BVerfGE 74, 163 - Altersruhegeld
Es ist mit GG Art. 3 Abs 2 vereinbar, daß Frauen Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Unterschied zu Männern bereits mit Vollendung des sechzigsten Lebensjahres beziehen können (§ 25 Abs. 3 Angestelltenversicherungsgesetz - AnVG = § 1248 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung).
 
Beschluß
des 1. Senates vom 28. Januar 1987
- 1 BvR 455/82 -
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn E ... 1. unmittelbar gegen das Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. Februar 1982 - 1 RA 1/81 -, 2. mittelbar gegen § 25 Abs. 3 AnVG (= § 1248 Abs. 3 RVO).
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
 
Gründe
 
A.
Mit der gegen eine sozialgerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde begehrt der Beschwerdeführer mittelbar die Überprüfung des § 25 Abs. 3 AnVG (= § 1248 Abs. 3 RVO) auf Vereinbarkeit mit dem Gleichberechtigungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 2 GG. Die angegriffene Norm räumt weiblichen Versicherten ein Recht ein, das Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bereits ab Vollendung des 60. Lebensjahres zu beziehen, während männliche Versicherte in der Regel das Altersruhegeld erst nach Vollendung des 65. Lebensjahres beziehen können.
I.
Es gehört nicht zum hergebrachten Bestand des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung, daß weibliche Versicherte nach Vollendung des 60. Lebensjahres Altersruhegeld beziehen können.
1. In den Anfängen der Invalidenversicherung war eine Altersgrenze, von deren Erreichen an die Invalidenrente unabhängig vom körperlichen Leistungsvermögen des einzelnen Versicherten bezogen werden konnte, unbekannt. Erst seit dem 1. Januar 1900 galt nach dem Invalidenversicherungsgesetz als derartige Grenze ein Lebensalter von 70 Jahren. Die Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1911 (RGBl. S. 509) behielt diese Regelung als § 1257 bei. Mit Wirkung vom 1. Januar 1916 wurde die Altersgrenze in der Arbeiterrentenversicherung auf das 65. Lebensjahr herabgesetzt (§ 1257 RVO i. d. F. des Gesetzes betreffend Renten in der Invalidenversicherung vom 12. Juni 1916 - RGBl. S. 525 -). In der Angestelltenversicherung war schon seit ihrer Einführung die Altersgrenze auf das 65. Lebensjahr festgesetzt worden (§ 25 des Versicherungsgesetzes für Angestellte vom 20. Dezember 1911 [RGBl. S. 989]).
Durch § 2 Abs. 2 des Zweiten Gesetzes über die Verbesserung der Leistungen in der Rentenversicherung vom 19. Juni 1942 (RGBl. I S. 407) und § 1 der Verordnung zur Anpassung der Reichsversicherungsgesetze an das Zweite Gesetz über die Verbesserung der Leistungen in den Rentenversicherung vom 22. Juni 1942 (RGBl. I S. 411) wurde in der Arbeiterrentenversicherung erstmals eine besondere Altersgrenze für weibliche Versicherte eingeführt; der damals neu gefaßte § 1253 Abs. 2 RVO sah einen Anspruch auf Rente für Frauen ab 55 Jahren vor, sofern sie mindestens vier lebende Kinder geboren hatten und ihr Ehemann verstorben war.
2. Seit der Rentenreform 1957 gilt für die Rentenversicherungen der Angestellten und Arbeiter eine einheitliche Regelung der Altersgrenze. Danach erhalten weibliche Versicherte, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, auf Antrag Altersruhegeld, wenn sie die Wartezeit erfüllt und in den letzten zwanzig Jahren überwiegend eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt haben (§ 25 Abs. 3 AnVG in der Fassung des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 23. Februar 1957 [BGBl. I S. 88]).
Für männliche Versicherte und für weibliche Versicherte, welche die Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 AnVG nicht erfüllen, gilt grundsätzlich § 25 Abs. 5 AnVG, nach welchem den Versicherten Altersruhegeld gewährt wird, die das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit erfüllt haben.
Die Einführung einer besonderen Altersgrenze für Frauen geht auf einen Vorschlag des Bundestagsausschusses für Sozialpolitik zurück. Zur Begründung der vom Regierungsentwurf abweichenden Regelung führte dieser in seinem Bericht aus (zu BTDrucks. II/3080, S. 10 zu § 1253):
    Auch hinsichtlich der Altersgrenze für Frauen ist der Ausschuß den Vorschlägen des Bundesrates im Grundsatz gefolgt. Nunmehr erhalten weibliche Versicherte, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, auf Antrag Altersruhegeld, wenn sie in den letzten 20 Jahren überwiegend eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt haben und eine solche Beschäftigung nicht mehr ausüben.
    Bei dieser besonderen Altersgrenze für Frauen hat sich der Ausschuß davon leiten lassen, daß die versicherte Frau vielfach einen Doppelberuf als Arbeitnehmer und Hausfrau erfüllt hat, der eine frühzeitige Abnutzung der Kräfte und damit frühzeitige Berufsunfähigkeit hervorruft.
Ihre jetzt geltende Fassung erhielt die Vorschrift durch das Gesetz zur weiteren Reform der gesetzlichen Rentenversicherungen (Rentenreformgesetz - RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl. I S. 1965):
    § 25 Abs. 3 AnVG (= § 1248 Abs. 3 RVO)
    Altersruhegeld erhält auf Antrag auch die Versicherte, die das 60. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit nach Absatz 7 Satz 2 erfüllt hat, wenn sie in den letzten zwanzig Jahren überwiegend eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat.
Die Wartezeit nach Absatz 7 Satz 2 ist erfüllt, wenn eine Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten zurückgelegt ist.
3. Der Grundsatz, nach welchem der Versicherte Altersruhegeld erhält, der das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit erfüllt hat, gilt nicht ausnahmslos. Schon nach § 25 Abs. 2 AnVG i. d. F. der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze 1957 konnte der Versicherte bei längerer Arbeitslosigkeit bereits nach Vollendung des 60. Lebensjahres Altersruhegeld beziehen. In der Folgezeit sind weitere Regelungen eingeführt worden, die ohne Unterscheidung zwischen männlichen und weiblichen Versicherten den Bezug eines Altersruhegeldes bereits vor Vollendung des 65. Lebensjahres ermöglichten. So wurde mit dem Rentenreformgesetz 1972 das flexible Altersruhegeld eingeführt. In der heute geltenden Fassung des § 25 Abs. 1 AnVG wird bestimmt, daß auf Antrag Versicherten Altersruhegeld vom 63. Lebensjahr oder, wenn sie Schwerbehinderte sind, vom 60. Lebensjahr an bewilligt werden kann, sofern sie 35 anrechnungsfähige Versicherungsjahre zurückgelegt haben, in denen mindestens eine Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten enthalten sein muß. Renten wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit werden beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§§ 23, 24 AnVG = §§ 1246, 1247 RVO) ohne Rücksicht auf ein bestimmtes Alter des Versicherten bewilligt.
II.
1. Der 1919 geborene Beschwerdeführer ist Witwer mit eigenem Hausstand und drei Kindern. Im Juli 1979 beantragte er erfolglos bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte die Gewährung des vorgezogenen Altersruhegeldes nach § 25 Abs. 3 AnVG. Auf diese, nach dem Gesetzeswortlaut nur weiblichen Versicherten zustehende Leistung müsse auch er nach dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung einen Anspruch haben. Mit dem früheren Bezug des Altersruhegeldes solle bei Frauen die Doppelbelastung durch Beruf und Haushalt ausgeglichen werden. Da auch er einer solchen zweifachen Beanspruchung ausgesetzt sei, gründe sich sein Begehren auf den Gleichberechtigungsgrundsatz. Das Sozialgericht wies die gegen den ablehnenden Bescheid des Rentenversicherungsträgers erhobene Klage ab. Die Regelung in § 25 Abs. 3 AnVG könne nicht im Wege der Auslegung auch auf männliche Versicherte bezogen werden.
2. Das Bundessozialgericht hat die vom Beschwerdeführer eingelegte Sprungrevision zurückgewiesen. Wortlaut und Wortsinn des § 25 Abs. 3 AnVG ergäben, daß nur weibliche Versicherte dieses vorgezogene Altersruhegeld beanspruchen könnten. Eine Umdeutung in eine ebenfalls Männer begünstigende Vorschrift überschreite die Grenzen der den Gerichten möglichen Gesetzesauslegung. Auch eine nach dem Grundsatz des Vorrangs der Verfassung vor dem einfachen Gesetzesrecht gegebenenfalls gebotene verfassungskonforme Auslegung dürfe sich nicht über Wortlaut und Bedeutungszusammenhang einer gesetzlichen Bestimmung hinwegsetzen. Die von dem Beschwerdeführer befürwortete Interpretation des § 25 Abs. 3 AnVG sei nicht nur mit dem Wortlaut der Vorschrift unvereinbar, sondern verfehle dazu den Regelungszweck, der sich aus der Entstehungsgeschichte und dem inneren Bedeutungszusammenhang des Gesetzes erschließen lasse. Der Gesetzgeber habe mit § 25 Abs. 3 AnVG dem stärkeren Kräfteverbrauch Rechnung tragen wollen, dem seiner Ansicht nach die Frauen unterlägen, die zumeist neben ihren häuslichen Verpflichtungen lange Jahre und noch im vorgerückten Alter einer Berufstätigkeit nachgegangen seien.
Darin liege kein Verfassungsverstoß. Unterstelle man die tatsächlichen Annahmen des Gesetzgebers über eine Doppelbelastung der Frau durch Haushalt und Beruf als zutreffend, so widerstreite § 25 Abs. 3 AnVG nicht dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Mann und Frau. Die tatsächliche Verschiedenheit der zu regelnden Sachverhalte - Frauen mit dieser Doppelbelastung auf der einen, Männer ohne eine solche Belastung auf der anderen Seite - lasse die unterschiedliche Regelung nicht willkürlich, sondern sinnvoll erscheinen. Dem Einwand des Beschwerdeführers, daß inzwischen ein Wandel der tatsächlichen Verhältnisse diese Unterschiede in der Lebenssituation von Frauen und Männern eingeebnet habe, könne nicht nachgegangen werden. Dies folge bereits daraus, daß es sich um generelle Tatsachen aus einem vielschichtigen gesellschaftlichen Befund, der beruflichen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau, handele. Derartig komplizierte gesellschaftliche Verhältnisse entzögen sich der genauen Festlegung und Beschreibung, zumal kein geordnetes und eindeutiges Verfahren zu ihrer Erfassung bestehe. Da die Gerichte insoweit über keine besseren Erkenntnisquellen und Aufklärungsmöglichkeiten verfügten als der Gesetzgeber, könnten sie dessen Annahmen über die zu regelnden sozialen Verhältnisse nur dort beanstanden, wo sie offensichtlich irrig seien. Der Gesetzgeber sei berechtigt, sich mit begründeten Annahmen zu begnügen und dabei die herrschenden Anschauungen und Wertungen zu berücksichtigen, insbesondere soweit sie in bestehenden Gesetzen mit Anspruch auf allgemeine Beachtung niedergelegt oder klar zu erkennen seien. Der Gesetzgeber habe im Jahre 1957 Sachverhalte zu erfassen gehabt, die lange Zeit in die Vergangenheit zurückreichten. Ziehe man dies in Betracht, so seien seine Annahmen über unterschiedliche Belastungen durch Beruf und Haushalt bei Männern und Frauen nicht von der Hand zu weisen. Noch bis 1976 habe das Familienrecht der Frau die Haushaltsführung zur Pflicht und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit von der Zustimmung des Ehemannes abhängig gemacht. Angesichts dieser gesetzlich angeordneten und weitgehend der Realität entsprechenden Rollenverteilung sei der Gesetzgeber seinerzeit legitimiert gewesen, die Alterssicherung jener Frauen zu verbessern, die abweichend vom gesetzlichen Leitbild des § 1356 BGB a. F. sowohl den Haushalt geführt hätten wie einer Erwerbstätigkeit nachgegangen seien. Da er außerdem bei der Gewährung von Vergünstigungen typisierende Regelungen treffen dürfe, habe er die Mitbegünstigung von Frauen in Kauf nehmen dürfen, die - wie z. B. unverheiratete Frauen ohne Familie - nicht einer kräftezehrenden Doppelbelastung unterlegen hätten.
In welchem Ausmaß sich die berufliche Rollenverteilung zwischen Mann und Frau seit 1957 geändert habe, könne dahingestellt bleiben. Im Regelfall gewährten die Rentenversicherungsträger auch jetzt noch Leistungen unter Berücksichtigung von Sachverhalten, die weit in die Vergangenheit zurückreichten. Der Gesetzgeber habe daher davon ausgehen dürfen, daß § 25 Abs. 3 AnVG hauptsächlich Frauen begünstige, die während ihres Versicherungslebens die Doppelbelastung durch Erwerbstätigkeit und Haushalt hinzunehmen gehabt hätten. Deshalb lasse sich nicht sagen, daß er durch Art. 3 Abs. 2 GG jetzt schon genötigt gewesen sei, wegen eines Wandels der gesellschaftlichen Wirklichkeit § 25 Abs. 3 AnVG etwa in dem vom Beschwerdeführer für richtig befundenen Sinne neu zu fassen.
III.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Gleichberechtigungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 2 und 3 GG). Angesichts gewandelter sozialer und gesellschaftlicher Verhältnisse widerspreche die vor 25 Jahren eingeführte Privilegierung der Frauen, die § 25 Abs. 3 AnVG unabhängig von Familienstand und Kinderzahl vorsehe, der Billigkeit und dem Gerechtigkeitsempfinden. Über die Hälfte aller Frauen seien erwerbstätig, davon seien etwa 60 vom Hundert verheiratet und ungefähr ein Drittel von diesen habe wiederum Kinder unter 15 Jahren. Die Doppelbelastung durch Haushalt und Beruf sei nicht mehr allein Frauensache. Zudem belegten alle neueren Statistiken und wissenschaftlichen Erkenntnisse, daß für diese geschlechtsspezifische Differenzierung keine sachlich einleuchtenden Gründe sprächen. Frauen hätten eine um mehr als sechs Jahre längere Lebenserwartung und seien bei gleichem Lebensalter biologisch jünger als Männer. Von den Frauen erreichten nur etwa 10 vom Hundert das Pensionsalter nicht, während bei den Männern 24 vom Hundert dieses Schicksal träfe. Der weithin zu beobachtende Trend zu möglichst vorzeitiger Beendigung des Erwerbslebens sei Ausdruck der in den letzten 20 Jahren in allen Bereichen stetig gestiegenen beruflichen Anspannung. Ähnlich wie es das Bundesverfassungsgericht im Witwerrentenurteil vom 12. März 1975 (BVerfGE 39, 169) hinsichtlich der unterschiedlichen Voraussetzungen ausgesprochen habe, sei auch im vorliegenden Zusammenhang die Differenzierung zwischen Frauen und Männern nicht mehr hinnehmbar. Wenn schon eine unverheiratete Frau ohne Kinder den Vorzug des § 25 Abs. 3 AnVG genieße, so müsse er als Witwer mit drei zum Teil noch in der Ausbildung befindlichen Kindern den gleichen Vorteil erst recht nutzen dürfen.
IV.
1. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat namens der Bundesregierung darauf hingewiesen, daß die Regelung auf den Vorschlag der Europäischen Regionalkonferenz der Internationalen Arbeitsorganisation 1955 zurückgehe. Sie habe empfohlen, die Altersgrenze für Frauen generell fünf Jahre vor derjenigen für Männer beginnen zu lassen. Diese Empfehlung beruhe auf der Annahme, daß die komplexen Wirkungen des Alters den Frauen unbeschadet ihrer längeren Lebenserwartung früher als Männern die Fähigkeit nähmen, sich modernen Arbeitsbedingungen anzupassen. Dementsprechend gälten in der DDR, in Österreich, der Schweiz, in Frankreich, Großbritannien und Italien niedrigere Altersgrenzen für Frauen als für Männer. In Österreich seien erst 1981 Bestrebungen zur Angleichung der Altersgrenzen aus der Erwägung zurückgewiesen worden, daß die Rollen von Mann und Frau im Beruf und im gesellschaftlichen Leben noch nicht austauschbar seien. Haushaltsführung und Kindererziehung oblägen überwiegend den Frauen, die demgemäß auch weiterhin einer mehrfachen Belastung unterlägen, die den Schluß rechtfertige, daß ihre Arbeitskraft früher als bei vergleichbaren männlichen Versicherten unter das Maß sinke, das bei einer versicherungspflichtigen Tätigkeit gefordert werde.
Für die hier zu beurteilende Regelung habe sich der Gesetzgeber jedenfalls zur Zeit ihrer Schaffung auf ähnliche Überlegungen stützen können. Die verschiedene Behandlung von Männern und Frauen hinsichtlich der Altersgrenze knüpfe an objektive biologische und funktionale (arbeitsteilige) Unterschiede im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an. Den biologischen Unterschied habe der Gesetzgeber in einer geringeren körperlichen Belastbarkeit der Frau gesehen. Die funktionalen Unterschiede, die zur Doppelbelastung der erwerbstätigen Frau führten, wurzelten zwar in überkommenen Rollenvorstellungen; dies nehme ihnen jedoch nichts von ihrer Objektivität.
Der in den letzten 25 Jahren eingetretene gesellschaftliche Wandel habe nichts Entscheidendes an der Doppelbelastung der älteren erwerbstätigen Frauen durch Haushalt und Beruf geändert. Insbesondere wegen seines weit zurückreichenden Vergangenheitsbezuges begünstige demnach § 25 Abs. 3 AnVG auch heute noch jene Frauen, die während ihres Versicherungslebens die Doppelbelastung aus Erwerbstätigkeit und Haushalt und die sich daraus für ihre Berufsfähigkeit ergebenden Folgen getragen hätten.
Die Bestimmung über das vorgezogene Altersruhegeld für weibliche Versicherte sei auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil es Männer gebe und gegeben habe, die ebenfalls durch Beruf und Haushalt belastet seien, und daß es umgekehrt Frauen geben möge - etwa kinderlose berufstätige Frauen, die ihren Haushalt durch eine Hilfskraft führen ließen -, die zu keiner Zeit eine solche mehrfache Bürde getragen hätten. Dabei handele es sich um seltene Einzelfälle, die der Gesetzgeber bei typisierender Regelung von Massenerscheinungen habe außer Betracht lassen dürfen. Die Typisierung sei auch deshalb gerechtfertigt, weil bei ihrer Beurteilung große Gruppen von männlichen Versicherten - nämlich Schwerbehinderte, Berufs- und Erwerbsunfähige und Arbeitslose - aus der Betrachtung ausgeklammert werden müßten, weil sie ohnedies Altersruhegeld mit Vollendung des 60. Lebensjahres erhielten. Der Nachteil, den Männer durch die hier in Rede stehende Typisierung hinzunehmen hätten, bestehe nur darin, daß sie eine aus der Doppelbelastung resultierende Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit konkret nachweisen müßten, während sie bei Frauen mit dem Erreichen des 60. Lebensjahres unterstellt werde.
2. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger hat sich zu den praktischen Auswirkungen der mit der Verfassungsbeschwerde mittelbar angegriffenen gesetzlichen Regelung geäußert. Er hat Statistiken über die unterschiedlichen Lebenserwartungen von Frauen und Männern vorgelegt und dargelegt, daß es keine hinreichenden Erfahrungen darüber gebe, daß bei höherer Erwerbstätigkeit der Frauen tendenziell eine Angleichung der durchschnittlichen Lebenserwartungen zwischen Männern und Frauen stattfinde. Trotz unterschiedlicher Erwerbsdauer entspreche die Sterbewahrscheinlichkeit der Männer und Frauen der Sterblichkeit von Männern und Frauen im allgemeinen Durchschnitt.
3. Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich ferner der Deutsche Frauenrat durch den Deutschen Juristinnenbund, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sowie die im Ausgangsverfahren beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte geäußert. Alle Stellungnahmen stimmen im Ergebnis darin überein, daß § 25 Abs. 3 AnVG mit dem Grundgesetz vereinbar sei (vgl. C I 2) [S. 174 ff.]).
 
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, daß der Beschwerdeführer während des Verfahrens 65 Jahre alt geworden ist, so daß seither für ihn jedenfalls die Möglichkeit besteht, das Altersruhegeld nach § 25 Abs. 5 AnVG zu beziehen. Wäre die Verfassungsbeschwerde deshalb unzulässig, könnte ein so nachhaltig in die Rechtssphäre eines Betroffenen eingreifendes Urteil wie die Entscheidung des Bundessozialgerichts praktisch nicht mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden. Der Umstand, daß die Fachgerichte und das Bundesverfassungsgericht oft außerstande sind, in kurzer Zeit eine Entscheidung hinsichtlich schwieriger Fragen zu treffen, darf aber nicht dazu führen, daß eine Verfassungsbeschwerde allein wegen des vom Beschwerdeführer nicht zu vertretenden Zeitablaufs als unzulässig verworfen wird. Damit würde der Grundrechtsschutz in unzumutbarer Weise verkürzt (vgl. BVerfGE 41, 29 [43]; 52, 223 [235]; 53, 30 [54 f.]).
2. Allerdings fehlt dem Beschwerdeführer das Rechtsschutzbedürfnis insoweit, als die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 25 Abs. 3 AnVG über den Zeitpunkt hinaus geprüft werden soll, zu welchem er mit Vollendung des 65. Lebensjahres die Voraussetzungen für den Bezug von Altersruhegeld nach § 25 Abs. 5 AnVG erfüllt hat. Die vorliegende Entscheidung betrifft daher nur den Zeitraum bis zum Juli 1984.
 
C.
Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
I.
1. Die Vorschrift des § 25 Abs. 3 AnVG (= § 1248 Abs. 3 RVO), die dem angegriffenen Urteil zugrunde liegt, hat zur Folge, daß weibliche und männliche Versicherte hinsichtlich der Altersgrenzen für den Bezug des Altersruhegeldes verschieden behandelt werden. Diese Unterscheidung bei der Gewährung von Altersruhegeld an Frauen und Männer wiegt in ihrer Auswirkung allerdings weniger schwer, wenn die Vorschriften über das flexible Altersruhegeld und über das Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit sowie über die Inanspruchnahme von Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten vor Vollendung des 65. Lebensjahres berücksichtigt werden (vgl. A I 3) [S. 165 f.]). Diese Möglichkeiten haben dazu geführt, daß männliche und weibliche Versicherte heute durchschnittlich schon mit 58 Jahren Versichertenrenten beziehen (vgl. Page/Reimann, DAngVers 1983, S. 401; Reimann, DAngVers 1985, S. 406). Dies mag mit dazu beigetragen haben, daß die angegriffene Regelung bislang durchgängig als befriedigend empfunden worden ist.
Sie ist in der Rechtsprechung (vgl. BSGE 46, 214 [216] und BSG, SozR 2200 zu § 1248 RVO Nr. 37) angewendet worden, ohne daß verfassungsrechtliche Bedenken erörtert worden sind. In der Literatur ist die Regelung ebenfalls - im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 und 3 GG - nahezu unbeanstandet geblieben (vgl. Langkeit, Gutachten zum 47. Deutschen Juristentag 1968, Zur Frage der Stellung der Frau in der Rentenversicherung, S. F. 76 f.; Gitter, Teilgutachten Sozialrecht zum 50. Deutschen Juristentag 1974, Welche rechtlichen Maßnahmen sind vordringlich, um die tatsächliche Gleichstellung der Frauen mit den Männern im Arbeitsleben zu gewährleisten?, S. D 105 ff.; von Maydell, VSSR 1975, S. 185 [186 ff.]; Borchert, Die Berücksichtigung familiärer Kindererziehung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, 1981, S. 142).
Auch finden sich dem § 25 Abs. 3 AnVG ähnliche Regelungen in vielen europäischen Rechtsordnungen (vgl. dazu von Maydell, Anlageband 2 zum Bericht der Sachverständigenkommission für die soziale Sicherung der Frau und der Hinterbliebenen, veröffentlicht 1979 durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung). Dies entspricht einer Empfehlung der Ersten Europäischen Regionalkonferenz der Internationalen Arbeitsorganisation vom Februar 1955.
2. Alle in diesem Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit des § 25 Abs. 3 AnVG abgegebenen Stellungnahmen gehen ebenfalls davon aus, daß die unterschiedliche Regelung über die Gewährung von Altersruhegeld bei Frauen und Männern mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
a) Nach Meinung des Deutschen Juristinnenbundes kann es für die Beurteilung der Vorschrift nicht auf ohnedies unzureichende statistische Erkenntnisse ankommen, wie es sie über einen vorzeitigen Kräfteverschleiß von Frauen und einen Vergleich der durchschnittlichen Lebenserwartungen von Frauen und Männern gebe. Bei Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit würden ohnedies die dafür vorgesehenen Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrenten gezahlt. Ein wesentlicher Gesichtspunkt sei, daß aus den Beiträgen einer Frau im Durchschnitt weniger Leistungen gewährt würden, selbst wenn ihr das Altersruhegeld früher bewilligt werde als einem vergleichbaren männlichen Versicherten. Ein Drittel bis ein Viertel dieser Beiträge diene zur Finanzierung der Hinterbliebenenrente an den überlebenden Ehegatten, die auch heute noch typischerweise an Hinterbliebene eines Mannes gezahlt werde. Möglicherweise habe auch der Gesichtspunkt eine Rolle gespielt, daß erwerbstätige Frauen bei der Festsetzung der Altersgrenze auf 60 Jahre immer noch 15 Jahre länger auf die mit eigenen Beiträgen erkaufte Rente warten müßten als die Witwe eines versicherten Mannes, die - selbst wenn sie keine Kinder habe - ab Vollendung des 45. Lebensjahres die vielfach das Altersruhegeld erwerbstätiger Frauen übersteigende sogenannte große Witwenrente erhalte, ohne hierfür eine Eigenleistung erbracht zu haben.
Schließlich sei darauf hinzuweisen, daß bei der Rentenreform 1957 auch die negativen Auswirkungen der Lohndiskriminierung von Frauen auf deren Versichertenrenten noch für Jahrzehnte festgeschrieben worden seien, da den Frauen Werteinheiten nur für die durch Lohnabschläge gekürzten oder aus den niedrigeren "Frauenlohngruppen" gezahlten Einkommen gutgeschrieben würden. Diese Lohndiskriminierung senke zudem das Durchschnittseinkommen aller Versicherten. Wenn auch nicht alle Ungerechtigkeiten der Vergangenheit durch das Rentenversicherungsrecht korrigiert werden könnten, so seien doch bei der Frage, ob die Frauen durch die nur für sie geltende besondere Altersgrenze von 60 Jahren verfassungswidrig bevorzugt würden, die mehrfachen Benachteiligungen nicht außer acht zu lassen, die dieser einzigen Vergünstigung gegenüberstünden. Angesichts dieser Benachteiligungen lägen vergleichbare und gleichzubehandelnde Sachverhalte nicht vor.
Den Charakter als Ausnahmeregelung zugunsten der Frauen habe § 25 Abs. 3 AnVG zudem inzwischen weitgehend verloren, weil auch für Männer die Altersgrenze flexibler gestaltet sei. Die Besserstellung der Frauen, die bei Inanspruchnahme des Altersruhegeldes mit 60 Jahren nur eine Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten nachzuweisen brauchten, sei aber mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn nicht sogar geboten, weil bei ihnen bei der Festsetzung der Versicherungszeit die Erziehung von Kindern unberücksichtigt geblieben sei, die später mit ihren Beiträgen die Renten der heute erwerbstätigen Frauen finanzieren müßten.
b) Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat ausgeführt, der Wortlaut der Vorschrift scheine zwar allein auf den Geschlechterunterschied abzustellen; die Entstehungsgeschichte zeige indes, daß es sich um eine Regelung handele, die an biologische und funktionale Unterschiede anknüpfe und einen vom Sozialstaatsprinzip sowie dem Gleichberechtigungsgrundsatz gebotenen Ausgleich bewirke. Die früher bei Erlaß dieser Norm maßgebenden Gründe für die ungleiche Behandlung von männlichen und weiblichen Versicherten seien auch heute noch gegeben. Durch flexiblere Regelungen der Altersgrenze sei auch bei den Männern der Anteil der sechzigjährigen Altersrentner erheblich gestiegen. Da diese Möglichkeiten eines vorzeitigen Rentenbezugs von der Zurücklegung einer 35jährigen Versicherungszeit abhängig seien, könnten Frauen sie kaum nutzen, weil sie insoweit durch rentenrechtlich noch immer unberücksichtigte spezifische Gegebenheiten in ihrer sozialen Biographie diese lange Versicherungszeit nur selten erreichen könnten.
Das Argument einer allgemein höheren Lebenserwartung der Frauen trage den Einwand der Verfassungswidrigkeit des § 25 Abs. 3 AnVG ebenfalls nicht. Angesichts der unterschiedlichen Erwerbsquote bei Männern und Frauen sei die Lebenserwartung in Abhängigkeit von der Erwerbstätigkeit zu untersuchen. Daraus lasse sich eine Tendenz dahin erkennen, daß die Lebenserwartung bei zunehmender Dauer der Erwerbstätigkeit sinke und daß sich dabei auch der Unterschied zuungunsten der Frauen verändere. Angesichts der weiter steigenden Erwerbsquote - selbst jener, die Kinder erzögen - werde sich diese Entwicklung nicht umkehren.
Zudem müsse beachtet werden, daß Frauen in weit stärkerem Maße als Männer Arbeiten verrichteten, die eine hohe Belastung deshalb mit sich brächten, weil sie durch repetitiven Charakter, Monotonie, Leistungsdruck und Fremdbestimmung gekennzeichnet seien. Zwar habe sich im gesellschaftlichen Bewußtsein ein Wandel hinsichtlich des Rollenbildes von Mann und Frau eingestellt. Die Verwirklichung einer partnerschaftlichen Arbeitsteilung befinde sich jedoch noch in den Anfängen; der langjährigen Doppelbelastung der Mehrheit der heute oder in den kommenden Jahren in das Rentenalter gelangenden Frauen sei deshalb weiterhin Rechnung zu tragen.
Daß § 25 Abs. 3 AnVG auch für alleinstehende Frauen gelte und andererseits Männer auch dann unberücksichtigt lasse, wenn sie tatsächlich einer doppelten Belastung durch Haushaltsführung und Beruf ausgesetzt gewesen seien, berühre die Regelung nicht. Unter den alleinstehenden Frauen befänden sich viele, die Angehörige zu pflegen hätten. Außerdem könnten sie sich wegen durchweg geringerer Verdienste nicht so leicht eine Haushaltshilfe leisten wie Männer. Soweit alleinerziehende Männer einer wirklichen Doppelbelastung unterlägen, dürfte es sich dabei vornehmlich um geschiedene oder verwitwete Versicherte handeln. Sie hätten dann aber regelmäßig nicht die Kinder gerade in den ersten, intensive Pflege erfordernden Lebensjahren betreut und deshalb auch nicht - wie die erwerbstätigen Mütter - auf die gesamte, von der Erwerbsarbeit freie Zeit und auf Erholung verzichten müssen.
c) Nach Meinung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte läßt sich § 25 Abs. 3 AnVG zwar nicht mit dem Gesichtspunkt einer Doppelbelastung der berufstätigen Frau rechtfertigen, wohl aber mit der Stellung der Frau im Berufsleben, die sich infolge biologischer Gegebenheiten von derjenigen des Mannes maßgeblich unterscheide. Der Anteil der Frauen, die im Beruf nur die unterste Qualifikationsebene erreichten, stehe im krassen Mißverhältnis zur Frauenquote im Beruf. Auch bei höheren Qualifikationen seien die Frauen in Aufstiegspositionen unterrepräsentiert. Geburt und Erziehung von Kindern zwängen Frauen häufig zu Pausen in der Erwerbstätigkeit in Zeiten, in denen die entscheidenden Grundlagen für die berufliche Entwicklung gelegt würden. Mögliche Schwangerschaften könnten die Arbeitgeber veranlassen, Aufstiegspositionen bevorzugt Männern zu geben. Solche biologischen Faktoren wirkten sich zudem schon bei der Berufsausbildung aus. Insbesondere solche Frauen, die heute und in absehbarer Zeit in den Ruhestand träten, seien bei der Ausbildung benachteiligt worden, weil bei ihnen infolge der Vorbestimmung für die Ehe und die Geburt von Kindern eine qualifizierte Ausbildung nicht notwendig erschienen sei. Im Hinblick auf die Befugnis zu typisierenden Regelungen habe der Gesetzgeber die somit auch in biologisch bedingten geringeren Berufsqualifizierungen liegenden Benachteiligungen der Frau dadurch ausgleichen können, daß er ihnen einen früheren Ruhestand ermöglichte. Auch sei nicht auszuschließen, daß die Regelung durch eine schwächere körperliche Konstitution der Frau gerechtfertigt werden könne.
II.
Diesen Stellungnahmen ist im Ergebnis darin beizutreten, daß die unterschiedlichen Regelungen über die Gewährung von Altersruhegeld bei Männern und Frauen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind.
1. Die Regelung wurde zu einer Zeit eingeführt, in der das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG bereits galt. Sie wurde im Gesetzgebungsverfahren mit sozialen Erwägungen gerechtfertigt, nämlich mit der Doppelbelastung, welcher versicherte Frauen vielfach ausgesetzt seien und die einen stärkeren Kräfteverbrauch zur Folge habe. Dieser Begründung ist das Bundessozialgericht in seinem angegriffenen Urteil gefolgt, nach dessen Meinung auch der Wandel der gesellschaftlichen Wirklichkeit keinen Anlaß zu einer abweichenden Beurteilung gibt.
2. Wie das Bundesverfassungsgericht in der ersten Witwenrentenentscheidung (BVerfGE 17, 1 [9 f.]) ausgeführt hat, ist die der Frau eröffnete Möglichkeit, das Altersruhegeld schon mit 60 statt mit 65 Jahren zu beziehen, aus dem Gedanken sozialen Ausgleichs zu verstehen. Allerdings hat weder dieses noch ein anderes Verfahren des Bundesverfassungsgerichts bisher Anlaß zu einer abschließenden verfassungsrechtlichen Prüfung des § 25 Abs. 3 AnVG gegeben. Diese führt nunmehr zu folgendem Ergebnis:
a) Prüfungsmaßstab ist Art. 3 Abs. 2 GG. Der darin enthaltene Gleichberechtigungsgrundsatz entspricht dem in Absatz 3 geregelten Diskriminierungsverbot, wonach niemand "wegen seines Geschlechts" benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Er ist in der Rechtsprechung strikt angewendet worden, namentlich dort, wo es sich um Benachteiligungen von Frauen handelte; zum Abbau dieser Benachteiligungen sollte das Grundrecht bevorzugt dienen. Eine Differenzierung nach dem Geschlecht ist danach nur ausnahmsweise zulässig, wenn im Hinblick auf die objektiven biologischen oder funktionalen (arbeitsteiligen) Unterschiede nach der Natur des jeweiligen Lebensverhältnisses eine besondere Regelung erlaubt oder sogar geboten ist (vgl. BVerfGE 3, 225 [242]; 43, 213 [225]; 52, 369 [374]; 57, 335 [342 f.]).
b) Der Gleichberechtigungsgrundsatz ist in der bisherigen Rechtsprechung bevorzugt als Abwehrrecht zur Unterbindung von Diskriminierungen angewendet worden. In neuerer Zeit wird erörtert, ob nicht dem Gleichberechtigungsgebot ebenso wie anderen Grundrechten neben dem Charakter als Abwehrrecht auch positive Verpflichtungen des Gesetzgebers zur Förderung und Unterstützung der Grundrechtsverwirklichung zu entnehmen sind. Im Zusammenhang damit wird das Sozialstaatsprinzip als für den Gesetzgeber verpflichtend in Betracht gezogen, das im besonderen Maße auf positive staatliche Tätigkeit statt auf bloße Enthaltsamkeit im Sinne einer Respektierung vorgefundener gesellschaftlicher Strukturen und Verhältnisse bezogen sei (vgl. Friauf, Gleichberechtigung der Frau als Verfassungsauftrag, in: Schriftenreihe des Bundesministeriums des Innern, Bd. 11 1981, S. 25 und 26 ff.).
Ob und inwieweit der Gesetzgeber aus Art. 3 Abs. 2 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip verpflichtet sein könnte, die Voraussetzungen für eine faktische Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen zu schaffen, bedarf indessen hier keiner Entscheidung. Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist ein Fall, in dem der Gesetzgeber bereits dadurch gehandelt hat, daß er faktische Nachteile, die im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung typischerweise Frauen treffen, durch eine Regelung kompensiert hat, die unter bestimmten Voraussetzungen Frauen zeitlich früher als Männern die Möglichkeit bietet, Altersruhegeld zu beziehen. Demgemäß ist lediglich zu prüfen, ob der Gesetzgeber zu diesem Handeln berechtigt war. Insoweit gibt das Ausgangsverfahren Anlaß, die bisherige Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 2 GG dahingehend zu ergänzen, daß der Gesetzgeber zu einer Ungleichbehandlung auch dann befugt ist, wenn er einen sozialstaatlich motivierten typisierenden Ausgleich von Nachteilen anordnet, die ihrerseits auch auf biologische Unterschiede zurückgehen. Darin liegt keine Ungleichbehandlung "wegen des Geschlechts" wie bei den Entscheidungen zum Hausarbeitstag (BVerfGE 52, 369) und zur Festsetzung unterschiedlicher Tabellenwerte (BVerfGE 57, 335), sondern eine Maßnahme, die auf eine Kompensation erlittener Nachteile zielt.
c) Bei der Prüfung, ob solche Nachteile entstanden sind, wie lange sie fortwirken und welche Maßnahmen als Ausgleich in Betracht kommen, ist grundsätzlich von der Einschätzung des Gesetzgebers auszugehen.
Diese Nachteile sind in den Stellungnahmen des Juristinnenbundes, des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte dargestellt. Würde es sich allein um einen Ausgleich für die Doppelbelastung handeln, könnte es zweifelhaft sein, ob eine unterschiedliche Behandlung auch zugunsten von Frauen ohne diese Doppelbelastung und zum Nachteil von Männern mit einer solchen statthaft wäre (vgl. BVerfGE 52, 369; 57, 335). Es kommen aber weitere Umstände hinzu, die der Gesetzgeber in typisierender Betrachtungsweise berücksichtigen durfte.
So weist die Bundesversicherungsanstalt zutreffend darauf hin, daß das Ausbildungsdefizit der Frauen, welches ihre berufliche Stellung und damit ihr Arbeitsentgelt sowie ihre Rentenerwartung in der Vergangenheit maßgeblich beeinträchtigt hat, in typischen Fällen durch eine Antizipierung der erwarteten Stellung der Frau als spätere Mutter verursacht worden ist. Ähnliche Ursachen dürften auch vielfach die Beschäftigung in unteren Lohngruppen und die geringeren Aufstiegschancen der Frau im Beruf haben. Die typischen Unterbrechungen einer entgeltlichen Tätigkeit durch Zeiten von Schwangerschaft, Geburt und Kindererziehung haben zudem bei Frauen häufig zur Folge, daß sie im Gegensatz zu Männern von der Inanspruchnahme des flexiblen Altersruhegeldes bei Vollendung des 63. Lebensjahres deswegen keinen Gebrauch machen können, weil sie die besondere Voraussetzung einer 35jährigen Versicherungszeit nicht erfüllen. All das aber läßt sich im Kern auf die Funktion oder jedenfalls die mögliche Stellung weiblicher Versicherter als Ehefrau und Mutter, also auf biologische Umstände, zurückführen.
d) Zum Ausgleich dieser Nachteile erscheint die Einräumung des den Frauen gewährten, nicht allzu erheblichen Vorteils unbedenklich. Ob es richtiger gewesen wäre, einen Ausgleich auf andere Weise zu suchen, hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden (vgl. auch BVerfGE 43, 108 [123 f.]; 61, 319 [354]). Insbesondere kann das Gericht vom Gesetzgeber getroffene Maßnahmen nicht mit der Begründung beanstanden, andere seien noch wirksamer oder geeigneter.
III.
Der Wandel in den tatsächlichen Verhältnissen, der sich schon vollzogen hat und noch vollzieht, und die Angleichung der Rechtsordnung an die gebotene Gleichstellung von Frau und Mann lassen erwarten, daß die Umstände, welche die verfassungsrechtliche Prüfung unter dem Gesichtspunkt des Nachteilsausgleiches beeinflussen, im Laufe der weiteren Entwicklung an Bedeutung verlieren werden. Wann das der Fall sein wird und welche Folgerungen daraus zu ziehen sein werden, hat in erster Linie der Gesetzgeber zu beurteilen.
Herzog Simon Hesse Katzenstein Niemeyer Heußner Henschel