BVerfGE 49, 343 - Abgaben wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse |
Die Erhebung einer Abgabe wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse infolge von Baumaßnahmen (§ 9 Kommunalabgabengesetz des Landes Schleswig-Holstein) ist mit dem Grundgesetz vereinbar. |
Beschluß |
des Zweiten Senats vom 12. Oktober 1978 |
- 2 BvR 154/74 - |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn H... - Bevollmächtigter: Rechtanwalt Prof. Dr. C. H. Ule, Häusserstraße 51, Heidelberg - gegen a) das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. November 1973 - VII C 78.72 -, b) den Abgabenbescheid der Stadt Bad Segeberg vom 6. Oktober 1970, c) mittelbar § 9 Kommunalabgabengesetz des Landes Schleswig-Holstein vom 10. März 1970 - GVBl. S. 44 - und die Satzung der Stadt Bad Segeberg über die Erhebung von Abgaben wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse vom 14. Juli 1970 -. |
Entscheidungsformel: |
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. |
Gründe |
A. |
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die auf Grund des § 9 Kommunalabgabengesetz des Landes Schleswig-Holstein und der Satzung der Stadt B.S. erhobene Abgabe wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse mit dem Grundgesetz im Einklang steht.
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I. |
Nach § 1 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz des Landes Schleswig-Holstein vom 10. März 1970 (GVBl S. 44) - KAG - sind die Gemeinden und Kreise berechtigt, Steuern, Gebühren, Beiträge und sonstige Abgaben nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu erheben. Über die Abgabe wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse trifft § 9 KAG im Anschluß an Einzelregelungen für Steuern (§ 3 KAG), Gebühren (§§ 4 ff KAG) und Beiträge (§ 8 KAG) nähere Bestimmungen. § 9 KAG lautet:
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Abgaben wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse
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(1) Gemeinden können zur Deckung der Aufwendungen, die durch eine Neuordnung der Gemeindeverhältnisse und Schulverhältnisse oder sozialer Einrichtungen infolge von Baumaßnahmen erforderlich werden, von den Bauherrn Abgaben erheben. Die Abgaben sind entsprechend der Zahl und Größe der Wohnungseinheiten zu bemessen, die durch die Baumaßnahmen entstehen. Maßgebend ist die Baugenehmigung. (2) Gemeinden können Abgaben, die wegen Änderung der Schulverhältnisse erforderlich werden, auch dann erheben, wenn die Trägerschaft für die Schule einem Schulverband oder einem Amt übertragen worden ist. (3) Als Aufwendungen nach Abs. 1 gelten auch Zuwendungen, die Gemeinden juristischen Personen gewähren, soweit diese anstelle der Gemeinden Träger von Einrichtungen nach § 17 Abs. 1 der Gemeindeordnung sind. (4) Die Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, wenn bei Umbauten und Erweiterungsbauten zusätzliche Wohnungseinheiten geschaffen werden. |
Die Stadt B.S. hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und erhebt nach Maßgabe ihrer Satzung vom 14. Juli 1970 eine entsprechende Abgabe; die §§ 1 bis 6 der Satzung lauten:
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§ 1
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Zur Deckung der Aufwendungen, die durch eine Neuordnung der Gemeindeverhältnisse, der Schulverhältnisse und von sozialen Einrichtungen infolge von Baumaßnahmen erforderlich werden, und zwar: Erweiterung eines Verwaltungsgebäudes, Schaffung sowie Erweiterung von Volksschulen, Erweiterung einer Realschule und eines Gymnasiums, Schaffung eines Kindergartens, Erweiterung eines Friedhofes und Anschaffung von Feuerlöschgeräten, werden Abgaben erhoben.
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§ 2
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Die Abgabenschuld entsteht mit der Erteilung der Baugenehmigung. Sie erlischt zugleich mit der Baugenehmigung. Schuldner der Abgabe ist, wer die Baugenehmigung erhält. Wird die Baugenehmigung nicht dem Grundstückseigentümer erteilt, so haftet dieser für die Schuld.
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§ 3
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Die Abgaben werden nach der Zahl und der Größe der Wohnungseinheiten bemessen, die sich aus der Baugenehmigung ergeben. Sie betragen für Wohnungseinheiten bis 40 qm Wohnfläche 700,-- DM Wohnungseinheiten bis 80 qm Wohnfläche 1.400,-- DM Wohnungseinheiten bis 120 qm Wohnfläche 2.050,-- DM Wohnungseinheiten bis 160 qm Wohnfläche 2.700,-- DM Wohnungseinheiten über 160 qm Wohnfläche 3.000,-- DM |
§ 4
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Die Abgabe nach § 3 wird auch erhoben, wenn durch Umbauten oder Erweiterungsbauten zusätzliche Wohnungseinheiten geschaffen werden.
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§ 5
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Die Abgabe ist mit dem Baubeginn (§ 92 Abs. 9 der Landesbauordnung) fällig. Es kann Stundung oder Ratenzahlung gewährt werden.
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§ 6
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Diese Satzung tritt am Tage nach der Bekanntmachung in Kraft.
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Dem Erlaß der Satzung sind Planungen und Berechnungen über die Entwicklung der Stadt und den dadurch bedingten Finanzbedarf, der mit etwa 40% durch die Abgabe gedeckt werden soll, vorausgegangen.
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II. |
1. Der Beschwerdeführer erhielt auf seinen Antrag vom 27. April 1970 am 4. September 1970 die Baugenehmigung für die Errichtung eines Sechs-Familienhauses in B.S. . Durch Abgabenbescheid vom 6. Oktober 1970 setzte die Stadt B.S. gegen den Beschwerdeführer eine Abgabe wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse in Höhe von 11.000 DM fest. Der Beschwerdeführer hat dagegen nach erfolglosem Widerspruch den Verwaltungsrechtsweg beschritten.
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2. a) Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 19. Mai 1971 stattgegeben. Es hat im wesentlichen ausgeführt:
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§ 9 KAG sei gültig. Die Gesetzgebungskompetenz des Landes Schleswig-Holstein ergebe sich aus Art. 70 ff. GG. Art. 3 GG sei nicht verletzt, weil die Abgabe nur für Einrichtungen erhoben werden dürfe, die von "Neubaubürgern" veranlaßt seien. Der Abgabenerhebung stehe die Zielsetzung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes nicht entgegen, da zum Wohnungsbau auch eine dem Wesen des Wohnens entsprechende Erschließung des Wohngebietes gehöre.
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Unwirksam sei aber die Satzung vom 14. Juli 1970, da sie den Ermächtigungsrahmen in mehrfacher Hinsicht überschreite.
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b) Die gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts gerichtete Berufung der Stadt B.S. hatte Erfolg. In dem Urteil vom 27. Juli 1972 legte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hauptsächlich dar:
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Unbeschadet der Rechtsnatur der Abgabe sei eine Gesetzgebungskompetenz des Landes auf jeden Fall - sei es aus Art. 70 ff. GG, sei es aus Art. 105 Abs. 2 und Abs. 2a GG - gegeben. Die Bestimmtheit des § 9 KAG unterliege keinen Bedenken. Die Abgabe kollidiere weder mit der Aufgabe, den sozialen Wohnungsbau zu fördern, noch mit § 8 des Gesetzes über die Freizügigkeit vom 1. November 1867 (BGBl III 2181-1), nach dem die Gemeinden nicht befugt seien, von Neuzuziehenden wegen des Zuzugs eine Abgabe zu erheben. Die Abgabensatzung verstoße nicht gegen § 9 KAG. Sie sei mit dem abgabenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz und dem Gleichheitssatz vereinbar.
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c) Die gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts gerichtete Revision hat das Bundesverwaltungsgericht durch Urteil vom 30. November 1973 als unbegründet zurückgewiesen:
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§ 9 KAG sei nicht revisibles Landesrecht. Die Rechtsnatur der Abgabe könne auch für die revisionsrechtliche Nachprüfung auf sich beruhen; die Gesetzgebungskompetenz des Landes habe das Berufungsgericht zu Recht unter Hinweis auf die Art. 70 ff, 105 Abs. 2 und 2a GG bejaht. Weder habe die Gesetzgebung des Bundes den Sachbereich der Abgabe nach § 9 KAG in Anspruch genommen noch gebe es für den Fall, daß die streitige Abgabe zu den Steuern gehören sollte, eine gleichartige bundesgesetzlich geregelte Steuer. Auch Art. 3 GG sei nicht verletzt, da es sachlich gerechtfertigt sei, zwischen Neubaubürgern und Altbaubürgern zu unterscheiden. Bei gewerblichen Bauherren lägen die Verhältnisse anders. Rechtsstaatliche Bedenken gegen § 9 KAG und gegen die Satzung bestünden nicht.
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III. |
Mit der Verfassungsbeschwerde behauptet der Beschwerdeführer, § 9 KAG verletze Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Er trägt dazu im wesentlichen vor: Bei den in § 9 KAG geregelten Abgaben handle es sich um Steuern, für die dem Land Schleswig-Holstein wegen des Verbots, neben bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartige Landessteuern zu erheben (Art. 72 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 und Abs. 2a GG), die Gesetzgebungskompetenz gefehlt habe. Die Abgabe sei eine Steuer, da sie jedem auferlegt werde, der den Tatbestand erfülle, an den Gesetz und Satzung die Leistungspflicht knüpften und weil sie dazu diene, Einkünfte für zukünftige Projekte zu erzielen. Das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a GG sei verletzt, weil die streitige Abgabe mit der Grundsteuer, soweit diese für Wohngrundstücke erhoben werde, gleichartig sei. Sowohl die Abgabe gemäß § 9 KAG als auch insoweit die Grundsteuer knüpften an die Tatsache der Grundstücksbebauung an. Ferner schöpften beide Abgaben aus derselben Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, nämlich der höheren Ertragsmöglichkeit des bebauten Grundstücks. Daß in Einzelfällen der Bauherr nicht der für das Grundsteuerrecht maßgebliche Grundstückseigentümer sei und somit zwei verschiedene Personen zu den Abgaben herangezogen würden, sei unerheblich, weil es sich dabei nicht um den Regeltatbestand handle, von dem der Gesetzgeber ausgehe.
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Die Abgabe nach § 9 KAG sei auch deshalb verfassungswidrig, weil der Bundesgesetzgeber mit der Grundsteuervergünstigung im Zweiten Wohnungsbaugesetz die Besteuerung des Wohnungsbaues erschöpfend geregelt habe und die Abgabe ferner der Zielsetzung des 21. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969, BGBl I S. 359), einheitliche Lebensverhältnisse innerhalb des Bundesgebietes zu gewährleisten, entgegenwirke.
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Überdies verletze § 9 KAG das Grundrecht auf Gleichbehandlung. Die Ermächtigung zur Erhebung der Abgabe werde damit gerechtfertigt, daß die Zahl der Gemeindeeinwohner infolge des Wohnungsbaues steige. Das sei jedoch unzutreffend. Es sei vielmehr eine Vermehrung der Wohnbedürfnisse der einzelnen Menschen zu beobachten, ohne daß dadurch die Einwohnerzahl der Gemeinde und das Bedürfnis nach weiteren öffentlichen Einrichtungen steige. Die Vorschrift behandle damit unterschiedliche Sachverhalte (bloße Erhöhung der Wohnbedürfnisse einerseits, Zuzug andererseits) ohne zureichenden Grund gleich.
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Weiter verstoße die Satzung der Stadt B.S. gegen Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), weil sie die eigentlichen Gründe für die Anforderung der "sonstigen Abgabe" zu ungenau umschreibe. Irgendwelche örtlichen Festlegungen und irgendwelche Bestimmungen über die Trägerschaft, zB des Kindergartens, seien nicht getroffen worden.
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IV. |
Zu der Verfassungsbeschwerde haben der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein und die Beklagte des Ausgangsverfahrens Stellung genommen.
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1. Der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Die Frage der Rechtsnatur der Abgabe bedürfe keiner Klärung, da die Abgabe auch dann keinen Übergriff in den bundesgesetzlich geregelten Bereich darstelle, wenn man sie als Steuer ansehe. Eine Gleichartigkeit im Sinne des Art. 105 Abs. 2, Art. 72 Abs. 1 GG mit der Grundsteuer sei nicht gegeben. Die Abgabe nach § 9 KAG schöpfe eine andere Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit aus als die Grundsteuer. Die Grundsteuer sei nicht als Substanzsteuer gedacht, sondern ziele als Realsteuer auf die objektive Ertragskraft des Grundbesitzes. Sie solle aus dem tatsächlichen Ertrag des Grundstücks aufgebracht werden. Demgegenüber nehme die Abgabe nach § 9 KAG die finanzielle Leistungsfähigkeit in Anspruch, die beim Bauherrn in dem einmaligen Aufwand für die Herstellung von Wohnungen zum Ausdruck komme. Dementsprechend bemesse sich die Abgabe nach § 9 KAG nicht wie die Grundsteuer nach dem Grundstückswert, sondern nach Zahl und Größe der Wohnungseinheiten. Anknüpfungsmerkmal sei nicht wie bei der Grundsteuer das Grundeigentum, sondern unabhängig von der Eigentumslage das Erlangen der Baugenehmigung. Da die Abgabe nach § 9 KAG bereits nach dem weiten Gleichartigkeitsbegriff des Art. 105 Abs. 2, Art. 72 Abs. 1 GG der Grundsteuer nicht gleichartig sei, stehe zugleich fest, daß auch dann, wenn man die Abgabe als örtliche Verbrauchsteuer und Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG werte, im Verhältnis zur Grundsteuer der engere Gleichartigkeitsbegriff nach Art. 105 Abs. 2a GG nicht erfüllt sei.
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Die Gesetzgebung des Bundes habe auch im übrigen den Sachbereich der Abgabe nach § 9 KAG nicht in Anspruch genommen. Das Erschließungsbeitragsrecht scheide als entgegenstehendes Bundesrecht aus, weil die Erschließungsbeiträge als Vorteilsentgelte nur für bestimmte in § 127 Abs. 2 BBauG ausdrücklich aufgeführte Anlagen erhoben würden und das Recht der Länder, Abgaben für andere Anlagen zu erheben, durch § 127 Abs. 4 BBauG ausdrücklich aufrechterhalten worden sei.
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Auch in den bundesgesetzlich geregelten Bereich zur Förderung des Wohnungsbaues werde durch die Abgabe nach § 9 KAG nicht eingegriffen. Bei den vielfältigen Förderungsmaßnahmen werde davon ausgegangen, daß der Grundstückseigentümer als Bauherr von Wohnungen grundsätzlich auch den allgemeinen Verpflichtungen hinsichtlich Steuern, Abgaben und Gebühren, soweit sie sich auf Grundbesitz beziehen, unterliege. Die Entscheidung, in welchem Bereich und welchem Umfang Förderungsmittel oder sonstige Vergünstigungen gewährt werden, sei keine Rechtsfrage, sondern eine Entscheidung der Förderungspolitik. Es sei daher rechtlich durchaus möglich, daß trotz des bestehenden Gesetzesauftrags an Bund, Länder und Gemeinden zur Förderung des Wohnungsbaues auch Regelungen getroffen würden, die die Grundstückseigentümer oder Bauherren finanziell belasten. Eine aus speziellen Gesichtspunkten zu rechtfertigende Regelung anderer Art, die sich für den Bauherrn belastend auswirke, könne daher nicht im Hinblick auf die Förderungswürdigkeit der Bauvorhaben als von vornherein unzulässig angesehen werden. Insgesamt würde durch die Vorschriften zur Förderung des Wohnungsbaues nicht ausgeschlossen, daß der Landesgesetzgeber im Rahmen der ihm verfassungsrechtlich gegebenen Kompetenzen Regelungen treffe, die sich im Ergebnis für Bauvorhaben belastend auswirkten. Dies gelte auch dann, wenn die Bauvorhaben im Rahmen sonstiger Förderungsvorschriften begünstigt seien.
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2. Der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein hält die Verfassungsbeschwerde ebenfalls für unbegründet. Er ist der Meinung, bei der Abgabe gemäß § 9 KAG handle es sich um eine Abgabe eigener Art, die weder eine beitragsähnliche Entgeltabgabe noch eine Steuer sei. Die Gesetzgebungskompetenz des Landes folge deshalb aus Art. 70 Abs. 1 GG. Sei die Abgabe dagegen eine Steuer, so folge die Gesetzgebungskompetenz des Landes aus Art. 105 Abs. 2 und Abs. 2a GG. Die Grundsteuer stehe der Abgabe mangels Gleichartigkeit nicht entgegen. Auch könne die Abgabe, falls sie eine Steuer sei, als örtliche Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG angesehen werden.
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Die gesetzliche Wohnungsbauförderung schließe nicht aus, Bauherren zur Deckung von ihnen verursachter kommunaler Folgelasten heranzuziehen. Die Abgabe sei eine Abgabe anderer Art als die Steuern, von denen das Zweite Wohnungsbaugesetz den Wohnungsbau entlasten wolle. Ferner stünden der Abgabe auch nicht die Grundzüge der Finanzverfassung entgegen.
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Die Rüge aus Art. 3 GG sei bereits im Ansatz verfehlt. Es gehe allein um die Frage, ob die Folgelastenabgabe des § 9 KAG den Gleichheitsgrundsatz wegen ungleichmäßiger Belastung unterschiedlicher Folgelastenverursacher verletze. Das sei nicht der Fall. Mit der Behauptung, der Wohnungsneubau befriedige in erster Linie die erhöhten Wohnbedürfnisse in der Gemeinde bereits ansässiger Personen, ohne daß zusätzliche Folgelasten geschaffen würden, verkenne der Beschwerdeführer, daß die Gemeinde die Infrastrukturaufwendungen allein deswegen erbringe, um den Bedarf für diese Einrichtungen zu befriedigen.
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3. Auch die Beklagte des Ausgangsverfahrens hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Die Gesetzgebungszuständigkeit ergebe sich bereits aus Art. 70 ff GG, weil die streitige Abgabe keine Steuer sei. Ihrer Erhebung stünde aber auch für den Fall, daß es sich um eine Steuer handeln sollte, weder die bundesgesetzlich geregelte Grundsteuer noch die Grundsteuervergünstigung nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz entgegen.
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B. |
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
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Die auf Grund des § 9 KAG und der Satzung der Stadt B.S. erhobene Abgabe ist eine Steuer, für die das Land Schleswig-Holstein nach Art. 105 Abs. 2 iVm Art. 72 Abs. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz hat. Die Kompetenz des Landes ist nicht durch eine gleichartige Bundesgesetzgebung ausgeschlossen. Die Erhebung einer Abgabe nach § 9 KAG verstößt nicht gegen Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte des Beschwerdeführers.
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I. |
Die nach § 9 KAG in Verbindung mit entsprechenden Satzungen erhobene Abgabe ist eine Steuer.
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Die Abgabe wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse ist keine Gebühr, da sie in ihrer normativen Ausgestaltung keinen konkreten Bezug zu einer Gegenleistung der öffentlichen Verwaltung aufweist. Sie weist auch keine unmittelbare Verbindung zu irgendwelchen konkreten, einzeln greifbaren wirtschaftlichen Vorteilen, die der abgabepflichtige Bauherr nützen könnte, auf und ist deshalb auch kein Beitrag. Ebensowenig ist sie eine Abgabe sonstiger Art. Der schleswig-holsteinische Landesgesetzgeber hat die Abgabe wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse zwar weder den Steuern noch den Gebühren und Beiträgen, sondern den sonstigen kommunalen Abgaben zugeordnet (vgl. auch § 3 KAG). Für die Rechtsnatur einer Abgabe kommt es jedoch nicht darauf an, wie das Abgabengesetz selbst eine öffentlich-rechtliche Abgabe klassifiziert. Maßgeblich ist vielmehr der materielle Gehalt der Abgabe (vgl. BVerfGE 7, 244 [251 f.]).
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Nach ihrem materiellen Gehalt erfüllt die Abgabe wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse die Kriterien einer Steuer.
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Steuern im Sinne des Grundgesetzes sind einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (vgl. BVerfGE 3, 407 [435], ständige Rechtsprechung).
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Die Abgabe nach § 9 KAG wird von einem steuererhebungsberechtigten Gemeinwesen ohne unmittelbare Gegenleistung erhoben und dient der Erzielung von Einkünften zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs für Schulen, Verwaltungsgebäude und soziale Einrichtungen. Die Einnahmen aus der hier in Frage stehenden Abgabe sind dazu bestimmt, neben anderen öffentlichen Einkünften für allgemeine, wenngleich näher bezeichnete, öffentliche Belange ausgegeben zu werden. Diese Zweckbindung des Aufkommens der Abgabe steht dem Steuercharakter nicht entgegen. Zwecksteuern stehen zwar im Gegensatz zu den allgemeinen Steuern zu bestimmten Leistungen und Verwaltungszwecken des Abgabeberechtigten in Beziehung; die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben, zu deren Finanzierung Zwecksteuern dienen, hat aber nicht den Charakter einer Gegenleistung des Abgabeberechtigten zugunsten des Abgabepflichtigen; der Kreis der Abgabepflichtigen ist darum bei den Zwecksteuern auch nicht auf solche Personen begrenzt, die einen wirtschaftlichen Vorteil aus dem öffentlichen Vorhaben ziehen (BVerfGE 7, 244 [254]). § 9 KAG sieht auch vor, daß sich die Abgabepflicht generell auf alle Bauherren erstreckt, soweit die Tatbestandsvoraussetzungen für die Abgabenerhebung im übrigen vorliegen.
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II. |
Die Gesetzgebungskompetenz für eine derartige Steuer ergibt sich aus Art. 105 Abs. 2 iVm Art. 72 Abs. 1 GG. Die Abgabe nach § 9 KAG gehört nicht zu den "örtlichen Verbrauchsteuern und Aufwandsteuern" im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG. Sie ist keine Verbrauchsteuer. Die Abgabe entspricht auch nicht dem Bild einer Aufwandsteuer. Maßgebend für den Charakter einer Steuer als Aufwandsteuer ist, daß die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit getroffen werden soll (vgl. BVerfGE 16, 64 [74]). Dies ist bei der Abgabe nach § 9 KAG nicht der Fall: nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Bauherrn soll getroffen werden, sondern seine für die Gemeinde mit belastenden Folgen verbundene spezielle Betätigung. Hinzu kommt, daß die Abgabe von den Bauherren erhoben wird, ohne daß darauf abgestellt wird, ob der jeweilige Bauherr für die Baumaßnahmen eigene Aufwendungen erbringt. Die Abgabe wird auch dann erhoben, wenn die Baumaßnahmen ausschließlich von Dritten finanziert werden. Die Abgabe nach § 9 KAG kann daher nicht den Aufwandsteuern zugeordnet werden (vgl. BVerfGE 16, 64 [74]). Sie gehört zu den "übrigen Steuern" im Sinne des Art. 105 Abs. 2 GG, für die eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht.
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III. |
Die Kompetenz des Landes für die Erhebung einer Abgabe wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse ist nicht durch konkurrierende bundesgesetzliche Regelungen ausgeschlossen.
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1. Die Abgabe nach § 9 KAG ist nicht gleichartig im Sinne des Art. 72 Abs. 1 GG mit der bundesrechtlichen Grundsteuer. Auszugehen ist von einem Vergleich der steuerbegründenden Tatbestände (vgl. BVerfGE 7, 244 [260]; 13, 181 [193]). Dabei sind Steuergegenstand, Steuermaßstab, Art der Erhebung, wie auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der zu vergleichenden Steuern, insbesondere die Frage, ob die beiden Steuern dieselbe Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ausschöpfen, in den Vergleich einzubeziehen (vgl. BVerfGE 13, 181 [193]; 16, 64 [75]; 40, 56 [62 f.]).
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Der Vergleich der Abgabe nach § 9 KAG mit der bundesrechtlichen Grundsteuer an Hand der genannten Kriterien erweist die Ungleichartigkeit der beiden Steuern:
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a) Der Steuergegenstand ist bei beiden Steuern verschieden. Die Grundsteuer knüpft an vorhandenen Grundbesitz im Sinne des Bewertungsgesetzes an. Steuerbegründender Tatbestand bei der Abgabe wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse ist dagegen die Erteilung der Baugenehmigung, wobei zur Steuerbegründung noch hinzukommen muß, daß tatsächlich Baumaßnahmen im Sinne des § 9 KAG durchgeführt werden. Die Abgabe nach § 9 KAG kann also nur bei Grundstücken, die in einer bestimmten Weise wirtschaftlich verwertet werden, in Betracht kommen. Im Gegensatz zur Grundsteuer, die ein statistisches Moment - den Besitz eines Grundstücks - besteuert erhebt die Abgabe nach § 9 KAG eine Steuer auf Grund einer bestimmten wirtschaftlichen Verwertung eines Grundstücks durch eine Person, besteuert also ein dynamisches Moment. Der Gegenstand "Grundstück" hat somit bei den beiden Steuerarten eine völlig unterschiedliche Funktion, da er bei der Grundsteuer der besteuerte Gegenstand selbst ist, während er bei der Abgabe nach § 9 KAG lediglich die wirtschaftlich-technische Grundlage für den zu besteuernden Vorgang bildet.
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b) Bemessungsgrundlage ist bei der Grundsteuer der Objektwert des Grundstücks; bei der Abgabe nach § 9 KAG sind Anzahl und Größe der erstellten Wohnungen die Grundlage der Steuerbemessung. Ausgangspunkt der Grundsteuer ist damit die wirtschaftlich wertende Betrachtung des Steuerobjekts "Grundstück", während bei der Abgabe nach § 9 KAG die Steuer nach objektiv quantifizierbaren Größen bestimmt wird, ohne daß insoweit der wirtschaftliche Wert der steuerlichen Bezugsobjekte eine Rolle spielt.
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c) Die Steuerschuldner sind bei den beiden Steuern jedenfalls dann verschieden, wenn der Bauherr nicht bürgerlich-rechtlicher Eigentümer oder wirtschaftlicher Eigentümer im Sinne des Abgabenrechts ist. Beides muß nicht unbedingt zusammentreffen. Weiter ist zu bedenken, daß die Grundsteuer laufend erhoben wird, während die Abgabe nach § 9 KAG nur einmal zu erbringen ist.
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d) Beide Steuern schöpfen verschiedene Quellen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit aus.
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Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ist bei der Grundsteuer der unter Berücksichtigung der Nutzungsart ermittelte Wert des Grundbesitzes wie er als solcher im Wirtschaftsleben von Bedeutung ist (ähnlich BVerfGE 13, 181 [193] zur Gewerbesteuer). Die Abgabe nach § 9 KAG ist dagegen - wie sich schon aus der Bemessungsgrundlage (Anzahl und Größe der Wohnungen) ergibt - nicht an dem Objektwert orientiert; es spielt keine Rolle, ob einfache oder luxuriöse Wohnungen erstellt werden. Der Objektwert wird also nicht als Steuerquelle herangezogen. Entscheidend für die Abgabenerhebung ist allein, daß der Bauherr als baurechtlich Verantwortlicher die Baumaßnahme durchführt. Die Abgabe trifft damit die allgemeine Leistungsfähigkeit, die sich darin konkretisiert, daß jemand als Bauherr von Wohnraum am wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Beide Steuern sind auch in ihrer wirtschaftlichen Bewertung und Auswirkung verschieden zu beurteilen: Die Abgabe nach § 9 KAG ist ein einmaliger Kostenfaktor im Rahmen der Herstellungskosten. Angesprochen ist damit die Vermögenskraft des Steuerpflichtigen. Die Grundsteuer unterliegt dagegen einer anderen wirtschaftlichen Beurteilung. Sie ist ständiger Kostenfaktor, der über lange Zeit in die wirtschaftlichen Überlegungen des Steuerpflichtigen einzubeziehen ist. Angesprochen ist hier die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Sinne der ständigen Ertragsfähigkeit des Grundstücks. Beide Steuern wenden sich somit an verschiedene Seiten der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen.
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2. Die Kompetenz des Landes Schleswig-Holstein zur Erhebung einer Abgabe wegen Veränderung der Gemeindeverhältnisse ist nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Bund in verschiedenen Gesetzen Regelungen über steuerliche Belastungen des Baues von Wohnungen und die Besteuerung des Grundbesitzes getroffen hat. Diese Regelungen sind keine abschließende bundesgesetzliche Normierung des gesamten Bereichs im Sinne des Art. 72 Abs. 1 GG.
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a) Das Grundsteuergesetz enthält keine abschließende Regelung des Gebietes "Steuerliche Belastungen des Wohnungsbaues".
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Zwar ist in der Entscheidung BVerfGE 7, 244 [258 f.] ausgeführt, daß im Bereich der Steuergesetzgebung nach der Gesamtordnung des bundesstaatlichen Finanzwesens die Inanspruchnahme eines Steuergegenstandes durch den Bund im Sinne des Art. 72 Abs. 1 GG nur eine erschöpfende Regelung bedeuten könne. Dies ist aber nicht dahin aufzufassen, daß die Regelung einer Steuermaterie ganz allgemein die Vermutung der erschöpfenden Regelung des gesamten Steuergebiets bedeuten soll. Vielmehr ergibt sich aus der genannten Entscheidung, daß die bundesrechtliche Inanspruchnahme eines Steuergegenstandes lediglich hinsichtlich dieses konkreten Steuergegenstandes eine erschöpfende und abschließende Regelung bedeutet. Nur diesen genau bestimmten Tatbestand, an den das Bundesgesetz eine Steuer geknüpft hat, kann der Landesgesetzgeber nicht mehr mit einer gleichartigen Steuer belegen. Durch das Grundsteuergesetz ist lediglich der konkrete Steuergegenstand "Grundstück" bundesgesetzlich - und damit abschließend - geregelt worden, so daß Steuergegenstände, die mit dem Steuergegenstand "Grundstück" nur eine begrenzte wirtschaftliche Verbindung haben, von dieser bundesgesetzlichen Regelung nicht erfaßt werden und dem Landesgesetzgeber weiter zur Verfügung stehen. Eine Vermutung, durch das Grundsteuergesetz sei die gesamte Materie "Steuerliche Belastungen des Wohnungsbaues" erschöpfend durch den Bund geregelt worden, besteht nicht.
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b) Auch durch die Vielzahl einzelner bundesgesetzlicher Regelungen, die den Wohnungsbau finanziell fördern und steuerlich begünstigen (insbesondere § 7b EStG, Wohnungsbau-Prämiengesetz, Wohnungsbaugesetze, Subventionen für das Wohnungswesen), hat der Bundesgesetzgeber keine abschließende Regelung des Gebiets "Steuerliche Belastungen des Wohnungsbaues" geschaffen. Aus diesen Förderungsmaßnahmen, bei denen es sich ohnehin zum Teil um Maßnahmen der gewährenden Verwaltung handelt, kann nicht auf das Vorliegen einer erschöpfenden steuerrechtlichen Normierung des gesamten Gebiets geschlossen werden. Wann der Bundesgesetzgeber eine solche erschöpfende Regelung getroffen hat, ist einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes zu entnehmen (vgl. BVerfGE 1, 283 [296]; 7, 342 [347]). Sie ergibt hier, daß eine abschließende bundesgesetzliche Regelung des Gebiets "Steuerliche Belastungen des Wohnungsbaues" durch die verschiedenen Gesetze zur Förderung und Begünstigung des Wohnungsbaues nicht vorliegt.
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3. Das in verschiedenen bundesgesetzlichen Regelungen zum Ausdruck kommende Motiv des Bundesgesetzgebers, den Wohnungsbau steuerlich zu entlasten und finanziell zu fördern, reicht solange nicht aus, eine dieser wirtschaftspolitischen Absicht möglicherweise tendenziell zuwiderlaufende landesrechtliche Steuer wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse über Art. 72 Abs. 1 GG zu unterbinden, als nicht der Bundesgesetzgeber den konkreten vom Landesgesetzgeber in Anspruch genommenen Steuergegenstand selbst eindeutig positiv oder negativ geregelt hat.
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a) Die Bestimmung des Art. 72 Abs. 1 GG verbietet landesrechtliche Regelungen auf den Gebieten der konkurrierenden Gesetzgebung nur, soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht tatsächlich Gebrauch gemacht hat. Das Grundgesetz spricht in Art. 72 Abs. 1 GG dagegen nicht davon, daß die Länder ihre Gesetzgebungsrechte schon durch das Vorhandensein bloßer Wertvorstellungen und Zielvorstellungen des Bundesgesetzgebers verlieren, mögen diese auch in Bundesgesetzen zum Ausdruck gekommen sein. Die Länder sind mithin bei der konkurrierenden Gesetzgebung auch zum Erlaß von Gesetzen berechtigt, die den wirtschaftspolitischen Vorstellungen des Bundesgesetzgebers zuwiderlaufen, solange und soweit der Bund nicht durch eine ausdrückliche und eindeutige Regelung eine derartige Landesgesetzgebung unterbindet. Eine Homogenitätspflicht der Länder besteht insoweit nicht.
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b) Demgemäß scheitert die Kompetenz des Landes für eine Abgabe wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse auch nicht daran, daß der Bund im Zweiten Wohnungsbaugesetz unter bestimmten Voraussetzungen eine Befreiung der Wohngebäude von der Grundsteuer für 10 Jahre vorgesehen hat. Diese Steuerbefreiung bezieht sich nur auf die vom Bund erschöpfend geregelte Grundsteuer, läßt aber die andersartige Abgabe nach § 9 KAG unberührt. Die in den betreffenden Bestimmungen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes zum Ausdruck kommende Absicht des Bundesgesetzgebers zur steuerlichen Entlastung des Wohnungsbaues reicht allein nicht aus, eine der betreffenden Bundessteuer ungleichartige Landessteuer auszuschließen. Wenn der Bund eine solche andersartige Landessteuer verhindern will, weil sie seinen Absichten zuwiderläuft, ist er gehalten, den andersartigen Steuergegenstand durch eine eindeutige, positive oder negative bundesgesetzliche Regelung der Kompetenz des Landes zu entziehen. Entsprechendes gilt für die Vorschrift des § 7b EStG und die anderen Bestimmungen, die eine Förderungsabsicht des Bundes hinsichtlich des Wohnungsbaues erkennen lassen.
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4. Die Frage, ob die Abgabe nach § 9 KAG angesichts der Möglichkeit, die Infrastrukturbelastungen der Gemeinden im Wege des kommunalen Finanzausgleichs zu berücksichtigen, rechtspolitisch veranlaßt ist, hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu beantworten. Diese Entscheidung obliegt den politisch verantwortlichen Gremien.
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IV. |
§ 9 KAG verstößt nicht gegen sonstige Grundgesetzbestimmungen.
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1. Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt.
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Im Bereich des Steuerrechts ist der Gesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit gebunden (vgl. BVerfGE 6, 55 [70]). Bei der Erschließung von Steuerquellen hat der Gesetzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Entschließt sich der Gesetzgeber, eine bestimmte Steuerquelle zu erschließen, andere Steuerquellen dagegen nicht auszuschöpfen, so ist der allgemeine Gleichheitssatz nicht verletzt, wenn finanzpolitische, volkswirtschaftliche, sozialpolitische oder steuertechnische Erwägungen die verschiedene Behandlung motivieren (vgl. BVerfGE 13, 181 [202 f.]). Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers endet erst dort, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also kein einleuchtender Grund mehr für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung besteht. Nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit (Willkürverbot) ist vom Bundesverfassungsgericht nachzuprüfen, nicht aber, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat (BVerfGE 26, 302 [310]).
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Nach diesen Grundsätzen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, die Bauherren von zusätzlichen Wohnungseinheiten zur Finanzierung der durch die Baumaßnahmen insgesamt veranlaßten, in § 9 KAG genannten Folgelasten heranzuziehen.
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a) Die Abgabe trifft alle diese Bauherren gleichermaßen. § 9 KAG ermächtigt zum Erlaß einer Abgabensatzung nur dann, wenn Folgekosten bestimmter Art durch eine geplante Gesamtwirkung von Wohnungsneubauten veranlaßt werden, die zu einer erheblichen Veränderung der bisherigen Gemeindeverhältnisse führt. Eine solche Entwicklung braucht nicht nur durch den Zuzug Ortsfremder ausgelöst zu werden. Auch eine innerörtliche Veränderung der Wohnverhältnisse und Wohngebiete kann eine Neuordnung im Sinne des Gesetzes mitveranlassen. Daher ist es nicht sachwidrig, alle Bauherren zusätzlicher Wohneinheiten der Abgabepflicht zu unterwerfen.
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b) Daß Errichter gewerblicher Gebäude oder gemischt genutzter Räume zu der Abgabe nicht herangezogen werden, ist durch sachliche Gründe hinreichend gerechtfertigt: Zum einen werden die kommunalen Belastungen, die infolge von Gewerbebauten entstehen, durch die Gewerbesteuer mit aufgefangen. Zum anderen bringen gewerbliche Bauten nur in unterschiedlicher Weise und allenfalls mittelbar Folgelasten der im Kommunalabgabengesetz angesprochenen Art mit sich. Dies kann nicht mit dem Hinweis auf die in den Gewerbebetrieben zu beschäftigenden Arbeitskräfte in Zweifel gezogen werden. Da diese Arbeitskräfte nicht notwendig in dem Ort wohnen, in dem der Gewerbebetrieb angesiedelt ist, entstehen durch die Errichtung eines Gewerbebetriebs auch nicht notwendigerweise die in § 9 KAG genannten Folgelasten. Nur soweit der Gewerbebetrieb Arbeitskräfte in die Gemeinde selbst zieht und dafür Wohnraum, der kommunale Belastungen mit sich bringt, in der Gemeinde errichtet werden muß, setzt die Abgabe nach § 9 KAG ein. Die Anknüpfung der Abgabe an die Errichtung von Wohnraum ermöglichst es somit, in sachlich differenzierender Weise ausschließlich solche Baumaßnahmen zu besteuern, die in ihrer planerischen Gesamtwirkung kommunale Folgelasten auslösen. Insgesamt liegen damit einleuchtende Gründe dafür vor, die Abgabe nach § 9 KAG nur bei Errichtung von Wohnraum, nicht aber auch bei Erstellung gewerblicher Bauten zu erheben.
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2. Die Vorschrift des § 9 KAG genügt den Anforderungen rechtsstaatlicher Bestimmtheit. Verfassungsrechtlich ist nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber unbestimmte Rechtsbegriffe wie "Neuordnung der Gemeindeverhältnisse und Schulverhältnisse" und "soziale Einrichtungen" verwendet (vgl. BVerfGE 21, 73 [79]). Diese Begriffe sind auslegungsfähig und genügen den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normenklarheit und Justitiabilität.
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V. |
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Satzung der Stadt B.S. bestehen nicht.
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1. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG scheidet als Prüfungsmaßstab aus. Diese Vorschrift betrifft nicht das Satzungsrecht der Gebietskörperschaften (vgl. BVerfGE 32, 346 [360 f.]).
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2. Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit als Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips im Bereich des Abgabenwesens fordert, daß steuerbegründende Tatbestände so bestimmt sein müssen, daß der Steuerpflichtige die auf ihn entfallende Steuerlast vorausberechnen kann (BVerfGE 19, 253 [267]). Diese Voraussetzungen erfüllt die Satzung. Abgabepflichtig ist jeder Bauherr im Geltungsbereich der Satzung vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an. Bemessungsgrundlage, Höhe, Entstehung und Fälligkeit der Abgabe sind in der Satzung hinlänglich bestimmt.
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3. Nach den für die Satzung der Stadt B.S. maßgeblichen Berechnungsunterlagen werden rund 40% der durch die Neuordnung der Gemeindeverhältnisse erforderlichen Aufwendungen durch die Abgabe gedeckt; der Mehrbetrag wird aus den übrigen Haushaltsmitteln der Stadt bestritten. Daher kann offenbleiben, ob sich angesichts der Zweckbindung der Abgabe aus dem Gleichheitssatz, insbesondere aus dem Gedanken der Gleichheit aller Bürger vor den Lasten öffentlicher Einrichtungen, Grenzen dafür ergeben, von der Ermächtigung des § 9 KAG in der Weise Gebrauch zu machen, daß die dort genannten Folgekosten überwiegend oder gar in voller Höhe auf die Bauherren überbürdet werden, obwohl diese Einrichtungen allen Gemeindeeinwohnern dienen.
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VI. |
Diese Entscheidung ist mit sieben Stimmen gegen eine Stimme ergangen.
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Zeidler Rinck Wand Hirsch Rottmann Niebler Steinberger Träger |
Abweichende Meinung des Richters Hirsch zu dem Beschluß des Zweiten Senats vom 12. Oktober 1978 - 2 BvR 154/74 - |
I. |
Ich kann der Entscheidung des Senats bereits im Ausgangspunkt nicht zustimmen, wonach es sich bei der in § 9 Kommunalabgabengesetz des Landes Schleswig-Holstein (KAG) geregelten "Abgabe wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse infolge von Baumaßnahmen" um eine Steuer handeln soll.
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1. Der Senat hat seiner Beurteilung in Fortsetzung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 3, 407 [435]) die Definition der Steuer in § 1 der alten Reichsabgabenordnung (AO) zugrunde gelegt; danach sind Steuern "einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft". Diese Definition trifft auf die in § 9 KAG (in Verbindung mit der sie ausfüllenden und anwendenden Satzung der Stadt B.S.) geregelte "sonstige Abgabe" nicht zu. Dabei kann - wie sich zeigen wird - die Frage, ob diese Abgabe eine Steuer ist, nicht losgelöst von der weiteren Frage geprüft und beurteilt werden, ob die Regelung des § 9 KAG den rechtsstaatlichen Anforderungen des Grundgesetzes an die notwendige Bestimmtheit eines Steuergesetzes genügt. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 19, 253 [267]) entschieden, "der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit als Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips im Bereich des Abgabenwesens fordert, daß steuerbegründende Tatbestände so bestimmt sein müssen, daß der Steuerpflichtige die auf ihn entfallende Steuerlast vorausberechnen kann". Nicht zuletzt diese Forderung bedingt eine Auslegung der angeführten Definition der Steuern in § 1 AO, der die in § 9 KAG geregelte Abgabe nicht entspricht. Danach ist wesentliches Merkmal jeder Steuer, daß ihre Entstehung ausschließlich davon abhängig ist, daß der Steuerpflichtige durch ein bestimmtes Verhalten oder durch einen in seiner Person begründeten Zustand den Tatbestand erfüllt, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; folglich liegt dann keine Steuer vor, wenn die Entstehung der fraglichen Abgabe von weiteren Voraussetzungen abhängt, die außerhalb der Sphäre des Abgabenpflichtigen liegen und die er folglich nicht beeinflussen kann, die sich mithin auch einer Überprüfung durch ihn entziehen. Erst recht ist es mit der angeführten - nach Meinung des Senats verfassungskräftigen und somit auch für den Gesetzgeber verbindlichen - Definition der Steuer in § 1 AO unvereinbar, wenn es sich bei diesen zusätzlichen, außerhalb der Sphäre des Abgabenpflichtigen liegenden Voraussetzungen nicht um gerichtlich voll überprüfbare Rechtsbegriffe, sondern um ihrem Wesen nach politische Entscheidungen handelt, die als solche nicht rechtlich überprüfbar sind. Dies aber ist der Fall bei der in § 9 KAG geregelten Abgabe.
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Die Entstehung der fraglichen "Abgabe wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse infolge von Baumaßnahmen" setzt nach § 9 KAG in Verbindung mit der Satzung der Stadt B.S. einmal voraus, daß ein Bauherr eine Baugenehmigung für den Bau (Neubau, Umbau oder Erweiterungsbau) zumindest einer Wohnungseinheit auf einem Grundstück im Gemeindegebiet erhält; nur insoweit hängt die Entstehung der Abgabe allein von dem Verhalten des betroffenen Abgabenpflichtigen ab. Die Entstehung der Abgabe setzt aber außerdem und sogar vorrangig voraus, daß die Gemeinde zunächst einmal dadurch konkrete Aufwendungen hat, daß infolge der (Wohnungsbaumaßnahme) Baumaßnahme eine Neuordnung der Gemeindeverhältnisse und Schulverhältnisse oder der sozialen Einrichtungen erforderlich wird. Hieran kann auch der Senat nicht vorbei, indem er - wenn auch unter Zugrundelegung nicht der einzelnen (Wohnungsbaumaßnahme), Baumaßnahme sondern der "planerischen Gesamtwirkung" aller in Betracht kommenden Baumaßnahmen - feststellt, die Anknüpfung der Abgabe an die Errichtung von Wohnraum ermögliche es, "ausschließlich solche Baumaßnahmen zu besteuern, die ... kommunale Folgelasten auslösen". Allerdings werden Inhalt und Auswirkungen der durch Art. 28 Abs. 2 GG verfassungskräftig gewährleisteten gemeindlichen Selbstverwaltung verkannt, wenn der Senat (unter Hinweis auf die Entscheidung BVerfGE 21, 73 [79]) meint, bei diesen zusätzlichen und sachlich vorrangigen Tatbestandsmerkmalen handele es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die als solche auslegungsfähig seien und "den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normenklarheit und Justitiabilität (genügen)". Ganz abgesehen davon nämlich, daß es sich hierbei nicht um einen in der Person des Abgabenpflichtigen erfüllten Tatbestand handelt, liegen aus folgenden Gründen auch keine unbestimmten Rechtsbegriffe vor:
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Zunächst einmal verkürzt und verkennt der Senat die Problematik, wenn er in diesem Zusammenhang allein die - relativ unproblematischen - Begriffe "Neuordnung der Gemeindeverhältnisse und Schulverhältnisse" sowie "soziale Einrichtungen" berücksichtigt, obwohl es maßgeblich um die viel weiterreichende Frage geht, ob die fragliche (Wohnungsbaumaßnahme) Baumaßnahme eine Neuordnung der Gemeindeverhältnisse und Schulverhältnisse sowie der sozialen Einrichtungen "erforderlich" macht. Die Schaffung, die Organisation sowie das Betreiben von gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen gehört herkömmlich zum Kernbereich gemeindlicher Selbstverwaltung, der von Verfassungs wegen auch gegen Eingriffe des Gesetzgebers geschützt ist. Zwar ist den Gemeinden die Schaffung (d.h. das "ob") einzelner öffentlicher Einrichtungen durch Gesetz zur Pflicht gemacht; immerhin dürfen sie insoweit über das konkrete "wie" der Organisation sowie des Betreibens dieser Einrichtungen und damit zumindest auch über den Umfang der hierfür "erforderlichen" Aufwendungen in eigener Verantwortung entscheiden. Bei anderen öffentlichen Einrichtungen wie zB Kindergärten, die § 9 KAG mit umfaßt, liegt es sogar in der freien, rechtlich ungebundenen, somit ausschließlich politischen Entschließung der einzelnen Gemeinde, "ob" sie überhaupt eine solche Einrichtung schafft und gegebenenfalls in welcher Art, in welchem Umfang und mit welchem Kostenaufwand (so auch schon zutreffend das OVG Lüneburg im Berufungsurteil). So kann es sein, daß eine Gemeinde ohne Zuzug zusätzlicher Einwohner ("Ortsfremder") als eine Folge von (Wohnungsbaumaßnahmen) Baumaßnahmen und ohne eine erhebliche innerörtliche Veränderung der Wohnverhältnisse und Wohngebiete die Schaffung eines Kindergartens (nämlich aufgrund kommunalpolitischer Beurteilung) für "erforderlich" hält, während eine andere Gemeinde trotz Zuzugs zusätzlicher Einwohner infolge von Baumaßnahmen und trotz einer erheblichen innerörtlichen Veränderung der Wohnverhältnisse und Wohngebiete die Schaffung eines Kindergartens (etwa weil andere, nach ihrer politischen Beurteilung wichtigere Aufgaben vorgehen, "Priorität" haben) als "nicht erforderlich" ansieht. Schon dieser Zusammenhang zeigt die Unhaltbarkeit der Auffassung des Senats, die angeführten Tatbestandsmerkmale stellten "justitiable unbestimmte Rechtsbegriffe" dar. Vollends fragwürdig wird die Auffassung des Senats, wenn man weiter berücksichtigt, daß es bei der Frage, welche Aufwendungen für eine entsprechende Neuordnung der Gemeindeverhältnisse im Sinne von Ö 9 KAG "erforderlich" sind und somit Grundlage für die Entstehung der in § 9 KAG geregelten Abgabe sein können, keineswegs um die Beurteilung eines in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen Sachverhalts, sondern vielmehr um die "mittelfristige Prognose" einer in der Zukunft liegenden Entwicklung der Gemeinde geht, die von so vielen Unbekannten abhängt, daß jegliche angebliche "Rechtskontrolle" zur Farce wird. So genügt nach Auffassung des Senats schon eine unverbindliche mittelfristige Planung der Gemeinde als Grundlage für die Feststellung, in welcher Höhe entsprechende Aufwendungen für die Neuordnung der Gemeindeverhältnisse "erforderlich" werden und somit einer "Besteuerung" der Bauherren von (Wohnungsbaumaßnahmen) Baumaßnahmen zugrunde gelegt werden können - auch wenn der erwartete Bevölkerungszuwachs überhaupt nicht oder nur geringfügig oder sehr viel später eintritt und die zunächst geplante Neuordnung überhaupt nicht oder in viel geringerem Umfang verwirklicht wird und dementsprechend gar keine oder viel geringere Aufwendungen als zunächst veranschlagt "erforderlich" werden; soll die betroffene Gemeinde in solchen Fällen verpflichtet sein, die erhobene "Steuer" später zurückzuzahlen, da sie mangels Erfüllung des Steuertatbestands ja zu Unrecht erhoben worden ist?
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Diese Überlegungen zeigen, daß die Auffassung des Senats, es handele sich bei der Regelung des § 9 KAG um einen "Steuer"-Tatbestand, der den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normenklarheit und Justitiabilität genüge, nicht richtig sein kann; denn eine derart ausschließlich politische, zudem unverbindliche und mit allen Unwägbarkeiten einer mittelfristig absehbaren Zukunftsentwicklung der betroffenen Gemeinde belastete Entscheidung über die "Erforderlichkeit" des "ob" und des "wie" einer Neuordnung der Gemeindeverhältnisse infolge von (Wohnungsbaumaßnahmen) Baumaßnahmen mit entsprechenden konkreten Aufwendungen kann unmöglich Tatbestandsmerkmal eines Steuertatbestands sein, anhand dessen der Steuerpflichtige "die auf ihn entfallende Steuerlast vorausberechnen kann" (BVerfGE 19, 253 [267]).
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2. Gegenüber diesem Gesichtspunkt, der die Annahme einer Steuer meines Erachtens zwingend ausschließt, treten andere Argumente in den Hintergrund. Immerhin sei noch bemerkt, daß es sich bei der geschilderten Regelung des § 9 KAG nicht lediglich um eine Zweckbindung der erzielten Einkünfte aus dieser Abgabe handelt, die mit dem herkömmlichen Steuerbegriff noch vereinbar wäre; vielmehr ist diese Abgabe, wie das Oberverwaltungsgericht Lüneburg zutreffend festgestellt hat, vollständig in das "Veranlasser-Prinzip" eingebunden dergestalt, daß schon ihre Erhebung - insoweit den Entgeltsabgaben "Gebühr" und "Beitrag" entsprechend - nach Grund und Höhe von der (voraussichtlichen) Entstehung gemeindlicher Aufwendungen für eine Neuordnung der Gemeindeverhältnisse als Folge von (Wohnungsbaumaßnahmen) Baumaßnahmen abhängig ist, daß Einkünfte also überhaupt nur dann und auch nur insoweit erzielt werden dürfen, wie entsprechende Aufwendungen entstehen. Diesen Zusammenhang hat wohl auch der Senat erkannt, wie sich dem letzten Absatz seiner Gründe (unter V 3) entnehmen läßt, ohne allerdings die notwendigen Schlüsse daraus zu ziehen.
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3. In diesem Zusammenhang ist schließlich noch ein weiterer Gesichtspunkt anzuführen, den der Senat ebenfalls nicht hinreichend beachtet hat: Der Schleswig-Holsteinische Landesgesetzgeber hat in den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes seine Auffassung und seinen Willen, daß die in § 9 KAG geregelte Abgabe keine Steuer, sondern eine "sonstige Abgabe" neben Steuern, Gebühren und Beiträgen sei, deutlich zum Ausdruck gebracht (vgl. die Aufzählung in § 1 Abs. 1, ferner die Gesetzes-Systematik, die zwischen Steuern (§ 3), Gebühren (§§ 4 - 6), Beiträgen (§ 8), Abgaben wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse (§ 9) und Kurabgaben bzw Fremdenverkehrsabgaben (§ 10) unterscheidet, schließlich die konkrete Regelung des § 3 über Steuern, wonach - Abs. 1 Satz 3 - "das Aufkommen einzelner Steuern nicht bestimmten Zwecken vorbehalten werden (darf)" - mit der Folge, daß die in § 9 geregelte Abgabe schon wegen ihrer strikten Zweckbindung keine Steuer sein könnte). Zwar kommt es für die Rechtsnatur einer Abgabe nicht auf ihre Klassifizierung durch das Abgabengesetz, sondern auf ihren materiellen Gehalt an. Wenn aber - wie dies bei der in § 9 KAG geregelten Abgabe der Fall ist - der materielle Gehalt selbst derart erhebliche Zweifel aufwirft, die die fragliche Norm nicht nur auslegungsfähig, sondern sogar auslegungsbedürftig machen, kommt dem Willen des Gesetzgebers jedenfalls dann eine - möglicherweise sogar ausschlaggebende - Bedeutung zu, wenn er in anderen Vorschriften sowie etwa in der Gesetzessystematik erkennbar seinen Niederschlag gefunden hat und wenn er geeignet ist, die sich aus der Norm selbst ergebenden Zweifel auszuräumen. Dies trifft hier jedenfalls insoweit zu, als die Vorschriften der §§ 1 - 10 KAG - wie dargelegt - den Willen des Gesetzgebers klar erkennen lassen, daß die in § 9 geregelte "sonstige Abgabe" keine Steuer sei. Somit hätte sich für den Senat bei zutreffender Auslegung des Kommunalabgabengesetzes nur noch die Frage stellen dürfen, ob die in § 9 KAG geregelte Abgabe als "sonstige Abgabe" mit den Grundrechten sowie den sonstigen Vorschriften des Grundgesetzes vereinbar ist.
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II. |
Folgt man der Auffassung des Senats, bei der in § 9 KAG geregelten Abgabe handele es sich um eine Steuer, so muß man meines Erachtens unter verschiedenen Gesichtspunkten zur Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift, zumindest aber zur Verfassungswidrigkeit der sie anwendenden und ausfüllenden Satzung der Stadt B.S. kommen.
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1. Zunächst einmal vermögen die Gründe, mit denen der Senat die Gleichartigkeit der in § 9 KAG geregelten "Steuer" mit der Grundsteuer (B, für bebaute Grundstücke) verneint und somit zu einer entsprechenden Steuer-Gesetzgebungskompetenz des Landes Schleswig-Holstein gelangt, nicht zu überzeugen. Insofern widerspricht sich der Senat im übrigen selbst, wenn er (unter IV 1b, im Rahmen der Prüfung der Regelung auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG im Hinblick auf die Nichtheranziehung der Bauherren gewerblicher Gebäude) ausführt: "Zum einen werden die kommunalen Belastungen, die infolge von Gewerbebauten entstehen, durch die Gewerbesteuer mit aufgefangen. Zum anderen bringen gewerbliche Bauten nur in unterschiedlicher Weise und allenfalls mittelbar Folgelasten der im Kommunalabgabengesetz angesprochenen Art mit sich". Diese - zutreffenden - Ausführungen stehen in direktem Gegensatz zu den gegen die Gleichartigkeit der in § 9 KAG geregelten Abgabe mit der Grundsteuer (B) vorgebrachten Argumenten; denn ein Blick auf die geschichtliche Entwicklung des "Geschwisterpaares" Grundsteuer und Gewerbesteuer zeigt, daß diese beiden Realsteuern gleichermaßen erhoben wurden primär als Ausgleich für diejenigen Folgelasten, die der betroffenen Gemeinde infolge der in ihrem Gebiet liegenden Grundstücke (und hier insbesondere der bebauten und deshalb auch stärker belasteten Grundstücke) einerseits und der Gewerbebetriebe andererseits entstanden. Dasselbe gilt nach der eindeutigen Zweckbestimmung des § 9 KAG für diese "Steuer". Daß sich (im Anschluß an die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Schankerlaubnissteuer in BVerfGE 13, 181 [191 ff.]), dennoch gewisse rechtliche Unterschiede "konstruieren" lassen, vermag nach meiner Auffassung nichts daran zu ändern, daß die Abgabe - wenn man sie schon als eine Steuer ansieht und folglich an den entsprechenden steuerrechtlichen Maßstäben mißt - der Grundsteuer (B) gleichartig ist, zumal auch die wirtschaftlichen Auswirkungen (Teil der Gesamt-Grundstücksbelastung, die - wie die sonstigen Belastungen meist langfristig - aus dem Grundstücksertrag finanziert wird) die gleichen sind. Dann aber durfte der Schleswig-Holsteinische Landesgesetzgeber dieses "Steuer-Gesetz" (§ 9 KAG) nicht erlassen.
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2. Meines Erachtens verletzt die in § 9 KAG geregelte "Steuer" jedenfalls in der Auslegung dieser Vorschrift durch den Senat das Grundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber des § 9 KAG mußte nämlich unbeschadet der ihm zustehenden weitgehenden Gestaltungsfreiheit beim Erlaß von Steuer-Gesetzen den Grundsatz der Steuergerechtigkeit beachten. Das setzte zunächst einmal eine klare Abgrenzung der steuerpflichtigen Tatbestände von denjenigen Tatbeständen voraus, die steuerfrei bleiben sollen. Nach Auffassung des Senats trifft die in § 9 KAG geregelte Abgabe gleichermaßen alle Bauherren zusätzlicher Wohnungseinheiten unter der Voraussetzung, daß "Folgekosten bestimmter Art durch eine geplante Gesamtwirkung von Wohnungsneubauten veranlaßt werden, die zu einer erheblichen Veränderung der bisherigen Gemeindeverhältnisse führt. Eine solche Entwicklung braucht nicht nur durch den Zuzug Ortsfremder ausgelöst zu werden. Auch eine innerörtliche Veränderung der Wohnverhältnisse und Wohngebiete kann eine Neuordnung im Sinne des Gesetzes mitveranlassen". Der unmittelbar nachfolgende Satz, daß es "daher" nicht sachwidrig sei, "alle Bauherren zusätzlicher Wohnungseinheiten der Abgabepflicht zu unterwerfen", läßt dann allerdings nicht erkennen, ob auch diese Feststellung nur mit der Einschränkung gelten soll, daß die zusätzlichen Wohnungseinheiten von der "geplanten Gesamtwirkung" mit umfaßt sein müssen. Hier stellt sich die Frage, ob die Bauherren derjenigen zusätzlichen Wohnungseinheiten im Gemeindegebiet, die nicht von der "geplanten Gesamtwirkung" mit umfaßt werden, abgabefrei bleiben sollen und wie gegebenenfalls die Grenze zwischen ihnen und den abgabepflichtigen Bauherren konkret zu ziehen ist. Da der Senat diese Grenzziehung unterlassen hat, fehlt insoweit bereits die Grundlage für die Prüfung, ob und gegebenenfalls inwieweit die Regelung des § 9 KAG den Grundsatz der Steuergerechtigkeit und somit das Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
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Ohne eine entsprechende konkrete Einschränkung muß man die Feststellung des Senats, nach § 9 KAG seien alle Bauherren zusätzlicher Wohnungseinheiten abgabepflichtig, wohl so verstehen, daß auch die Schaffung solcher zusätzlicher Wohnungseinheiten der Abgabepflicht unterliegt, die nicht von der "geplanten Gesamtwirkung" mit umfaßt werden. In dieser Auslegung verletzt § 9 KAG meines Erachtens Art. 3 Abs. 1 GG; denn auch bei Zugrundelegung der vom Senat angenommenen Zweckbestimmung des § 9 KAG, die "Steuer" solle diejenigen Folgekosten der betroffenen Gemeinde - teilweise - abdecken, die durch eine "geplante Gesamtwirkung von Wohnungsneubauten veranlaßt werden", liegt jedenfalls bei denjenigen Bauherren ein eine unterschiedliche Behandlung gebietender sachlicher Grund vor, deren Wohnungsneubaumaßnahmen nicht von der geplanten Gesamtwirkung mit umfaßt werden (etwa, weil der Neubau außerhalb des von der Planung erfaßten Gebietes liegt). Daß die Regelung des § 9 KAG bei der geforderten differenzierenden Auslegung, wie sie angesichts ihrer eindeutigen Zweckbestimmung geboten ist, nicht oder jedenfalls nur schwer praktikabel sein mag, kann an diesem Ergebnis nichts ändern; insoweit hat nach dem Willen unserer Verfassung das Grundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG den Vorrang.
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3. Die Vorschrift des § 9 KAG ist schließlich jedenfalls deshalb verfassungswidrig, weil sie entgegen der Auffassung des Senats den Anforderungen rechtsstaatlicher Bestimmtheit nicht genügt. In diesem Zusammenhang hat der Senat zweierlei übersehen: Zum einen, daß der Tatbestand des § 9 KAG für die Entstehung der Abgabe nicht lediglich die Erteilung einer Baugenehmigung für den Bau neuer Wohnungseinheiten voraussetzt (so aber der Senat unter V 2), sondern daß darüber hinaus und sogar vorrangig das Merkmal "zur Deckung der Aufwendungen, die durch eine Neuordnung ... infolge von Baumaßnahmen erforderlich werden" erfüllt sein muß; dies hat der Satzungsgeber richtig erkannt, indem auch die Satzung die Erhebung der Abgabe von dem Erfordernis einer Neuordnung der Gemeindeverhältnisse infolge von Baumaßnahmen abhängig macht. Dieses Erfordernis ist also nicht nur Voraussetzung dafür, daß die einzelne Gemeinde von der gesetzlichen Ermächtigung zur Erhebung dieser Abgabe Gebrauch machen darf, sondern eben auch Voraussetzung für die Entstehung der Abgabe beim einzelnen Abgabenpflichtigen. Zum anderen hat der Senat dieses Tatbestandsmerkmal zu Unrecht als gerichtlich überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff angesehen; denn da die Entscheidung, ob, in welcher Weise und in welchem Umfang eine zukünftige Neuordnung "erforderlich" ist, eine rechtlich ungebundene, politische Entscheidung ist, fehlt es insoweit an der erforderlichen Normenklarheit und Justitiabilität. Wegen der Begründung im einzelnen verweise ich auf die eingangs (unter I 1) zu diesem Problemkreis angestellten Überlegungen.
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III. |
Ebenso wie das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht, das Oberverwaltungsgericht Lüneburg sowie in der Sache auch das Bundesverwaltungsgericht halte ich die in § 9 KAG geregelte Abgabe für eine sonstige, auf dem Veranlasser-Prinzip beruhende Abgabe, die - anders als die Steuer, insoweit vielmehr dem Beitrag ähnlich - zumindest eine "allgemeine Äquivalenz" voraussetzt und folglich in bezug auf die notwendige Bestimmtheit des Abgabentatbestands und die gebotene Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle sowie weiter im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG noch strengeren Anforderungen unterliegt als die vom Senat angenommene Steuer.
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1. Diese Abgabe ist jedenfalls dann wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig, wenn nicht durch eine entsprechende verfassungskonforme Auslegung des § 9 KAG sichergestellt ist, daß sie ausschließlich von den Bauherren solcher (Wohnungsbaumaßnahmen) Baumaßnahmen erhoben wird, die nachweislich den Zuzug Ortsfremder zur Folge haben oder jedenfalls im Rahmen einer planerischen Gesamtwirkung eine erhebliche innerörtliche Veränderung der Wohnverhältnisse oder Wohngebiete herbeiführen und deshalb (zusammen mit anderen, entsprechenden Baumaßnahmen) eine Neuordnung der Gemeindeverhältnisse im Sinne von § 9 KAG erforderlich machen. Wenn diese Auslegung des § 9 KAG dazu führt, daß diese Vorschrift nicht mehr praktikabel ist - wie das Oberverwaltungsgericht Lüneburg befürchtet -, so ist das noch kein Grund, eher einen Grundrechtsverstoß hinzunehmen; vielmehr muß dann notfalls auf diese Abgabe verzichtet werden.
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2. Im übrigen ist diese Abgabe wegen fehlender Bestimmtheit des Abgabentatbestands verfassungswidrig. Insoweit kann wieder auf die eingangs (I 1) dargelegten Gründe verwiesen werden: Eine mittelfristige Planung der einzelnen Gemeinden, die im wesentlichen auf Vermutungen über die zukünftige Entwicklung der Gemeindeverhältnisse als Folge des Zuzugs von Ortsfremden sowie möglicher innerörtlicher Veränderungen der Wohnverhältnisse aufbaut und auf dieser Basis - unverbindlich und jederzeit (zumal etwa nach einer Neuwahl des Gemeindeparlaments) frei abänderbar - entsprechende, aufgrund kommunalpolitischer Beurteilung "erforderliche" Änderungen der Gemeindeverhältnisse in Form von Neubauten an Verwaltungsgebäuden, Schulen, Kindergärten etc ins Auge faßt, kann nicht Grundlage, "Tatbestandsmerkmal" für die Erhebung einer Abgabe in einer bestimmten Höhe sein, die ausschließlich dazu dienen darf, die Aufwendungen für diese geplanten Änderungen (und zwar wegen des Vorteils auch der Allgemeinheit nur teilweise) zu finanzieren. Hier fehlt es an jeglicher rechtlich faßbarer Meßbarkeit und folglich auch Kontrollierbarkeit der Rechtmäßigkeit der Erhebung dieser Abgabe. Die Regelung des § 9 KAG genügt daher nicht den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normenklarheit und Justitiabilität und ist daher verfassungswidrig.
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Hirsch |