BVerfGE 92, 245 - Asylfolgeverfahren |
Beschluß |
des Zweiten Senats vom 23. März 1995 |
-- 2 BvR 492, 493/95 -- |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden der türkischen Staatsangehörigen 1. S..., 2. S..., 3. S..., 4. S..., die Beschwerdeführer zu 3. und 4. gesetzlich vertreten durch ihre Eltern, die Beschwerdeführer zu 1. und 2., - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Michael Sack und Ralph D. Keysers, Barer Straße 82, München - gegen a) den Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 9. Februar 1995 - AN 2 E 95.31292 -, b) den Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 30. Januar 1995 - AN 2 E 95.31000 - und Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung. |
Entscheidungsformel: |
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen. |
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung, soweit darüber noch nicht entschieden worden ist. |
Gründe: |
A. |
Die Beschwerdeführer, eine türkische Familie kurdischer Volkszugehörigkeit, wenden sich gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes in einem Asylfolgeverfahren.
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I. |
1. Die Beschwerdeführer zu 1. bis 3. - die Beschwerdeführerin zu 4. ist in der Bundesrepublik Deutschland am 14. Mai 1992 geboren - reisten am lO. Mai 1992 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten am 22. Mai 1992 politisches Asyl. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte mit Bescheid vom 28. März 1994 die Anträge als offensichtlich unbegründet ab. Ferner stellte das Bundesamt fest, daß Abschiebungshindernisse nach § 51 Abs. 1 AuslG offensichtlich nicht vorlägen und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht gegeben seien, und forderte die Beschwerdeführer unter Androhung der Abschiebung in die Türkei zur Ausreise auf.
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Die gegen den Bescheid des Bundesamtes erhobene Klage nahmen die Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 23. Dezember 1994 zurück, nachdem ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (§ 36 Abs. 3 AsylVfG, § 80 Abs. 5 VwGO) sowie ein Abänderungsantrag (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO) erfolglos geblieben waren.
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2. Ebenfalls am 23. Dezember 1994 stellten die Bevollmächtigten beim Bundesamt einen Folgeantrag. Sie machten geltend, es seien neue Beweismittel vorhanden und die Sachlage habe sich geändert (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, § 51 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwVfG).
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Aus neuen Beweismitteln ergebe sich die Glaubhaftigkeit des Vortrages des Beschwerdeführers zu 1. Dieser habe nunmehr ein Urteil des Staatssicherheitsgerichtes in D. vom 8. November 1991 erhalten, durch das er vom Vorwurf der Unterstützung einer bewaffneten Bande (PKK) rechtskräftig freigesprochen worden sei. Amnesty international habe mit Schreiben vom 23. September 1994 die Echtheit des Urteils bestätigt. In dem Ermittlungsverfahren, das dem Urteil zugrunde liege, sei der Beschwerdeführer zu 1. - wie bereits im ersten Asylverfahren vorgetragen - Ende 1990/Anfang 1991 in einem Gefängnis in S. gefoltert worden. Die Spuren dieser Mißhandlung habe der ärztliche Dienst der JVA A. - wo der Beschwerdeführer zu 1. zur Zeit in Abschiebehaft sitze - mit Attest vom 25. August 1994 bestätigt. Nach der Auffassung von amnesty international seien abgeschobene Kurden gefährdet, bei ihrer Ankunft in der Türkei festgenommen, verhört und gegebenenfalls gefoltert zu werden; diese Gefahr bestehe insbesondere, wenn sich Anhaltspunkte für Kontakte zur PKK ergäben. Unter Berücksichtigung des früheren Strafverfahrens in der Türkei, das nicht aufgrund erwiesener Unschuld, sondern aus Mangel an Beweisen mit einem Freispruch geendet habe, und in Anbetracht der exilpolitischen Aktivitäten des Beschwerdeführers zu 1. in der Bundesrepublik halte amnesty international ihn für stärker gefährdet als sonstige Kurden.
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Die zum Beleg dieser Behauptungen dienenden Schriftstücke lagen dem Verwaltungsgericht Ansbach bereits in dem nach der am 23. Dezember 1994 erfolgten Rücknahme der Klage gegen den Bundesamtsbescheid vom 28. März 1994 eingestellten Asylverfahren vor.
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Darüber hinaus liege eine veränderte Sachlage vor, zum einen bezogen auf die allgemeine Lage in der Türkei, zum anderen im Hinblick auf die persönliche Situation der Beschwerdeführer. Nach der Verurteilung von acht kurdischen Parlamentsabgeordneten zu hohen Haftstrafen sei ein einheitlicher Abschiebestop für Kurden ergangen. Der Bundesinnenminister habe zum Ausdruck gebracht, daß er vor allem PKK-Anhänger für gefährdet halte. Der Beschwerdeführer zu 1. sei durch seine exilpolitischen Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland in den Verdacht geraten, die PKK zu unterstützen. Es müsse davon ausgegangen werden, daß dies den türkischen Behörden bekannt sei, zumal in zwei Berichten der A. Zeitung vom 21. und 29. Oktober 1994 über ihn und seine Familie berichtet worden sei. Vermeintliche und tatsächliche Unterstützer der PKK müßten bei ihrer Rückkehr mit Verhaftung und Folterung/unmenschlicher Behandlung rechnen; dies gelte vor allem für Personen, die vom Amt für Terrorbekämpfung gesucht würden. Insoweit seien zumindest Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG gegeben.
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3. Mit Bescheid vom 27. Dezember 1994 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Durchführung weiterer Asylverfahren ab. Dem Begehren stehe aufgrund der Rücknahme der Klage vom 23. Dezember 1994 und der im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang erfolgten Stellung von Asylfolgeanträgen bereits § 51 Abs. 2 VwVfG entgegen. Die im Folgeantrag vorgetragenen Gründe seien dadurch auch nach § 51 Abs. 3 VwVfG verspätet, da nicht nachvollziehbar und auch nicht vorgetragen worden sei, inwiefern die Gründe nicht im anhängigen Klageverfahren hätten vorgetragen werden können. Abgesehen davon seien die vorgebrachten Gründe bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im ersten Asylverfahren durch das Verwaltungsgericht Ansbach ausführlich gewürdigt worden. Nach alledem könne nur geschlossen werden, daß der Asylfolgeantrag rechtsmißbräuchlich gestellt worden sei, um die ursprünglich für den 27. Dezember 1994 geplante Abschiebung des Beschwerdeführers zu 1. zu verhindern.
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4. Gegen diesen Bescheid erhoben die Bevollmächtigten der Beschwerdeführer Klage und beantragten die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO.
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Im Folgeantrag sei dargelegt worden, warum der Beschwerdeführer zu 1. trotz des Freispruchs in der Türkei im Falle einer Abschiebung konkret gefährdet sei. Das beabsichtigte Vorgehen der Behörden verstoße gegen § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 1 und Art. 2 GG und gegen Art. 3 EMRK. Der Beschwerdeführer zu 1. sei auch nicht dadurch geschützt, daß sein Fall eine große Publizität erhalten und angeblich die türkische Seite zugesichert habe, ihn wegen seiner Aktivitäten in Deutschland nicht zu verfolgen. Es bestehe die Gefahr, daß er bei einer Rückkehr zwar zunächst unbehelligt bleiben, später aber gegebenenfalls erneut festgenommen oder von nicht-staatlichen Kräften (Konter-Guerillas) umgebracht werde. Darüber hinaus liege - wie sich aus einem Gutachten des Beratungs- und Behandlungszentrums für Flüchtlinge und Folteropfer REFUGIO vom 2. Januar 1995 ergebe - bei dem Beschwerdeführer zu 1. eine konkrete Gesundheitsgefährdung bis zur Suizidgefahr vor. Nach der ärztlichen Stellungnahme bestehe bei ihm im Falle der Abschiebung die Gefahr eines Zusammenbruchs in Form von schweren psychischen und psychosomatischen Störungen, wobei Verzweiflungshandlungen nicht auszuschließen seien. Die beabsichtigte Abschiebung verstoße auch gegen Art. 3 GG, da auf den Beschwerdeführer zu 1. der derzeit geltende Abschiebestop nicht angewandt werde. Zwar gelte nach dem einschlägigen Erlaß des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 13. Dezember 1994 eine Ausnahme für "Straftäter". Auch sei gegen den Beschwerdeführer zu 1. wegen seiner Beteiligung an den Kurdendemonstrationen in A. am 19. März 1994 ein Strafbefehl ergangen; dieser sei aber nicht rechtskräftig. Deshalb dürfe der Beschwerdeführer zu 1. nicht als "Straftäter" behandelt werden. Darüber hinaus verletze die beabsichtigte Abschiebung Art. 6 GG, da die Beschwerdeführer zu 2. bis 4. unter den geltenden Abschiebestop fielen, mithin durch das beabsichtigte Vorgehen der Behörden die Familie auseinandergerissen werde.
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5. Mit Beschluß vom 30. Januar 1995 wies das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge zurück.
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Zu Recht habe das Bundesamt die Durchführung erneuter Asylverfahren abgelehnt. Die Beschwerdeführer seien mit ihrem Vorbringen gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG präkludiert. Sämtliche Umstände seien bereits im vorangegangenen Klageverfahren vorgetragen worden und hätten vom Gericht gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG auch berücksichtigt werden müssen, da das Verwaltungsgericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt habe. Angesichts dieser auch den Verfahrensbevollmächtigten bekannten Rechtslage sei die Geltendmachung der Umstände im Folgeverfahren grob verschuldet. Die Beschwerdeführer hätten ihre Einwände, wie in § 51 Abs. 2 VwVfG ausdrücklich geregelt, durch Rechtsbehelf gegen den ursprünglichen Bescheid des Bundesamtes geltend machen müssen. Diesen Weg hätten sie auch zunächst beschritten, jedoch durch die Klagerücknahme eine gerichtliche Überprüfung im Hauptsacheverfahren vorsätzlich vereitelt. Nachdem das Bundesamt im ursprünglichen Bescheid vom 28. März 1994 sowohl zur Asylanerkennung als auch zu den Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 und § 53 AuslG Sachentscheidungen getroffen habe, seien die Beschwerdeführer mit ihrem gesamten Vorbringen hinsichtlich aller vom Bundesamt zu prüfenden Entscheidungen durch die verfahrensrechtliche Vorgehensweise ihrer Bevollmächtigten präkludiert.
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Der Abschiebung des Beschwerdeführers zu 1. stehe auch nicht die von ihm behauptete konkrete Gesundheitsgefährdung bis hin zur Suizidgefahr entgegen. Diese Behauptung sei mit der ärztlichen Stellungnahme vom 2. Januar 1995 nicht glaubhaft gemacht, da in einem zwischenzeitlich eingeholten amtsärztlichen Attest vom 9. Januar 1995 die Reisefähigkeit des Beschwerdeführers zu 1. sowie seine Flugtauglichkeit bescheinigt werde. Danach sei nicht einmal die Begleitung durch medizinisches Personal notwendig, so daß die Feststellung vom 2. Januar 1995 als überholt anzusehen sei.
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Die beabsichtigte Abschiebung des Beschwerdeführers zu 1. verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 GG (wird ausgeführt).
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6. Auf Antrag des Beschwerdeführers zu 1. hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichtes mit Beschluß vom 9. Februar 1995 im Verfahren 2 BvQ 7/95 dem Freistaat Bayern (zuständige Ausländerbehörde) einstweilen - zunächst längstens bis zum 15. März 1995 (einschließlich) - untersagt, den Beschwerdeführer zu 1. in die Türkei abzuschieben, solange nicht eine amtsärztliche Begutachtung feststellt, daß für ihn im Falle einer solchen Abschiebung keine Suizidgefahr bestehe. In den Gründen der Entscheidung ist im Rahmen der Folgenabwägung ausgeführt:
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"Soweit es um dem Antragsteller bei Rückkehr in die Türkei drohende Maßnahmen geht, ist gegenwärtig nicht ersichtlich, daB ihm durch eine Abschiebung ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Nachteil entstünde. Denn der Türkische Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland hat mit Schreiben vom 1. Februar 1995 an den Bayerischen Staatsminister des Innern folgende ihm von den zuständigen türkischen Stellen gegebene Information über den Antragsteller übermittelt:
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Das Bundesverfassungsgericht geht aufgrund dieser amtlichen Mitteilung davon aus, daß dem Antragsteller bei einer Rückkehr in die Türkei keine staatlichen Maßnahmen drohen, die ein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG begründen könnten. Die Gefahr, daß der Antragsteller bei erneut ihm unmittelbar drohender Abschiebung Hand an sich legt, erscheint hingegen bislang nicht hinreichend ausgeräumt."
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7. Parallel zum Verfahren 2 BvQ 7/95 beantragte der Beschwerdeführer zu 1. mit Schriftsatz vom 6. Februar 1995 gegenüber dem Verwaltungsgericht Ansbach eine Abänderung der Entscheidung vom 30. Januar 1995. Zwischenzeitlich hätten sich neue Gesichtspunkte ergeben, die zur Gewährung von Abschiebungsschutz führen müßten. Er sei im Falle einer Abschiebung konkret gefährdet, entgegen Art. 3 EMRK der Folter oder menschenrechtswidriger Behandlung unterzogen zu werden. Die türkische Zeitung "Hürriyet" habe in ihren Ausgaben vom 1. und 2. Februar 1995 über seinen Fall berichtet und ihn mehrfach als PKK-Anhänger bezeichnet. Wenn in der türkischen Öffentlichkeit über ihn in dieser Form berichtet werde, bestehe die Gefahr, daß er bei einer Rückkehr auch als PKK-Anhänger behandelt, inhaftiert und gefoltert werde. Darüber hinaus lägen neue ärztliche Erkenntnisse zur Suizidgefahr vor. Danach bestehe zwar keine akute Gefahr dieser Art; sie werde jedoch im Falle der Abschiebung akut.
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8. Mit Beschluß vom 9. Februar 1995 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach den Antrag ab.
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Angesichts der prozessualen Bindungswirkung eines Beschlusses nach § 123 Abs. 1 VwGO sei im Abänderungsverfahren nicht die Rechtmäßigkeit der ursprünglich getroffenen Anordnung zu prüfen, sondern lediglich darüber zu befinden, ob deren Aufrechterhaltung wegen veränderter Umstände noch zu rechtfertigen sei. Daraus folge, daß für diese Entscheidung ausschließlich auf solche Umstände abzustellen sei, die noch nicht Gegenstand des vorangegangenen Anordnungsverfahrens gewesen seien. Da der Vortrag des Beschwerdeführers zu 1. die temporale Zäsur des Beschlusses vom 30. Januar 1995 berücksichtige, sei sein Antrag insoweit zulässig.
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Der Antrag sei aber unbegründet, da mit den geltend gemachten Umständen kein dem Vollzug der Abschiebung entgegenstehender Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden sei.
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Gemessen an den Kriterien des über § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG anzuwendenden oder im Hinblick auf asylverfahrensfremde Abschiebungshindernisse direkt anwendbaren § 51 VwVfG scheitere der Hinweis auf die Publikation in der türkischen Zeitschrift "Hürriyet" am Schlüssigkeitserfordernis. Äußerungen der Boulevardpresse könnten die vom Beschwerdeführer zu 1. gehegten Befürchtungen hinsichtlich der Gefährdung seiner Person durch den türkischen Staat jedenfalls dann nicht stützen, wenn ausdrücklich auf seine Person individualisiert die aktuelle Bestätigung der zuständigen türkischen Stellen existiere, daß gegen ihn nichts vorliege. Insoweit habe sich die Tatsachenlage nach jeder vernünftigerweise vertretbaren Betrachtungsweise zu Lasten seines Asylbegehrens und zugunsten seiner persönlichen Sicherheit dahingehend geändert, daß nunmehr seitens seines Heimatlandes amtlicherseits bestätigt worden sei, nach ihm werde nicht gefahndet. Zu Zweifeln am Wahrheitsgehalt des Schreibens der türkischen Botschaft vom 1. Februar 1995 sehe das Gericht keinen Anlaß, zumal diese Bestätigung doch dem zuletzt vom Beschwerdeführer zu 1. vorgetragenen Sachverhalt - freisprechendes Urteil des Staatssicherheitsgerichtes vom 8. November 1991 - entspreche und das Gericht davon überzeugt sei, daß sich der türkische Staat angesichts seines auf die Annäherung an die Europäische Union zielenden politischen Bestrebens keinen politisch-diplomatischen Fauxpas in einem durch die deutsche Presse so intensiv begleiteten Fall werde leisten wollen. Demzufolge stehe zur Überzeugung des Gerichtes fest, daß der vom Beschwerdeführer zu 1. vorgetragene Umstand der Qualifizierung seiner Person als "PKK-Anhänger" in der türkischen Presse mangels asylrelevanter Schlüssigkeit die Einleitung eines weiteren Asylverfahrens nicht rechtfertige bzw. keine Abschiebungshindernisse zu begründen vermöge.
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Auch die vorgetragene Suizidgefahr und die insoweit vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen seien im Ergebnis nicht geeignet, die Annahme eines die Abschiebung hindernden Anordnungsgrundes zu rechtfertigen. Zwar habe angesichts der Schutzpflichtenfunktion gerade des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG der Staat mit allen seinen Organen die Verantwortung für das Leben auch gegenüber Gefährdungen von nicht-staatlicher Seite. Daraus folge für die Abschiebung eines suizidgefährdeten Ausländers aber kein generelles Abschiebungsverbot, sondern der Staat habe in Ausübung seiner Schutzpflicht für das Leben alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, die Verwirklichung der Suizidabsichten zu unterbinden. Nach dem Vorbringen des Antragsgegners zu 2. - Freistaat Bayern, vertreten durch die Landesanwaltschaft Ansbach - sei sich der Freistaat Bayern dieser Verantwortung auch in vollem Umfang bewußt und habe bereits vom Beginn der Abschiebung an lückenlose Maßnahmen zur Verhinderung eines Suizids ins Auge gefaßt und darüber hinaus angeboten, in Kooperation mit den türkischen Behörden den Beschwerdeführer zu 1. ohne Unterbrechung den ärztlichen Diensten in der Türkei zu überstellen. In der lückenlosen und intensiven Umsetzung der angekündigten Maßnahme werde der Freistaat Bayern seiner verfassungsrechtlichen Verantwortung für den Schutz des Lebens des Beschwerdeführers zu 1. für den Fall einer Suizidgefahr gerecht, so daß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zwar modal den Vollzug der Abschiebung beeinflusse, ihm aber nicht als solchem entgegenstehe.
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II. |
1. Mit ihren Verfassungsbeschwerden wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes vom 30. Januar und 9. Februar 1995. Sie rügen eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 1 Abs. l, Art. 2 Abs. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und - ohne nähere Begründung - Art. 16a Abs. 1 GG.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (Beschluß der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. April 1992, InfAuslR 1993, S. 176) sei bei der Auslegung und Anwendung des § 53 AuslG die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte stets zu beachten. Auch bei erfolglosem Asylverfahren sei es nicht ausgeschlossen, sich auf § 53 AuslG zu berufen. Der Grundsatz der Menschenwürde verbiete es deutschen Behörden, an einer menschenrechtswidrigen Behandlung eines Betroffenen durch dessen zwangsweise Überstellung in sein Heimatland mitzuwirken. Nachdem bereits im Asylfolgeantrag konkrete Abschiebungshindernisse, insbesondere die Gefahr der Folter und der unmenschlichen Behandlung dargelegt worden seien, habe das Bundesamt hierüber eine Entscheidung treffen müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen, weil - so das Verwaltungsgericht in seinem Beschluß vom 30. Januar 1995 - die Beschwerdeführer mit ihrem gesamten Vorbringen präkludiert seien. Damit werde dem Beschwerdeführer zu 1. die Möglichkeit genommen, daß über zwingende Abschiebungshindernisse noch vor seiner zwangsweisen Rückkehr in die Türkei in einem Gerichtsverfahren entschieden werde. Effektiver Rechtsschutz werde dadurch verweigert. Deshalb sei der Beschluß vom 30. Januar 1995 verfassungswidrig.
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Aufgrund der vorliegenden Suizidgefahr hätte eine einstweilige Anordnung durch das Fachgericht erlassen werden müssen. Soweit im Beschluß vom 30. Januar 1995 eine solche Gefahr als nicht glaubhaft gemacht verneint werde, übersehe die Kammer, daß in dem amtsärztlichen Attest vom 9. Januar 1995 lediglich die Reisefähigkeit und Flugtauglichkeit bescheinigt werde. Nach dem Gutachten der Organisation REFUGIO vom 2. Januar 1995 sei eine Suizidgefahr nicht ausgeschlossen; dies werde durch eine weitere ausführlichere Stellungnahme derselben Organisation vom 18. Februar 1995 bestätigt. Die drohende Selbstmordgefahr sei ein zwingendes Abschiebungshindernis. Sie bestehe auch nach einer erfolgten Abschiebung im Heimatland. Soweit im Beschluß des Fachgerichtes vom 9. Februar 1995 hierzu ausgeführt werde, der Freistaat Bayern sei sich der Verantwortung für das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit des Beschwerdeführers zu 1. bewußt, werde dieser Gefahr jedoch mit geeigneten Maßnahmen begegnen, sei darauf hinzuweisen, daß eine Suizidgefahr im Heimatland durch solche Maßnahmen nicht beseitigt werden könne. Vielmehr bestehe eine staatliche Verpflichtung, zunächst für eine angemessene Behandlung der Folterfolgen zu sorgen. Denn erst wenn der Beschwerdeführer zu 1. seine traumatischen Erfahrungen überwunden habe, könne die Suizidgefahr beseitigt werden.
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Darüber hinaus verstoße - wie bereits im fachgerichtlichen Verfahren ausgeführt - die beabsichtigte Abschiebung des Beschwerdeführers zu 1. gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 GG.
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2. Dem Freistaat Bayern wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Daß Bayerische Staatsministerium des Innern hält die Verfassungsbeschwerden für unbegründet, da die angegriffenen Entscheidungen weder einen Rechts- noch einen Verfassungsverstoß erkennen ließen.
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3. Der Beschwerdeführer zu 1. wurde am 21. März 1995 im Auftrag des Landratsamtes A. vom Staatlichen Gesundheitsamt A. amtsärztlich untersucht. Nach dem Ergebnis der Untersuchung ist der Beschwerdeführer zu 1. nicht psychisch krank, nicht behandlungsbedürftig und derzeit auch nicht suizidgefährdet. Eine suizidale Handlung als Folge einer unmittelbar bevorstehenden oder tatsächlichen Abschiebung könne aber keinesfalls ausgeschlossen werden. Es gebe keine wissenschaftliche, medizinische oder sonstige Methode, die eine Vorhersage zukünftigen menschlichen Verhaltens mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ermögliche. Ein solcher Suizid wäre auch nicht Folge einer psychischen Erkrankung, sondern könnte nur als Folge der schwierigen sozialen und politischen Umstände - vergleichbar mit einem Bilanzsuizid in auswegloser Lage angesehen werden.
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B. |
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie im wesentlichen unzulässig sind und im übrigen keine Aussicht auf Erfolg haben.
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1. Unbeschadet der Frage, ob die vor dem Verfassungsgericht erhobenen Rügen einer Verletzung der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG den an einen substantiierten Vortrag zu stellenden Anforderungen (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG) genügen, ergibt sich die Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerden insoweit im Blick auf den Grundsatz der Subsidiarität jedenfalls daraus, daß dem Beschwerdeführer zu 1. andere verfahrensrechtliche Wege offenstehen, den von ihm als möglich angesehenen Verletzungen seiner Grundrechte zu begegnen (vgl. BVerfGE 33, 247 [258]; 78, 58 [68]).
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Dem Beschwerdeführer zu 1., der nach einer gutachtlichen Äußerung des ärztlichen Dienstes der Justizvollzugsanstalt A. in der Türkei bereits früher schwer gefoltert worden ist und deshalb nach amtsärztlicher Einschätzung wegen der ihm drohenden Abschiebung unter erheblichen Angstzuständen leidet, geht es ersichtlich darum, Sicherheit vor ihm nach seiner Ansicht im Falle einer Abschiebung in die Türkei drohender Folterung und einer im Zusammenhang damit möglicherweise entstehenden Suizidgefahr zu gewinnen.
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a) Unter dem 10. März 1995 hat ein Briefwechsel zwischen dem Bundesminister des Innern und dem Innenminister der Türkei stattgefunden. Der Brief des türkischen Innenministers hat in der dem Senat vorliegenden Übersetzung den folgenden Wortlaut:
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"Sehr geehrter Herr Kollege,
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ich beehre mich, Ihnen unter Bezugnahme auf die am 10. und 11. Mai 1994 in Ankara und die am 9. und 10. Juni 1994 sowie am 16. und 17. Januar 1995 in Bonn im Geiste der traditionellen Freundschaft und Verbundenheit zwischen der Republik Türkei und der Bundesrepublik Deutschland sowie des gegenseitigen Vertrauens und der guten Zusammenarbeit geführten Gespräche über die Abschiebung von türkischen Staatsangehörigen, die sich an Straftaten im Zusammenhang mit der PKK und anderen Terrororganisationen in der Bundesrepublik Deutschland beteiligt haben, folgendes mitzuteilen:
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1. Die Regierung der Republik Türkei nimmt zur Kenntnis, daß die deutschen Behörden türkische Staatsangehörige abschieben wollen, die sich an Straftaten im Zusammenhang mit der Tätigkeit der PKK und anderen Terrororganisationen in der Bundesrepublik Deutschland beteiligt haben, und bestätigt ihre Bereitschaft, diese Personen zurückzunehmen.
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2. Die Regierung der Republik Türkei ist darüber unterrichtet, daß nach deutschem Recht für die Zulässigkeit der Abschiebung in sämtliche Staaten auch von Bedeutung ist, ob ein Ausländer im Heimatstaat menschenrechtswidrige Behandlung oder Strafverfolgung zu erwarten hat, und daß insbesondere im Fall möglicher Todesstrafe die Abschiebung unzulässig ist.
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Zum Verfahren schlage ich folgendes vor:
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a) Die deutschen Behörden werden den türkischen Behörden, soweit möglich und erforderlich, rechtzeitig vor einer Abschiebung nähere Angaben dazu übermitteln.
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b) Die türkischen Behörden teilen in diesem Fall durch Note offiziell mit, ob nach den ihnen vorliegenden Erkenntnissen der betreffenden Person in der Türkei wegen eines vor der Abschiebung begangenen Delikts eine Strafverfolgung oder Strafvollstreckung droht und ob ggf. eine Strafverfolgung wegen eines Delikts in Betracht kommt, für das nach türkischem Recht die Todesstrafe verhängt werden kann.
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Stellt sich erst nach Abschiebung heraus, daß die betreffende Person unter Buchstabe 2 h) fällt, wird sie ebenfalls entsprechend dieser Vereinbarung behandelt. Das bedeutet, daß unter den dort genannten Voraussetzungen die türkischen Behörden auch in solchen Fällen den Betroffenen, auf Anweisung der zuständigen Justizorgane, die Möglichkeit einräumen werden, jederzeit mit einem Anwalt zu sprechen, und daß auch in diesen Fällen die Möglichkeit jederzeitiger und wiederholter Beantragung einer ärztlichen Untersuchung besteht.
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c) Ist ggf. eine Strafverfolgung in der Republik Türkei zu erwarten, werden die türkischen Behörden die deutschen Behörden über nähere Einzelheiten (verfolgte Delikte, Zuständigkeit der Staatssicherheitsgerichte) informieren.
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d) Die Regierung der Republik Türkei ist bereit, auf Ersuchen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland dieser die erforderlichen Informationen über die gegen die betreffende Person eingeleiteten Maßnahmen zu erteilen.
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f) Die betreffende Person wird bei ihrer Ankunft in der Republik Türkei und bei ihrer Freilassung nach der Identitätsprüfung und Befragung durch die türkischen Grenz- und Sicherheitsbehörden jeweils durch einen Arzt untersucht, der für seinen Befund nur persönlich verantwortlich ist und dabei keinen Weisungen unterliegt.
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g) Die betreffende Person kann von ihrer Ankunft in die Republik Türkei an sowohl bei der Identitätsprüfung und Befragung durch die türkischen Grenz- und Sicherheitsbehörden bei der Wiedereinreise in die Republik Türkei als auch bei anschließenden Befragungen und Vernehmungen durch türkische Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden einen oder mehrere ggf. schon vor der Wiedereinreise beauftragte Anwälte ihrer Wahl hinzuziehen; wird die betreffende Person in Untersuchungs- oder Strafhaft genommen, kann sie dort - wie jede andere in der Türkei inhaftierte Person auch - jederzeit von einem Anwalt ihrer Wahl aufgesucht werden.
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h) Die Möglichkeit, jederzeit mit einem Anwalt zu sprechen, besteht auch im Falle der Strafverfolgung wegen eines Delikts, das in die Zuständigkeit der Staatssicherheitsgerichte fällt, vorausgesetzt, daß die zuständigen Justizorgane dies erlauben. Die diesbezügliche Entscheidung wird der deutschen Seite vor der Abschiebung mitgeteilt. Der Anwalt des Beschuldigten kann jederzeit und wiederholt bei der zuständigen Staatsanwaltschaft beantragen, daß sein Mandant von einem Arzt untersucht wird. Die diesbezügliche Anweisung der Staatsanwaltschaft wird umgehend durchgeführt. Dies ist in den türkischen Gesetzen eindeutig geregelt.
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3. Die Regierung der Republik Türkei weist darauf hin, daß allen aus der Bundesrepublik Deutschland abgeschobenen türkischen Staatsangehörigen in Übereinstimmung mit den Vorschriften der türkischen Verfassung und der von der Republik Türkei ratifizierten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten eine rechtsstaatliche Behandlung zuteil wird. Die Einhaltung dieser Rechte wird durch die türkischen Gerichte sowie ggf. durch die Europäische Kommission für Menschenrechte und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sichergestellt. Die Türkei hat sich der Rechtsprechung dieser Instanzen unterworfen, die auch auf Initiative einer Einzelperson angerufen werden können. Das gilt insbesondere auch für eine behauptete Verletzung des in Art. 3 der Konvention niedergelegten Verbots der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, das nach Art. 15 der Konvention auch im Falle eines Krieges oder eines anderen öffentlichen, das Leben der Nation bedrohenden Notstands nicht außer Kraft gesetzt werden darf. Weiterhin hat die Republik Türkei sowohl die Europäische als auch die Anti-Folterkonvention der Vereinten Nationen ratifiziert, deren Kontrollinstanzen ungehinderten Zugang in der Türkei haben.
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4. Die Regierung der Republik Türkei bekräftigt, daß nach den türkischen Gesetzen Folter und unmenschliche Behandlung strafbar sind, und daß diejenigen, die hiergegen verstoßen, zur Rechenschaft gezogen werden.
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5. Die Regierung der Republik Türkei wird wie bisher mit der Regierung der Bundesrepublik Deutschland zusammenarbeiten und rasch Informationen austauschen.
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6. Um die illegale Zuwanderung aus der Republik Türkei in die Bundesrepublik Deutschland einzudämmen, sollten beide Seiten zur wirksamen Bekämpfung des Schlepperunwesens intensiv auch durch Austausch von Personal zusammenarbeiten. Beide Seiten sollten insbesondere die erforderlichen Informationen austauschen.
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7. Die Regierung der Republik Türkei ist bereit, auf Bitten der Regierung der Bundesrepublik Deutschland Vorwürfen unzulässiger Übergriffe an den betreffenden Personen nachzugehen, sie aufzuklären und die Regierung der Bundesrepublik Deutschland über das Ergebnis zu informieren. Zu diesem Zweck wird ein gemeinsamer ständiger Ausschuß hoher Beamter vorgeschlagen, der alle Fragen im Zusammenhang mit Abschiebungen und dem Abschiebeverfahren erörtert. Die Arbeit dieses Ausschusses soll sich auch auf Anregungen, die an die Regierungen herangetragen werden, erstrecken.
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Genehmigen Sie, Herr Kollege, die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung.
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Mit freundlichen Grüßen"
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Das Antwortschreiben des Bundesinnenministers lautet:
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"Sehr geehrter Herr Kollege,
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ich beehre mich, Ihnen den Erhalt Ihres Briefes vom 10. März 1995 zum Verfahren bei der Abschiebung von türkischen Staatsangehörigen, die sich an Straftaten im Zusammenhang mit der PKK und anderen Terrororganisationen in der Bundesrepublik Deutschland beteiligt haben, zu bestätigen.
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Gleichzeitig darf ich Ihnen mein Einverständnis mit dem Inhalt des Briefes mitteilen.
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Um die illegale Zuwanderung aus der Republik Türkei in die Bundesrepublik Deutschland einzudämmen, begrüße ich Ihren Vorschlag, daß beide Seiten zur wirksamen Bekämpfung des Schlepperunwesens intensiv auch durch Austausch von Personal zusammenarbeiten und insbesondere die erforderlichen Informationen austauschen sollten.
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Des weiteren bedanke ich mich für Ihre Bereitschaft, Vorwürfen unzulässiger Übergriffe an den betreffenden Personen nachzugehen, sie aufzuklären und die Regierung der Bundesrepublik Deutschland über das Ergebnis zu informieren sowie zu diesem Zweck einen gemeinsamen Ausschuß hoher Beamter zu bilden, der alle Fragen im Zusammenhang mit Abschiebungen und dem Abschiebeverfahren erörtern soll.
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Hierzu teile ich Ihre Auffassung, daß sich die Arbeit dieses Ausschusses auch auf Anregungen, die an die Regierungen herangetragen werden, erstrecken sollte.
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Genehmigen Sie, Herr Kollege, die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung.
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Mit freundlichen Grüßen"
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Dem Beschwerdeführer zu 1., der ausreisepflichtig ist und für den Fall einer Abschiebung befürchtet, erneut gefoltert zu werden, eröffnet sich durch diesen Briefwechsel, wie immer seine Rechtsqualität zu bestimmen sein mag und ungeachtet seiner noch ausstehenden Umsetzung in nationales Recht, die Möglichkeit, im Rahmen eines weiteren Abänderungsverfahrens gemäß § 123 i.V.m. § 80 Abs. 7 VwGO (vgl. dazu den Beschluß des Verwaltungsgerichtes vom 9. Februar 1995 unter II.1. m.N.) einen Aufschub der ihm angedrohten Abschiebung zu erreichen, bis geklärt ist, daß das in dem Schreiben des türkischen Innenministers unter Nr. 2 vorgeschlagene und vom Bundesminister des Innern in seinem Antwortschreiben akzeptierte Verfahren auch in seinem Falle Anwendung finden und wie es im einzelnen ins Werk gesetzt wird, insbesondere hinsichtlich der Sicherstellung der unter Nr. 2 Buchstaben e) bis h) des Schreibens des türkischen Innenministers genannten Maßnahmen. Das Schreiben des Türkischen Botschafters an den Bayerischen Staatsminister des Innern vom 1. Februar 1995 - ein Schritt in diese Richtung - konnte diese Funktion nicht haben, weil es vor den in der türkischen Presse erschienenen Berichten über den Beschwerdeführer und auch vor dem Briefwechsel zwischen dem deutschen und dem türkischen Innenminister abgefaßt worden ist.
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b) Was die Gefahr angeht, daß der Beschwerdeführer zu 1. im Zusammenhang mit einer Abschiebung Hand an sich legen könnte, verweisen die Verfassungsbeschwerden auf eine psychologisch-ärztliche Stellungnahme des Beratungs- und Behandlungszentrums für Flüchtlinge und Folteropfer REFUGIO vom 18. Februar 1995. Sie hat dem Fachgericht bisher nicht vorgelegen. Der Beschwerdeführer zu 1. hat auch insoweit die Möglichkeit, im Abänderungsverfahren dem Verwaltungsgericht diesen Sachverhalt zu unterbreiten. Das Gericht wird dabei auch das vom Staatlichen Gesundheitsamt A. unter dem 22. März 1995 erstattete Gutachten in die Prüfung einzubeziehen haben. Dabei wird zu berücksichtigen sein, daß nach den vorliegenden ärztlichen Gutachten und der eigenen Einlassung des Beschwerdeführers zu 1. eine etwaige Suizidgefahr wesentlich auf seiner Befürchtung beruht, im Falle seiner Abschiebung in die Türkei erneut gefoltert zu werden, und deshalb bei hinreichend sicherem Ausschluß dieser Gefahr die Möglichkeit eines Suizids in anderem Licht erscheinen kann.
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2. Soweit die Verfassungsbeschwerden rügen, eine Abschiebung des Beschwerdeführers zu 1. verletze Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG, haben sie keine Aussicht auf Erfolg. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichtes kann verwiesen werden.
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