BVerfGE 46, 342 - Philippinische Botschaft |
1. Im Rahmen des Vorlageverfahrens nach Art. 100 Abs. 2 GG sind Beweisbeschlüsse jedenfalls dann als Entscheidungen, für die die Vorlagefrage entscheidungserheblich ist, anzusehen, wenn die vorgesehene Beweiserhebung die Gefahr einer Völkerrechtsverletzung gegenüber dem fremden Staat in sich birgt. |
2. Eine Befreiung fremder Staaten von der deutschen Gerichtsbarkeit im Vollstreckungsverfahren ergibt sich gegenwärtig nur über Art. 25 GG aus allgemeinen Regeln des Völkerrechts. |
3. Völkervertragsrechtliche Regelungen sind im Lichte der allgemeinen Regeln und Grundsätze des Völkerrechts auszulegen und anzuwenden, die den Sachbereich der vertraglichen Regelung betreffen. |
4. Der private Einzelne - wie der fremde Staat - kann sich im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des jeweiligen Verfahrensrechts auf allgem Regeln des Völkerrechts ebenso "berufen" wie auf sonstiges objektives Recht. Allgem Regeln des Völkerrechts können sich - je nach ihrem Inhalt und in der Regel als Vorfrage - auf das rechtliche Begehren des Einzelnen als objektives Recht auswirken und damit entscheidungserheblich sein. |
5. Daß das allgemeine Völkergewohnheitsrecht für das Erkenntnisverfahren die Mindestverpflichtung enthält, in bezug auf hoheitliches Verhalten (acta iure imperii) Immunität zu gewähren, bedeutet nicht schon, daß es auch für die Zwangsvollstreckung nur begrenzte Immunität geböte. |
6. Bei der Ermittlung von Normen des Völkergewohnheitsrechts ist in erster Linie auf das völkerrechtlich erhebliche Verhalten derjenigen Staatsorgane abzustellen, die kraft Völkerrechts oder kraft innerstaatlichen Rechts dazu berufen sind, den Staat im völkerrechtlichen Verkehr zu repräsentieren. Daneben kann sich eine solche Praxis aber auch in Akten anderer Staatsorgane, wie des Gesetzgebers oder der Gerichte, bekunden, zumindest soweit ihr Verhalten unmittelbar völkerrechtlich erheblich ist. Für Entscheidungen nationaler Gerichte gilt dies zumal dort, wo, wie im Bereich der gerichtlichen Immunität fremder Staaten, das innerstaatliche Recht den nationalen Gerichten die unmittelbare Anwendung von Völkerrecht gestattet. |
7. Gegenwärtig fehlt es an einer Übung der Staaten, die noch hinreichend allgemein sowie von der notwendigen Rechtsüberzeugung getragen wäre, um eine allgemeine Regel des Völkerrechts zu begründen, derzufolge dem Gerichtsstaat die Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat schlechthin verwehrt wäre. |
8. Es besteht eine allgemeine Regel des Völkerrechts, wonach die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat aus einem gerichtlichen Vollstreckungstitel gegen einen fremden Staat, der über ein nicht-hoheitliches Verhalten (acta iure gestionis) dieses Staates ergangen ist, in Gegenstände dieses Staates, die sich im Hoheitsbereich des Gerichtsstaats befinden oder dort belegen sind, ohne Zustimmung des fremden Staates unzulässig ist, soweit diese Gegenstände im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienen. |
9. Bei Maßnahmen der Sicherung oder Zwangsvollstreckung gegen den fremden Staat darf von Völkerrechts wegen nicht auf die zum gegebenen Zeitpunkt seiner diplomatischen Vertretung zur Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktionen dienenden Gegenstände zugegriffen werden (ne impediatur legatio). |
10. Wegen der Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Beurteilung einer Gefährdung dieser Funktionsfähigkeit und wegen der latent gegebenen Mißbrauchsmöglichkeiten zieht das allgemeine Völkerrecht den Schutzbereich zugunsten des fremden Staates sehr weit und stellt auf die typische, abstrakte Gefahr, nicht aber auf die konkrete Gefährdung der Funktionsfähigkeit der diplomatischen Vertretung ab. |
11. Forderungen aus einem laufenden, allgemeine Bankkonto der Botschaft eines fremden Staates, das im Gerichtsstaat besteht und zur Deckung der Ausgaben und Kosten der Botschaft bestimmt ist, unterliegen nicht der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat. |
12. Es würde eine völkerrechtswidrige Einmischung in die ausschließlichen Angelegenheiten des Entsendestaats darstellen, dem Entsendestaat ohne seine Zustimmung von seiten der Vollstreckungsorgane des Empfangsstaats anzusinnen, das Bestehen oder die früheren, gegenwärtigen oder künftigen Verwendungszwecke von Guthaben auf einem solchen Konto näher darzulegen. |
13. Dem privaten Einzelnen, der in privatwirtschaftliche Beziehungen zu einem fremden Staat treten will, bleibt es unbenommen, etwa durch Vereinbarungen über die Art und Weise der Abwicklung der Leistungen, über das Verfahren im Streitfall - insbes über einen Verzicht auf Immunität, der grundsätzlich unwiderruflich ist - oder über Sicherheiten seine Interessen soweit als möglich zu wahren. |
14. Der Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten ist ein Konstitutionsprinzip des gegenwärtigen allgem Völkerrechts, das jedenfalls im Bereich des diplomatischen Verkehrs der Staaten eine weitgehend formale Gleichbehandlung gebietet. Eine unterschiedliche Behandlung der Staaten im Bereich der diplomatischen Immunität nach Maßgabe ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wäre damit unvereinbar. |
Beschluß |
des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1977 |
- 2 BvM 1/76 - |
in dem Verfahren zur Prüfung der Frage, ob es eine allgemeine Regel des Völkerrechts gibt, wonach die Zwangsvollstreckung aus einem gegen einen ausländischen Staat in bezug auf seine nicht-hoheitliche Tätigkeit erlassenen Urteil in ein Bankkonto dieses Staates beziehungsweise seiner Botschaft, das im Inland besteht und zur Deckung der offiziellen Ausgaben und Kosten der Botschaft bestimmt ist, schlechthin oder insoweit unzulässig ist, als durch die Pfändung die Funktionsfähigkeit der Botschaft als diplomatische Vertretung beeinträchtigt wird, und ob eine solche allgemeine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist - Vorlage des Amtsgericht Bonn vom 12. April 1976 (23 M 480/76) -. |
Entscheidungsformel: |
Es besteht folgende allgemeine Regel des Völkerrechts: |
Die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat aus einem gerichtlichen Vollstreckungstitel gegen einen fremden Staat, der über ein nicht-hoheitliches Verhalten (acta iure gestionis) dieses Staates ergangen ist, in Gegenstände dieses Staates, die sich im Hoheitsbereich des Gerichtsstaats befinden oder dort belegen sind, ist, soweit diese Gegenstände im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienen, ohne Zustimmung des fremden Staates unzulässig. Forderungen aus einem laufenden, allgemeinen Bankkonto der Botschaft eines fremden Staates, das im Gerichtsstaat besteht und zur Deckung der Ausgaben und Kosten der Botschaft bestimmt ist, unterliegen nicht der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat. |
Diese Regel ist Bestandteil des Bundesrechts. |
Gründe |
A. - I. |
Die Vollstreckungsgläubigerin des Ausgangsverfahrens hat am 3. September 1975 gegen die Republik der Philippinen ein Versäumnisurteil des Landgerichts Bonn auf Zahlung von insgesamt 95 231,86 DM nebst Zinsen und Kosten erwirkt. Der Rechtsstreit im Erkenntnisverfahren entstand aus einem zwischen der Gläubigerin und der Republik der Philippinen am 9. Mai 1966 abgeschlossenen Mietvertrag über ein Haus der Gläubigerin in Bonn-Bad Godesberg, das zur Verwendung als Büro für ihre Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland von der Republik der Philippinen angemietet worden war. Im Laufe des Monats Juni 1973 war die Mieterin aus dem Hause ausgezogen und hatte es der Gläubigerin unter Zahlung des Mietzinses bis einschließlich Juni 1973 zur Verfügung gestellt. Die Gläubigerin begründete ihre Hauptforderungen mit rückständigen Mietzinsen bis einschließlich Mai 1974, weil die vertragliche Kündigungsfrist nicht eingehalten worden sei, sowie mit Instandsetzungskosten.
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Aufgrund des vollstreckbaren Versäumnisurteils erwirkte die Gläubigerin beim Amtsgericht Bonn am 13. Februar 1976 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß gegen die Republik der Philippinen, durch den die angebliche Forderung der Republik der Philippinen gegen "die Deutsche Bank AG Filiale Bonn-Bad Godesberg, Kaiserplatz - Drittschuldner - auf Zahlung des gegenwärtigen und gesamten künftigen Überschusses (Guthabens), der der Schuldnerin bei Saldoziehung aus der in laufender Rechnung (Kontokorrent) bestehenden Geschäftsverbindungen, insbesondere über die Konto-Nummern: 414-059-0687-00 und 414-118-2716, gebührt, ... und alle angeblichen Ansprüche und Forderungen ... aus den Giroverträgen über die oben bezeichneten Konten auf Gutschrift aller künftigen Eingänge und auf fortlaufende Auszahlung der Guthaben sowie auf Durchführung von Überweisungen an Dritte" gepfändet und der Gläubigerin in Höhe des gepfändeten Betrages zur Einziehung überwiesen wurde.
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Gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß erhob die Republik der Philippinen Erinnerung zum Amtsgericht Bonn, weil das Konto der Botschaft nicht dem Zugriff der deutschen Gerichtsbarkeit unterliege. Sie legte im Erinnerungsverfahren eine eidesstattliche Erklärung ihres Geschäftsträgers in der Bundesrepublik Deutschland vor, in der es heißt, daß das Konto mit der Bezeichnung "Botschaft der Philippinen" im Jahre 1956 bei der Deutschen Bank in Bonn eröffnet wurde und seit 1973 in Bonn-Bad Godesberg geführt wird; zeichnungsberechtigt seien jeweils der Botschafter oder Geschäftsträger und der für die finanziellen Angelegenheiten innerhalb der Botschaft zuständige Bedienstete; auf diesem Konto stelle die Regierung der Republik der Philippinen der Botschaft die für den laufenden Betrieb erforderlichen Mittel zur Verfügung; von diesem Konto würden insbesondere das Personal und Miete bezahlt. Durch die Beschlagnahme des Kontos sei die Botschaft nicht mehr in der Lage, ihren laufenden Verpflichtungen nachzukommen.
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Das Amtsgericht Bonn hat das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 2 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über folgende Frage vorgelegt:
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Gibt es eine Völkerrechtsregel, wonach die Zwangsvollstreckung aus einem gegen einen ausländischen Staat in bezug auf seine nicht-hoheitliche Tätigkeit erlassenen Urteil in ein Bankkonto dieses Staates bzw. seiner Botschaft, das im Inland besteht und zur Deckung der offiziellen Ausgaben und Kosten der Botschaft bestimmt ist, schlechthin oder insoweit unzulässig ist, als durch die Pfändung die Funktionsfähigkeit der Botschaft als diplomatische Vertretung beeinträchtigt wird; ist eine solche Regel - wenn es sie gibt - Bestandteil des Bundesrechts?
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Zwar bestünden in formeller Hinsicht weder gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß noch gegen die Erinnerung Bedenken; Zweifel hegt das Amtsgericht indes, ob und gegebenenfalls inwieweit die deutsche Gerichtsbarkeit für die Vollstreckung in ein solches Konto gegeben sei. Bei einer Pfändbarkeit schlechthin wäre die Erinnerung zurückzuweisen; bei Unpfändbarkeit eines zur Finanzierung der für den Botschaftsbetrieb erforderlichen Kosten bestimmten Kontos eines ausländischen Staates wäre der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß bei Nachweis der Zweckbestimmtheit des Kontos ohne weitere Nachprüfung aufzuheben; sei die Pfändung aber nur insoweit unstatthaft, als dadurch der ordnungsgemäße Ablauf des Botschaftsbetriebes gefährdet wird, müßten noch weitere Beweise erhoben werden. Da es für die Frage der Pfändbarkeit eines solchen Kontos an einer gesetzlichen Regelung fehle, hänge die Entscheidung über die Begründetheit der Erinnerung davon ab, ob es eine Völkerrechtsregel, wie in der Vorlagefrage gestellt, gebe. In Schrifttum und Rechtsprechung seien Tendenzen erkennbar, die Vollstreckung in das private Finanzvermögen eines fremden Staates zu gestatten, nicht hingegen in sein Verwaltungsvermögen und seine öffentlichen Sachen. Für eine Begrenzung der Vollstreckung könne auch angeführt werden, daß im deutschen Recht bei der Zwangsvollstreckung in Geldforderungen gleichfalls Vollstreckungsbeschränkungen hinsichtlich der Notwendigkeit und Unentbehrlichkeit solcher Gelder für den Schuldner bestünden. Gegen eine Beschränkung könne sprechen, daß Art. 22 Abs. 3 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 die Vollstreckung lediglich in die Räumlichkeiten einer Mission, ihre Einrichtungen, die sonst darin befindlichen Gegenstände sowie in die Beförderungsmittel der Mission ausschließe. Es stelle sich daher die Frage, ob Art. 22 Abs. 3 die der Vollstreckung nicht unterliegenden Gegenstände erschöpfend aufzähle oder ob daneben kraft sonstigen Völkerrechts noch weitere Vollstreckungsbeschränkungen bestünden.
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Wenn solche Beschränkungen bestünden, sei weiter zu prüfen, ob ein solches Konto schlechthin unpfändbar oder die Vollstreckung nur dahin begrenzt sei, daß lediglich der Betrieb der Mission nicht gefährdet werden dürfe, das heißt, nur solche Gelder nicht gepfändet werden dürften, die ausschließlich für die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben erforderlich seien. Dabei wäre zu bedenken, daß die auf solchen Konten liegenden Gelder nicht ausschließlich in Erfüllung hoheitlicher Tätigkeiten, sondern auch für private Verpflichtungen, die sich aus dem Botschaftsbetrieb ergeben (Handwerkerrechnungen, Entlohnung des nicht zum schuldnerischen Staat gehörenden Personals usw.), verwendet würden. Auch hänge die Frage der Gefährdung des Botschaftsbetriebs letztlich nicht von den auf dem Botschaftskonto deponierten Geldern, sondern von der gesamten wirtschaftlichen Situation des schuldnerischen Staates ab. Bei einer völligen oder beschränkten Pfändbarkeit würde dies dazu führen, daß ein wirtschaftlich starker Staat sich der Zwangsvollstreckung wegen Forderungen, die er auf privatrechtlichem Gebiet eingegangen ist, dadurch entziehen könne, daß er sich einfach auf die Notwendigkeit und Zweckgebundenheit solcher Gelder beriefe. Hinzu komme, daß eine eingehende Überprüfung dahin, ob eine Gefährdung des Botschaftsbetriebs tatsächlich gegeben sei, kaum möglich sei, zumindest aber auf Schwierigkeiten stoße. Es führe aber auch zu unbefriedigenden Ergebnissen, ein gegen einen fremden Staat erstrittenes Urteil weitgehend von der Zwangsvollstreckung auszuschließen, obwohl es dem Schuldner wirtschaftlich möglich wäre, seine Verpflichtungen zu erfüllen.
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Aus allen diesen Gründen könne das vorlegende Gericht an der in seinen Entscheidungen vom 14. August 1969 - 23 M 2471/69 - und vom 21. Juni 1972 - 23 M 697/72 - vertretenen Rechtsauffassung, wonach ein Konto eines ausländischen Staates, auf dem sich ausschließlich die zur Deckung der offiziellen Ausgaben und Kosten seiner Botschaft benötigten Mittel befinden, unpfändbar ist, nicht mehr unbedingt festhalten.
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II. |
Das Bundesverfassungsgericht hat gemäß § 83 Abs. 2 BVerf- GG dem Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung, gemäß §§ 84, 82 Abs. 3 BVerfGG den Beteiligten des Ausgangsverfahrens - der Republik der Philippinen, wie geboten, auf diplomatischem Weg - Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
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1. Namens der Bundesregierung hat der Bundesminister der Justiz Stellung genommen:
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Nach Auffassung der Bundesregierung besteht eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG, nach der die Zwangsvollstreckung in ein im Inland bestehendes Bankkonto eines ausländischen Staates, das zur Deckung der Ausgaben und Kosten einer Botschaft bestimmt ist, schlechthin unzulässig ist. Während es unbestritten sei, daß fremde Staaten in hoheitlichen Angelegenheiten (acta iure imperii) auch heute noch uneingeschränkte Immunität genössen, gewähre eine Reihe von Staaten, vor allem des westeuropäischen Bereichs, für nichthoheitliche Handlungen (acta iure gestionis) keine oder jedenfalls keine volle Immunität vor ihren Gerichten. Dabei werde keine Ausnahme für nicht-hoheitliche Handlungen gemacht, die von diplomatischen oder konsularischen Vertretungen fremder Staaten vorgenommen werden. Die sog. sozialistischen Staaten und zumindest ein Teil der Dritten Welt stünden dagegen weiter auf dem Standpunkt der uneingeschränkten Immunität für praktisch alle Handlungen und Tätigkeiten des fremden Staates.
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Das völkerrechtlich gebotene Mindestmaß liege heute bei der Gewährung der absoluten Immunität in bezug auf hoheitliche Tätigkeiten, während eine Regel des Völkerrechts, nach der die inländische Gerichtsbarkeit für Klagen gegen einen fremden Staat in bezug auf seine nicht-hoheitliche Betätigung ausgeschlossen sei, nicht mehr bestehe. Das Völkerrecht verwehre indes dem Gerichtsstaat nicht, innerstaatlich weitere Immunitäten bis hin zur vollen Immunität für alle Handlungen fremder Staaten einzuräumen.
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In der Bundesrepublik Deutschland werde bei nicht-hoheitlicher Betätigung fremder Staaten eine Befreiung von der inländischen Gerichtsbarkeit nicht gewährt (BVerfGE 16, 27 ff.).
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Immunitätsprobleme träten bei der starken Verflechtung der Staaten in der Praxis nicht selten auf. Sie seien nicht nur von rechtlicher, sondern auch von politischer Bedeutung. In den letzten Jahren hätten immer wieder Privatpersonen gegen fremde Staaten Prozesse vor deutschen Gerichten angestrengt, meist wegen Handlungen ihrer hier akkreditierten diplomatischen und konsularischen Vertretungen. Einige der betroffenen Staaten hätten gegen die Anwendung des Prinzips der begrenzten Staatenimmunität nachdrücklich protestiert und zu verstehen gegeben, daß sie jede Art der Einschränkung der Staatenimmunität als völkerrechtswidrig ansehen; zum Teil seien Gegenmaßnahmen angedroht worden.
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Die Immunitätsfrage werde um so schwieriger, wenn es sich nicht um das Erkenntnisverfahren, sondern um Vollstreckungsmaßnahmen handle. Hier könne es zu erheblichen Belastungen der zweiseitigen politischen Beziehungen kommen. Auf der anderen Seite könne es für den einzelnen privaten Gläubiger eine große Härte bedeuten, wenn er wegen der Immunität seines Schuldners die Durchsetzung eines Titels nicht erzwingen könne.
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Die Anwendung der Theorie der funktionalen Begrenzung der Immunität auf das Vollstreckungsverfahren ergebe sich nicht schon als logische Konsequenz ihrer Anwendung im Erkenntnisverfahren. Im Hinblick auf Sinn und Zweck der völkerrechtlichen Immunitätsregelungen könnten Art und Stärke des Eingriffs bei einzelnen gerichtlichen Maßnahmen gegenüber fremden Staaten und ihren Vertretungen nicht unberücksichtigt bleiben. In der zwangsweisen Durchsetzung des im Titel ausgesprochenen Leistungsbefehls liege ein intensiverer Eingriff gegenüber dem betroffenen fremden Staat als im bloßen richterlichen Erkenntnis. Entscheidend ins Gewicht falle jedoch, was letztlich der Beweggrund für die Einschränkung der Immunität in bezug auf nicht-hoheitliche Handlungen gewesen sei: die immer stärker werdende wirtschaftliche Betätigung der Staaten lasse es als folgerichtig erscheinen, auch die Zwangsvollstreckung gegen sie dort zuzulassen, wo ein fremder Staat sich wie jeder andere an wirtschaftlichen und kommerziellen Vorgängen im Ausland beteilige.
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Dementsprechend werde in einer Reihe wiederum meist westlicher Staaten die Zwangsvollstreckung gegen fremde Staaten unter verschiedenen Voraussetzungen und Einschränkungen zugelassen, so in Österreich, der Schweiz, Belgien, Italien, Griechenland und Ägypten (Nachweise bei Schaumann, Die Immunität ausländischer Staaten nach Völkerrecht, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Heft 8, 1968, S. 130; Habscheid, Die Immunität ausländischer Staaten nach deutschem Zivilprozeßrecht, a.a.O. S. 251 ff.). In der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich sei die Frage in der Praxis und im Schrifttum bislang nicht abschließend ausgetragen; das neuere deutsche Schrifttum neige aber überwiegend zur Bejahung der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung (Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, a.a.O., S. 290).
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Das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität vom 16. Mai 1972 gehe einen besonderen Weg, indem es die Vertragsstaaten verpflichte, gegen sie im Erkenntnisverfahren ergangene Urteile auszuführen, und damit die Zwangsvollstreckung überflüssig mache; Art. 23 des Übereinkommens, der die Zwangsvollstreckung ausschließe, sei in diesem Zusammenhang zu sehen (so auch Ian Sinclair, The European Convention on State Immunity, ICLQ 22 [1973] S. 254 ff. [275]).
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Zusammenfassend lasse sich feststellen: Wenngleich es dem innerstaatlichen Recht überlassen bleibe, in Vollstreckungsverfahren absolute Immunität zu gewähren, könne man angesichts der neueren Entwicklung in der Staatenpraxis und der Meinungen in der Völkerrechtslehre nicht mehr eine Regel des Völkerrechts annehmen, nach der in Vollstreckungsverfahren grundsätzlich die absolute Immunität fremder Staaten zu gelten habe. Vielmehr sei dort, wo die Immunität im Erkenntnisverfahren eingeschränkt sei, grundsätzlich auch die Zwangsvollstreckung zulässig.
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Aus dieser Feststellung folge jedoch nicht, daß auch jedweder Vermögensgegenstand des betroffenen Staates Zugriffsobjekt der Zwangsvollstreckung sein könne. Vielmehr sei im Vollstreckungsverfahren stets zu prüfen, ob der Zugriff gegen einen bestimmten Gegenstand kraft der hoheitlichen Widmung oder der hoheitlichen Zweckbestimmung desselben ausscheide. Insoweit bestehe eine Regel des allgemeinen Völkerrechts, derzufolge die Zwangsvollstreckung in das hoheitlichen Zwecken gewidmete Vermögen eines fremden Staates und insbesondere in Bankkonten, die zur Deckung der laufenden Ausgaben einer Botschaft bestimmt sind, unzulässig sei:
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Aus der Rechtsprechung deutscher Gerichte könnten zwar kaum einschlägige Fälle benannt werden. Der Preußische Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte habe mit Entscheidung von 25. Juni 1910 im Hellfeld-Fall einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß in eine Bankforderung des russischen Kaiserreichs aufgehoben, da fremde Staaten, abgesehen von Immobiliarprozessen und freiwilliger Unterwerfung, auch in privatrechtlichen Angelegenheiten der inländischen Gerichtsbarkeit nicht unterworfen seien (DJZ 1910, Sp. 808-811); die gleiche Ansicht habe später das Kammergericht vertreten (KG HRR 1933 Nr. 1522); doch seien diese Entscheidungen die Konsequenz der Zubilligung unbeschränkter Immunität an ausländische Staaten bereits im Erkenntnisverfahren gewesen, wie sie die deutsche Rechtsprechung vor 1945 angenommen habe.
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In der Zeit nach 1945 habe das Landgericht Stuttgart (Die Justiz - Amtsblatt des Justizministeriums Baden-Württemberg 1971, S. 385) die Zwangsvollstreckung in Bankguthaben eines fremden Konsulats für grundsätzlich unzulässig erklärt; sie gehörten zu dem hoheitlichen Zwecken gewidmeten Vermögen des fremden Staates, da sie für den Betrieb seiner Dienststellen bestimmt seien.
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Die neuere deutsche Rechtslehre sei in dieser Frage einheitlich. So habe die Zweite Studienkommission der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht festgestellt, daß dem Gerichtsstaat gegenüber einem ausländischen Staat hinsichtlich des Objekts, in das vollstreckt werden soll, keine Vollstreckungsgewalt zustehe, wenn dieses Objekt zur Verwendung für acta iure imperii bestimmt ist. Dies gelte auch für die Vollstreckung in Bankguthaben und sonstige Geldforderungen. Für die Zuordnung zu den acta iure imperii seien dabei die im Erkenntnisverfahren entwickelten Grundsätze maßgebend. Daß speziell Bankkonten nach diesen Grundsätzen unpfändbar sein könnten, werde von Habscheid, Dahm, Wengler und Schaumann ausdrücklich erwähnt.
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Hinsichtlich der Staatenpraxis habe das Auswärtige Amt seinerzeit zur Vorbereitung der Stellungnahme der Bundesregierung in dem Vorlageverfahren 2 BvM 1/73 bei den deutschen Auslandsvertretungen Berichte eingeholt über einschlägige gesetzliche Vorschriften, gerichtliche Entscheidungen und die Verwaltungspraxis von 108 ausländischen Staaten - sie liegen dem Bundesverfassungsgericht vor und sind im gegenwärtigen Verfahren beigezogen worden. Aus ihnen gehe hervor, daß einschlägige gesetzliche Vorschriften und gerichtliche Entscheidungen nur in wenigen Staaten ergangen seien. Nur in bezug auf vier Staaten (Haiti, Irak, Bangladesh, Griechenland) habe festgestellt werden können - und auch hier zum Teil mit Einschränkungen -, daß eine Vollstreckung in Botschaftskonten für zulässig gehalten werde. In Griechenland sei die Vollstreckung wegen der strengen Beweisanforderungen nur eine rein theoretische Möglichkeit. Von besonderer Bedeutung erscheine die Entwicklung in den Vereinigten Staaten von Amerika, die dahin verlaufe, die absolute Immunität im Erkenntnisverfahren zu beseitigen und im Vollstreckungsverfahren den Grundsatz der absoluten Immunität für eine Reihe von Vermögensgegenständen des fremden Staates, soweit sie kommerzieller Tätigkeit dienen, aufzugeben.
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Eine Unterscheidung zwischen Botschaftsgeldern, die öffentlich- rechtlichen Zwecken, und Geldern, die zivilrechtlichen Zwecken dienen, werde - abgesehen von Griechenland - offenbar nirgends vorgenommen. Eine solche Unterscheidung würde es auch erforderlich machen, in interne Angelegenheiten der Botschaften Einblick zu nehmen, um entscheiden zu können, welche Haushaltsmittel der Botschaft öffentlichen und welche privaten Zwecken dienen sollen, welche Mittel für den Betrieb der Botschaft unentbehrlich und welche anderen Mittel hierfür nicht unbedingt erforderlich seien und notfalls durch Mittelzuwendungen aus dem Entsendestaat ersetzt werden könnten. Eine solche Unterscheidung würde dem völkerrechtlichen Grundsatz der Nichteinmischung in interne Angelegenheiten fremder Staaten widersprechen. Vielmehr sei davon auszugehen, daß alle Botschaftsmittel den hoheitlichen Botschaftsaufgaben dienen. Soweit ein für eine Botschaft bestimmtes Konto nicht auf den Namen des fremden Staates selbst geführt werde, müsse es ausreichen, daß der fremde Staat die Zweckbestimmung seines Kontos für die Angelegenheiten der Botschaft glaubhaft mache. Es sei auch nicht einzusehen, weshalb Geld, um das es sich im vorliegenden Fall handle, anders behandelt werden solle als vertretbare Sachen im allgemeinen. Deshalb komme es nicht darauf an, ob der Entsendestaat andere finanzielle Mittel besitzt oder bereitstellen kann, um den Botschaftsbetrieb zu erhalten.
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Somit ergebe sich, daß - ungeachtet dessen, daß dort, wo die Immunität fremder Staaten im Erkenntnisverfahren eingeschränkt sei, grundsätzlich auch die Zwangsvollstreckung zulässig sei - in ein Botschaftskonto schlechthin nicht vollstreckt werden dürfe; dies scheide schon aufgrund der allgemeinen Immunitätsregeln aus. Darüber hinaus würde sich die Vollstreckung in ein Botschaftskonto aber auch nicht mit dem völkerrechtlichen Gesandtschaftsrecht vereinbaren lassen, das die ständige Funktionsfähigkeit der Botschaften schützen wolle.
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2. Die Republik der Philippinen hat mit Verbalnote vom 22. September 1976, deren Inhalt auf ihr Ersuchen vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland dem Bundesverfassungsgericht übermittelt worden ist, wie folgt Stellung genommen:
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Auf der Grundlage allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts habe das deutsche Gericht keine Gerichtsbarkeit über die Republik der Philippinen besessen. Es sei gefestigte Rechtslage, daß ein Staat nicht ohne sein Einverständnis vor den Gerichten eines anderen Staates verklagt werden dürfe. Jurisdictio inhaeret, cohaeret, adhaeret imperio; par in parem non habet judicium. Diese Regel werde nicht durch die Ansicht beeinträchtigt, daß nach geltendem Völkergewohnheitsrecht ein Staat keine Immunität in gerichtlichen Verfahren genieße, die sich auf das Eigentum oder den Besitz an unbeweglichem Vermögen beziehen, denn diese Auffassung erkenne eine Ausnahme für Gegenstände an, die für diplomatische oder konsularische Zwecke genutzt werden (Harvard Research in International Law, Competence of Courts in Regard to Foreign States, AJIL 26 [1932] suppl. S. 455; Abad Santos, Cases and other Materials on International Law 278-279 [1971]). Deshalb könne es nicht auf die Behauptung ankommen, der Ausgangsfall betreffe ein nicht-hoheitliches Verhalten. Selbst wenn man angesichts eines Versäumnisurteils von einem stillschweigenden Einverständnis der philippinischen Regierung, beklagt zu werden, ausginge, erstreckte sich ein solches Einverständnis nicht auf Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihr Vermögen (Dexter & Carpenter v. Kunglig Jarnvagsstyrelsen, 43 F. 2 d 705 [1930]). Die Erklärung des philippinischen Geschäftsträgers, die bestätige, daß die Guthaben bei der Deutschen Bank öffentliche Guthaben seien, sei für das deutsche Gericht bindend. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts komme es für die Pfändbarkeit von Bankguthaben eines fremden Staates nicht auf die wirtschaftliche Lage des fremden Staates an. Ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage eines fremden Souveräns werde Immunität nach dem Grundsatz des Völkerrechts gewährt, daß die Person und das Eigentum eines fremden Souveräns zu jeder Zeit frei von Zugriffen und Beeinträchtigungen bleiben sollen.
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3. Die Gläubigerin des Ausgangsverfahrens führt aus:
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In Übereinstimmung mit der Auffassung der Bundesregierung sei davon auszugehen, daß die Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat grundsätzlich dort zulässig sei, wo die Immunität im Erkenntnisverfahren eingeschränkt sei. Die Bundesregierung gehe jedoch von einem falschen Abgrenzungskriterium aus, soweit sie meine, daß im Vollstreckungsverfahren in jedem einzelnen Fall zu prüfen sei, ob der Zugriff gegen einen bestimmten Gegenstand kraft der hoheitlichen Widmung oder der hoheitlichen Zweckbestimmung desselben ausscheide. Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren seien zwei Seiten ein und derselben Medaille. Was für das Erkenntnisverfahren gelte, müsse demnach auch für das Vollstreckungsverfahren gelten. Auch im Vollstreckungsverfahren sei daher auf die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses, nicht aber auf den Zweck der Betätigung des fremden Staates abzustellen.
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Die Anwendung dieser Grundsätze auf Bankkonten ausländischer Staaten ergebe: Schon mit der Eröffnung eines Bankkontos setze die ausländische Botschaft einen Akt, den ein Privater ebensogut setzen könne. Eröffnung und Unterhaltung eines Bankkontos durch eine ausländische Botschaft seien ihrer Natur nach bereits privatrechtliches Verhalten. Erfahrungsgemäß würden ganz überwiegend folgende Ausgaben über Bankkonten ausländischer Botschaften abgewickelt:
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- die privaten Gehälter der Angestellten, insbesondere der deutschen und nicht-philippinischen Angestellten,
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- Mieten all derjenigen Gebäude, für die die Philippinische Republik entweder selbst Mieter sei (z. B. Residenz des Botschafters, Botschaftsgebäude) oder aber Mieten bezahle oder Mietzuschüsse gebe für den Fall, daß Diplomaten im eigenen Namen Wohnungen angemietet haben,
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- Heizkosten für diese Gebäude und Wohnungen,
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- Reinigungskosten und weitere Kosten, die sich aus der personellen und sachlichen Existenz zwangsläufig ergäben.
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Ihrer Natur nach könnten alle diese Akte auch von Privatpersonen vorgenommen werden; sie seien daher der privatrechtlichen Seite zuzurechnen. Deshalb müsse die Zwangsvollstreckung in solche Konten zulässig sein.
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Wenn es auch wahrscheinlich sei, daß eine ausländische Botschaft über ihr Konto auch Geschäfte abwickle, die eindeutig staatlichen Zwecken dienen, könne dies nicht zur Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung führen. Indem sich nämlich eine Botschaft dafür entscheide, wie eine Privatperson aus Gründen der Annehmlichkeit den Zahlungsverkehr außerhalb ihrer Mission über eine Bank abzuwickeln, begebe sie sich freiwillig des Schutzes, den sie bei der Abwicklung ihrer Geldgeschäfte in ihrem Missionsgebäude genieße.
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Zuzustimmen sei den Ausführungen der Bundesregierung nur darin, daß jedes Gericht überfordert wäre, die auf einem Bankkonto einer fremden Botschaft ruhenden Gelder in pfändbare und nichtpfändbare zu unterteilen. Es könne daher nur über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Pfändung des gesamten Guthabens entscheiden. Aus den dargelegten Gründen müsse mithin die Pfändung des gesamten Guthabens zulässig sein.
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Die Versicherung seitens der Botschaft der Philippinen, daß die Botschaft durch die Beschlagnahme des Kontos nicht mehr in der Lage sei, ihren laufenden Verpflichtungen nachzukommen, sei, wie schon die bisherige Entwicklung belege, nicht zutreffend.
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Wenn das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis käme, daß die Zwangsvollstreckung in Bankkonten oder ähnliche Vermögensgegenstände ausländischer Staaten unzulässig sei, dann sollte konsequenterweise auch wieder das Erkenntnisverfahren für unzulässig erklärt werden. Denn dann würde zahlreichen Bürgern erspart, mit hohem Kostenaufwand einen Titel zu erstreiten, aus dem praktisch nicht vollstreckt werden könne.
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B. |
Die Vorlage ist zulässig.
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1. Der Sinn der Vorlagefrage geht nach dem Bestehen und der Tragweite allgemeiner Regeln des Völkerrechts gemäß Art. 100 Abs. 2, 25 GG.
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2. Das vorlegende Gericht hat in zureichender Weise seine Zweifel hinsichtlich des Bestehens und der Tragweite möglicher allgemeiner Regeln des Völkerrechts sowie die erforderliche Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage für das Ausgangsverfahren dargetan, §§ 84, 80 Abs. 2 BVerfGG (BVerfGE 4, 319 [321]; 15, 25 [30]; 16, 27 [32 f.]). Es hat dargelegt, daß das innerstaatliche deutsche Recht keine Vollstreckungsbeschränkungen gegenüber fremden Staaten aufweist, die über jene Beschränkungen hinausgingen, die sich aus den hier in Frage gestellten allgemeinen Regeln des Völkerrechts ergeben können. Die §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG - in der Fassung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077) betreffen nicht den Fall, daß der fremde Staat selbst als Beklagter eines Erkenntnisverfahrens oder als Schuldner eines Vollstreckungsverfahrens in Anspruch genommen wird (vgl. für die frühere Fassung von § 18 GVG Habscheid, Die Immunität ausländischer Staaten nach deutschem Zivilprozeßrecht, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht [BerDGVR], Heft 8, 1968, S. 159 ff., 167 f.). Eine Befreiung fremder Staaten von der deutschen Gerichtsbarkeit im Vollstreckungsverfahren kann sich daher gegenwärtig nur über Art. 25 GG aus allgemeinen Regeln des Völkerrechts ergeben. Von dieser Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts, die nicht offensichtlich unhaltbar ist, hat das Bundesverfassungsgericht auszugehen (BVerfGE 15, 25 [31]; 16, 27 [32]).
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a) Das vorlegende Gericht hat die allgemeinen Prozeßvoraussetzungen für sein Verfahren, insbesondere die deutsche internationale Zuständigkeit, in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht. Aus seinen Darlegungen ist auch zu schließen, daß ein Verzicht auf Immunität für das Vollstreckungsverfahren von der Republik der Philippinen nicht erklärt worden ist; aus der Tatsache allein, daß ein Versäumnisurteil ergangen ist, kann ein solcher Verzicht nicht abgeleitet werden.
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Für die Zulässigkeit der Vorlage kann dahinstehen, ob, wofür gute Gründe sprechen mögen, in Fällen von der Art des Ausgangsverfahrens § 882 a der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden ist. Denn eine solche Anwendung setzt das Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit für das Vollstreckungsverfahren gegen fremde Staaten voraus und führt zu Beschränkungen allenfalls hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung der Zwangsvollstreckung. Der Sinn der Vorlagefrage geht indes nicht allein dahin, ob das allgemeine Völkerrecht Beschränkungen hinsichtlich der Art und Weise der Zwangsvollstreckung enthält, sondern zuvor dahin, ob dadurch Vollstreckungsmaßnahmen gegen fremde Staaten grundsätzlich verwehrt sind.
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b) Die deutsche Gerichtsbarkeit ist eine allgemeine Verfahrensvoraussetzung auch des gerichtlichen Vollstreckungsverfahrens. Ihr Bestehen und ihre Grenzen sind als Rechtsfragen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und zu beachten.
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Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist der Erinnerung stattzugeben und der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß aufzuheben, wenn die Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat in ein im Inland bestehendes Bankkonto dieses Staates, das zur Deckung der offiziellen Ausgaben und Kosten seiner Botschaft bestimmt ist, zufolge einer allgemeinen Regel des Völkerrechts schlechthin unzulässig ist. Dies reicht hin, um die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage zu begründen.
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c) An der Entscheidungserheblichkeit fehlt es derzeit hier nicht etwa deshalb, weil das vorlegende Gericht bei Bejahung der von ihm gestellten Alternativfrage - ob nämlich die Zwangsvollstreckung in ein solches Konto nur insoweit unzulässig ist, als dadurch die Funktionsfähigkeit der Botschaft als diplomatischer Vertretung beeinträchtigt wird - erst noch eine Beweiserhebung (über die Verwendungszwecke der gepfändeten Guthaben) vor der Entscheidung über die Erinnerung für erforderlich hält.
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Es kann hier dahinstehen, ob und inwiefern Beweisbeschlüsse im Rahmen des Vorlageverfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG als Entscheidungen im Sinne dieser Grundgesetzbestimmung anzusehen sind. Im Rahmen des Vorlageverfahrens nach Art. 100 Abs. 2 GG sind Beweisbeschlüsse jedenfalls dann als Entscheidungen, für die die Vorlagefrage entscheidungserheblich ist, anzusehen, wenn die vorgesehene Beweiserhebung die Gefahr einer Völkerrechtsverletzung gegenüber dem fremden Staat in sich birgt. Dies ist hier der Fall. Denn eine Beweiserhebung darüber, welche Geschäftsvorgänge über das Konto der Botschaft eines fremden Staates laufen, könnte eine völkerrechtswidrige Einmischung in innere Angelegenheiten des fremden Staates und eine Verletzung der Regeln des völkerrechtlichen Gesandtschaftsrechts darstellen. Grundsätze der Prozeßökonomie haben davor zu weichen. Das Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 2 GG dient auch dazu, der Gefahr von Verletzungen der allgemeinen Regeln des Völkerrechts durch Gerichte der Bundesrepublik Deutschland vorzubeugen.
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d) Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage und damit die Zulässigkeit der Vorlage leiden ferner nicht darunter, daß das vorlegende Gericht Art. 22 Abs. 3 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 (BGBl. 1964 II S. 957; für die Bundesrepublik Deutschland am 11. Dezember 1964, für die Republik der Philippinen am 15. Dezember 1965 völkerrechtlich verbindlich geworden, vgl. Bek. vom 13. Februar 1965, BGBl. II S. 147, und Bek. vom 29. März 1966, BGBl. II S. 217) als möglicherweise entscheidungserheblich für die Frage der Zulässigkeit der weiteren Zwangsvollstreckung ansieht. Denn einmal ist nicht auszuschließen, worauf das vorlegende Gericht zutreffend hinweist, daß neben den dort aufgezählten Vollstreckungsbeschränkungen sich weitere Vollstreckungsbeschränkungen aus dem allgemeinen Völkerrecht ergeben. Art. 22 des Wiener Übereinkommens regelt die sogenannte Unverletzlichkeit diplomatischer Vertretungen, die von der Immunität des Entsendestaats in gerichtlichen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren grundsätzlich zu unterscheiden ist, auch wenn sich daraus zusätzliche Beschränkungen für die Art und Weise der Zwangsvollstreckung ergeben können. Das Wiener Übereinkommen selbst bekräftigt in seinem Vorspruch den Grundsatz, "daß die Regeln des Völkergewohnheitsrechts auch weiterhin für alle Fragen gelten sollen, die nicht ausdrücklich in diesem Übereinkommen geregelt sind". Zum andern sind völkervertragliche Regelungen, zumal wenn ihre Auslegung, wie hier dem vorlegenden Gericht, zu Zweifeln Anlaß gibt, im Lichte der allgemeinen Regeln und Grundsätze des Völkerrechts auszulegen und anzuwenden, die den Sachbereich der vertraglichen Regelung betreffen (vgl. die Entscheidung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs im Oder-Kommission-Fall, vom 10. September 1929, Publications de la Cour Permanente de Justice Internationale [CPJI], Serie A, No. 23, S. 26; die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs im Fall des Durchgangsrechts über indisches Territorium vom 26. November 1957, International Court of Justice [ICJ], Reports 1957, S. 142; das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 21. Juni 1971 im Namibia-Fall, ICJ Reports 1971, S. 47; Institut de Droit International, Entschließung vom 19. April 1956, Annuaire 46 [1956] S. 358 f.; Lauterpacht, Restrictive Interpretation and the Principle of Effectiveness in the Interpretation of Treaties, in: The British Year Book of International Law [BYB] 26 [1949] S. 48 ff., S. 76; Bernhardt, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge insbesondere in der neueren Rechtsprechung internationaler Gerichte, 1963, S. 136 ff., 156 ff.).
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3. Vorlagen nach Art. 100 Abs. 2 GG sind auch dann zulässig, wenn die völkerrechtliche Regel ihrem Inhalt nach nicht geeignet ist, unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen zu erzeugen, sondern sich nur an Staaten oder ihre Organe als Normadressaten wendet (BVerfGE 15, 25 [33 f.]; 16, 27 [33]). Außerhalb des Bereichs des menschenrechtlichen Mindeststandards enthält das gegenwärtige allgemeine Völkerrecht nur selten Normen, durch die subjektive Rechte oder Pflichten des privaten Einzelnen unmittelbar auf der Ebene des Völkerrechts begründet werden; sein Geltungsbereich erfaßt im wesentlichen die hoheitlichen internationalen Beziehungen zwischen Staaten und Staatenverbindungen; subjektive Rechte oder Pflichten privater Einzelner werden dabei in aller Regel nur mittelbar über das innerstaatliche Recht begründet oder berührt.
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Wenn Art. 25 Satz 2, 100 Abs. 2 GG davon sprechen, daß die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Rechte und Pflichten unmittelbar für den Einzelnen erzeugen, so sind damit einmal jene Fälle gemeint, in denen eine allgemeine Regel des Völkerrechts selbst nach ihrem Inhalt und Adressatenkreis unmittelbar, d. h. ohne einen weiteren normativen Akt etwa des innerstaatlichen Gesetzes- oder Verordnungsrechts, mithin bereits auf der Ebene des allgemeinen Völkerrechts subjektive Rechte oder Pflichten des privaten Einzelnen begründet. Aus Ziel und Zweck der Art. 25, 100 Abs. 2 GG ergibt sich indes, daß über diese Art allgemeiner Regeln hinaus für ein Vorlageverfahren auch jene allgemeinen Regeln des Völkerrechts in Betracht kommen, die nach ihrem Regelungsgehalt und Adressatenkreis subjektive Rechte oder Pflichten des privaten Einzelnen auf der Ebene des Völkerrechts nicht begründen oder verändern, sondern sich dort ausschließlich an Staaten oder sonstige Völkerrechtssubjekte richten. Kraft des generellen Rechtsanwendungsbefehls, den Art. 25 Satz 1 GG erteilt hat, sind auch diese Art allgemeiner Regeln des Völkerrechts in ihrer jeweiligen Tragweite als Bestandteil des Bundesrechts mit Vorrang vor den Gesetzen von allen rechtsetzenden und rechtsanwendenden Organen der Bundesrepublik Deutschland als Normen objektiven Rechts zu beachten und je nach Maßgabe ihres Tatbestands und Regelungsgehalts anzuwenden. Der private Einzelne - wie der fremde Staat - kann sich im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des jeweiligen Verfahrensrechts auch auf diese allgemeinen Regeln des Völkerrechts ebenso "berufen" wie auf sonstiges objektives Recht, wiewohl sie in diesem Rahmen auch ohne solche Berufung von Amts wegen zu beachten sind. Sie können sich - je nach ihrem Inhalt und in der Regel als Vorfrage - auf das rechtliche Begehren des Einzelnen als objektives Recht auswirken und damit entscheidungserheblich sein. In diesem Sinne können auch sie Rechtswirkungen für und gegen den Einzelnen erzeugen. Diese Art allgemeiner Regeln des Völkerrechts aus der Vorlagepflicht des Art. 100 Abs. 2 GG auszuschließen, würde die Gewährleistungsfunktion zugunsten der allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die Art. 100 Abs. 2 i.V.m. Art. 25 GG bewirken will, gerade für die große Mehrzahl dieser Regeln vereiteln (vgl. auch BVerfGE 23, 288 [317]). Dabei kann hier offenbleiben, ob und in welchen Fällen Art. 25 Satz 2 GG den Adressatenkreis solcher allgemeiner Regeln, die auf der Geltungsebene des Völkerrechts ausschließlich an Staaten oder sonstige Völkerrechtssubjekte, nicht aber unmittelbar auch an den privaten Einzelnen gerichtet sind, innerstaatlich erweitert, indem er zusätzlich subjektive Rechte oder Pflichten des privaten Einzelnen begründet oder verändert (vgl. Doehring, Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts und das deutsche Verfassungsrecht, 1963, S. 54 ff.). Die Zulässigkeit der Vorlage ist hiervon nicht abhängig.
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C. |
Es besteht folgende allgemeine Regel des Völkerrechts:
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Die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat aus einem gerichtlichen Vollstreckungstitel gegen einen fremden Staat, der über ein nicht-hoheitliches Verhalten (acta iure gestionis) dieses Staates ergangen ist, in Gegenstände dieses Staates, die sich im Hoheitsbereich des Gerichtsstaats befinden oder dort belegen sind, ist, soweit diese Gegenstände im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienen, ohne Zustimmung des fremden Staates unzulässig. Forderungen aus einem laufenden, allgemeinen Bankkonto der Botschaft eines fremden Staates, das im Gerichtsstaat besteht und zur Deckung der Ausgaben und Kosten der Botschaft bestimmt ist, unterliegen nicht der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat.
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Diese Regel ist Bestandteil des Bundesrechts.
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I. |
1. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgesprochen, daß nach derzeit geltendem allgemeinen Völkerrecht ein Staat nicht gehalten ist, einem fremden Staat in einem Erkenntnisverfahren gegen diesen Staat, das über dessen nicht-hoheitliches Verhalten befindet, Befreiung von der Gerichtsbarkeit zu gewähren (BVerfGE 16, 27 ff.). Der Kreis der Staaten und Gerichte, die der Doktrin der funktional begrenzten Immunität, auf der diese Rechtsprechung beruht, für das Erkenntnisverfahren folgen, hat sich mittlerweile erweitert (vgl. Foreign Sovereign Immunities Act of 1976 der Vereinigten Staaten von Amerika, Public Law 94-583 vom 21. Oktober 1976, in Kraft getreten am 19. Januar 1977, 28 United States Code § 1602 ff., 1605; Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten im Fall Dunhill v. Republic of Cuba, 96 S. Ct. 1854, 1861 ff. [1976]; Privy Council im Fall Philippine Admiral v. Wallem Shipping [Hong Kong] Ltd. [1976] 1 All E. R. 78, International Legal Materials [ILM] XV [1976] 133 - für in rem- Verfahren; englischer Court of Appeal im Fall Trendtex Trading Corp. Ltd. v. Central Bank of Nigeria [1977] 2 W.L.R. 356, ILM XVI [1977] 471 ff. [13. Januar 1977 - derzeit nicht rechtskräftig]; für das Erkenntnisverfahren zielt in die gleiche Richtung das auch von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität vom 16. Mai 1972, European Treaty Series No. 74, in Kraft getreten am 11. Juni 1976, Art. 4 ff.; vgl. Explanatory Reports on the European Convention on State Immunity and the Additional Protocol, Council of Europe, Straßburg, 1972, S. 9 ff.).
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2. Für die Zwangsvollstreckung hingegen halten zahlreiche Staaten nach wie vor an der Gewährung grundsätzlich unbeschränkter Immunität für den fremden Staat fest (zur Entwicklung der Staatenpraxis insoweit vgl. E. W. Allen, The Position of Foreign States before National Tribunals, 1933, S. 47 ff. und passim); Einschränkungen finden sich in der Praxis verschiedener Staaten
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bei der Sicherung von oder der Zwangsvollstreckung aus titulierten Rechten an unbeweglichem Vermögen, das im Vollstreckungsstaat belegen ist, in dieses Vermögen (vgl. z. B. Oberster Gerichtshof der Tschechoslowakei, Entscheidung vom 26. April 1928, Annual Digest [and Reports] of Public International Law Cases [AD] 4 [1927 bis 1928] No. 111, außer für diplomatisch genutzte Grundstücke, Entscheidung vom 28. Dezember 1929, AD 4 [1927-1928] No. 251),
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bei Sicherungs- oder Vollstreckungsmaßnahmen in Nachlässe, die im Vollstreckungsstaat belegen und dem fremden Staat angefallen sind,
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bei Sicherungs- oder Vollstreckungsmaßnahmen in Vermögensgegenstände staatlicher oder staatlich kontrollierter Wirtschaftsunternehmen aus Ansprüchen über deren privatwirtschaftliches Verhalten (vgl. Berufungsgericht Den Haag, Entscheidung vom 28. November 1968 im Fall N. V. Cabolent v. National Iranian Oil Co., Netherlands Yearbook of International Law [Netherlands Yearbook], 1970, S. 225);
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weitere Einschränkungen finden sich bei Sicherungs- oder Vollstreckungsmaßnahmen in staatliche Handelsschiffe aufgrund von Ansprüchen im Zusammenhang mit dem privatwirtschaftlichen Betrieb solcher Schiffe in den Vertragsparteien des Brüsseler Abkommens zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunitäten der Staatsschiffe vom 10. April 1926 (RGBl. 1927 II S. 483; Zusatzprotokoll vom 24. Mai 1934, RGBl. 1936 II S. 303) nach Maßgabe dieses Abkommens, während andere Staaten insoweit in der Regel auf die Geltendmachung der Immunität verzichten (so zum Beispiel die Vereinigten Staaten von Amerika, vgl. Hackworth, Digest of International Law, 2 [1941] 438 f.).
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Für jene Staaten, die grundsätzlich unbeschränkte Immunität bereits im Erkenntnisverfahren gewähren, folgt dies regelmäßig als tatsächliches Ergebnis dieser Art Immunität; sie verwehrt es, falls der fremde Staat sich der Gerichtsbarkeit nicht unterwirft, einen gerichtlichen Vollstreckungstitel zu erlangen. Aber auch zahlreiche derjenigen Staaten, die dem fremden Staat im Erkenntnisverfahren eine Befreiung von ihrer Gerichtsbarkeit nur für Klagen in bezug auf hoheitliches Verhalten (acta iure imperii) gewähren, halten grundsätzlich am Ausschluß der Zwangsvollstreckung gegen den fremden Staat fest, gleichgültig, ob der Titel, dessen Vollstreckung im Gerichtsstaat in Betracht kommt, ein nicht-hoheitliches Verhalten des fremden Staates betrifft, oder ob die Gegenstände, in die eine Vollstreckung in Betracht kommt, nicht-hoheitlichen oder ausschließlich kommerziellen Zwecken, wie auch Private sie verfolgen, dienen (vgl. zum Beispiel Schwedisches Reichsgericht, Entscheidung vom 13. April 1944, AD 12 [1943-1945] No. 31; Oberster Gerichtshof von Norwegen, Entscheidung vom 12. November 1949, AD 17 [1950] No. 42; allgemein vgl. Lauterpacht, The problem of jurisdictional immunities of foreign states, BYB 28 [1951] 220 ff., 250 ff.; Schaumann, BerDGVR a.a.O., S. 130 f., Habscheid, BerDGVR a.a.O., S. 251; Venneman, L'immunite d'execution de l'Etat etranger, in: L'immunite de juridiction et d'execution des Etats, [1971], S. 119 ff.). Diese Praxis steht mit dem Völkerrecht im Einklang, denn das allgemeine Völkerrecht verwehrt nicht, fremden Staaten, sei es im Erkenntnisverfahren, sei es im Vollstreckungsverfahren, unbeschränkte Immunität zu gewähren. Daß das allgemeine Völkergewohnheitsrecht für das Erkenntnisverfahren eine Mindestverpflichtung enthält, nämlich in bezug auf acta iure imperii Immunität zu gewähren, bedeutet nicht schon, daß es auch für die Zwangsvollstreckung nur eine begrenzte Immunität geböte. Denn Maßnahmen der Sicherung und der Zwangsvollstreckung greifen in der Regel sehr viel unmittelbarer und einschneidender in die Ausübung der Hoheitsgewalt des fremden Staates ein als gerichtliche Erkenntnisse. Es ist daher gesondert zu prüfen, ob und inwieweit allgemeine Regeln des Völkerrechts der Zwangsvollstreckung entgegenstehen.
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3. Um eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG zu bekunden, müßte es sich bei der erwähnten Praxis zahlreicher Staaten im Bereich der Zwangsvollstreckung um eine gefestigte Praxis handeln, die von den Staaten allgemein in der Überzeugung geübt wird, dazu von Völkerrechts wegen verpflichtet zu sein (vgl. Art. 38 Abs. 1 [b] des Statuts des Internationalen Gerichtshofs; CPJI, Serie A No. 10, S. 28 - Lotus- Fall; ICJ, Reports 1950, S. 276 - diplomatisches Asyl-Fall; Reports 1951, S. 131 - norwegischer Fischereistreit; Reports 1969, S. 41 ff. - Festlandsockel-Fall; BVerfGE 15, 25 [35]; 16, 27 [52]; Verdross, Die Quellen des universellen Völkerrechts, 1973, S. 95 ff.; Geck, Das Bundesverfassungsgericht und die allgemeinen Regeln des Völkerrechts in Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, 1976, II, S. 125 ff., 132 f.).
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Bei der Ermittlung von Normen des Völkergewohnheitsrechts ist in erster Linie auf das völkerrechtlich erhebliche Verhalten derjenigen Staatsorgane abzustellen, die kraft Völkerrechts oder kraft innerstaatlichen Rechts dazu berufen sind, den Staat im völkerrechtlichen Verkehr zu repräsentieren. Daneben kann sich eine solche Praxis aber auch in den Akten anderer Staatsorgane, wie des Gesetzgebers oder der Gerichte bekunden, zumindest soweit ihr Verhalten unmittelbar völkerrechtlich erheblich ist, etwa zur Erfüllung einer völkerrechtlichen Verpflichtung oder zur Ausfüllung eines völkerrechtlichen Gestaltungsspielraums dienen kann. Für Entscheidungen nationaler Gerichte gilt dies zumal dort, wo, wie im Bereich der gerichtlichen Immunität fremder Staaten, das innerstaatliche Recht den nationalen Gerichten die unmittelbare Anwendung von Völkerrecht gestattet.
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4. In dem hier in Frage stehenden Bereich fehlt es indes an einer Übung, die derzeit noch hinreichend allgemein sowie von der notwendigen Rechtsüberzeugung getragen wäre, um eine allgemeine Regel des Völkergewohnheitsrechts zu begründen, derzufolge dem Gerichtsstaat die Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat schlechthin verwehrt wäre. Eine Prüfung der einschlägigen Staatenpraxis ergibt, daß eine nicht unbedeutende Zahl von Staaten Sicherungs- und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen fremde Staaten zulassen, wenngleich unter bestimmten Voraussetzungen und Einschränkungen hinsichtlich der Rechtsnatur des dem Vollstreckungstitel zugrundeliegenden materiellen Rechts, der Gegenstände, in die vollstreckt werden darf, sowie der Art und Weise der Durchführung der Vollstreckungsmaßnahmen.
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a) Die italienische Rechtsprechung läßt seit längerem Vollstreckungsmaßnahmen gegen fremde Staaten im Bereich der acta iure gestionis zu. Bereits im Jahre 1887 hielt das Berufungsgericht Lucca im Falle Hamspohn c. Bey di Tunisie ed Erlanger (American Journal of International Law [AJIL] 26 [1932] supp. S. 713 f.) einen Pfändungsbeschluß in Guthaben, die der tunesische Staat in Italien unterhielt, für zulässig. Im gleichen Sinne entschied der Kassationshof des Königreichs Italien im Jahre 1926 im Falle Stato di Rumania c. Trutta (AJIL 26 [1932] suppl. S. 711 f.); es sei unzweifelhaft, daß mit Ausnahme von Gegenständen, die für das Funktionieren der öffentlichen Verwaltung des fremden Staates unerläßlich seien, alles Eigentum der öffentlichen Hand der Vollstreckung unterworfen sei.
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Das Gesetzesdekret Nr. 1621 vom 30. August 1925 (Raccolta Ufficiale delle Leggi e dei Decreti del Regno d'Italia, 1925 VIII, S. 8109), das mit Abänderungen in das Gesetz Nr. 1263 vom 15. Juli 1926 (a.a.O. 1926 III, S. 2930) übergeleitet worden ist, macht die Zulässigkeit von Sicherungs- und Vollstreckungsmaßnahmen in Vermögensgegenstände fremder Staaten von der vorherigen Zustimmung des Justizministers abhängig und gibt damit zu erkennen, daß solche Maßnahmen nicht schlechterdings als völkerrechtswidrig zu betrachten sind.
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Der italienische Verfassungsgerichtshof war aus Anlaß des Falles Amministrazione del Governo Britannico e Comune di Venezia c. Guerrato mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes befaßt. Darin ging es um die Zulässigkeit der Vollstreckung in ein der britischen Regierung gehörendes Ausstellungsgebäude in Venedig. Das Tribunale di Venezia (Entscheidung vom 25. August 1959, Rivista di Diritto Internazionale XLII [1959] 618) hatte Zweifel an einer völkerrechtlich zu begründenden unbeschränkten Immunität fremder Staaten im Vollstreckungsverfahren und legte die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vom 15. Juli 1926 dem Verfassungsgerichtshof vor. Es erblickte in diesem Gesetz für den Fall, daß das Völkerrecht die Zwangsvollstreckung gegen fremde Staaten schlechthin verbiete, einen Verstoß gegen Art. 10 der italienischen Verfassung, der bestimmt, daß "l'ordinamento italiano si conforma alle norme di diritto internazionale generalmente riconosciute". Mit Entscheidung vom 13. Juli 1963 (Sentenze e Ordinanze della Corte Costituzionale II [1963] 572 [579]) verneinte der Verfassungsgerichtshof eine Verletzung des Art. 10 der Verfassung, weil in der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre der verschiedenen Länder keine Übereinstimmung der Tendenzen und Systeme bestehe, die die Befreiung von den Verfahren zur Sicherung und Zwangsvollstreckung in Vermögensgegenstände betreffen, welche fremden Staaten gehören und nicht für Funktionen bestimmt sind, die zur Ausübung ihrer Souveränität rechneten.
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b) Die Rechtsprechung der schweizerischen Gerichte läßt gleichfalls seit längerem Arrestverfahren gegen fremde Staaten aus privatrechtlichen Ansprüchen (iure gestionis) in Vermögensgegenstände, die nicht hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienen, zu. Das Arrestverfahren ist ein verkürztes Erkenntnisverfahren, das vorläufige Maßnahmen zur Sicherung des Anspruchs gestattet.
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Das schweizerische Bundesgericht hielt im Falle K. k. Österreichisches Finanzministerium gegen Dreyfus mit Urteil vom 13. März 1918 (Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts, Amtliche Sammlung [BGE] 44 I 49 ff.) die Arrestierung von Guthaben des österreichischen Staates bei einer schweizerischen Bank wegen Rückzahlung von Staatsschatzanweisungen für zulässig. Das österreichische Finanzministerium habe bei Ausgabe der Schatzanweisungen iure gestionis gehandelt; mithin sei "für die Belangung des Staates mit Einschluß hierauf abzielender Sicherungsmaßnahmen wie ein Arrestschlag" die schweizerische Gerichtsbarkeit nicht ausgeschlossen.
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In einer Stellungnahme in diesem Verfahren hat das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartment ausgeführt, es sei "eine äußerst bestrittene Frage, ob und wie weit ein ausländischer Staat, wo er nicht als Träger von Hoheitsrechten, sondern als Rechtssubjekt des Privatrechts auftritt, der inländischen Gerichtsbarkeit unterworfen werden kann". Es gebe Fälle, wo eine solche Unterstellung auch gegen den Willen des fremden Staates erfolgen könne; andererseits sei eine Gerichtsbarkeit über einen fremden Staat wenigstens dann ausgeschlossen, wenn es sich um Akte der Staatsgewalt handle. Jedenfalls dürfe bei einer Zwangsvollstreckung oder einem Arrest der fremde Staat nicht einfach wie irgendein Privater behandelt werden. Im vorliegenden Fall handle es sich um Staatsgelder, die der Erfüllung staatlicher Aufgaben dienten; ihre Arrestierung sei, abgesehen von der mangelnden Beziehung zum schweizerischen Staatsgebiet, deshalb unstatthaft (vgl. Guggenheim, Repertoire suisse de droit international public [Repertoire suisse], 1 [1975] Rdnr. 3.12).
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In Reaktion auf dieses Urteil erließ der Schweizerische Bundesrat während des Ersten Weltkriegs am 12. Juli 1918, gestützt auf außerordentliche Vollmachten zum Schutz des Landes und zur Aufrechterhaltung der Neutralität, einen Beschluß, der Arreste und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Vermögen fremder Staaten untersagte (Amtliche Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft [AS] Bd. 34, S. 775; Gmür, Zur Frage der gerichtlichen Immunität fremder Staaten und Staatsunternehmungen, Schweizerisches Jahrbuch für Internationales Recht, VII [1950] 9 ff., 47 ff.). 1923 unterbreitete er einen entsprechenden Gesetzentwurf. In der Begründung hieß es, daß kein Staat der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates unterliege oder dessen Zwangsvollstreckung unterworfen werden dürfe. Die Bundesversammlung lehnte es jedoch ab, sich mit diesem Gesetzentwurf weiter zu befassen, weil sie die Beachtung der völkerrechtlichen Grenzen bei der Zwangsvollstreckung durch die schweizerischen Gerichte für ausreichend gewährleistet ansah (vgl. Repertoire suisse, a.a.O., Rdnrn. 3.17-3.19). Der Bundesratsbeschluß vom 12. Juli 1918 wurde am 8. Juli 1926 aufgehoben (AS Bd. 42, S. 285).
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In der Stellungnahme vom 29. April 1928 auf eine Anfrage des Völkerbunds zur Frage der Gerichtsbarkeit über fremde Staaten sprach sich die Schweiz zwar grundsätzlich gegen die Zulässigkeit von Sicherungs- und Vollstreckungsmaßnahmen aus, das Expose des Justizdepartment stellte dazu aber fest, daß dies kein allgemein anerkannter Grundsatz sei (Repertoire suisse, a.a.O., S. 403, 400).
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Das Bundesgericht hielt im Falle Hellenische Republik gegen Walder u. a. mit Urteil vom 28. März 1930 (BGE 56 I 237 ff.) an seiner Auffassung fest, daß für Ansprüche aus acta iure gestionis Sicherungsmaßnahmen in Form des Arrests zulässig seien, sah jedoch für das anhängige Verfahren die schweizerische internationale Zuständigkeit (mangels hinreichender Beziehung des Streitgegenstands zum schweizerischen Hoheitsbereich) nicht als gegeben an.
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Das Obergericht Zürich hielt mit Entscheidung vom 30. September 1937 (AD 10 [1941-1942] No. 60) die Arrestierung von Guthaben des rumänischen Staates bei der Schweizerischen Nationalbank für zulässig. Gesetzesvorschriften, die den Arrest und die folgende Zwangsvollstreckung behinderten, bestünden nicht, desgleichen nicht eine dahingehende Gerichtspraxis in der Schweiz.
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Am 24. Oktober 1939, nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, erließ der Bundesrat neuerlich einen Beschluß, gestützt auf den Bundesratsbeschluß zum Schutz des Landes und zur Aufrechterhaltung der Neutralität, demzufolge Vermögen, das einem fremden Staat gehörte, nur mit Zustimmung des Bundesrats mit Arrest belegt oder der Zwangsvollstreckung unterworfen werden durfte (vgl. Art. 2 des Beschlusses, AS Bd. 55, S. 1296); diese Regelung wurde nach Kriegsende mit Bundesratsbeschluß vom 3. September 1948 (AS 1948, S. 962) aufgehoben.
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Unter Anknüpfung an seine frühere Rechtsprechung entschied das Bundesgericht im Falle Royaume de Gr Bär & Cie mit Urteil vom 6. Juni 1956 (BGE 82 I 75 ff.), die Sequestrierung aller Konten und Guthaben des griechischen Staates und seiner Ministerien bei verschiedenen Genfer Banken sei nicht mangels Gerichtsbarkeit unzulässig. Die Entscheidung lehnt die Auffassung ausdrücklich ab, daß für das Vollstreckungsverfahren kraft Völkerrechts unbeschränkte Immunität gewährt werden müsse. Die gesamte völkerrechtliche Entwicklung gehe vielmehr immer weiter dahin, die Vollstreckung im Bereich der acta iure gestionis zuzulassen.
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Im Falle Republique Arabie Unie c. dame X hielt das Bundesgericht mit Urteil vom 10. Februar 1960 (BGE 86 I 23 ff.) die Arrestierung von Guthaben und Akkreditiven der Vereinigten Arabischen Republik bei einer schweizerischen Bank für zulässig. Da die mit Beschlag belegten Vermögenswerte zum Zeitpunkt der Arrestierung nicht mehr für einen bestimmten Zweck gewidmet gewesen seien, sei die Sicherungsmaßnahme nicht nach Völkerrecht unzulässig.
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c) Die belgischen Gerichte haben lange Zeit ausnahmslos an der uneingeschränkten Immunität fremder Staaten im Vollstreckungsverfahren festgehalten (vgl. die Nachweise bei Suy, Immunity of States before Belgian Courts and Tribunals, in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht [ZaöRV] 27 [1967] 660 [684 ff.]; ders., L'immunite des Etats dans la jurisprudence belge, in: L'immunite de juridiction et d'execution des Etats, S. 279 [305 ff.]). Im Falle Socobelge c. Etat hellenique (Journal du Droit International [Clunet] 79 [1952] 244; International Law Reports [ILR] 18 [1951] No. 2) jedoch hat das Zivilgericht Brüssel mit Entscheidung vom 30. April 1951 die Pfändung von Guthaben des griechischen Staates und der Bank von Griechenland bei Banken und Unternehmen in Belgien für zulässig erklärt. Die zugrundeliegenden Zahlungsansprüche betrafen Schuldverschreibungen, die der griechische Staat im Rahmen eines Vertrags vom 27. August 1925 mit der belgischen Gesellschaft Socobelge über die Errichtung und Ausbesserung von Eisenbahnanlagen sowie die Lieferung von Eisenbahnmaterial begeben hatte; über Rechtsstreitigkeiten sollte eine Schiedskommission abschließend entscheiden. Nachdem die griechische Regierung 1932 die Bedienung ihrer Staatsschulden eingestellt hatte, erwirkte Socobelge zwei Schiedssprüche, von denen der zweite den griechischen Staat zur Zahlung von 6 771 868 US-Dollar in Gold nebst 5 v. H. Zinsen verurteilt hatte. Als Griechenland weiterhin die Zahlung im wesentlichen verweigerte und der Streit auch auf diplomatischem Wege nicht beigelegt werden konnte, rief Belgien den Ständigen Internationalen Gerichtshof an, der mit Urteil vom 15. Juni 1939 erklärte, daß die Schiedssprüche endgültig und bindend seien (Societe Commerciale de Belgique, CPJI Serie A/B No. 78, S. 22). 1950 erwirkte Socobelge aus den Schiedssprüchen die vorläufige Pfändung von Guthaben, die die griechische Regierung und die Bank von Griechenland bei Banken und Unternehmen in Belgien hatten. Das Zivilgericht Brüssel sah sich weder durch Völkerrecht noch durch comitas gentium gehindert, die Pfändungsmaßnahmen zu bestätigen (nach Colliard, Revue Critique de Droit International Prive 41 [1952] S. 124, stammten die gepfändeten Guthaben aus Mitteln der Marshallplanhilfe für Griechenland und wurden später aus anderen Gründen wieder freigegeben).
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d) Der niederländische Oberste Gerichtshof stellte im Falle Societe Europeenne d'Etudes et d'Entreprises en liqu. vol. (SEEE) c. Yugoslavia (Entscheidung vom 26. Oktober 1973, Netherlands Yearbook, 1974, S. 290 ff.; ILM XIV [1975] 71 ff.) wie schon das Berufungsgericht Den Haag (Entscheidung vom 8. September 1972, Netherlands Yearbook 1973, S. 390) fest, daß die Vollstreckung eines Schiedsurteils über einen Anspruch aus einem Verhalten iure gestionis des fremden Staates nur dann mit dem Völkerrecht in Widerspruch stünde, wenn das Völkerrecht jede Zwangsvollstreckung in Vermögenswerte eines fremden Staates verwehrte; eine solche Regel des Völkerrechts bestehe indes nicht. (Die Vollstreckung wurde später vom Berufungsgericht aus anderen Gründen für unzulässig erklärt, Entscheidung vom 25. Oktober 1974, Netherlands Yearbook 1975, S. 374 ff.).
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e) Der österreichische Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 13. Jänner 1954 (Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshof n.F. 9 [1954] 1. Halbjahr, Finanzrechtlicher Teil, Nr. 869) in einem Verwaltungsverfahren zur Einziehung von rechtswidrig in Verkehr gebrachtem Branntwein, der aus einem Betrieb stammte, der unter der Verwaltung der Sowjetunion stand, die Berufung auf Immunität gegen den Einziehungsbescheid der Finanzbehörden mit folgender Begründung zurückgewiesen: "Nun ist es allerdings ein allgemein anerkannter Grundsatz des Völkerrechtes, daß auswärtige Staaten, soweit sie als Hoheitsträger auftreten, im Inland weder der Gerichtshoheit noch der Verwaltungshoheit unterliegen. Dagegen ist es weder in der Lehre noch in der Übung des Völkerrechtes noch in der Rechtsprechung der staatlichen Organe der Mitglieder der Völkerrechtsgemeinschaft allgemein anerkannt, daß ein auswärtiger Staat, wenn er im Inland als Träger von Privatrechten auftritt, insbesondere wenn er dort wirtschaftliche Betriebe unterhält, in den Angelegenheiten dieser privatrechtlichen Beziehungen und dieser wirtschaftlichen Betriebe von der inländischen Staatshoheit ausgenommen sein soll." Das müsse auch von der Verwaltungshoheit gelten.
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f) Auch der neueren französischen Rechtsprechung dürfte zu entnehmen sein, daß sie Sicherungs- und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen fremde Staaten aus Ansprüchen in bezug auf ein Verhalten iure gestionis nicht mehr schlechterdings kraft allgemeinen Völkerrechts für unzulässig ansieht. Während die französische Regierung wie die französischen Gerichte in früheren Jahren ganz überwiegend der Lehre von der absoluten Immunität im Vollstreckungsverfahren folgten (vgl. die zahlreichen Nachweise in: Kiss, Repertoire de la pratique francaise en matiere de droit international public, III [1965] Rdnrn. 319 ff.) und Abweichungen von dieser Praxis wohl als Ausnahmen, die an dieser grundsätzlichen Einstellung nichts änderten, anzusehen waren (vgl. als Beispiele für solche Ausnahmen die Fälle Etat roumain c. Pascalet et Cie., Handelsgericht Marseille, Ordonnance vom 12. Februar 1924, Kiss, a.a.O., Rdnr. 366; USSR c. Association France Export, Kassationshof, Urteil vom 19. Februar 1929, AD 5 [1929-1930] No. 7; Procureur General pres la Cour de Cassation c. Vestwig et al., Kassationshof, Urteil vom 5. Februar 1947, AD 13 [1946] No. 32), lassen sich die Entscheidungen des Kassationshofs in den Fällen Englander c. Statni Banka Ceskoslovenska (Urteil vom 11. Februar 1969, Clunet 96 [1969] S. 923 f.) und Clerget c. Representation commerciale de la Republique democratique du Viet-Nam (Urteil vom 2. November 1971, Clunet 99 [1972] S. 267 f.) dahin deuten, daß der Kassationshof Sicherungs- und Vollstreckungsmaßnahmen in Vermögensgegenstände eines fremden Staates oder seiner Organe dann nicht als durch allgemeines Völkerrecht verwehrt ansähe, wenn Ursprung und Verwendungszweck dieser Gegenstände im Verfahren als privatwirtschaftlich bestimmt werden könnten.
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g) Griechische Gerichte haben Vollstreckungsmaßnahmen gegen fremde Staaten zugelassen, sofern privatrechtliche Ansprüche zugrunde lagen; so der Gerichtshof von Athen 1928 (AD 4 [1927 bis 1928] No. 109, auf Rechtsmittel hin vom Areopag bestätigt) die Pfändung von Eigentum der sowjetischen Regierung aufgrund eines Anspruchs aus einem Kaufvertrag - im Abschluß des Vertrages hatte das Gericht zusätzlich eine Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit Griechenlands erblickt - und das Berufungsgericht Athen anläßlich einer Räumungsklage (Entscheidung No. 1690/1949, Revue Hellenique de Droit International 3 [1950] S. 331). Ähnlich wie die Gesetzgebung der Schweiz und Italiens machte das griechische Gesetz vom 17. Dezember 1938 (Notstandsgesetz 1519/1938, Art. 1, § 1) die innerstaatliche Zulässigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen gegen fremde Staaten von der vorherigen Zustimmung des Justizministers abhängig.
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h) Bedeutsam ist die Wendung, die unlängst die Vereinigten Staaten von Amerika in der Frage der Immunität fremder Staaten mit dem Erlaß des Foreign Sovereign Immunities Act of 1976 eingeschlagen haben. Auch in den Vereinigten Staaten rechnet das Vollstreckungsverfahren zur Gerichtsbarkeit (vgl. Alexy, Die Immunität fremder Staaten vor amerikanischen Gerichten, Diss. Heidelberg, 1960, S. 186). Abgesehen vom sog. attachment- Verfahren, das der Sache nach nicht ein Vollstreckungsverfahren ist, sondern Maßnahmen zur Begründung des Gerichtsstandes für bestimmte Verfahrensarten ermöglicht (vgl. Weilamann v. Chase Manhattan Bank, 192 N.Y.S. 2 d 469 [S. Ct. N.Y.] [1959]), hat die amerikanische Rechtsprechung auch noch nach dem Übergang des State Department zur Lehre von der eingeschränkten Immunität im Erkenntnisverfahren im Anschluß an den Tate letter vom 19. Mai 1952 (Department of State Bulletin 26 [1952] 984; dazu BVerfGE 16, 27 [48 f.]) bis zum Inkrafttreten des Foreign Sovereign Immunities Act of 1976 jedenfalls für das Vollstreckungsverfahren im eigentlichen Sinn an der grundsätzlich unbeschränkten Immunität fremder Staaten festgehalten (vgl. Dexter and Carpenter, Inc. v. Kunglig Jarnvagsstyrelsen, 43 F. 2 d 705 [1930], cert. den. 282 U. S. 896 [1930]; New York and Cuba Mail Steamship Company v. Republic of Korea, 132 F. Supp. 684 [1955]; Weilamann v. Chase Manhattan Bank, a.a.O., 473; Stellungnahme des State Department im Falle Industria Azucarera Nacional S. A. v. Empresa Navegacion Mambisa, ILM XIII [1974] 120 ff., 139; Whiteman, Digest of International Law, 6 [1968] 709 ff.; vgl. aber auch Harris & Co. Advertising, Inc. v. Republic of Cuba, 127 So. 2 d 687, 692 ff. [1961]; Berlanti Construction Co., Inc. v. Republic of Cuba, 145 So. 2 d 256, 258 [1962]). Nach dem Foreign Sovereign Immunities Act of 1976 genießen fremde Staaten vor den Gerichten der Vereinigten Staaten fortan auch im Vollstreckungsverfahren nicht mehr schlechthin unbegrenzte Immunität. Sec. 1604, 1609 legen zwar als Grundsatz die Immunität des fremden Staates im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren fest; Sec. 1605 ff., 1610 f. sehen aber weitreichende Ausnahmen von diesem Grundsatz vor. Für das Erkenntnisverfahren fallen unter diese Ausnahmen zumal Verfahren
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"in which the action is based upon a commercial activity carried on in the United States by the foreign state; or upon an act performed in the United States in connection with a commercial activity of the foreign state elsewhere; or upon an act outside the territory of the United States in connection with a commercial activity of the foreign state elsewhere and that act causes a direct effect in the United States" (Sec. 1605 [a] [2])
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sowie grundsätzlich Klagen gegen den fremden Staat auf Schadensersatz in Geld wegen deliktischen Verhaltens (einschließlich der Gefährdungshaftung) des fremden Staates, seiner Amtsträger oder Bediensteten, soweit sie im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeiten handeln (Sec. 1605 [1] [5]).
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Die Ausnahmen von der Immunität fremder Staaten im Vollstreckungsverfahren sind in Sec. 1610 (a) festgelegt; sie lautet:
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"(a) The property in the United States of a foreign state, as defined in section 1603 (a) of this chapter, used for a commercial activity in the United States, shall not be immune from attachment in aid of execution, or from execution, upon a judgment entered by a court of the United States or of a State after the effective date of this Act, if - (1) the foreign state has waived its immunity from attachment in aid of execution or from execution either explicitly or by implication, notwithstanding any withdrawal of the waiver the foreign state may purport to effect except in accordance with the terms of the waiver, or (2) the property is or was used for the commercial activity upon which the claim is based, or (3) the execution relates to a judgment establishing rights in property which has been taken in violation of international law or which has been exchanged for property taken in violation of international law, or (4) the execution relates to a judgment establishing rights in property - (A) which is acquired by succession or gift, or (B) which is immovable and situated in the United States: Provided, That such property is not used for purposes of maintaining a diplomatic or consular mission or the residence of the Chief of such mission, or (5) the property consists of any contractual obligation or any proceeds from such a contractual obligation to indemnify or hold harmless the foreign state or its employees under a policy of automobile or other liability or casualty insurance covering the claim which merged into the judgment." |
Sec. 1610 (b) erweitert diese Ausnahmen von der Vollstreckungsimmunität gegenüber einem "agency or instrumentality" eines fremden Staates noch insofern, als er die Zulässigkeit der Vollstreckung nicht von dem in Sec. 1610 (a) (2) geforderten Zusammenhang zwischen dem Vermögensgegenstand, in den vollstreckt wird, der kommerziellen Betätigung und dem zugrundeliegenden Anspruch abhängig macht.
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Die Regelungen des Gesetzes bekunden damit die Hinwendung der Vereinigten Staaten von Amerika zur Lehre von der beschränkten Immunität fremder Staaten im Erkenntnis- wie im Vollstreckungsverfahren, und zwar gerade auch bei in personam- Verfahren, in denen der fremde Staat unmittelbar als Partei eines Erkenntnis- oder als Schuldner eines Vollstreckungsverfahrens in Anspruch genommen wird. Mag es für die frühere Rechtsprechung der Gerichte der Vereinigten Staaten nicht unzweifelhaft sein, inwieweit sie als Ausdruck auch völkerrechtlicher Gebundenheit und nicht lediglich als comitas gentium zu werten ist (vgl. Alexy, Der Einfluß der Exekutive und innerstaatlicher Rechtsgrundsätze auf die amerikanische Rechtsprechung zur Immunität fremder Staaten, ZaöRV 22 [1962] 661, 670 ff.); bei den Regelungen, die nunmehr der Foreign Sovereign Immunities Act of 1976 getroffen hat, spricht alles dafür, daß sie bewußt im Hinblick auch auf die Mindestverpflichtungen erlassen wurden, die das allgemeine Völkerrecht auferlegt, mag die Ausgestaltung des Gesetzes mitunter auch darüber hinausgehen und den fremden Staat günstiger stellen als nach allgemeinem Völkerrecht geboten. Darauf deutet einmal, daß es nach dem Inkrafttreten des Gesetzes fortan allein Sache der Gerichte ist, über Immunitätsfragen nach rechtlichen Maßstäben zu befinden. Es wird weiter belegt durch die Stellungnahmen des State Department, des Justizministeriums und der Kongreßausschüsse in den Vorarbeiten zu dem Gesetz. Darin heißt es, es sei das zentrale Anliegen des Gesetzes, daß Entscheidungen über die Inanspruchnahme von Immunität durch fremde Staaten am besten von den Gerichten auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung getroffen werden sollten, die Maßstäbe inkorporiere, die nach internationalem Recht anerkannt seien (vgl. Section-by-Section Analysis, Einleitung und zu Sec. 1602, Anlage zu den Übermittlungsschreiben des Justizministeriums und des State Department an den Präsidenten des Senats und den Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses des Kongresses vom 31. Oktober 1975, ILM XV [1976] 88 ff., 102, 104; United States Congress, House of Representatives, 94th Congress, 2 d Session, Report No. 94-1487 [Rechtsausschuß], ILM, a.a.O. S. 1398 ff., 1401 ff.).
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i) Die deutsche Rechtsprechung vor 1945 hat fremden Staaten grundsätzlich unbeschränkte Immunität auch im Vollstreckungsverfahren eingeräumt, weil eine Regel des Völkergewohnheitsrechts dazu verpflichte (vgl. Königlich preußischer Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, Urteil vom 25. Juli 1910, JbÖffR V [1911] 252 ff. - Hellfeld-Fall; Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, Erkenntnis vom 29. Mai 1920, JW 1921, S. 773 f.; Erkenntnis vom 4. Dezember 1920, JW 1921, S. 1480 f. und Erkenntnis vom 12. März 1921, JW 921, S. 1481 ff.; anders, beiläufig, nur OLG Hamburg, Urteil vom 30. Mai 1923, Leipziger Zeitschrift für deutsches Recht, 1923, Sp. 615 ff.). Diese Auffassung war nicht zuletzt eine Folge der Gewährung grundsätzlich unbeschränkter Immunität im Erkenntnisverfahren (vgl. die Nachweise in BVerfGE 16, 27 [34 f.]).
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Die nach 1945 ergangenen Entscheidungen, soweit sie bekanntgeworden sind, betreffen fast ausnahmslos Fragen der Immunität im Erkenntnisverfahren (vgl. BVerfGE 15, 25 ff.; 16, 27 ff. jeweils mit Nachweisen) oder der persönlichen Immunität von Personen im Sinne der §§ 18, 19 GVG früherer Fassung (so Amtsgericht Bonn, Beschluß vom 10. Juni 1960, Archiv des Völkerrechts 9 [1961/1962] 485).
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Neben den im Vorlagebeschluß erwähnten Entscheidungen des Amtsgerichts Bonn hatte auch das Landgericht Stuttgart (Beschluß vom 21. September 1971, IPRspr. 1971, Nr. 129, S. 389 ff.) über Fragen der Immunität fremder Staaten in der Zwangsvollstreckung zu befinden. In diesem Verfahren hatte der Gläubiger aufgrund eines vollstreckbaren Versäumnisurteils beim Rechtspfleger einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß gegen den spanischen Staat erwirkt, durch den die angeblichen gegenwärtigen, künftigen und bedingten Ansprüche des spanischen Staates gegen die Deutsche Bank, Stuttgart, und den Banco Espa$ol en Alemania, Frankfurt, gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen worden waren. Das Amtsgericht Stuttgart hatte den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß aufgehoben; das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Gläubigers zurückgewiesen, weil die Pfändung der Konten einer allgemeinen Regel des Völkerrechts widerspreche, wonach die Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines fremden Staates, das hoheitlichen Zwecken gewidmet ist, unzulässig sei. Den Gründen der Entscheidung läßt sich entnehmen, daß das Landgericht Vollstreckungsmaßnahmen gegen fremde Staaten nicht schlechthin kraft allgemeinen Völkerrechts für unzulässig hält; es folgt vielmehr der Lehre von der doppelt beschränkten Immunität, die eine Vollstreckung von Völkerrechts wegen dann nicht für ausgeschlossen erachtet, wenn sie aus Titeln über nicht-hoheitliche Ansprüche in Gegenstände erfolgt, die nicht hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienen. Im entschiedenen Fall nahm das Landgericht an, daß die gepfändeten Konten, die auf den Namen des spanischen Konsulats in Stuttgart und den des spanischen Generalkonsulats in Frankfurt am Main geführt wurden, hoheitlichen Zwecken des Schuldners dienten.
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Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 2. Dezember 1975 (NJW 1976, S. 1044 ff.; ILM XVI [1977] 501 ff.) die deutsche Gerichtsbarkeit für den Erlaß eines dinglichen Arrests gegen die Zentralbank von Nigeria bejaht. Es hat dahinstehen lassen, ob die Antragsgegnerin als eine rechtlich unselbständige Behörde des nigerianischen Staates oder als selbständige juristische Person anzusehen sei. Da die zu sichernde Forderung der Antragstellerin aus einem rechtsgeschäftlichen Handeln der Bank entspringe, könnte die Antragsgegnerin auch als unselbständige Behörde des Staates Nigeria die Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit nicht mit Erfolg beanspruchen. Das Landgericht stellt fest, daß die eingeschränkte Immunität des fremden Staates gegenüber einer Inanspruchnahme als Schuldner im Gerichtsstaat auch für die Beurteilung der Zulässigkeit des Arrestverfahrens als eines summarischen Erkenntnisverfahrens und für die Vollstreckung der von dem Gläubiger begehrten gerichtlichen Anordnung gelte. Soweit die Gerichtsbarkeit reiche, sei auch der dingliche Arrest in inländische Vermögensgegenstände eines fremden Staates zulässig. Der Zwangsvollstreckung aus einem Arrest seien lediglich diejenigen Sachen entzogen, welche als solche dem öffentlichen Dienst des fremden Staates gewidmet seien. Im vorliegenden Fall richte sich das Arrestbegehren jedoch gegen Geld- und Wertpapierkonten der Antragsgegnerin in der Bundesrepublik Deutschland, also Gegenstände, die nicht "im öffentlichen Dienst" der Antragsgegnerin stünden. Eine mögliche zukünftige Verwendung dieser Gegenstände zur Finanzierung staatlicher Aufgaben vermöchte keine sachliche Immunität zu begründen.
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5. Die Vertragspraxis einer nicht geringen Zahl von Staaten läßt erkennen, daß die Zwangsvollstreckung in Vermögensgegenstände fremder Staaten durch den Gerichtsstaat nicht als schlechterdings unvereinbar mit dem allgemeinen Völkerrecht angesehen wird. Eine Reihe mehrseitiger und zahlreiche zweiseitige Verträge enthalten Regelungen der Gerichtshoheit, einschließlich der Vollstreckungshoheit, in bezug auf staatliche oder staatlich betriebene Handelsschiffe, staatliche oder staatlich kontrollierte Wirtschaftsunternehmen mit oder ohne eigene Rechtsfähigkeit sowie in bezug auf staatliche Handelsmissionen. Diese Regelungen gestatten im allgemeinen, aus Titeln, die aufgrund eines gerichtlichen Erkenntnisverfahrens über Ansprüche aus privatwirtschaftlichem Verhalten gegen den staatlichen oder staatlich kontrollierten Schuldner ergehen, die Zwangsvollstreckung in dessen Vermögensgegenstände, die nicht hoheitlichen Zwecken dienen, zu betreiben. Mitunter wird ein Sachzusammenhang zwischen dem materiellen, titulierten Recht und dem Vollstreckungsgegenstand verlangt; zum Teil bestehen Einschränkungen in bezug auf Sicherungsmaßnahmen, soweit sie ohne vorheriges ordentliches Erkenntnisverfahren ergehen.
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a) Das Internationale Abkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunitäten der Staatsschiffe vom 10. April 1926, das von Deutschland ratifiziert worden ist (RGBl. 1927 II S. 484, mit Zusatzprotokoll vom 24. Mai 1934, RGBl. 1936 II S. 303, für Deutschland völkerrechtlich verbindlich seit 8. Januar 1937, Bek. vom 11. September 1936, RGBl. 1936 II S. 303) und für 21 Staaten in Kraft ist (vgl. Beilage zum BGBl. Teil II, Fundstellennachweis B, 31. Dezember 1976, S. 168), unterscheidet zwischen Staatshandelsschiffen und anderen Staatsschiffen. Nach Art. 1 des Abkommens unterliegen die einem Staat gehörigen oder von ihm verwendeten Seeschiffe, die einem Staat gehörigen Ladungen sowie die auf Staatsschiffen beförderten Ladungen und Reisenden ebenso wie die Staaten, denen diese Schiffe gehören oder die sie verwenden oder denen diese Ladungen gehören, in Ansehung der die Verwendung der Schiffe oder die Beförderung der Ladungen betreffenden Ansprüche den gleichen Regeln über die Verantwortlichkeit und den gleichen Verbindlichkeiten wie private Schiffe, Ladungen und Schiffahrtsunternehmungen. Nach Art. 2 gelten für diese Verantwortlichkeiten und Verbindlichkeiten die gleichen Regeln über die Kompetenz der Gerichte, die gerichtliche Geltendmachung und das Verfahren wie für die einer Privatperson gehörigen Handelsschiffe oder für private Ladungen oder deren Eigentümer. Damit sind insoweit auch Sicherungs- und Vollstreckungsmaßnahmen zulässig.
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Das Genfer Übereinkommen über die Hohe See vom 29. April 1958, das am 31. Dezember 1976 für 55 Vertragsparteien verbindlich war (BGBl. 1972 II S. 1089, für die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich verbindlich seit 25. August 1973, Bek. vom 15. Mai 1975, BGBl. 1975 II S. 843), und das Übereinkommen über das Küstenmeer und die Anschlußzone vom 29. April 1958 (United Nations Treaty Series [UNTS] Bd. 516, S. 205 ff.) treffen gleichfalls die Unterscheidung zwischen Staatshandelsschiffen und anderen Staatsschiffen. Nach Art. 9 des Übereinkommens über die Hohe See genießen die einem Staat gehörenden oder von ihm verwendeten Schiffe, die im Staatsdienst stehen und ausschließlich anderen als Handelszwecken dienen, auf Hoher See vollständige Immunität von der Hoheitsgewalt jedes anderen Flaggenstaats; für andere Staatsschiffe bleiben damit völkerrechtliche oder innerstaatliche Regeln unberührt. Art. 21 des Übereinkommens über das Küstenmeer stellt klar, daß für Staatsschiffe, die zu Handelszwecken betrieben werden, gegenüber den im Zusammenhang mit der Regelung der friedlichen Durchfahrt zulässigen staatlichen Maßnahmen Immunität nicht geltend gemacht werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Regelungen dahin gewertet, daß sich in ihnen die weitverbreitete Überzeugung niedergeschlagen habe, den Staaten stehe nur noch für ihre Hoheitsakte Immunität zu (vgl. BVerfGE 16, 27 [52 f.]). Gleiches gilt insoweit grundsätzlich auch für den Bereich der Zwangsvollstreckung.
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Das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität schließt in den Art. 1 bis 14 die Berufung auf Immunität für das Erkenntnisverfahren in weiten Bereichen der acta iure gestionis aus; Sicherungs- und Vollstreckungsmaßnahmen in Vermögensgegenstände eines Vertragsstaates sind auf dem Gebiet eines anderen Vertragsstaates ohne entsprechende Unterwerfung des betroffenen Staates nach Art. 23 unstatthaft. Indes drückt diese Regelung nicht eine Rechtsüberzeugung der Vertragsparteien aus, daß solche Maßnahmen kraft allgemeinen Völkerrechts verwehrt wären. Sie erklärt sich vielmehr aus der besonderen Ausgestaltung, die das Übereinkommen trifft. Nach Maßgabe der Art. 20 ff. sind die Vertragsparteien verpflichtet, den gegen sie im Erkenntnisverfahren ergangenen Urteilen der Gerichte anderer Vertragsparteien nachzukommen; geschieht das nicht, kann eine betroffene Prozeßpartei ein besonderes gerichtliches Feststellungsverfahren vor einem Gericht des Vertragsstaates, gegen den das Urteil ergangen ist, oder vor dem zu errichtenden Europäischen Gerichtshof für Immunitätsfragen einleiten, Art. 21 des Übereinkommens, Art. 1 ff. des Fakultativprotokolls. Der Ausschluß der Zwangsvollstreckung ist mithin im Lichte dieser Sonderregelung zu sehen (vgl. Sinclair, The European Convention on State Immunity, The International and Comparative Law Quarterly 22 [1973] 254 ff., 273 ff.; Krafft, La Convention Europeenne sur l'Immunite des Etats et son Protocole Additionnel, Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht 31 [1975] 11 [20 ff.]); sie bekundet indes nicht eine Rechtsüberzeugung der Unterzeichnerstaaten, daß Vollstreckungsmaßnahmen kraft allgemeinen Völkerrechts unzulässig sind. Dafür spricht auch die Fakultativregelung des Art. 26 des Übereinkommens, wonach unbeschadet der Bestimmung des Art. 23 ein Urteil gegen einen Vertragsstaat, das über ein "industrial or commercial activity, in which the State is engaged in the same manner as a private person" ergeht, im Gerichtsstaat in das Vermögen des verurteilten Staates, das ausschließlich im Zusammenhang mit solchen Geschäftstätigkeiten genutzt wird, vollstreckt werden darf, sofern beide Staaten Erklärungen nach Art. 24 abgegeben haben.
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b) Zahlreiche zweiseitige Verträge sehen vor, daß staatliche oder staatlich kontrollierte Wirtschaftsunternehmen hinsichtlich ihres privatwirtschaftlichen Verhaltens und ihrer privatwirtschaftlichen Zwecken dienenden Vermögensgegenstände keine Befreiung von der Gerichtsbarkeit, einschließlich der Vollstreckungshoheit, beanspruchen können. Als Beispiele seien hier nur aufgeführt:
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- Art. 18 Abs. II des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrags zwischen Japan und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 2. April 1953 (United States Treaties and Other International Acts Series [T.I.A.S.] No. 2863);
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- Art. 18 Abs. II des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954 (BGBl. 1956 II S. 488 ff.; in Kraft getreten am 14. Juli 1956, Bek. vom 28. Juni 1956, BGBl. II S. 763); die Bestimmung lautet:
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"Soweit sich in öffentlichem Eigentum stehende oder öffentlich kontrollierte Unternehmen des einen Vertragsteils einschließlich Körperschaften, Vereinigungen, Regierungsstellen und -einrichtungen im Gebiet des anderen Vertragsteils im Handel, in der Industrie, im Transportwesen oder in einem anderen Wirtschaftszweig betätigen, dürfen sie im Gebiet des anderen Vertragsteils für sich oder ihr Vermögen weder Befreiung von der Besteuerung, der gerichtlichen Verfolgung von Ansprüchen, der Vollstreckung oder anderweitigen Pflichten, denen private Unternehmen im Gebiet des anderen Vertragsteils unterliegen, beanspruchen noch genießen sie eine solche Befreiung."
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Ähnliche Bestimmungen enthalten die Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsverträge der Vereinigten Staaten mit Italien vom 2. Februar 1948 (T.I.A.S. No. 1965), Irland vom 21. Januar 1950 (T.I.A.S. No. 2155) und Israel vom 23. August 1951 (T.I.A.S. No. 2948).
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Verträge der Sowjetunion und osteuropäischer Staaten mit anderen Staaten sehen vor, daß die staatlichen Handelsmissionen für ihr privatwirtschaftliches Verhalten und ihre privatwirtschaftlichen Zwecken dienenden Vermögensgegenstände Befreiung von der Gerichtsbarkeit weder für Erkenntnis- noch für Vollstreckungsverfahren - gelegentlich mit Ausnahmen für vorläufige Sicherungsmaßnahmen - beanspruchen können. So war in Art. 7 des Teiles II des Vertrages zwischen dem Deutschen Reich und der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken vom 12. Oktober 1925 (RGBl. 1926 II S. 2) bestimmt:
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"Die in Deutschland vorgenommenen für die U.d.S.S.R. verbindlichen Rechtshandlungen der Handelsvertretung und ihre wirtschaftlichen Ergebnisse werden nach deutschen Gesetzen behandelt und unterliegen der deutschen Gerichtsbarkeit. Auch ist die Zwangsvollstreckung in das in Deutschland befindliche Vermögen der U.d.S.S.R. zulässig, soweit es sich nicht um Gegenstände handelt, die nach allgemeinem Völkerrecht der Ausübung der staatlichen Hoheitsrechte oder der amtlichen Tätigkeit oder der diplomatischen oder konsularischen Vertretungen zu dienen bestimmt sind."
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Nach Art. 2 der Anlage zum Abkommen über Allgemeine Fragen des Handels und der Seeschiffahrt zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 25. April 1958 (BGBl. 1959 II S. 222), in Kraft getreten am 24. April 1959, Bek. vom 30. April 1959 (BGBl. II S. 469), verlängert durch Protokoll vom 31. Dezember 1960 (BGBl. 1961 II S. 1085), die die Rechtsstellung der Handelsvertretung der Sowjetunion in der Bundesrepublik Deutschland regelt, ist die Handelsvertretung Bestandteil der sowjetischen Botschaft und genießt entsprechende Vorrechte. Bezüglich der Immunität bestimmt Art. 4:
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"Die Rechte, Immunitäten und Privilegien, die der Handelsvertretung auf Grund von Artikel 2 Absatz 1 dieser Anlage gewährt werden, erstrecken sich auch auf ihre handelsgeschäftliche Tätigkeit, jedoch mit folgenden Ausnahmen: a) Streitigkeiten aus Handelsgeschäften, die von der Handelsvertretung nach Artikel 3 dieser Anlage in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen oder garantiert werden, unterliegen der Entscheidung durch die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland, sofern nicht die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts oder einer anderen Gerichtsbarkeit vereinbart worden ist; in diesen Streitigkeiten ist Beklagte oder Klägerin die Handelsvertretung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken in der Bundesrepublik Deutschland. Hierbei sind jedoch Maßnahmen zur Sicherung von Forderungen gegen die Handelsvertretung nicht zulässig. b) Eine Zwangsvollstreckung aus rechtskräftigen Urteilen, die gegen die Handelsvertretung über solche unter a) genannte Streitigkeiten ergangen sind, ist zulässig. Sie kann in das gesamte Vermögen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken in der Bundesrepublik Deutschland betrieben werden, insbesondere in Vermögen, Rechte oder Interessen aus Handelsgeschäften, die von der Handelsvertretung abgeschlossen sind oder für die sie die Garantie übernommen hat, mit Ausnahme von Vermögen der in Artikel 3 Absatz 3 dieser Anlage genannten Organisationen. Vermögen und Räumlichkeiten, die nach internationalem Brauch ausschließlich zur Ausübung politischer und diplomatischer Rechte in der Bundesrepublik Deutschland durch die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken bestimmt sind, wie auch die Räumlichkeiten, die von der Handelsvertretung benutzt werden, und die Einrichtung, die sich darin befindet, sind von jeder Zwangsvollstreckung ausgenommen." |
Ähnliche Bestimmungen enthalten das Handelsabkommen der Sowjetunion mit Frankreich vom 3. September 1951 (UNTS 221, 92; Art. 10), der Handels- und Schiffahrtsvertrag der Sowjetunion mit Österreich vom 17. Oktober 1955 (UNTS 240, 304; Art. 4 der Anlage) und weitere sowjetische Verträge, zum Beispiel mit Schweden, Griechenland, Großbritannien und Japan (vgl. AJIL 26 [1932] suppl. S. 707 f.; Boguslavskij, Staatliche Immunität, 1965, S. 153).
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Zur entsprechenden schweizerischen Vertragspraxis vgl. die Nachweise in der Entscheidung des Bundesgerichts im Falle Royaume de Grece c. Banque Julius Bär & Cie (BGE 82 I 75, 86 f.).
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Mögen derartige Vertragsbestimmungen auch als vertraglich erklärter Verzicht auf Immunität ausgelegt werden können, so spiegeln sie gleichwohl die allgemeine völkerrechtliche Entwicklung des Immunitätsverständnisses in den Bereichen wider, in denen die Staaten nicht-hoheitlich, insbesondere kommerziell tätig werden.
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c) Der Asiatisch-Afrikanische Beratende Rechtsausschuß, der Vertreter Burmas, Ceylons, Indiens, Indonesiens, des Irak, Japans, Pakistans, des Sudan, Syriens und der Vereinigten Arabischen Republik umfaßte, prüfte 1960 die Frage der Staatenimmunität. In dem Bericht des Ausschusses für Staatenimmunität in bezug auf kommerzielle und andere Geschäfte von privatem Charakter heißt es zur Zwangsvollstreckung, es sei von allen Delegationen anerkannt worden, daß eine Entscheidung gegen einen fremden Staat nicht in sein öffentliches Eigentum vollstreckt werden dürfe. Das Eigentum einer Staatshandelsorganisation jedoch, die eine gesonderte Rechtsfähigkeit besitze, dürfe der Zwangsvollstreckung unterzogen werden (vgl. Asian-African Legal Consultative Committee, Third Session, Colombo, Ceylon, January 20 - February 4, 1960, Final Report of the Committee on Immunity of States in respect of Commercial and other Transactions of a Private Character, S. 66 ff.; Whiteman, Digest of International Law, 6 [1968] 572 f.). Die Einschränkung auf öffentliches Eigentum, die der Bericht trifft, schließt es aus, daraus die Rechtsauffassung des Ausschusses herzuleiten, daß Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen fremde Staaten außerhalb dieser Vermögensgegenstände schlechthin kraft allgemeinen Völkerrechts verwehrt seien.
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6. Diese Übersicht belegt, daß es an einer Übung ermangelt, die hinreichend allgemein sowie von der notwendigen Rechtsüberzeugung getragen wäre, um eine allgemeine Regel des Völkergewohnheitsrechts zu begründen, derzufolge dem Gerichtsstaat die Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat in dessen im Gerichtsstaat belegene Vermögensgegenstände schlechthin verwehrt wäre. Der Kreis der Staaten, die, wie ihre Rechtsprechung, Gesetzgebung oder Vertragspraxis belegen, Sicherungs- und Vollstreckungsmaßnahmen gegen fremde Staaten jedenfalls dann nicht ausschließen, wenn solche Maßnahmen aus Titeln, die über ein Verhalten iure gestionis des fremden Staates ergangen sind, und in Vermögensgegenstände betrieben werden, die nichthoheitlichen Zwecken dienen, ist von solchem Gewicht, daß von einer allgemeinen Übung, die Zwangsvollstreckung kraft Völkerrechts als ausgeschlossen zu betrachten, derzeit nicht die Rede sein kann, wie immer das Erfordernis der Allgemeinheit einer Übung, soll sie eine Regel des Völkergewohnheitsrechts begründen, zu bestimmen sein mag. Dabei handelt es sich nicht lediglich um ein Verhalten, das ein Staat bei beharrlicher Rechtsverwahrung von Anfang an der Anwendung einer bestehenden allgemeinen Regel des Völkerrechts erfolgreich entgegenhalten kann (im Sinne der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs im Norwegischen Fischereistreit, ICJ, Reports, 1951, S. 131); vielmehr kann derzeit das Bestehen einer entsprechenden allgemeinen Regel des Völkerrechts nicht angenommen werden.
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7. Diese Rechtslage findet sich auch in den Äußerungen anerkannter wissenschaftlicher Vereinigungen und Gelehrter des Völkerrechts bestätigt.
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a) Das Institut de Droit International, das sich bereits 1891 auf seiner Hamburger Tagung in seinem Entwurf zu einer internationalen Regelung der Gerichtsbarkeit bei Streitigkeiten mit fremden Staaten für weitreichende Ausnahmen von der Immunität im Erkenntnisverfahren ausgesprochen hatte (Entschließung vom 11. September 1891, Annuaire 2 [1928] S. 1215), stellte unter Hinweis auf die seither eingetretenen neuen Fragen, die der Lösung bedürften, auf seiner Tagung in Aix-en-Provence mit Entschließung vom 30. April 1954 zur Zulässigkeit von Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen fest:
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"Il ne peut etre procede ni a l'execution force ni a une saisie conservatoire, sur les biens qui sont la propriete d'un Etat etranger, s'ils sont affectes a l'exercice de son activite gouvernementale qui ne se rapporte pas a une exploitation economique quelconque." (Art. 5 der Entschließung, Annuaire 45 II [1954] S. 293 ff., 295)
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Aus dem Ausschluß der Zugriffsmöglichkeiten auf das hoheitlichen Zwecken dienende Vermögen läßt sich schließen, daß die Entschließung Vollstreckungsmaßnahmen im übrigen nicht durch das allgemeine Völkerrecht als verwehrt ansah. Die Erörterungen um diesen Artikel betreffen denn in erster Linie die Frage der Abgrenzung der Vermögensgegenstände, in die nicht vollstreckt werden dürfe.
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Der Konventionsentwurf der Harvard Law School über die Kompetenz der Gerichte gegenüber fremden Staaten von 1932 (AJIL 26 [1932] suppl. S. 451 ff. [Harvard Draft]) geht in Art. 22 von einem grundsätzlichen Ausschluß der Vollstreckung gegen fremde Staaten aus; nach Art. 23 soll indes die Vollstreckung zulässig sein in unbewegliches Vermögen sowie in Vermögen, das im Zusammenhang mit einem kommerziellen Unternehmen des fremden Staates genutzt wird. Nach den Erläuterungen (a.a.O. S. 707) soll die Beschlagnahme von Bankkonten dann zulässig sein, wenn sie von dem fremden Staat zur Erfüllung privater Verbindlichkeiten unterhalten werden.
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Die Zweite Studienkommission der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht hat am 26./27. April 1967 auf der Grundlage der Berichte von Schaumann und von Habscheid Thesen zur Staatenimmunität verabschiedet (BerDGVR 8 [1968] 1 ff.; 159 ff.; 283 ff.). Danach stehe kraft derzeit geltenden Völkerrechts fremden Staaten auch gegenüber der Ausübung von Gerichts- und Verwaltungszwang nur beschränkte Immunität zu (Thesen 30, 62). Für die Ausübung von Gerichtszwang müsse die Gerichtsbarkeit des Forumstaates sowohl hinsichtlich des dem Vollstreckungstitel zugrundeliegenden Anspruchs als auch hinsichtlich des Gegenstandes, in den vollstreckt werden soll, gegeben sein (These 34). Dem Gerichtsstaat stehe gegenüber einem fremden Staat hinsichtlich des Gegenstandes, in den vollstreckt werden soll, keine Vollstreckungsgewalt zu, wenn dieses Objekt zur Verwendung für acta iure imperii bestimmt ist. Bestimmte Gegenstände seien kraft Völkerrechts der Vollstreckung entzogen, z. B. die den diplomatischen Missionen dienenden Grundstücke und Gegenstände, die ausländischen Kriegs- und Regierungsschiffe sowie die Ausrüstung ausländischer Streitkräfte (Thesen 37, 38); dies gelte auch für die Vollstreckung in Bankguthaben und sonstige Geldforderungen, die der Erfüllung von Aufgaben iure imperii dienen (These 67).
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b) Auch eine erhebliche Anzahl anerkannter Völkerrechtsgelehrter vertritt, wenngleich mit im einzelnen unterschiedlichen Begründungen und Folgerungen, die Rechtsauffassung, daß das allgemeine Völkergewohnheitsrecht Maßnahmen der Sicherung und Zwangsvollstreckung gegen fremde Staaten durch den Gerichtsstaat aus gerichtlichen Titeln über ein Verhalten des fremden Staates iure gestionis in Gegenstände, die nicht-hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienen, nicht verwehrt; soweit dabei das Bestehen einer Regel des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts, die solche Maßnahmen verwehrte, nicht überhaupt verneint wird, wird ihr Bestehen zumindest als zweifelhaft bezeichnet. Als Beispiele aus dem einschlägigen Schrifttum seien hier nur angeführt:
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van Praag, Juridiction et Droit international public, (1915), S. 340 ff.; ders., La question de l'immunite de juridiction des Etats etrangers et celle de la possibilite de l'execution des jugements qui les condamnent, in: Revue de droit international et de legislation comparee, 1935, S. 100, 129; Quadri, La giurisdizione sugli stati stranieri, (1941), S. 57 f.; Gmür, Gerichtsbarkeit über fremde Staaten, (1948); Riezler, Internationales Zivilprozeßrecht und prozessuales Fremdenrecht, (1949), S. 400 ff.; Lauterpacht, The Problem of Jurisdictional Immunities of Foreign States, BYB 28 (1951), 220 ff.; Sibert, Traite de Droit International Public, Bd. 1 (1951), S. 272 f.; Lemonon, L'immunite de juridiction et d'execution forcee de Etats etrangers, in: Annuaire de l'Institut de Droit International 44 (1952) I, 5, 28 ff.; Lalive, L'immunite de juridiction des Etats et des organisations internationales, in: Recueil des Cours 84 (1953) III, 205, 272 ff.; Schnitzer, Handbuch des Internationalen Privatrechts, II (4. Aufl. 1958), S. 836 f.; Smrensen, Principes de Droit International Public, in: Recueil des Cours, 101 (1960) III, 1, 172; Dahm, Völkerrecht, Bd. 1 (1958), S. 238 ff.; Wengler, Völkerrecht, Bd. 2 (1964), S. 951; Cohn, Gerichtsbarkeit über fremde Staaten, in: Wörterbuch des Völkerrechts, 2. Aufl., Bd. 1 (1960), S. 661 ff.; Suy, Immunity of States before Belgian Courts and Tribunals, ZaöRV 27 (1967) 660, 690 f.; ders., L'Immunite des Etats dans la Jurisprudence Belge, in: L'immunite de juridiction et d'execution des Etats, (1971), S. 279, 311; Dek, in Soerensen, ed., Manual of Public International Law, (1968), S. 424, 440; Leigh, Monroe, New Departures in the Law of Sovereign Immunity, Proceedings of the American Society of International Law, 1969, S. 187 ff.; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 3. Aufl. (1975), Rdnr. 1115; Giuttari, The American Law of Sovereign Immunity, (1970), S. 254 ff.
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II. |
Stehen mithin allgemeine Regeln des Völkerrechts einer Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat gegen den fremden Staat nicht schlechthin entgegen, so setzen sie gleichwohl der Vollstreckung gegenständliche Grenzen.
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1. Es besteht eine gefestigte, allgemeine, von Rechtsüberzeugung getragene Übung der Staaten, wonach es dem Gerichtsstaat von Völkerrechts wegen verwehrt ist, die Zwangsvollstreckung aus gerichtlichen Titeln gegen den fremden Staat in Vermögensgegenstände des fremden Staates, die im Inland belegen sind oder sich dort befinden und hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienen, ohne dessen Zustimmung zu betreiben.
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Zwar besteht in der Staatenpraxis keine völlige Übereinstimmung über den Umfang der ihrer Art nach durch die Staatenimmunität geschützten Vermögensgegenstände: Während nach dem Foreign Sovereign Immunities Act of 1976 der Vereinigten Staaten von Amerika der Vollstreckung grundsätzlich nur Vermögensgegenstände unterliegen, die für eine kommerzielle Betätigung des fremden Staates verwendet werden oder verwendet wurden, welche im Zusammenhang mit dem geltend gemachten materiellrechtlichen Anspruch steht (vgl. Sec. 1610 [a] [2]), stellen die italienische und die schweizerische Rechtsprechung darauf ab, ob die Gegenstände, in die vollstreckt werden soll, nichthoheitlichen oder hoheitlichen Zwecken des fremden Staates tatsächlich dienen oder zu dienen bestimmt sind. Aus Anlaß dieses Vorlageverfahrens bedarf es einer für das deutsche Recht abschließenden Stellungnahme zu diesen Unterscheidungen und ihren rechtlichen Folgen nicht. Denn die allgemeine Übereinstimmung und gefestigte Übung der Staaten geht jedenfalls dahin, daß Vermögensgegenstände im Gerichtsstaat, die hoheitlichen Zwecken des fremden Staates tatsächlich dienen, kraft allgemeinen Völkerrechts nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen. Vereinzelte Zweifel, wie sie die Stellungnahme der Bundesregierung bezüglich der Vollstreckung in Botschaftskonten berichtet - Zweifel, die die Bundesregierung selbst nicht teilt -, vermögen nichts daran zu ändern, daß insoweit eine allgemeine Regel des Völkerrechts besteht. Die Staatenpraxis, wie sie sich in der Vertragspraxis, in Gesetzgebung und Rechtsprechung der nationalen Gerichte bekundet, ebenso wie das völkerrechtliche Schrifttum, sind insoweit, wie die unter C I angeführten Belege ergeben, im Ergebnis einhellig.
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2. Für das Erkenntnisverfahren hat das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen, daß die Qualifikation einer Staatstätigkeit nach der Rechtsnatur des Aktes als hoheitlich oder nicht-hoheitlich grundsätzlich nach dem jeweils anwendbaren nationalen Recht werde vorgenommen werden müssen, da das Völkerrecht, jedenfalls in der Regel, Kriterien für diese Abgrenzung nicht enthalte (BVerfGE 16, 27 [62 f.]). Das Gericht hat dabei nicht verkannt, daß es die Anwendung des allgemeinen Völkerrechts erschwert und der erwünschten Rechtseinheit entgegenwirkt, wenn für diese Qualifikation auf das jeweilige nationale Recht abgestellt wird. Dieser Nachteil werde jedoch dadurch gemildert, daß der landesrechtlichen Qualifikation einer staatlichen Betätigung als Akt iure gestionis völkerrechtliche Schranken gezogen sind. Danach dürfe das nationale Recht insoweit nur mit der Maßgabe herangezogen werden, daß vom hoheitlichen Bereich und damit von der Immunität nicht solche Handlungen des Staates ausgenommen werden dürfen, die nach der von den Staaten überwiegend vertretenen Auffassung zum Bereich der Staatsgewalt im engeren und eigentlichen Sinn gehören. Ausnahmsweise könne es völkerrechtlich geboten sein, die Betätigung eines ausländischen Staates, weil sie dem Kernbereich der Staatsgewalt zuzurechnen ist, als Akt iure imperii zu qualifizieren, obwohl sie nach nationalem Recht als privatrechtliche und nicht als öffentlich- rechtliche Betätigung anzusehen wäre (BVerfGE 16, 27 [63 f.]).
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Im vorliegenden Verfahren, in dem allein die Zulässigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen in Forderungen aus dem laufenden, allgemeinen Konto der Botschaft eines fremden Staates in Frage steht, kann offenbleiben, ob die Qualifikation eines Vermögensgegenstandes als hoheitlichen Zwecken dienend allgemein nach entsprechenden Grundsätzen zu treffen ist. Denn in bezug auf Gegenstände, die der Wahrnehmung der amtlichen Funktionen der diplomatischen Vertretung eines fremden Staates im Gerichtsstaat dienen, greifen für diese Qualifikation völkerrechtliche Sonderregelungen ein, die, unbeschadet ihrer teilweisen vertraglichen Festlegung im Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen, allgemeine Regeln des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG darstellen. Sie ergeben sich sowohl aus dem Grundsatz der Unverletzlichkeit diplomatischer Vertretungen als auch aus der gerichtlichen Immunität des fremden Staates bezüglich der amtlichen Funktionen seiner diplomatischen Vertretung.
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3. Nach gefestigter Auffassung, die sich schon vor Grotius (De iure belli ac pacis, L. II, c. XVIII, 9) und Bynkershoek (Foro Legatorum, sec. ed. 1744, Cap. XVI, XXIII) abzuzeichnen beginnt, darf von Völkerrechts wegen bei Maßnahmen der Sicherung oder Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat nicht auf die zum gegebenen Zeitpunkt seiner diplomatischen Vertretung zur Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktionen dienenden Gegenstände zugegriffen werden (vgl. jeweils mit zahlreichen Nachweisen van Praag, Juridiction et Droit international public, 1915, S. 357 ff.; C. E. Wilson, Diplomatic Privileges and Immunities, 1967, S. 1 ff.; Gmür, Gerichtsbarkeit über fremde Staaten, 1948, S. 134; Verdross, Völkerrecht, 5. Aufl. 1964, S. 338 f.; Habscheid, BerDGVR a.a.O., S. 264 f.). Die völkerrechtliche Norm ne impediatur legatio schließt derartige Maßnahmen insoweit aus, als durch sie die Erfüllung der diplomatischen Aufgaben beeinträchtigt werden könnte; so hat das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen, daß die deutsche Gerichtsbarkeit für ein Erkenntnisverfahren gegen einen fremden Staat, in dem auf Bewilligung der Berichtigung des Grundbuchs hinsichtlich des Eigentums an einem diplomatisch genutzten Grundstück geklagt wird, nicht durch eine allgemeine Regel des Völkerrechts ausgeschlossen ist, weil dadurch nicht die Funktionsfähigkeit der diplomatischen Vertretung beeinträchtigt werde (BVerfGE 15, 25 [43]).
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Wegen der Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Beurteilung einer Gefährdung dieser Funktionsfähigkeit und wegen der latent gegebenen Mißbrauchsmöglichkeiten zieht das allgemeine Völkerrecht den Schutzbereich zugunsten des fremden Staates sehr weit und stellt auf die typische, abstrakte Gefahr, nicht aber auf die konkrete Gefährdung der Funktionsfähigkeit der diplomatischen Vertretung durch Maßnahmen des Empfangsstaates ab (vgl. Habscheid, BerDGVR, a.a.O., S. 206). So schließt etwa Art. 22 Abs. 3 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961, der insoweit allgemeines Völkerrecht kodifiziert, die Räumlichkeiten der Mission, ihre Einrichtungen und die sonstigen darin befindlichen Gegenstände sowie die Beförderungsmittel der Mission von jeder Durchsuchung, Beschlagnahme, Pfändung oder Vollstreckung aus. Diese Regelung der Unverletzlichkeit ist indes nicht abschließend in dem Sinne, daß diese und weitere Vermögensgegenstände darüber hinaus nicht auch den völkerrechtlichen Immunitätsschutz der amtlichen Funktionen der diplomatischen Vertretung des Entsendestaates genießen könnten. Zwar ist diese Frage unter dem Gesichtspunkt der Unverletzlichkeit, abgesehen von einem Änderungsvorschlag von Sir Gerald Fitzmaurice, der aus anderen Gründen zurückgezogen wurde (vgl. Yearbook of the International Law Commission 1957 I 64, 396th meeting), in der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen, deren Entwurf Grundlage der Wiener Konferenz war, soweit ersichtlich, nicht näher erörtert worden. Auch auf der Wiener Konferenz selbst ist diese Frage, soweit ersichtlich, nicht näher behandelt, aber auch nicht im Sinne des Ausschlusses weiterreichenden Immunitätsschutzes entschieden worden (bei einem Änderungsvorschlag der Ukraine, Doc A/CONF. 20/C. 1/L. 132, auch andere Vermögensgegenstände in den Schutz der Unverletzlichkeitsregelung einzubeziehen, wurde klargestellt, daß er sich nur auf Gegenstände in den Räumen der Mission bezieht; mit dieser Maßgabe wurde er angenommen, vgl. United Nations Conference on Diplomatic Intercourse and Immunities, Vienna 2 March - 14 April 1961, Official Records, Vol. II, S. 20, 57). Im Vorspruch des Wiener Übereinkommens ist indes festgehalten, daß die Regeln des Völkergewohnheitsrechts auch weiterhin für alle Fragen gelten, die in dem Übereinkommen nicht ausdrücklich geregelt sind. So nimmt etwa Art. 4 letzter Absatz der Anlage zum Abkommen über Allgemeine Fragen des Handels und der Seeschiffahrt zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 25. April 1958 (s. o. S. 386 f.) von der Zwangsvollstreckung nicht nur die Räumlichkeiten und die darin befindlichen Einrichtungen der sowjetischen Handelsvertretung aus, sondern allgemein Vermögensgegenstände, die nach internationalem Brauch ausschließlich zur Ausübung politischer und diplomatischer Rechte in der Bundesrepublik Deutschland bestimmt sind.
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Diese und ähnliche Vertragsbestimmungen bestätigen die allgemeine Regel des Völkerrechts, daß Gegenstände, deren sich der Entsendestaat zur Wahrnehmung seiner diplomatischen Funktionen bedient, auch dann jedenfalls Immunitätsschutz genießen, wenn sie nicht unter den sachlichen oder räumlichen Anwendungsbereich der Unverletzlichkeitsregelung des Art. 22 des Wiener Übereinkommens fallen (so auch Schaumann, BerDGVR a.a.O., S. 148, der dies aus der allgemeinen Staatenimmunität, wenngleich an die diplomatische Immunität "angelehnt" (a.a.O., S. 148), herleitet; vgl. auch Art. 23 des Harvard Draft, a.a.O., AJIL 26 [1932] suppl. S. 707).
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4. a) Die Frage, ob Forderungen aus einem allgemeinen, laufenden Bankkonto, das der Entsendestaat für seine diplomatische Vertretung im Empfangsstaat unterhält und das zur Deckung und Abwicklung der Ausgaben und Kosten der Botschaft bestimmt ist, nach allgemeinem Völkerrecht an dem besonderen Schutz zugunsten diplomatischer Vertretungen teilhaben, beantwortet sich aus dem besonderen Zweck des völkerrechtlichen Schutzes zugunsten diplomatischer Vertretungen. Zweck der Unverletzlichkeit wie der Immunität in diesem Bereich ist es, das ungehinderte Funktionieren der diplomatischen Vertretung des Entsendestaates im Empfangsstaat zur Erfüllung ihrer diplomatischen Aufgaben zu gewährleisten (vgl. C. E. Wilson, Diplomatic Privileges and Immunities, S. 19 ff., mit zahlreichen Belegen aus der Staatenpraxis). Nach Art. 3 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, der insoweit allgemeines Völkerrecht umschreibt, ist es unter anderem Aufgabe einer diplomatischen Vertretung
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a) den Entsendestaat im Empfangsstaat zu vertreten, b) die Interessen des Entsendestaats und seiner Angehörigen im Empfangsstaat innerhalb der völkerrechtlich zulässigen Grenzen zu schützen, c) mit der Regierung des Empfangsstaats zu verhandeln, d) sich mit allen rechtmäßigen Mitteln über Verhältnisse und Entwicklungen im Empfangsstaat zu unterrichten und darüber an die Regierung des Entsendestaats zu berichten, e) freundschaftliche Beziehungen zwischen Entsendestaat und Empfangsstaat zu fördern und ihre wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen auszubauen. |
Es liegt auf der Hand, daß zur Erfüllung dieser Aufgaben auch der Einsatz finanzieller Mittel unerläßlich ist. Die Unterhaltung solcher Mittel im Rahmen dieser Aufgaben und die Organisation und Verwaltung der finanziellen Abwicklung der Ausgaben und Kosten der diplomatischen Vertretung durch den Entsendestaat gehören unmittelbar zum Aufgaben- und Funktionsbereich einer diplomatischen Vertretung (vgl. auch Cahier, Le droit diplomatique contemporain, 1962, S. 210, der ausdrücklich Bankguthaben einer Botschaft in den Schutzbereich der Unverletzlichkeitsregel einbezieht).
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Es kann hier offenbleiben, ob der Empfangsstaat nach allgemeinem Völkerrecht gehalten ist, dem Entsendestaat die Möglichkeit einzuräumen, Bankkonten im Empfangsstaat zur Abwicklung der Ausgaben und Kosten der Botschaft des Entsendestaats zu unterhalten. Wenn der Empfangsstaat diese Möglichkeit jedoch eröffnet und der Entsendestaat davon im Rahmen der Rechtsordnung des Empfangsstaats Gebrauch macht, entfällt für seine aus einem solchen Konto entspringenden Forderungen und sonstigen Rechte die Immunität des Entsendestaats nicht schon dann, wenn und insoweit das Rechtsverhältnis des Entsendestaats zur Bank nach dem Recht des Empfangsstaats als nicht-hoheitlich zu qualifizieren ist. Hierbei ist zu bedenken, daß der Entsendestaat aus eigener Hoheitsgewalt grundsätzlich nicht in der Lage ist, Sachen oder Rechte, die unmittelbar der Ausübung seiner diplomatischen Funktionen oder der Aufrechterhaltung des Betriebs seiner diplomatischen Vertretung dienen, mit Wirkung für die Rechtsordnung des Empfangsstaats als hoheitlich zu qualifizieren, eine Sache etwa zur öffentlichen Sache im Sinne der Rechtsordnung des Empfangsstaats zu widmen. Er ist hier weitgehend auf die Rechtsordnung des Empfangsstaats verwiesen. Ermöglicht ihm diese insoweit nur ein Verhalten nach Maßgabe etwa des Privatrechts, darf dies gleichwohl den völkerrechtlichen Immunitätsschutz zugunsten der Funktionsfähigkeit seiner diplomatischen Vertretung nicht verkürzen. Die finanzielle Abwicklung der Ausgaben und Kosten einer Botschaft über ein allgemeines, laufendes Konto des Entsendestaats, das bei einer Bank im Empfangsstaat unterhalten wird, gehört unmittelbar zur Aufrechterhaltung der diplomatischen Funktionen des Entsendestaats unbeschadet dessen, daß Leistungen, die über ein solches Konto abgewickelt werden, im Verhältnis zur Bank oder zu Dritten sich im Rahmen von Rechtsverhältnissen oder Verhaltensweisen vollziehen mögen, die je nach ihrer Rechtsnatur als Verhalten iure gestionis zu qualifizieren sein mögen. Die aus einem solchen Konto begründeten Forderungen des Entsendestaats gegen die Bank genießen daher kraft allgemeinen Völkerrechts jedenfalls den Immunitätsschutz zugunsten diplomatischer Vertretungen bei der Zwangsvollstreckung.
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Eine andere Auffassung müßte dazu führen, daß die Vollstreckungsorgane des Empfangsstaats sich gegebenenfalls über das Bestehen eines Guthabens auf einem solchen Konto und über die Zwecke, zu denen der Entsendestaat dieses Guthaben oder Teilbeträge davon bestimmt hat, vergewissern müßten. Es mag für das deutsche Recht bei einem allgemeinen, laufenden Konto schon unter dem Gesichtspunkt der hinlänglichen Bestimmbarkeit des zu pfändenden Gegenstandes fraglich erscheinen, ob auf diese Weise Kriterien für die Pfändbarkeit etwa von Teilen des Guthabens gewonnen werden können (ähnliche Zweifel für das französische Recht hegt der Gerichtshof von Aix-en-Provence, Urteil vom 14. Februar 1966, im Falle Statni Banka et Banque d'Etat tchecoslovaque c. Englander, Clunet 1966, 846; vom Kassationshof mit Entscheidung vom 11. Februar 1969 aufgehoben, Clunet 1969, 923; im Falle Clerget c. Representation commerciale de la Republique democratique du Viet-Nam, Entscheidung vom 2. November 1971, Clunet 99 [1972] 267 ließ der Kassationshof die Pfändung eines Bankguthabens nicht zu, weil Ursprung und Verwendungszweck im Verfahren nicht festgestellt worden seien); aber selbst wenn dies im Einzelfall auch bei Forderungen aus einem solchen Konto möglich sein sollte, wird es in aller Regel die Gefahr des Eindringens in den internen Funktionsbereich der diplomatischen Vertretung des Entsendestaats heraufbeschwören; dies ist kraft völkerrechtlichen Gesandtschaftsrechts ohne Zustimmung des Entsendestaats schlechterdings verwehrt. Dem Entsendestaat ohne seine Zustimmung von seiten der Vollstreckungsorgane des Empfangsstaats anzusinnen, das Bestehen oder die früheren, gegenwärtigen oder künftigen Verwendungszwecke von Guthaben auf einem solchen Konto näher darzulegen, würde überdies eine völkerrechtswidrige Einmischung in die ausschließlichen Angelegenheiten des Entsendestaats darstellen. Das allgemeine Völkerrecht verwehrt es andererseits nicht, vom Entsendestaat zu verlangen, daß er glaubhaft macht, es handle sich bei einem Konto um ein Konto, das zur Aufrechterhaltung der Funktionen seiner diplomatischen Vertretung dient. Für Inhalt und Form dieser Glaubhaftmachung wird es der Gerichtsstaat von Völkerrechts wegen allerdings genügen lassen müssen, wenn eine gehörige Versicherung durch ein zuständiges Organ des Entsendestaats erfolgt.
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b) Gegen dieses Ergebnis lassen sich weder der Praxis der auswärtigen Organe der Staaten, der Rechtsprechung der nationalen Gerichte noch dem völkerrechtlichen Schrifttum durchgreifende Bedenken entnehmen.
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Soweit ersichtlich ist bislang in keinem Fall die Vollstreckung in Forderungen aus einem laufenden, allgemeinen Bankkonto, das ein fremder Staat für seine Botschaft zur Abwicklung der Ausgaben und Kosten der Botschaft unterhält, zugelassen worden, mögen einzelne Entscheidungen es auch nicht für ausgeschlossen erachten - freilich zumeist in bezug auf andere, nicht eigens für Botschaftszwecke errichtete Konten -, nach dem hoheitlichen oder nicht-hoheitlichen Ursprung und Verwendungszweck eines Guthabens oder eines Kontos des fremden Staates zu unterscheiden (vgl. zum Beispiel französischer Kassationshof in den Fällen Englander c. Statni Banka Ceskoslovenska, Clunet 96 [1969] S. 923 f. und Clerget c. Representation commerciale de la Republique democratique du Viet-Nam, Clunet 99 [1972] S. 267 f.; Schweizerisches Bundesgericht im Falle Republique Arabie Unie c. dame X. BGE 86 I [1960] S. 23 ff.; Berufungsgericht des Staates Florida im Falle Harris & Co. Advertising Co., Inc. v. Republic of Cuba, 127 So. 2 d 687 [1961]; Supreme Court von New York im Falle New York World's Fair 1964-1965 Corp. v. Republic of Guinea, AJIL 63 [1969] S. 343).
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Nach Schaumann (BerDGVR a.a.O., S. 145) kann der fremde Staat schon im Rahmen der allgemeinen Staatenimmunität bei einem allgemeinen Bankkonto, wie in beschränktem Maße auch in bezug auf andere Vermögensgegenstände, durch die bloße Benennung eines hoheitlichen Zweckes die Immunität bewirken; denn es werde nur selten möglich sein, das Gegenteil zu beweisen. Von einer auf den Schutz der hoheitlichen Funktionen des fremden Staates bezogenen Auffassung der Staatenimmunität lasse sich dieses Ergebnis, das sich an die diplomatische Immunität anlehne, nicht vermeiden. Wollte man zum Beispiel an Stelle der Bestimmung eines Vermögensgegenstandes für einen hoheitlichen Zweck den Nachweis der tatsächlichen Verwendung für diesen Zweck verlangen, so müßte der Schutz der hoheitlichen Funktionen des Staates im Außenbereich lückenhaft bleiben. Nach Habscheid (BerDGVR a.a.O., S. 266 f.) ist auf die konkrete Zweckbestimmung der zu pfändenden Forderung abzustellen. Dafür könne etwa das Ministerium, das als Inhaber des Kontos bezeichnet sei, ein Anhaltspunkt sein.
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c) Der Senat verkennt nicht, daß die Immunität zugunsten der Forderungen aus einem allgemeinen, laufenden Konto der Botschaft eines fremden Staates in Einzelfällen dazu genutzt werden könnte, unter ihrem Schutz über ein solches Konto finanzielle Leistungen abzuwickeln, die nicht unmittelbar im Zusammenhang mit den Aufgaben einer diplomatischen Vertretung stehen. Sollte ein solcher Fall auftreten - im Ausgangsverfahren bestehen hierfür keine Anhaltspunkte -, so wäre es Sache der zuständigen Organe der Bundesrepublik Deutschland, einem funktionswidrigen Gebrauch der Immunität diplomatischer Vertretungen mit diplomatischen und sonstigen, völkerrechtlich zulässigen Mitteln zu begegnen. Dem privaten Einzelnen, der in privatwirtschaftliche Beziehungen zu einem fremden Staat treten will, bleibt es unbenommen, etwa durch Vereinbarungen über die Art und Weise der Abwicklung der Leistungen, über das Verfahren im Streitfall - insbesondere einen Verzicht auf Immunität, der grundsätzlich unwiderruflich ist (vgl. insoweit auch die Regelung des amerikanischen Foreign Sovereign Immunities Act of 1976, Sec. 1610 [a] [1]) - oder über Sicherheiten seine Interessen soweit als möglich zu wahren.
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d) Offenbleiben kann hier, ob und nach welchen Maßstäben Forderungen und sonstige Rechte aus anderen Konten eines fremden Staates bei Banken im Gerichtsstaat, etwa aus besonderen Konten im Zusammenhang mit Beschaffungskäufen oder Anleihebegebungen oder aus Konten ohne besondere Zweckbestimmung, als hoheitliche oder nicht-hoheitliche Vermögensgegenstände zu qualifizieren sind, und welche völkerrechtlichen Grenzen gegebenenfalls für das Beweisrecht insoweit zu beachten sind.
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5. Für die Frage der Immunität des Entsendestaats zugunsten seiner diplomatischen Vertretung kommt es nicht auf die wirtschaftliche Lage des Entsendestaats an, ob er etwa in der Lage wäre, trotz der Pfändung von Forderungen aus einem allgemeinen, laufenden Konto seiner Botschaft den Botschaftsbetrieb durch finanzielle Zuwendungen oder Leistungen, die auf anderem Wege erbracht werden, aufrechtzuerhalten. Es kommt insoweit allein auf die abstrakte Gefährdung durch Vollstreckungsmaßnahmen dieser Art an. Sie ist bei den Rechtswirkungen, die ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluß nach deutschem Recht zu Lasten des Vollstreckungsschuldners und von Drittschuldnern auslöst, gegeben. Eine Unterscheidung nach der wirtschaftlichen Lage des Entsendestaats würde überdies zu einer unterschiedlichen Behandlung fremder Staaten im Bereich der diplomatischen Immunität führen können, die dem völkerrechtlichen Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten widerstritte. Es kann hier dahinstehen, ob dieser Rechtsgrundsatz so, wie er in Art. 2 Abs. 1 der Satzung der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430) seinen Niederschlag gefunden hat, nur die mitgliedschaftsrechtlichen Beziehungen im Rahmen der Organisation der Vereinten Nationen betrifft; der Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten ist darüber hinaus ein Konstitutionsprinzip des gegenwärtigen allgemeinen Völkerrechts, das jedenfalls im Bereich des diplomatischen Verkehrs der Staaten eine weitgehend formale Gleichbehandlung gebietet (vgl. Deklaration der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 24. Oktober 1970, zum Grundsatz der souveränen Gleichheit, United Nations Doc. A/RES/2625 [XXV], ILM IX [1970] 1292 ff., 1296). Eine unterschiedliche Behandlung der Staaten im Bereich der diplomatischen Immunität nach Maßgabe ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wäre damit unvereinbar.
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III. |
1. Die unter C. festgestellte allgemeine Regel des Völkerrechts ist Bestandteil des Bundesrechts, Art. 25 Satz 1 GG, § 83 Abs. 1 BVerfGG.
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2. Sie begründet ausschließlich Rechte und Pflichten im völkerrechtlichen Verhältnis der Staaten zueinander, nicht hingegen begründet oder verändert sie subjektive Rechte oder Pflichten des privaten Einzelnen im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland, auch nicht zufolge des Art. 25 Satz 2 GG. Aus ihr folgt weder ein subjektives Recht des privaten Einzelnen, die Zwangsvollstreckung in dem Umfang, wie das allgemeine Völkerrecht es zuläßt, gegen fremde Staaten im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland zu betreiben, noch begründet sie eine subjektive Pflicht, eine Zwangsvollstreckung gegen den fremden Staat, soweit sie nach allgemeinem Völkerrecht verwehrt ist, nicht anzustrengen. Rechte und Pflichten dieses Inhalts ergeben sich derzeit allenfalls aus dem sonstigen innerstaatlichen Recht.
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3. Davon ist, wie dargelegt, zu unterscheiden, daß die festgestellte allgemeine Regel des Völkerrechts kraft Art. 25 Satz 1 GG als solche mit ihrer jeweiligen völkerrechtlichen Tragweite Bestandteil des objektiven, im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland geltenden Rechts ist und je nach der Sachlage Rechtswirkungen für oder gegen private Einzelne haben kann, etwa dergestalt, daß im Hinblick auf das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Gerichtsbarkeit ein von ihm angestrengtes Vollstreckungsverfahren oder die Art und Weise einer Vollstreckungsmaßnahme zulässig oder unzulässig sein können. Der Ausspruch des Bundesverfassungsgerichts gemäß § 83 Abs. 1 BVerfGG beschränkt sich in solchen Fällen auf die Feststellung, daß die allgemeine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist.
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IV. |
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
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