Gesetzgebers ist.
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e) Der hier vertretenen Ansicht stehen auch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957 und 4. Mai 1971 (BVerfGE 6, 55 [72] und 31, 58 [73]), die Ausgangspunkte einer gefestigten Rechtsprechung geworden sind, nicht entgegen. Gewiß ist grundsätzlich derjenigen Auslegung einer Norm der Vorzug zu geben, die deren juristische Wirkungskraft am stärksten entfaltet. Ebenso unabweisbar ist die Forderung, daß die Reichweite eines Grundrechts unmittelbar aus den Verfassungsnormen selbst zu erschließen ist. Beides setzt indessen voraus, daß die vom Norminterpreten für wünschenswert gehaltene Bemessung von Wirkungskraft und Reichweite einer Vorschrift noch im Rahmen möglicher Auslegung liegt. Diese Grenze ist hier jedoch überschritten.
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f) Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und 103 Abs. 1 GG lassen sich keine Schlußfolgerungen für die Auslegung des Art. 33 Abs. 5 GG herleiten. Daß jene Verfassungsnormen unmittelbar als Prüfungsmaßstäbe für die Verfassungsmäßigkeit gerichtlicher Entscheidungen herangezogen werden können, steht außer Frage. Es fehlt indessen die Brücke, die von dieser Erkenntnis zur Bestimmung des – nach den Prinzipien der Gesetzesinterpretation eigenständig zu ermittelnden – Norminhalts des Art. 33 Abs. 5 GG führen könnte. Der lockere "systematische Zusammenhang", der in der gemeinsamen Zugehörigkeit der Art. 33 Abs. 5, 101 Abs. 1 Satz 2 und 103 Abs. 1 zum Normenkomplex des Grundgesetzes besteht, vermag diese Funktion ersichtlich nicht zu erfüllen.
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4. Die hier vertretene Auffassung öffnet keine Lücke im Rechtsschutz der Beamten. Die Fachgerichte können und müssen sich im Rahmen ihrer Kompetenzen mit der Frage auseinandersetzen, ob die im konkreten Fall angefochtene Maßnahme den Anforderungen der – einfachen – Gesetze genügt, die ihrerseits mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar sein müssen. Für eine zusätzliche Überprüfung jener Maßnahme durch das Bundesverfassungsgericht unmittelbar am Maßstab des Art. 33 Abs. 5 GG ohne Rücksicht auf die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung besteht keinerlei Bedürfnis.
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II. |
1. Das schleswig-holsteinische Beamtenrecht enthält – bezogen auf die Beurteilung des vorliegenden Falles – folgende die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten regelnde Bestimmungen:
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Nach § 95 Abs. 1 LBG hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten und seiner Familie, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt ihn bei seiner amtlichen Tätigkeit und in seiner Stellung als Beamter. § 43 Abs. 5 LBG bestimmt, daß ein Beamter auf Probe vor seiner Entlassung schriftlich oder zur Niederschrift gehört werden soll. Grund und Zeitpunkt der Entlassung sind dem Beamten schriftlich bekanntzugeben.
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Gegen eine Verletzung der Fürsorgepflicht im Zusammenhang mit der Entlassung steht dem Beamten auf Probe der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten offen (§ 126 BRRG).
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Diese Regelung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht genügt den Anforderungen des Art. 33 Abs. 5 GG. Hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums, die in Fällen der vorliegenden Art den Dienstherrn zu noch weitergehender Fürsorge zugunsten des zur Entlassung anstehenden Probebeamten verpflichten, lassen sich nicht nachweisen.
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2. Art. 33 Abs. 5 GG schützt nur jenen Kernbestand von Strukturprinzipien der Institution des Berufsbeamtentums, die allgemein oder doch überwiegend und während eines längeren, Tradition bildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind (BVerfGE 8, 332 [343]; 15, 167 [195 f.]). Dabei ist selbstverständlich nicht jede Regelung des früheren Beamtenrechts, die sich als hergebracht erweist, ein "Grundsatz" im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG. Es muß sich vielmehr um Regelungen handeln, die das Bild des Beamtentums in seiner überkommenen Gestalt maßgeblich prägen (vgl. Maunz in: Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, 1966, Art. 33 Rdnr. 53; v. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl. 1964, S. 814).
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Ob danach eine Regelung des früheren einfachen Rechts zu jenem durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kernbestand gehört, ist vom Bundesverfassungsgericht festzustellen (vgl. BVerfGE 37, 167 [173 ff.]; 38, 1 [11 f.]). Daß eine solche Feststellung nicht ohne die Nachprüfung der im Tradition bildenden Zeitraum geltenden einschlägigen beamtenrechtlichen Vorschriften möglich ist, versteht sich von selbst und ist deshalb vom Bundesverfassungsgericht nie anders verstanden worden.
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3. Die Mehrheit stützt ihre Auffassung, die Entlassung des Beschwerdeführers verletze Art. 33 Abs. 5 GG, auf folgende, von ihr als Konkretisierungen des hergebrachten Grundsatzes der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht verstandenen Sätze:
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a) Die Fürsorgepflicht könne verletzt sein, wenn der Dienstherr die besonderen Umstände des Falles nicht würdige und es deshalb unterlasse, verfahrensmäßig sicherzustellen, daß die Prämissen für eine Entlassung sorgfältig erhoben und mit dem Betroffenen im einzelnen erörtert würden sowie daß das kollegiale Organ, das über die Entlassung zu entscheiden habe – im Rahmen des Möglichen –, einen unmittelbaren Eindruck der für und gegen den Beamten sprechenden Gesichtspunkte erhalte, der ihm ein eigenes, von dem Vorschlag eines Dritten unabhängiges Urteil erlaube (Beschluß C I 2).
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b) In einem Fall der vorliegenden Art gebiete die Fürsorgepflicht eine besondere Zurückhaltung im Urteil, daß gerade der Beschwerdeführer die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Dreiervorstand gestört oder zerstört habe. Es bedürfe insbesondere der Prüfung, ob der behauptete Mangel ein nicht mehr behebbarer Mangel sei oder die Verhältnisse durch zusätzliche Anstrengungen, möglicherweise auch durch organisatorische Veränderungen innerhalb des Vorstands behoben werden könnten (Beschluß C I 2 a).
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c) Der Dienstherr, der sich vom Beamten trenne in einer Lage, die dieser möglicherweise nicht allein verursacht habe, sondern die auch aus in den Verhältnissen liegenden Umständen objektiv unhaltbar geworden sei, habe unter den geschilderten besonderen Umständen die Pflicht, ihm eine Lösung anzubieten (beispielsweise ein anderes Amt oder die Vermittlung einer Anstellung außerhalb des unmittelbaren staatlichen Bereiches), die ihm eine nach Höhe und Sicherheit jedenfalls annähernd vergleichbare Versorgung sichere (Beschluß C I 2 b).
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d) Zwei Gesichtspunkte hätten im vorliegenden Fall in Rücksicht auf das Verfassungsgebot der Fürsorgepflicht zu einer mündlichen Erörterung des Für und Wider vor dem Verwaltungsrat genötigt (Beschluß C I 2 c, aa).
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aa) Es wäre geradezu unverantwortlich, wenn die Mitglieder des Verwaltungsrats über die Entlassung des Beschwerdeführers zu entscheiden genötigt wären, ohne selbst den zu Entlassenden gesehen und gehört zu haben, sofern dies möglich sei (Beschluß C I 2 c, aa).
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bb) Es sei kein faires Verfahren, wenn nur Werturteile – diese allerdings gehäuft und in kräftigen Formulierungen –, aber nicht die Tatsachen mitgeteilt würden, auf denen jene Urteile beruhten. Abgesehen davon sei auch der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe – z.B. – "seinen Mitarbeitern untersagt, mit den Angehörigen der anderen Abteilungen zu verkehren", nur scheinbar die Behauptung einer Tatsache, in Wahrheit sei es eine Verallgemeinerung, die sich auf Tatsachenbehauptungen stütze. Diese letzteren müßten aber in einem Fall wie dem vorliegenden angegeben werden; erst dann lasse sich nachprüfen, ob die Verallgemeinerung berechtigt sei (Beschluß C I 2 c, aa).
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e) Ein Dienstherr, der – wie hier – ein telefonisches Blitzverfahren initiiere, verstoße unter den dargestellten Umständen gegen seine Pflicht zur Fürsorge für den Beamten (Beschluß C I 2 c, bb).
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Die Mehrheit legt jedoch nicht dar, daß auch nur einer dieser Sätze zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes Gegenstand einer beamtenrechtlichen Regelung gewesen sei oder wenigstens als ungeschriebener Rechtssatz des früheren Beamtenrechts gegolten habe. Sie vertritt den Standpunkt, eines solchen Nachweises bedürfe es nicht, weil der Grundsatz der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht als solcher – und zwar unter Einschluß aller seiner denkbaren Anwendungsfälle – zu den hergebrachten Grundsätzen im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG gehöre; was der Dienstherr danach dem Beamten schulde, sei dann anhand des Einzelfalles zu "konkretisieren" (Beschluß CI und C I 2).
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Diese Ansicht können wir nicht teilen. Wäre es richtig, so würde jeder Rechtssatz des einfachen Beamtenrechts, der die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten konkretisiert, unabhängig davon, ob er jemals Bestandteil des früheren Beamtenrechts war, zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG zahlen, die Rechtssätze der einfach-rechtlichen Fürsorgepflicht und der durch Art. 33 Abs. 5 GG auf die verfassungsrechtliche Ebene gehobene hergebrachte Grundsatz der Fürsorgepflicht waren also rang- und inhaltsgleich.
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Dieses Ergebnis macht deutlich, daß die von der Mehrheit – wenn auch verschlüsselt – vertretene Auffassung auf einer Uberdehnung des Art. 33 Abs. 5 GG beruht. Der Senat hätte vielmehr im einzelnen prüfen müssen, ob jeder einzelne der von ihm aufgestellten und angewandten Rechtssätze nicht nur Bestandteil früherer beamtenrechtlicher Regelungen war, sondern auch zu den hergebrachten und zu beachtenden Grundsätzen gehört, die der Verfassungsgeber durch Art. 33 Abs. 5 GG zum Gegenstand des neuen Beamtenrechts gemacht wissen wollte. Wäre der Senat dieser Prüfungspflicht nachgekommen, so hätte er festgestellt, daß keiner dieser Sätze im Beamtenrecht des Reiches seit dem Inkrafttreten des Reichsbeamtengesetzes vom 31. März 1873 bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes "als verbindlich anerkannt und gewahrt worden" ist und daß sie auch im preußischen Beamtenrecht keine Grundlage finden. Deshalb läßt sich der Nachweis, es handele sich um hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums, nicht führen, ohne daß es noch der Erörterung bedarf, ob jeder dieser Sätze seinem Inhalt nach überhaupt geeignet wäre, ein Grundsatz im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG zu sein.
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4. Sind aber jene Sätze keine hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums und lassen sich auch sonstige Grundsätze dieser Art für die Beurteilung des vorliegenden Falles nicht heranziehen, so genügt die eingangs dargestellte schleswig-holsteinische Regelung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht den Anforderungen des Art. 33 Abs. 5 GG. Die angegriffenen Entscheidungen können deshalb diese Bestimmung nicht verletzen.
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III. |
Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, gerichtliche Entscheidungen im Verfassungsbeschwerde-Verfahren in vollem Umfang auf ihre tatsächliche und rechtliche Richtigkeit zu überprüfen. Beide Senate des Bundesverfassungsgerichts gehen vielmehr in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung einfachen Rechts und seine Anwendung im konkreten Fall grundsätzlich den dafür allgemein zuständigen Gerichten obliegen und daß das Bundesverfassungsgericht in solchen Fällen nur bei Verletzung spezifischen Verfassungsrechts eingreifen kann (BVerfGE 1, 418 [420]; zuletzt BVerfGE 42, 263 [290]). Dies hat die Mehrheit in mehrfacher Hinsicht nicht berücksichtigt.
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1. Sind die unter Ziff. II 3 angeführten Sätze keine hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG, so können sie – soweit ihnen überhaupt Rechtssatzqualität zukommt – nur Bestandteile des einfachen Beamtenrechts sein. Mit ihrer unmittelbaren Anwendung auf den vorliegenden Fall überschreitet das Bundesverfassungsgericht die ihm bei der Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen im Verfassungsbeschwerde-Verfahren gezogenen Kompetenzgrenzen.
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Darüber hinaus widerspricht es der grundsätzlichen Bindung des Bundesverfassungsgerichts an die Feststellung, Auslegung und Anwendung einfach-rechtlicher Rechtssätze durch die Fachgerichte, wenn der Senat sich über die ohne Verfassungsverstoß getroffene Feststellung des Oberverwaltungsgerichts hinwegsetzt, eine mündliche Anhörung des Beschwerdeführers durch den gesamten Verwaltungsrat sei nirgends vorgeschrieben (Beschluß C I 2 c, aa).
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2. Die Mehrheit gelangt letztlich nur dadurch zur Annahme einer Verfassungsverletzung, daß sie von dem Sachverhalt, der dem Senat bei seiner Entscheidung vorgegeben war, abweicht.
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Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht haben im Ausgangsverfahren über die Frage Beweis erhoben, welche Gründe zur Entlassung des Beschwerdeführers geführt haben. Sie haben aufgrund der Beweisaufnahme Feststellungen getroffen und hieraus im Wege der Würdigung Schlüsse gezogen. Feststellungen und Würdigung sind ersichtlich frei von Willkür. Der Senat durfte sich deshalb nicht über sie hinwegsetzen.
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a) Die Gerichte haben festgestellt, weder die IBM noch eine sonstige dritte Stelle habe auf die Entscheidung des Verwaltungsrats Einfluß genommen; der Grund für die Entlassung des Beschwerdeführers liege allein in den auf seiner persönlichen Eigenart und seiner Arbeitsweise beruhenden Schwierigkeiten.
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Folglich durfte der Senat nicht annehmen:
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Die Störung der Zusammenarbeit im Vorstand der Datenzentrale könne auch auf ein gegen den Beschwerdeführer gerichtetes "Bündnis" der beiden anderen Vorstandsmitglieder zurückzuführen sein (Beschluß C I 2 a); die während der Tätigkeit des Beschwerdeführers in der Datenzentrale eingetretene Lage sei "auch aus in den Verhältnissen liegenden Umständen objektiv unhaltbar geworden" (Beschluß C I 2b); die Situation sei "undurchsichtig" gewesen; die Motive der Entlassung seien schwierig zu ergründen; bei der Entscheidung über die Entlassung könnten "parteiliche Interessen" eine Rolle gespielt haben (Beschluß C I 2c). |
b) Die Gerichte haben festgestellt, die Annahme mangelnder Eignung des Beschwerdeführers beruhe weniger auf konkreten Verhaltensweisen, sondern vornehmlich auf einer Wertung seiner Person; bei dem über 40 Jahre alten Beschwerdeführer sei eine Wesensänderung – innerhalb der Probezeit – mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten.
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Folglich durfte der Senat nicht annehmen, es bedürfe der Prüfung, "ob der behauptete Mangel ein nicht mehr behebbarer Mangel" sei (Beschluß C I 2 a).
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c) Die Gerichte haben festgestellt, der Verwaltungsrat der Datenzentrale habe auchzum Teil aufgrund persönlicher Eindrücke das Vertrauen verloren gehabt, daß der Beschwerdeführer "der richtige Mann" an dem ihm übertragenen Arbeitsplatz sei.
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Folglich durfte der Senat nicht annehmen, die Mitglieder des Verwaltungsrats seien, was die Beurteilung des Beschwerdeführers angehe, auf die Angaben und das Urteil Dritter angewiesen gewesen; sie hätten insbesondere von der Darstellung abgehangen, die ihnen der Verwaltungsratsvorsitzende gegeben habe (Beschluß C I 2c, aa).
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Diese Annahmen lassen zudem eine angemessene Berücksichtigung folgender Tatsachen vermissen: Der Beschwerdeführer hatte bereits an früheren Sitzungen des Verwaltungsrats teilgenommen, war also für die Mitglieder dieses Gremiums kein Unbekannter. Er hatte sich vor seiner Entlassung mündlich, fernmündlich und schriftlich an verschiedene Mitglieder des Verwaltungsrats gewandt, um die bevorstehende Entscheidung zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Dem Verwaltungsrat lagen in der Sitzung vom 15. Februar 1971 ausführliche schriftliche Äußerungen von vier Abteilungsleitern der Datenzentrale über die Amtsführung des Beschwerdeführers vor. Der Verwaltungsrat hatte auch die Möglichkeit, sich durch die beiden anderen Vorstandsmitglieder über die Persönlichkeit und das Verhalten des Beschwerdeführers unterrichten zu lassen.
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IV. |
Im übrigen verletzen die angegriffenen Entscheidungen auch nicht die einfach-rechtliche Fürsorgepflicht des Staates gegenüber dem Beschwerdeführer.
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1. Zu Unrecht meint die Mehrheit, die Fürsorgepflicht gebiete hier "eine besondere Zurückhaltung im Urteil, daß gerade der Beschwerdeführer die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Dreiervorstand gestört oder gar zerstört hat" (Beschluß C I 2 a). Hat der Dienstherr darüber zu befinden, ob ein Beamter auf Probe, der in dieser Eigenschaft zugleich Mitglied eines Kollegialorgans (Vorstand) ist, wegen mangelnder Bewährung (§ 43 Abs. 1 Nr. 2 LBG) entlassen werden soll, weil – u.a. – das Vertrauensverhältnis zwischen den Mitgliedern des Organs gestört ist, so setzt die Entlassung selbstverständlich die – eindeutige – Feststellung voraus, daß das Verhalten oder die besonderen Eigenarten gerade dieses Beamten (mit-) ursächlich für die aufgetretenen Schwierigkeiten sind. Dazu gehört auch die Feststellung, worauf die Störung der Zusammenarbeit im Vorstand beruht. Bei der Beantwortung dieser Frage gibt es weder eine Beweislast zum Nachteil des Beamten noch einen Beurteilungsspielraum für den Dienstherrn. Für eine "besondere Zurückhaltung" ist insoweit kein Raum.
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2. Es bedarf nicht mehr der Prüfung, ob die gegenüber dem Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe behebbare Mängel betrafen oder nicht (vgl. Beschluß C I 2 a); denn die Beanstandungen bezogen sich ganz überwiegend letztlich auf Charaktereigenschaften des Beschwerdeführers, mit deren Änderung nicht ernsthaft zu rechnen war. Aus diesem Grunde hätte auch eine "Abmahnung" keinen Sinn gehabt.
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3. Wie sich die Verhältnisse durch "zusätzliche Anstrengungen" günstiger hätten gestalten lassen können (Beschluß C I 2 a), ist nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer hatte insbesondere keinen Anspruch auf organisatorische Veränderungen innerhalb des Vorstands der Datenzentrale. Die Konstruktion des Vorstands, die keinem Vorstandsmitglied unzumutbare Belastungen auferlegte, war dem Beschwerdeführer bei seinem Dienstantritt bekannt. Wollte er sie nicht länger hinnehmen, war jedoch der Dienstherr zu grundlegenden organisatorischen Änderungen nicht bereit, so blieb ihm nur die Wahl, sich entweder den Verhältnissen zu beugen oder um seine Entlassung nachzusuchen.
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4. Dem Beschwerdeführer ist im Verwaltungsverfahren in ausreichendem Umfang rechtliches Gehör gewährt worden. Er hat Gelegenheit gehabt, zu den Beanstandungen seiner Amtsführung mündlich und schriftlich Stellung zu nehmen, und hat von beiden Möglichkeiten Gebrauch gemacht; eine darüber hinausgehende Gewährung rechtlichen Gehörs verlangt nicht einmal Art. 103 Abs. 1 GG für das Gerichtsverfahren.
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Der Beschwerdeführer ist über den Inhalt der gegen ihn erhobenen Vorwürfe ausreichend unterrichtet und dadurch auch faktisch in die Lage versetzt worden, diesen entgegenzutreten. Zwar erschöpft sich die Entlassungsverfügung selbst weitgehend in der Angabe von Werturteilen und Allgemeintatsachen. Indessen ist dem Beschwerdeführer bekannt gewesen, welche konkreten Tatsachen dieser zusammenfassenden Beurteilung zugrunde lagen. Das ergab sich für ihn spätestens aus dem "Bericht über die Dienstliche Erörterung der Schwierigkeiten der Arbeit im Vorstand und in der Direktion der Datenzentrale Schleswig-Holstein am 5. Februar 1971", der über die Beanstandungen seiner Amtsführung ausführlich und detailliert Auskunft gibt und ihm am 11. Februar 1971 zugeleitet worden ist.
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Selbst wenn man annehmen wollte, der Beschwerdeführer sei wegen seiner Erkrankung gehindert gewesen, bis zur Entscheidung des Verwaltungsrats am 15. Februar 1971 zum Inhalt dieses Berichts Stellung zu nehmen, so hatte er dazu doch jedenfalls im Widerspruchsverfahren noch ausgiebig Gelegenheit. Im übrigen ist hier ein etwaiger Verstoß gegen die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs im Verwaltungsverfahren dadurch geheilt worden, daß der Beschwerdeführer im Rahmen der richterlichen Überprüfung des Entlassungsbescheides erneut Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hat (vgl. BVerfGE 5, 9 [10] und 22 [24] betr. die Verletzung des rechtlichen Gehörs im Gerichtsverfahren). Die Verwaltungsgerichte hatten u.a. zu prüfen, ob der Verwaltungsrat seinem Urteil, der Beschwerdeführer habe sich in der Probezeit nicht bewährt, einen unrichtigen Tatbestand zugrunde gelegt hat. Hierüber ist in beiden Instanzen Beweis erhoben worden. Dabei sind die konkreten Tatsachen, auf die sich die Entlassung des Beschwerdeführers stützt, noch einmal zur Sprache gekommen.
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Damit ist dem aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht herzuleitenden Gebot, dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren rechtliches Gehör zu gewähren, genügt. Seine mündliche Anhörung durch den gesamten Verwaltungsrat mag vielleicht wünschenswert gewesen sein; rechtlich geboten war sie indessen nicht. Es gibt keinen Rechtssatz des Inhalts, daß die durch ein Kollegialorgan auszusprechende Entlassung eines Probebeamten wegen mangelnder Bewährung die vorherige mündliche Anhörung des Betroffenen durch das Organ als Ganzes voraussetzt. Zwar mag die Fürsorgepflicht in einem solchen Fall fordern, daß sich die Mitglieder des Organs im Rahmen des Möglichen nicht darauf beschränken sollten, sich nur durch den Vorsitzenden über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beamten unterrichten zu lassen, sondern ihre Beurteilung auf eine breitere Grundlage stellen müssen. Dem ist hier indessen aus den unter Ziff. III 2 c bereits dargelegten Gründen angemessen Rechnung getragen worden.
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5. Die Datenzentrale war nicht verpflichtet, dem Beschwerdeführer eine Lösung anzubieten, die ihm eine "nach Höhe und Sicherheit annähernd vergleichbare Versorgung" sicherte (Beschluß C I 2 b). Es widerspricht schlechthin dem Sinn der beamtenrechtlichen Probezeit und ist deshalb nach unserer Auffassung unhaltbar, die wegen mangelnder Eignung ausgesprochene Entlassung des Beamten auf Probe an die Bedingung irgendeiner über die Probezeit hinausgehenden, dauernden finanziellen Sicherung zu knüpfen.
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6. Das Verfahren der Aufsichtsbehörde verletzt nicht schon deshalb die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht, weil es in Form eines "telefonischen Blitzverfahrens" (Beschluß C I 2 c, bb) abgelaufen ist. Da das Innenministerium über das Vorgehen der Datenzentrale gegen den Beschwerdeführer ständig unterrichtet worden ist, besteht kein begründeter Anlaß, die Gründlichkeit des Prüfungsverfahrens allein wegen dessen Schnelligkeit in Zweifel zu ziehen.
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V. |
Die angegriffenen Entscheidungen stehen nicht nur mit Art. 33 Abs. 5 GG im Einklang; sie weisen auch keinen Verstoß gegen sonstiges Verfassungsrecht auf.
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1. Da Art. 103 Abs. 1 GG nur das rechtliche Gehör im Gerichtsverfahren betrifft, kann er im Verfahren der Datenzentrale, das zur Entlassung des Beschwerdeführers geführt hat, nicht verletzt worden sein.
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2. Ebensowenig liegt ein Verstoß gegen das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot fairer Verfahrensführung vor, wobei offenbleiben kann, ob dieses auch außerhalb des Beamtenrechts im verwaltungsbehördlichen Verfahren Platz greift. In einem Verwaltungsverfahren, das der Dienstherr gegen einen Beamten aufgrund der beamtenrechtlichen Bestimmungen führt, folgt die Beachtung des Gebots fairer Verfahrensführung (auch) aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht. Die Rechtsposition, die diese dem Beamten insoweit verleiht, ist aber jedenfalls nicht schwächer als diejenige eines nichtbeamteten Staatsbürgers im Verwaltungsverfahren. Deshalb kann eine Verfahrensführung, die – wie hier – den Anforderungen der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht genügt, keinen Verstoß gegen den Anspruch des Beamten auf faires Verfahren aufweisen.
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VI. |
Selbst wenn wir den Standpunkt der Mehrheit im Grundsätzlichen teilen würden, könnten wir dem Tenor des Beschlusses in zwei Punkten nicht zustimmen.
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1. Die Entlassungsverfügung des Verwaltungsrats hätte nicht aufgehoben werden dürfen; denn der Senat hat nicht festgestellt und konnte schon angesichts des dem Dienstherrn insoweit zustehenden Beurteilungsspielraums nicht feststellen, daß der Verwaltungsrat im Ergebnis zu Unrecht angenommen habe, der Beschwerdeführer sei zur Ausübung eines Amtes im Vorstand der Datenzentrale nicht geeignet. Der richtige Ort, an dem der Verwaltungsrat unter Beachtung der ihm vom Senat erteilten, die Durchführung des Verwaltungsverfahrens betreffenden Weisungen noch einmal zu überdenken und zu entscheiden hat, ob er an seiner damaligen Beurteilung des Beschwerdeführers und damit an dessen Entlassung festhalten kann und will, ist das Widerspruchsverfahren. Dadurch, daß der Senat auch die Entlassungsverfügung aufgehoben hat, verschließt er dem Verwaltungsrat die Möglichkeit, die Entlassung des Beschwerdeführers zum 1. April 1971 zu überprüfen, und verschafft diesem einen Anspruch auf Nachzahlung des Gehalts seit dem 1. April 1971 auch für den Fall, daß seine Entlassung zum damaligen Zeitpunkt im Ergebnis gerechtfertigt war. Mehr noch: Mit der Aufhebung der Entlassungsverfügung stellt sich sogar die Frage, ob der Beschwerdeführer nunmehr seine Anstellung auf Lebenszeit selbst dann verlangen könnte (vgl. § 12 LBG), wenn der Mangel seiner Eignung erneut festgestellt würde. Dieses weder von der Verfassung noch vom einfachen Beamtenrecht geforderte Ergebnis können wir nicht mittragen.
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2. Der Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts durfte nicht für gegenstandslos erklärt werden; er hätte ebenfalls aufgehoben werden müssen. Verletzen die Entlassungsverfügung, der Widerspruchsbescheid und die Urteile des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts aus den vom Senat angenommenen Gründen Art. 33 Abs. 5 GG, so hätte das Bundesverwaltungsgericht der Nichtzulassungsbeschwerde des Beschwerdeführers stattgeben und seine Revision zulassen müssen; denn die Rechtssache hatte dann grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Zwar hängt die Zulassung der Revision nach dieser Bestimmung in der Regel davon ab, daß die Rechtssache grundsätzliche, bisher höchstrichterlich noch nicht geklärte Fragen aufwirft (Klinger, VwGO, 2. Aufl. 1964, § 132 Anm. C 1 a). Das kann indessen auch dort der Fall sein, wo die Möglichkeit besteht, daß eine höchstrichterlich bereits geklärte Frage einer anderweitigen Beurteilung zugeführt wird (vgl. BVerwG DVBl. 1960 S. 854). Diese Voraussetzung ist u.E. erfüllt, wenn eine über die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 33 Abs. 5 GG hinausgehende, wegweisende Entscheidung über Inhalt und Tragweite dieser Norm zu treffen war. Da das Bundesverwaltungsgericht dies nicht erkannt hat, muß auch seine Entscheidung an dem Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG teilnehmen.
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(gez.) Wand Dr. Niebler |