BVerfGE 85, 1 - Bayer-Aktionäre
1. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist verkannt, wenn Formulierungen, in denen die Bewertung tatsächlicher Vorgänge zum Ausdruck kommt, als Tatsachenbehauptungen angesehen werden.
2. Es verstößt gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG), wenn sich jemand, der eine herabsetzende Tatsachenbehauptung über Dritte aufstellt, die nicht seinem eigenen Erfahrungsbereich entstammt, zur Erfüllung seiner Darlegungslast nicht auf unwidersprochene Pressemitteilungen beziehen darf.
 
Beschluß
des Ersten Senats vom 9. Oktober 1991
-- 1 BvR 1555/88 --
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde 1. der Coordination gegen Bayer-Gefahren e.V., vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch die alleinvertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder G... und K..., 2. des Herrn K... - Bevollmächtigte: 1. Rechtsanwalt Gunter Christ, Hohe Straße 138-140, Köln 1, 2. Rechtsanwalt Wolfram Esche, Neußer Straße 321, Köln 60, 3. Rechtsanwalt Dieter Kubitz, Ubierring 43, Köln 1 - gegen a) das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 20. September 1988 - 15 U 83/88 -, b) das Urteil des Landgerichts Köln vom 20. November 1987 - 28 O 279/87 -.
Entscheidungsformel
Das Urteil des Landgerichts Köln vom 20. November 1987 - 28 O 279/87 - und das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 20. September 1988 - 15 U 83/88 - verletzen die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil des Oberlandesgerichts wird in vollem Umfang, das Urteil des Landgerichts insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beschwerdeführer erkannt worden ist. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen zu erstatten.
 
Gründe:
 
A.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen zivilgerichtliche Entscheidungen, mit denen die Beschwerdeführer zur Unterlassung von Äußerungen in einem Flugblatt und zu deren Widerruf verurteilt worden sind.
I.
1. Der Beschwerdeführer zu 1) ist ein rechtsfähiger Verein. Zu seinen Zwecken gehört laut § 2 Abs. 2 der Satzung insbesondere
    - die Sammlung und Verbreitung von Informationen über Schäden am Menschen und der Umwelt sowie die Gefährdung von Arbeitsplätzen, die durch den BAYER-Konzern, eines seiner Tochterunternehmen oder Beteiligungsgesellschaften verursacht sein sollen oder verursacht sind;
    - die Organisation des Dialogs zwischen Verursacher, Betroffenen und Interessierten zur Vermeidung bzw. Behebung dieser Schäden.
Er ist Herausgeber des im Ausgangsverfahren streitigen Flugblatts. Der Beschwerdeführer zu 2) ist Vorstandsmitglied des Beschwerdeführers zu 1) und trug die presserechtliche Verantwortung für das Flugblatt.
Das im Februar 1987 veröffentlichte Flugblatt war als "Aufruf" bezeichnet und enthielt die Aufforderung "Unterstützt die Kritischen BAYER-Aktionäre". Bei den "Kritischen Bayer-Aktionären" handelt es sich um eine Arbeitsgemeinschaft des Beschwerdeführers zu 1). Unterhalb der Aufforderung ist ein Bild des Bayer-Werks in Leverkusen sichtbar. Dann folgt ein engzeiliger Text, der sich auf der Rückseite des Flugblatts fortsetzt. In dem Text wird eingangs die wirtschaftliche Bedeutung des Bayer-Konzerns geschildert. Anschließend heißt es, Bayer behaupte, daß sein Wirken dem Umweltschutz diene und der menschlichen Gesundheit verpflichtet sei. Das Gegenteil sei aber der Fall. Diese Aussage wird sodann in sieben kurzen, jeweils mit einer Überschrift versehenen Absätzen erläutert. Der siebte dieser Absätze hat folgenden Wortlaut:
    Gefahren für die Demokratie
    In seiner grenzenlosen Sucht nach Gewinnen und Profiten verletzt BAYER demokratische Prinzipien, Menschenrechte und politische Fairness. Mißliebige Kritiker werden bespitzelt und unter Druck gesetzt, rechte und willfährige Politiker werden unterstützt und finanziert.
Es folgen Äußerungen über die Verantwortlichen für die mißbilligten Aktivitäten, Informationen über die "Kritischen Bayer-Aktionäre" und den Beschwerdeführer zu 1) sowie über die Reaktion des Bayer-Konzerns auf deren Tätigkeit. Daran schließt sich der Aufruf zur Unterstützung sowie eine Liste von Organisationen an, die den Aufruf unterzeichnet hatten. Schließlich werden in einem abtrennbaren Abschnitt verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten aufgeführt, die die Empfänger des Flugblatts ankreuzen sollten, falls sie dem Aufruf folgen wollten. Das Flugblatt wurde auf Umweltschutzveranstaltungen, Demonstrationen und anläßlich der Jahreshauptversammlung 1987 der Bayer AG verteilt.
Die Bayer AG, die Klägerin des Ausgangsverfahrens, hat die Beschwerdeführer hinsichtlich der gesamten mit "Gefahren für die Demokratie" überschriebenen Passage auf Unterlassung in Anspruch genommen und bezüglich des zweiten Satzes außerdem Widerruf der Behauptung als unwahr verlangt. Die Beschwerdeführer haben im Ausgangsverfahren den ersten Satz des umstrittenen Abschnitts weiter erläutert und zu dem ersten Halbsatz des zweiten Satzes insgesamt 16 Vorfälle angeführt, um ihre Aussage, daß mißliebige Kritiker bespitzelt und unter Druck gesetzt worden seien, zu belegen. Die Unterstützung rechter und willfähriger Politiker in Deutschland ergebe sich aus Veröffentlichungen im "Spiegel", im "Stern" und in der "Augsburger Allgemeinen", denen zufolge die Klägerin in die Parteispendenaffäre verwickelt gewesen sein soll. Zudem habe der Bundestagsabgeordnete Verheugen öffentlich von Spenden an die südafrikanische Regierungspartei berichtet. Die Klägerin hat die Vorgänge teilweise bestritten, teilweise im einzelnen Stellung dazu genommen.
2. a) Das Landgericht hat der Klage auf Unterlassung und Widerruf hinsichtlich des zweiten Satzes der Textpassage (Bespitzelung und Unter-Druck-Setzen mißliebiger Kritiker, Unterstützung und Finanzierung willfähriger Politiker) stattgegeben und sie im übrigen (Gefahren für die Demokratie; Verletzung von demokratischen Prinzipien, Menschenrechten und politischer Fairneß) als unbegründet zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt:
Nach dem Sinn der ersten Äußerung, der sich dem unbefangenen Leser aufdränge, stelle diese keine Tatsachenbehauptung dar. Es überwiege der Wertungscharakter, da der tatsächliche Gehalt der pauschalen Behauptungen der Beschwerdeführer so substanzarm sei, daß er gegenüber der Wertung in den Hintergrund trete. Eine Schmähkritik liege nicht vor, so daß diese Äußerung vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt sei.
Demgegenüber könne die Klägerin hinsichtlich der zweiten Äußerung von den Beschwerdeführern gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 185 ff. StGB sowie gemäß § 824 BGB Unterlassung und Widerruf verlangen. Bezüglich der in dieser Äußerung enthaltenen einzelnen Tatsachenbehauptungen sei davon auszugehen, daß sie nicht lediglich unbewiesen, sondern darüber hinaus unwahr seien. Bei dem zweiten Satz handele es sich nicht um eine von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerung, sondern um eine Tatsachenbehauptung. Die darin enthaltenen Wertungen stellten sich als zusammenfassender Ausdruck von Tatsachenbehauptungen dar, über die Beweis erhoben werden könne. Vorliegend sei die Beweisaufnahme indes entbehrlich, weil die Beschwerdeführer ihrer erweiterten Darlegungspflicht nicht nachgekommen seien. Bei ehrenrührigen Äußerungen wie den umstrittenen treffe den Behauptenden unabhängig von der Beweislastverteilung eine Substantiierungspflicht. Da die Beschwerdeführer diese Pflicht nicht erfüllt hätten, seien nicht nur ihre Beweisanträge unbeachtlich. Vielmehr sei auch von der Unwahrheit der Behauptungen auszugehen. Unwahre Tatsachenbehauptungen nähmen aber nicht an dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG teil.
Die von den Beschwerdeführern genannten Vorfälle seien nicht geeignet, den Vorwurf des "Bespitzelns" und "Unter-Druck-Setzens" zu stützen. Nach dem Duden-Bedeutungswörterbuch (2. Aufl. 1985) bedeute "bespitzeln": "durch einen Spitzel heimlich beobachten und aushorchen". Die Worte "beobachten" und "überwachen" seien damit sinnverwandt, aber nicht identisch, da ihnen das Wesentliche des Bespitzelns, nämlich die Heimlichkeit, fehle.
Bezüglich des Unter-Druck-Setzens hat das Landgericht eine Zweck-Mittel-Beziehung, wie sie für die Nötigung charakteristisch sei, als wesentliches Kriterium erachtet und den Begriff auch mehrfach als Nötigung im strafrechtlichen Sinne verstanden. Von diesem Wortverständnis ausgehend, ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, daß keiner der von den Beschwerdeführern genannten Vorfälle ihre Behauptung des Bespitzelns und Unter-Druck-Setzens zu belegen vermöge.
Die Behauptung, daß die Klägerin durch Spenden an die südafrikanische Regierungspartei das Apartheid-Regime gestützt habe, sei nicht hinreichend substantiiert worden. Die Beschwerdeführer hätten ausführlich dartun müssen, unter welchen Umständen, an wen und wann im einzelnen Spenden an die südafrikanische Regierungspartei geflossen seien. Der Hinweis darauf, der Bundestagsabgeordnete Verheugen habe dies im November 1986 aufgedeckt, reiche nicht aus. Auch die Verwicklung der Klägerin in die Parteispenden-Affäre sei von den Beschwerdeführern nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden. Die Bezugnahme auf Artikel im "Stern", im "Spiegel" und in der "Augsburger Allgemeinen" reiche nicht dazu aus. Wenn die Presse nicht erweislich wahre oder wegen fehlender Substantiierung als unwahr anzusehende Tatsachenbehauptungen aufstelle, dann rechtfertige das nicht die Übernahme und Verbreitung dieser Tatsachen durch die Beschwerdeführer als wahr.
b) Das Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Beschwerdeführer auch zur Unterlassung des ersten Satzes der Äußerung verurteilt. Gegenüber dem Antrag der Klägerin und dem Text des Flugblatts hat das Oberlandesgericht im Tenor die zu unterlassende Äußerung abgeändert und wie folgt gefaßt:
Die Klägerin gefährdet die Demokratie, weil sie in ihrer grenzenlosen Sucht nach Gewinnen und Profiten demokratische Prinzipien, Menschenrechte und die politische Fairness verletzt, indem sie mißliebige Kritiker bespitzelt und unter Druck setzt sowie rechte und willfährige Politiker unterstützt und finanziert.
In den Entscheidungsgründen hat das Oberlandesgericht im wesentlichen ausgeführt:
Der Unterlassungsanspruch der Klägerin sei hinsichtlich der gesamten Textpassage gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit § 186 StGB begründet. Bei den Erklärungen der Beschwerdeführer handele es sich nicht um bloße Meinungsäußerungen (Werturteile), die von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt seien. Sie seien, wenn nicht als reine Tatsachenbehauptungen, so doch als Werturteile mit einem dem Wahrheitsbeweis zugänglichen Tatsachenkern zu betrachten; als solche müßten sie als unwahr angesehen werden, so daß sie nicht dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG unterfielen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts lasse sich die Textpassage nicht in zwei selbständige und rechtlich unabhängig voneinander zu beurteilende Teile aufgliedern. Es handele sich vielmehr um eine einheitliche Gesamtäußerung, die so zu verstehen sei, wie sie das Gericht in den Urteilstenor aufgenommen habe. Dies werde durch das Gesamtkonzept des Aufrufs bestätigt, dessen übrige Textblöcke im wesentlichen demselben Schema folgten, da die darin enthaltenen Einzelaussagen jeweils aufeinander abgestimmt seien.
Die Erklärung, daß die Klägerin demokratische Prinzipien, Menschenrechte und politische Fairneß verletze, sei zwar eine Schlußfolgerung aus Einzelumständen und damit als deren zusammenfassende Würdigung anzusehen. Daraus folge aber nicht schon, daß es sich um eine Meinungsäußerung handele, denn dies sei nicht allein nach Wortlaut und äußerer Form der Äußerung zu bestimmen, sondern auch danach, wie sie in ihrem Gesamtzusammenhang von den angesprochenen Verkehrskreisen verstanden werde. Diese müßten die Erklärungen insgesamt aber als zusammenfassende Darstellung objektiv beweisbarer, in dem Aufruf näher qualifizierter Machenschaften der Klägerin verstehen. Das Gewicht des Vorwurfs erhöhe sich noch durch die verallgemeinernde Formulierung, die zeige, daß nicht nur vereinzelte Übergriffe von Mitarbeitern der Klägerin zur Sprache gebracht werden sollten. Sie laufe daher auf die Aussage hinaus, die bezeichneten Praktiken seien für die Unternehmensführung der Klägerin charakteristisch.
Für ihre Behauptungen treffe die Beschwerdeführer eine erweiterte Darlegungslast. Dieser hätten sie nicht genügt, so daß ohne weiteres von der Unwahrheit ihrer Behauptung auszugehen sei. Weder die in der ersten Instanz angeführten Belegtatsachen noch ein in der Berufung vorgebrachter weiterer Vorfall trügen den Vorwurf des Bespitzelns und Unter-Druck- Setzens. Was die Unterstützung und Finanzierung rechter und willfähriger Politiker angehe, so könne ein 1984 geäußerter Verdacht diese Behauptung im Jahre 1987 nicht mehr belegen.
II.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer die Verletzung ihrer Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 103 Abs. 1 GG und tragen im wesentlichen vor:
Die angegriffenen Entscheidungen beruhten auf einer grundsätzlichen Verkennung der Grundrechte auf Meinungsäußerungsfreiheit und Pressefreiheit. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts stelle die erste Äußerung keine Tatsachenbehauptung, sondern eine Wertung dar, der kein dem Beweis zugänglicher Sachverhalt zu entnehmen sei. Die Begriffe "Sucht", "Profite", "Verletzung demokratischer Prinzipien" seien typische Wertungen, die sich auch nicht als zusammenfassender Ausdruck von substantiierten Tatsachenbehauptungen darstellten, die einer Beweisaufnahme zugänglich seien. Die Äußerung selbst enthalte gerade keine Tatsachen. Ihr Gehalt sei so substanzarm, daß er gegenüber dem Wertungscharakter zurücktrete. Der Erklärungsempfänger könne sich nicht das Urteil "wahr oder unwahr" bilden, sondern bestenfalls "richtig oder falsch". Der Beschwerdeführer zu 1) setze sich für Umweltschutz und sichere Arbeitsplätze bei der Bayer AG ein und habe die Leser von der Richtigkeit seiner Auffassungen überzeugen wollen. Deshalb sei insbesondere zu rügen, daß das Oberlandesgericht die Überzeugungsabsicht, die durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt sei, als gegen eine Meinungsäußerung sprechend bewertet habe. Bei Umweltschutz und Arbeitsplatzsicherung handele es sich um die Öffentlichkeit wesentlich berührende Fragen.
Auch die zweite Äußerung stelle sich dem unbefangenen Leser als Meinungsäußerung und nicht als Tatsachenbehauptung dar. Sie enthalte mit den Begriffen "mißliebige Kritiker", "bespitzelt", "unter Druck gesetzt" und "rechte und willfährige Politiker" wertende Aussagen, die nicht der Beweisführung zugänglich seien. Es handele sich um den Hinweis auf wertende Erkenntnisse, nicht aber um eine Zusammenfassung von Tatsachenbehauptungen, für die im Flugblatt gar nicht genug Platz vorhanden gewesen sei. Die im Flugblatt enthaltene Äußerung werde auch nicht dadurch zu einer Tatsachenbehauptung, daß die Beschwerdeführer im Verlaufe des Verfahrens Gründe zur Stützung ihrer Wertungen vorgetragen hätten. Zwar enthalte die Äußerung auch Tatsachenelemente; diese seien aber vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfaßt. Das hätten die Gerichte verkannt.
Es verstoße gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, wenn die Gerichte - ausgehend von einem Tatsachenkern - den Beschwerdeführern die volle Darlegungs- und Beweislast für ihre Aussagen auferlegt hätten. Dies wirke sich auf die Bereitschaft, Tatsachen zu verbreiten, lähmend aus. Eine Güterabwägung zwischen der Meinungsäußerungsfreiheit der Beschwerdeführer und den schutzwürdigen Interessen der Klägerin habe das Oberlandesgericht unterlassen, obwohl dies unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) und des Rechts zum Gegenschlag erforderlich gewesen wäre.
Insgesamt habe das Oberlandesgericht dadurch gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen, daß es - entgegen dem Antrag der Klägerin des Ausgangsverfahrens - die Äußerung der Beschwerdeführer uminterpretiert und die Unterlassung eines ganz anderen als des aufgestellten Satzes ausgesprochen habe. Die Umstellungen in den beiden Sätzen und die Einfügung der Worte "weil" und "indem" veränderten den Sinn. Aus drei selbständigen Aussagen mache das Gericht einen einzigen Komplex. Die in dem letzten Teil der Äußerung enthaltenen Aussagen müßten nunmehr ausreichen, um den Vordersatz und seine Berechtigung zu begründen.
Das Oberlandesgericht habe gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, weil es die zu unterlassende Äußerung im Urteilstenor gegenüber dem Klageantrag der Klägerin abgeändert habe, ohne den Beschwerdeführern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Zudem habe es Vorbringen der Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis genommen. Es führe zur Finanzierung und Unterstützung rechter und willfähriger Politiker aus, von den Beschwerdeführern werde nur noch darauf verwiesen, daß zumindest im Jahre 1984 ein Verdacht der Verwicklung in die Parteispendenaffäre bestanden habe, obwohl die Beschwerdeführer in der Berufungsbegründung auch auf die Unterstützung der südafrikanischen Regierungspartei hingewiesen hätten. Hätte das Oberlandesgericht den gesamten Vortrag zur Kenntnis genommen, wäre es möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gekommen.
Weiterhin habe es dadurch gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, daß es übersteigerte Anforderungen an die Substantiierungspflicht der Beschwerdeführer gestellt habe. Lege man normale Mitwirkungspflichten und die allgemeinen Beweislastregeln zugrunde, so sei die Anwendung des einfachen Rechts nicht mehr nachvollziehbar.
Die Beschwerdeführer haben zur Unterstützung ihres Vorbringens ein Rechtsgutachten vorgelegt. Nach diesem verstoßen die angegriffenen Entscheidungen vor allem gegen das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich gebotenen weiten Pressebegriffs sei der Aufruf als Presseprodukt einzustufen. Zwar unterliege, wer sich auf die Pressefreiheit berufe, einer gewissen Wahrheitspflicht. Dies gelte jedoch nur für Nachrichten und Tatsachenbehauptungen im Rahmen der allgemeinen Presseberichterstattung, nicht aber für wertende Stellungnahmen in Kommentaren oder Leitartikeln. Die beanstandete Textpassage im Aufruf sei als Werturteil gemeint und auch erkennbar gewesen. Aber selbst wenn man von einem beweisfähigen Tatsachenkern in den beiden Sätzen ausgehen wolle, hätten die Beschwerdeführer insoweit ihrer Sorgfaltspflicht entsprochen.
Die Behauptung, die erwähnten Praktiken seien für die Unternehmensführung der Klägerin charakteristisch, hätten die Beschwerdeführer weder aufstellen wollen noch aufgestellt. Diese Annahme des Oberlandesgerichts diene dazu, den Beschwerdeführern eine erweiterte Darlegungslast aufzubürden und eine Beweisaufnahme über die Einzelfälle entbehrlich zu machen.
Ergänzend zur Begründung der Verfassungsbeschwerde kommt das Gutachten zu dem Ergebnis, daß auch das Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG verletzt sei. Der "Aufruf" diene der Mitglieder- und Sympathisantenwerbung.
III.
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, weil die Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG nicht eingehalten sei.
Zur Unterstützung ihres Vorbringens hat die Klägerin ebenfalls ein Rechtsgutachten vorgelegt. Dieses kommt zu dem Ergebnis, daß das Urteil des Oberlandesgerichts nicht Gegenstand der erweiterten, auf einzelne Auslegungsfehler ausgedehnten verfassungsgerichtlichen Nachprüfung sein könne, da nicht der Kern der Meinungsfreiheit der Beschwerdeführer, der Gedankeninhalt, sondern nur die Form der Äußerung berührt sei. Die Beschwerdeführer seien durch das Urteil nicht gehindert, weiterhin negative Werturteile über die Klägerin zu verbreiten, soweit sie dabei auf Beleidigungen verzichteten. Das Verbot beziehe sich vielmehr nur auf die Gesamtäußerung, die das Oberlandesgericht aus der umstrittenen Textpassage entnommen habe. Bei dieser stehe aber der tatsächliche Gehalt im Vordergrund. Wer ehrenrührige Tatsachenbehauptungen über einen Dritten aufstelle, den treffe eine besondere Sorgfaltspflicht. Erst wenn diese Sorgfaltspflicht eingehalten sei, gelte eine Vermutung zugunsten der freien Rede. Die Beschwerdeführer hätten es an der erforderlichen Sorgfalt fehlen lassen. Ihre Äußerung sei daher wie eine unrichtige Tatsachenbehauptung zu behandeln und folglich grundrechtlich nicht geschützt. Das Oberlandesgericht habe deshalb auch keinen Anlaß gehabt, eine Güterabwägung vorzunehmen. Daß es die grammatikalische Form der Gesamtäußerung geändert habe, sei nicht zu beanstanden. Im Ergebnis habe es sich um eine schonende Form des Umgangs mit der Meinungsfreiheit der Beschwerdeführer gehandelt, da es den Beschwerdeführern so nicht zugemutet werde, auf die Verbreitung der typischen Werturteile in der Textpassage zu verzichten.
 
B. -- I.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Jedoch kann das Bundesverfassungsgericht der Rüge einer Verletzung von Art. 9 Abs. 1 GG nicht nachgehen, da diese erst nach Ablauf der Beschwerdefrist erhoben worden ist.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffenen Urteile verletzen die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
1. Verfassungsrechtlicher Maßstab ist das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
Zwar handelt es sich bei dem Aufruf, der die umstrittene Äußerung enthält, um ein Druckerzeugnis, das zur Verbreitung geeignet und bestimmt ist und damit nach herrschender Auffassung die Voraussetzung des Pressebegriffs im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfüllt. Daraus folgt jedoch nicht ohne weiteres, daß dieses Grundrecht auch die einzelne Meinungsäußerung schützt, sobald sie in einem Druckerzeugnis enthalten ist. Die Pressefreiheit ist weder ein Spezialgrundrecht für drucktechnisch verbreitete Meinungen noch eine auf die Presse gemünzte verstärkende Wiederholung der Meinungsfreiheit. Wäre es nur darum gegangen sicherzustellen, daß auch die gedruckte Meinung grundrechtlich geschützt ist, so hätte es einer eigenen Garantie der Pressefreiheit nicht bedurft. Vielmehr wäre die Beibehaltung des Mediums "Druck", das bereits in Art. 143 Abs. 1 Satz 1 der Paulskirchen-Verfassung und Art. 118 Abs. 1 der Weimarer Verfassung neben Wort, Schrift und Bild stand, ausreichend gewesen. Auch aus den Debatten im Parlamentarischen Rat ergibt sich, daß der Verzicht auf das Wort "Druck" im Rahmen der Meinungsfreiheit und die Schaffung einer eigenen Garantie der Pressefreiheit nicht den Sinn haben sollte, gedruckte Äußerungen aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit auszuschließen und statt dessen dem Schutzbereich der Pressefreiheit zuzuweisen. Das Wort "Druck" wurde vielmehr nur deswegen aus dem Entwurf gestrichen, weil es nach Auffassung des Parlamentarischen Rats bereits im Tatbestandsmerkmal "Schrift" enthalten war (vgl. JöR N.F. 1, S. 80 ff.).
Während die in einem Presseerzeugnis enthaltene Meinungsäußerung bereits durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt ist, geht es bei der besonderen Garantie der Pressefreiheit um die einzelne Meinungsäußerungen übersteigende Bedeutung der Presse für die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung, die Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisten will (vgl. BVerfGE 20, 162 [175 f.]). Daher bezieht sich der Schutz von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vor allem auf die Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, damit die Presse ihre Aufgabe im Kommunikationsprozeß erfüllen kann. Das ist gemeint, wenn das Bundesverfassungsgericht von einem weiten Pressebegriff gesprochen und festgestellt hat, das Grundrecht schütze die institutionelle Eigenständigkeit der Presse von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung (vgl. BVerfGE 10, 118 [121]). Wenn es bei dieser Gelegenheit heißt, die institutionelle Sicherung der Presse schließe das subjektive öffentliche Recht der im Pressewesen tätigen Personen ein, ihre Meinung in der ihnen geeignet erscheinenden Form ebenso frei und ungehindert zu äußern wie jeder andere Bürger, so waren damit nicht einzelne Äußerungen in der Presse gemeint. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht auf der Grundlage dieser Formulierung die Verfassungsmäßigkeit eines Landesgesetzes geprüft, das der Regierung das Recht einräumte, Redakteuren unter bestimmten Voraussetzungen die Berufsausübung zu untersagen (vgl. BVerfG, a.a.O.).
Der Schutzbereich der Pressefreiheit ist daher berührt, wenn es um die im Pressewesen tätigen Personen in Ausübung ihrer Funktion, um ein Presseerzeugnis selbst, um seine institutionell-organisatorischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen sowie um die Institution einer freien Presse überhaupt geht. Handelt es sich dagegen um die Frage, ob eine bestimmte Äußerung erlaubt war oder nicht, insbesondere ob ein Dritter eine für ihn nachteilige Äußerung hinzunehmen hat, ist ungeachtet des Verbreitungsmediums Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG einschlägig. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht auch bisher schon die Zulässigkeit von Meinungsäußerungen in Büchern oder Flugblättern, also Publikationen, die nach allgemeiner Auffassung dem Pressebegriff unterfallen, am Grundrecht der Meinungsfreiheit gemessen (vgl. BVerfGE 43, 130 [137]; 71, 162 [179 ff.]). Ob daneben auch das Grundrecht der Pressefreiheit Prüfungsmaßstab sein kann, bedarf hier keiner Entscheidung.
2. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen zivilgerichtliche Entscheidungen über privatrechtliche Unterlassungs- und Widerrufsansprüche. Es ist Aufgabe der ordentlichen Gerichte, die einschlägigen Bestimmungen auszulegen und anzuwenden. Bei ihrer Entscheidung haben sie jedoch dem Einfluß der Grundrechte auf die Vorschriften des Zivilrechts und des Strafrechts Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 7, 198 [208]; st. Rspr.). Dem Bundesverfassungsgericht obliegt es lediglich, die Beachtung der grundrechtlichen Normen und Maßstäbe durch die ordentlichen Gerichte sicherzustellen (vgl. BVerfGE 42, 143 [147 f.]). Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, liegt erst vor, wenn eine gerichtliche Entscheidung Auslegungsfehler erkennen läßt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 [93]; 42, 143 [149]).
Handelt es sich um Eingriffe in die Meinungsfreiheit, kann das allerdings schon bei unzutreffender Erfassung oder Würdigung einer Äußerung der Fall sein. Der Einfluß des Grundrechts wird verkannt, wenn Gerichte der Verurteilung eine Äußerung zugrunde legen, die so nicht gefallen ist, wenn sie ihr einen Sinn geben, die sie nach dem festgestellten Wortlaut objektiv nicht hat, oder wenn sie sich unter mehreren objektiv möglichen Deutungen für die zur Verurteilung führende entscheiden, ohne die anderen unter Angabe überzeugender Gründe auszuschließen (vgl. BVerfGE 43, 130 [136 f.]; 82, 43 [52 f.]; 82, 272 [280 f.]). Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind ferner verkannt, wenn die Gerichte eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik einstufen mit der Folge, daß sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 60, 234 [242]; 61, 1 [10]; 82, 43 [51]; 82, 272 [281]). Sachverhaltsfeststellungen und Rechtsanwendungen dieses Inhalts können den Zugang zu dem grundrechtlich geschützten Bereich von vornherein verstellen. Daher müssen sie vom Bundesverfassungsgericht in vollem Umfang überprüfbar sein, wenn der Schutz der Meinungsfreiheit nicht unzuträglich verkürzt werden soll (vgl. BVerfGE 43, 130 [136 f.]; 54, 208 [215]; 82, 272 [281]).
Die Voraussetzungen einer vollständigen Überprüfung des tatsächlichen Verständnisses und der rechtlichen Bewertung des Aufrufs liegen hier vor. Die Zivilgerichte haben der Verurteilung der Beschwerdeführer ein bestimmtes Verständnis der umstrittenen Textpassage zugrunde gelegt und diese dann ganz oder zum Teil als unwahre Tatsachenbehauptung bewertet mit der Folge, daß sie nicht den Schutz der Meinungsfreiheit genießt. Die Unterlassungsurteile beschränken sich daher auch nicht darauf, den Beschwerdeführern die Äußerung lediglich in der von ihnen gewählten Form zu verbieten, wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens meint. Gegenstand der Unterlassungs- und Widerrufspflicht ist vielmehr der von den Beschwerdeführern verbreitete Inhalt der umstrittenen Textpassage.
3. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Dabei sind Meinungen im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt (vgl. BVerfGE 61, 1 [9]). Sie genießen den Schutz des Grundrechts, ohne daß es darauf ankäme, ob die Äußerung wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, begründet oder grundlos, emotional oder rational ist (vgl. BVerfGE 33, 1 [14]; 61, 1 [7]). Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen fallen grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Insoweit kann die Frage nur sein, ob und wie sich aus Art. 5 Abs. 2 GG im Einzelfall Grenzen ergeben.
Die Mitteilung einer Tatsache ist dagegen im strengen Sinne keine Äußerung einer Meinung, weil ihr die für eine Meinungsäußerung charakteristischen Merkmale fehlen. Tatsachenbehauptungen fallen deswegen aber nicht von vornherein aus dem Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG heraus. Sie sind vielmehr durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt, weil und soweit sie Voraussetzung der Bildung von Meinungen sind, welche Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistet (vgl. BVerfGE 54, 208 [219]; 61, 1 [8]). Daher endet der Schutz der Meinungsfreiheit für Tatsachenbehauptungen erst dort, wo sie zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können. Unter diesem Gesichtspunkt ist unrichtige Information kein schützenswertes Gut. Das Bundesverfassungsgericht geht deswegen davon aus, daß die erwiesen oder bewußt unwahre Tatsachenbehauptung nicht vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfaßt wird (vgl. BVerfGE 61, 1 [8]). Allerdings dürfen die Anforderungen an die Wahrheitspflicht nicht so bemessen werden, daß darunter die Funktion der Meinungsfreiheit leidet (vgl. BVerfGE 54, 208 [219 f.]; 61, 1 [8]).
Die Abgrenzung zwischen Werturteilen und Tatsachenbehauptungen kann im Einzelfall schwierig sein, vor allem deswegen, weil die beiden Äußerungsformen nicht selten miteinander verbunden werden und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen. In solchen Fällen ist der Begriff der Meinung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes weit zu verstehen: Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (vgl. BVerfGE 61, 1 [8 f.]).
Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist allerdings nicht unbegrenzt gewährleistet. Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet es seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre. Jedoch sind grundrechtsbeschränkende Vorschriften des einfachen Rechts wiederum im Lichte des eingeschränkten Grundrechts auszulegen, damit dessen wertsetzende Bedeutung für das einfache Recht auch auf der Rechtsanwendungsebene zur Geltung kommt (vgl. BVerfGE 7, 198 [208]; st. Rspr.). Das führt im Rahmen der auslegungsfähigen Tatbestandsmerkmale der einfachrechtlichen Vorschriften regelmäßig zu einer fallbezogenen Abwägung zwischen der Bedeutung der Meinungsfreiheit und dem Rang des durch die Meinungsäußerung beeinträchtigten Rechtsguts, das das einfache Recht schützen will.
Das Ergebnis dieser Abwägung läßt sich wegen ihres Fallbezugs nicht generell und abstrakt vorwegnehmen. Das Bundesverfassungsgericht geht jedoch davon aus, daß scharfe und überspitzte Formulierungen für sich genommen eine schädigende Äußerung noch nicht unzulässig machen. Vielmehr spricht gerade, wenn es um Beiträge zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage geht, die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede (vgl. BVerfGE 7, 198 [212]). Das ist eine Folge der fundamentalen Bedeutung, die die Meinungsfreiheit für die menschliche Person und die demokratische Ordnung hat (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 208). Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, hat eine solche Äußerung als Schmähung regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten (vgl. BVerfGE 82, 272 [283 f.]).
Für Tatsachenbehauptungen gilt dagegen der Satz, daß die Vermutung zugunsten der freien Rede spreche, nur eingeschränkt. Soweit Tatsachenbehauptungen nicht von vornherein außerhalb des Schutzes von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG bleiben, sind sie Einschränkungen im Interesse anderer Rechtsgüter leichter zugänglich als Meinungsäußerungen (vgl. BVerfGE 61, 1 [8]). Das gilt auch, wenn sich wertende und tatsächliche Elemente in einer Äußerung so vermengen, daß diese insgesamt als Werturteil anzusehen ist. Die Richtigkeit der tatsächlichen Bestandteile kann dann im Rahmen der Abwägung eine Rolle spielen. Enthält die Meinungsäußerung erwiesen falsche oder bewußt unwahre Tatsachenbehauptungen, so wird regelmäßig das Grundrecht der Meinungsfreiheit hinter dem durch das grundrechtsbeschränkende Gesetz geschützten Rechtsgut zurücktreten. Auch in diesem Fall ist freilich zu beachten, daß an die Wahrheitspflicht im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden dürfen, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so auf die Meinungsfreiheit insgesamt einschnürend wirken können (vgl. BVerfGE 54, 208 [219 f.]; 61, 1 [8]).
4. Die angegriffenen Entscheidungen haben diese Grundsätze nicht ausreichend beachtet. Soweit sie die Äußerungen der Beschwerdeführer als unrichtige Tatsachenbehauptungen angesehen und damit dem Schutz der Meinungsfreiheit entzogen haben, hält dies einer Nachprüfung am Maßstab von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht stand.
a) Dabei kann offen bleiben, ob das Oberlandesgericht schon dadurch gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen hat, daß es die Äußerung der Beschwerdeführer sprachlich verändert hat und auf der Grundlage der veränderten Formulierung im Gegensatz zum Landgericht zu der Auffassung gelangt ist, daß nicht nur der letzte Satz der Äußerung, sondern diese in ihrer Gesamtheit als Tatsachenbehauptung anzusehen sei. Denn selbst wenn man den von ihm angenommenen Text der rechtlichen Beurteilung zugrunde legt, führt dies nicht zu seiner Qualifizierung als Tatsachenbehauptung.
Die Äußerung der Beschwerdeführer benennt in der Überschrift ("Gefahren für die Demokratie") das Thema der umstrittenen Textpassage und erläutert dieses dann in zwei sprachlich unverbundenen Sätzen, von denen nur der zweite tatsächliche Elemente enthält. Auch wenn man diese Sätze nicht wie das Landgericht als zwei eigenständige Begründungen für den in der Überschrift enthaltenen Vorwurf ansieht und folglich getrennt auf ihren tatsächlichen und wertenden Gehalt untersucht, sondern die Textpassage mit dem Oberlandesgericht als einheitlichen Satz betrachtet, in dem die Überschrift als Behauptung, der erste Satz als Begründung und der zweite als Beleg angesehen werden, kann die Einstufung als Tatsachenbehauptung allein auf dem tatsächlichen Gehalt des letzten Satzes beruhen, der dann als prägend für die gesamte Textpassage angesehen wird.
b) Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist verkannt, wenn die gesamte Äußerung oder ihr letzter Satz als Tatsachenbehauptung angesehen werden. Daß es sich bei dem ersten Satz der Äußerung für sich betrachtet um ein Werturteil handelt, wie das Landgericht zu Recht aus der völligen Abwesenheit tatsächlicher Elemente geschlossen hat, kann keinem Zweifel unterliegen. Der Satz wird aber auch dann nicht zur Tatsachenbehauptung, wenn man ihn, wie das Oberlandesgericht, mit dem zweiten Satz verschmilzt und aufgrund des tatsächlichen Gehalts, den dieser aufweist, insgesamt als Tatsachenbehauptung ansieht. Denn auch in dem zweiten Satz überwiegt ungeachtet der vorhandenen tatsächlichen Elemente der wertende Charakter.
aa) Beim ersten Teil des letzten Satzes der Äußerung sind die Zivilgerichte nicht von den Subjekten des Satzes (mißliebige Kritiker, willfährige Politiker) ausgegangen, sondern von dessen Prädikaten (bespitzelt, unter Druck gesetzt, unterstützt, finanziert). Diese sind als Tatsachenbehauptungen angesehen worden, die dem Satz insgesamt einen vorherrschend tatsächlichen Charakter verleihen. Das Wort "bespitzeln" haben die angegriffenen Entscheidungen unter Berufung auf das Duden-Bedeutungswörterbuch als Synonym für "heimliches Beobachten" im Unterschied zum nicht weiter qualifizierten Beobachten und Überwachen verstanden. In der beanstandeten Äußerung gewinnt der Begriff auf diese Weise die Funktion einer fachgemäßen Bezeichnung eines bestimmten Vorgangs in der Wirklichkeit. Das Wort "unter Druck setzen" hat das Landgericht und ihm folgend das Oberlandesgericht erkennbar im Sinn einer Nötigung gemäß § 240 StGB aufgefaßt. Dadurch wird die beanstandete Äußerung auch insoweit zur Bezeichnung eines Tatbestandes, der darauf überprüft werden kann, ob die Klägerin ihn in der Wirklichkeit erfüllt hat.
Dieses Textverständnis wird der Äußerung der Beschwerdeführer nicht gerecht. Zwar enthalten alle Teilaussagen faktische Elemente. Im "Bespitzeln" liegt die Tatsachenbehauptung, daß Beobachtungen stattgefunden haben, im "Unter-Druck-Setzen" die Behauptung, daß Einfluß ausgeübt worden ist. Die Gerichte haben aber nicht berücksichtigt, daß die Beschwerdeführer durch die von ihnen verwendeten Formulierungen zu diesen Vorgängen Stellung beziehen und sie bewerten. Wird der tatsächliche Vorgang der auf Informationsbeschaffung gerichteten Beobachtung des Verhaltens Dritter unter anderen möglichen Ausdrücken mit dem Wort "bespitzeln" bezeichnet, so kommt darin vor allem ein Unwerturteil des Sprechers über die Art und Weise der Beobachtung zum Ausdruck. Der Begriff bringt die Mißbilligung des Geschehens zum Ausdruck (vgl. Grimmsches Wörterbuch, Band 16, 1984, "Spitzel": Schmähwort, verächtlich).
Ähnliches gilt für das "Unter-Druck-Setzen", wenn dieses im strafrechtlichen Sinn von Nötigung verstanden wird. Es ist anerkannt, daß selbst Rechtsbegriffe nicht ohne weiteres im fachlich-technischen Sinn verstanden werden dürfen, wenn sie im öffentlichen Meinungskampf fallen (vgl. BGH, NJW 1982, S. 2246 [2247]). Vielmehr muß den Umständen entnommen werden, ob eine technische oder eine alltagssprachliche Begriffsverwendung vorliegt. Erst recht problematisch ist es, einer umgangssprachlichen Redewendung wie "unter Druck setzen", zumal wenn sie nicht in juristischen Zusammenhängen gebraucht wird, den Sinn eines Rechtsbegriffs beizulegen. Die Vermutung spricht hier vielmehr für den alltagssprachlich geläufigen Sinn. Alltagssprachlich liegt ein "Unter-Druck-Setzen" aber nicht erst dann vor, wenn rechtswidrig gedroht wird. Es genügt, daß jemand Mittel einsetzt, um einen anderen zu einem Verhalten zu bewegen, das dieser unterließe, wenn es nur nach ihm ginge oder er den angedrohten Nachteil nicht zu fürchten hätte. Dabei drückt die Formulierung "unter Druck setzen" ebenso wie "bespitzeln" die Mißbilligung dieses Vorgangs aus. Einflußnahmen, die der Betrachter als berechtigt oder akzeptabel ansieht, wird er nicht als "Unter-Druck-Setzen" bezeichnen.
bb) Das wertende Element überwiegt auch im zweiten Teil des letzten Satzes der Äußerung. Zwar kommt die wertende Stellungnahme der Beschwerdeführer hier nicht bereits in der Wortwahl der Prädikate zum Ausdruck. Sowohl "unterstützen" wie "finanzieren" sind neutrale Bezeichnungen des gemeinten Vorgangs, die weder eine positive noch eine negative Haltung des Sprechers erkennen lassen. Auch der Vorgang als solcher ist nicht mit einem Unwerturteil belegt. Doch ergibt sich das wertende Element aus dem Zusammenhang mit den Subjekten des Satzes sowie der Überschrift der gesamten Textpassage. Als Empfänger der Unterstützung und Finanzierung werden rechte und willfährige Politiker genannt. "Rechte und willfährige Politiker" stehen in erkennbarem Gegensatz zu "mißliebigen Kritikern". Als willfährig sind hier solche Politiker anzusehen, die ihre politischen Entscheidungen an den Interessen der Klägerin orientieren. Darin liegt eine Bewertung, die sich auf die für sich genommen neutrale Unterstützung und Finanzierung erstreckt. Im Zusammenhang mit der Überschrift wird deutlich, daß die Beschwerdeführer in der Unterstützung und Finanzierung dieser Politiker durch die Klägerin Gefahren für die Demokratie sehen und sie deswegen verurteilen.
5. Da es sich bei der umstrittenen Textpassage um eine von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Meinungsäußerung handelt, durften die Zivilgerichte die Beschwerdeführer nicht zur Unterlassung und zum Widerruf verurteilen, ohne im Rahmen der Auslegung und Anwendung der §§ 823, 1004 BGB in Verbindung mit §§ 185 ff. StGB, § 824 BGB eine Abwägung zwischen den von diesen Vorschriften geschützten Rechtsgütern der Klägerin und dem Grundrecht der Beschwerdeführer auf Meinungsfreiheit vorgenommen zu haben. Diese Abwägung müssen die Zivilgerichte nachholen. Wie oben dargelegt, kann dabei die Richtigkeit oder Haltlosigkeit der in der Meinungsäußerung enthaltenen tatsächlichen Elemente eine Rolle spielen. Als Bestandteil einer Meinungsäußerung sind unrichtige Informationen zwar nicht von vornherein dem Schutz des Grundrechts entzogen. Sie können aber regelmäßig keinen Vorrang vor den kollidierenden Rechtsgütern Dritter beanspruchen.
Daß die Zivilgerichte dabei von einer erweiterten Darlegungslast desjenigen ausgehen, der ehrenrührige Tatsachen über Dritte behauptet, und die Tatsachenbehauptungen bei Nichterfüllung dieser Darlegungslast als unwahr ansehen, begegnet von Verfassungs wegen keinen Bedenken. Allerdings dürfen auch im Rahmen der Abwägung keine Anforderungen an die Darlegungspflicht gestellt werden, die sich auf den generellen Gebrauch des Grundrechts der Meinungsfreiheit abschreckend auswirken könnten. Insofern sind die Konsequenzen der Auslegung des einfachen Rechts für die Meinungsfreiheit insgesamt stets mit zu bedenken. In diesem Zusammenhang geben die angegriffenen Urteile, soweit sie die Darlegungslast konkretisieren und Schlußfolgerungen für die Richtigkeit der Tatsachenbehauptungen ziehen, aus grundrechtlicher Sicht zu den folgenden Bemerkungen Anlaß.
a) Da die Beschwerdeführer mit der Wahl der Worte "bespitzeln" und "unter Druck setzen" keine Beschreibung, sondern eine Bewertung des Verhaltens der Klägerin abgegeben haben, können die Zivilgerichte ihre Entscheidung nicht davon abhängig machen, ob hinreichende Umstände dafür vorgetragen worden sind, daß die Klägerin Kritiker ihres Unternehmens heimlich beobachtet und rechtswidrig bedroht hat. Die Gerichte dürfen lediglich prüfen, ob die in den Werturteilen "bespitzeln" und "unter Druck setzen" enthaltenen Tatsachenbehauptungen, daß die Klägerin Unternehmenskritiker beobachten ließ und auf ihr Verhalten Einfluß zu nehmen versuchte, zutreffen oder ohne jeden Anhaltspunkt aufgestellt worden sind.
b) Hinsichtlich der Äußerung, rechte und willfährige Politiker würden unterstützt und finanziert, können die Zivilgerichte die Unwahrheit der in diesen Aussagen enthaltenen Tatsachenbehauptungen nicht schon mit der Begründung annehmen, daß der Verweis auf Presseberichte und öffentliche Äußerungen eines Abgeordneten nicht geeignet sei, der erweiterten Darlegungslast für ehrenrührige Behauptungen zu genügen. Vielmehr werden die Anforderungen an die Darlegungspflicht überspannt, wenn jemand, der eine herabsetzende Behauptung über Dritte aufstellt, die nicht seinem eigenen Erfahrungsbereich entstammt und seine eigenen Überprüfungsmöglichkeiten übersteigt, sich zur Begründung seiner Behauptung nicht auf unwidersprochene Pressemitteilungen beziehen darf.
Zwar gilt im allgemeinen, daß eine unbewiesene Tatsachenbehauptung herabsetzenden Charakters nicht deswegen zulässig wird, weil sie auch von anderen unwidersprochen aufgestellt worden ist. Es steht dem Gekränkten frei, gegen einzelne Schädiger vorzugehen und andere zu verschonen. Die Motive seiner Auswahl spielen dabei keine Rolle. Allerdings lassen sich diese Grundsätze nicht unbesehen auf eine Fallgestaltung übertragen, in der die nachteilige Behauptung zunächst unwidersprochen in der Presse oder anderen öffentlich zugänglichen Quellen erschienen ist. Der Presse obliegt zwar nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte eine besondere Sorgfaltspflicht bei der Verbreitung nachteiliger Tatsachen. Vom Einzelnen darf eine vergleichbare Sorgfalt aber nur verlangt werden, soweit er Tatsachenbehauptungen aus seinem eigenen Erfahrungs- und Kontrollbereich aufstellt. Dagegen ist es ihm bei Vorgängen von öffentlichem Interesse, namentlich solchen aus nicht transparenten Politik- und Wirtschaftsbereichen, regelmäßig nicht möglich, Beweise oder auch nur Belegtatsachen aufgrund eigener Nachforschungen beizubringen. Er ist insoweit vielmehr auf die Berichterstattung durch die Medien angewiesen.
Würde man dem Einzelnen gleichwohl auch insoweit nachprüfbare Angaben abverlangen, so hätte das zur Folge, daß er herabsetzende Tatsachen, die er der Presse entnommen hat, überhaupt nicht mehr aufgreifen und zur Stützung seiner Meinung anführen dürfte. Damit träte aber nicht nur eine Lähmung der individuellen Meinungsfreiheit ein. Vielmehr würde auch der gesellschaftliche Kommunikationsprozeß verengt, wenn Presseberichte, die ihre meinungsbildende Funktion erfüllen, vom Einzelnen, der sich aufgrund solcher Berichte eine Meinung gebildet hat, nicht mehr verwertet werden dürften, weil er den Beweis für ihre Wahrheit nicht antreten kann. Beides ließe sich mit dem Sinn von Art. 5 Abs. 1 GG nicht vereinbaren. Werden die zivilrechtlichen Vorschriften im Lichte dieses Grundrechts ausgelegt, so darf ein Einzelner, der Presseberichte guten Glaubens aufgreift und daraus verallgemeinernde Schlußfolgerungen zieht, erst dann zur Unterlassung oder zum Widerruf verurteilt werden, wenn die Berichterstattung erkennbar überholt oder widerrufen ist. Nichts anderes gilt für die Übernahme von Ausführungen eines Abgeordneten.
(gez.) Herzog, Henschel, Seidl
Grimm, Söllner, Dietrich
Kühling, Seibert