BVerfGE 96, 205 - Hochschullehrer II
1. Das Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag vom 20. August 1992 (BGBl. I Satz 1546) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
2. Zur Anwendung von Absatz 4 Nr. 1 der Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 des Einigungsvertrages bei der Kündigung eines Hochschullehrers wegen mangelnder fachlicher Eignung.
 
Urteil
des Ersten Senats vom 8. Juli 1997 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11./12. März 1997
-- 1 BvR 1621/94 --
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn Dr. P... -- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Matthias Böhm und Partner, Kurfürstenstraße 13, Berlin -- a) gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. Juni 1994 -- 16 Sa 23/94 --, b) mittelbar gegen das Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag vom 20. August 1992 (BGBl I S. 1546).
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
 
Gründe:
 
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Kündigung eines aus dem öffentlichen Dienst der Deutschen Demokratischen Republik übernommenen Hochschullehrers wegen mangelnder fachlicher Eignung.
I.
Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (EV), dem Bundestag und Bundesrat durch Gesetz vom 23. September 1990 zugestimmt haben (BGBl. II S. 885), regelt unter anderem die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Beitrittsgebiet. Nach Art. 20 Abs. 1 in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Nr. 1 EV (künftig: Abs. 4 Nr. 1 EV) ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder fachlicher Qualifikation oder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht (zu Sinn und Zweck der Regelung vgl. BVerfGE 92, 140 [142, 151 f.]). Ursprünglich war die Regelung auf einen Zeitraum von zwei Jahren nach dem Wirksamwerden des Beitritts befristet. Durch das Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag (Verlängerungsgesetz) vom 20. August 1992 (BGBl. I S. 1546; im folgenden: Verlängerungsgesetz) wurde ihre Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 1993 verlängert.
II.
1. a) Der Beschwerdeführer ist Diplom-Historiker und war an der Humboldt-Universität Berlin seit 1988 als Hochschuldozent für Allgemeine Geschichte der neuesten Zeit in der Sektion Geschichte tätig. Seine Lehrbefähigung und den Titel eines doctor scientiae erwarb er durch zwei Dissertationen (A und B), die nicht veröffentlicht sind. Sein Arbeitsverhältnis blieb nach dem Beitritt zunächst bestehen. Zuletzt arbeitete er am Institut für Geschichtswissenschaften des Fachbereichs Philosophie und Geschichtswissenschaft.
An der Hochschule war nach dem Beitritt eine Struktur- und Berufungskommission (SBK) gebildet worden, der die Evaluierung der aus der Deutschen Demokratischen Republik übernommenen Hochschullehrer oblag. Im Rahmen seiner Tätigkeit für diese Kommission erstellte Prof. S., Hochschullehrer an der Fakultät für Geschichtswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, im Jahre 1992 ein Gutachten über die fachliche Eignung des Beschwerdeführers. Er stützte sich dabei ausschließlich auf die beiden Dissertationen. Nach seinem Urteil handelt es sich bei der Dissertation A eher um eine politisch interessierte Analyse als um eine geschichtswissenschaftliche Arbeit. Die Dissertation B führe insgesamt zu keiner erheblichen Veränderung des Erkenntnisstandes über ihren Gegenstand, die Frühgeschichte der CDU und ihrer Wirtschaftskonzeptionen. Der Arbeit fehle vor allem die bei diesem Thema notwendige Auseinandersetzung mit der einschlägigen westdeutschen Literatur, die lediglich zitiert werde. Das Gutachten schließt mit der Bewertung: Angesichts der Tatsache, daß sich die Arbeiten auf einem sehr schmalen Feld der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik bewegten, die Publikationstätigkeit des Beschwerdeführers bisher äußerst gering gewesen sei und seine ungedruckten Qualifikationsarbeiten keine überzeugenden Belege für seine Fähigkeit zu historisch-kritischem Arbeiten erbrächten, sei eine dauerhafte Weiterbeschäftigung wegen mangelnder Qualifikation nicht vertretbar.
Die SBK hörte im November 1991 den Beschwerdeführer an und sprach sich daraufhin mit vier Stimmen bei zwei Enthaltungen für eine Kündigung aus. Zwei der von der Humboldt-Universität benannten Hochschullehrer fehlten sowohl bei der Anhörung als auch bei der Abstimmung. Nach erneuter schriftlicher Anhörung bekräftigte die SBK, deren Vorsitzender inzwischen Prof. S. geworden war, im Januar 1993 ihr früheres Votum. Anfang April 1993 wurde dem Beschwerdeführer wegen mangelnder fachlicher Qualifikation gekündigt.
b) Die Kündigungsschutzklage des Beschwerdeführers war in erster Instanz erfolgreich.
Das Landesarbeitsgericht änderte das Urteil und wies die Klage ab. Es verneinte einen gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers hinsichtlich der Eignungsanforderungen. Die Entscheidung der beklagten Hochschule halte der Nachprüfung aber stand. Die Hochschule habe die fachliche Eignung des Beschwerdeführers, insbesondere aufgrund des Gutachtens und einer ergänzenden Stellungnahme von Prof. S., überzeugend verneint. Vor allem der Umstand, daß der Beschwerdeführer auch bis 1994 die bemängelten Leistungen in den Dissertationen nicht durch andere überzeugende wissenschaftliche Veröffentlichungen ausgeglichen habe, trage wesentlich zur Rechtfertigung der Kündigung bei. Der Behauptung des Beschwerdeführers, er sei an einer Veröffentlichung wissenschaftlicher Abhandlungen gehindert gewesen, brauche nicht nachgegangen zu werden. Er habe keine konkreten Abhandlungen benannt oder vorgelegt, an deren Veröffentlichung er gehindert gewesen sei. Das Verfahren vor der SBK diene lediglich der verwaltungsinternen Vorbereitung eines zivilrechtlichen Vorgehens; rechtliche Außenwirkung entfalte es nicht. Verfahrensfehlern brauche deshalb nicht nachgegangen zu werden.
Die Verlängerung der Sonderkündigungstatbestände sei verfassungsgemäß. Es liege in der Kompetenz des Bundesgesetzgebers, unterschiedliche Kündigungsschutzbestimmungen für unterschiedliche Teile des Staatsgebietes zu erlassen, sofern dafür sachlich rechtfertigende Gründe bestünden. Davon sei hier auszugehen. Der Personalabbau sei vielfach nicht mit der erwarteten Zügigkeit durchgeführt worden. Alle Betroffenen hätten mit einer Anpassung des Zeitrahmens an die tatsächlichen Gegebenheiten rechnen müssen. Im übrigen sei die Kündigung auch nach § 1 Abs. 2 KSchG wirksam.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beschwerdeführers wurde zurückgewiesen.
c) Mit seiner gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts und mittelbar gegen das Verlängerungsgesetz gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 GG.
Die Verlängerung der Sonderkündigungstatbestände sei rechtsstaatswidrig. Der Einigungsvertrag lasse eine Verlängerung nicht zu. Die betroffenen Arbeitnehmer hätten auf die befristete Geltung dieser Bestimmungen vertraut. Daß der Personalabbau nicht fristgerecht durchgeführt worden sei, hätten die staatlichen Verwaltungen zu vertreten. Den Arbeitnehmern dürfe dies nicht zum Nachteil gereichen. Ein zwingender Grund für die Verlängerung sei zudem nicht gegeben. Notwendige Kündigungen hätten auch nach § 1 Abs. 2 KSchG ausgesprochen werden können.
Abs. 4 Nr. 1 EV müsse verfassungskonform dahin ausgelegt werden, daß das Dienstverhältnis eines Hochschullehrers nur bei konkreten Pflichtverletzungen beendet werden könne. Die öffentliche Gewalt bleibe an ihre Entscheidung, jemand in eine solche Position zu berufen, auch dann gebunden, wenn seine Qualifikation nachträglich anders beurteilt werde. Die wissenschaftliche Tätigkeit müsse vom Entlassungsdruck aufgrund inhaltlicher Qualifikationsbeurteilungen freigehalten werden. Jedenfalls hätte abgewartet werden müssen, ob er nach Begründung eines neuen Forschungsschwerpunktes seinen ihm obliegenden arbeitsvertraglichen Leistungsverpflichtungen nachkomme.
Das Landesarbeitsgericht hätte sich nicht auf eine Plausibilitätskontrolle der Bewertung seiner Leistungen beschränken dürfen. Im Westen entwickelte Maßstäbe seien auf wissenschaftliche Leistungen in einem ideologisch sensiblen Wissenschaftsbereich der früheren Deutschen Demokratischen Republik nicht ohne weiteres anwendbar. Vor dem von Prof. S. zugrunde gelegten Maßstab hätte kein DDR-Historiker, der auf dem Gebiet der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland tätig gewesen sei, bestehen können. Die tatsächlichen Arbeitsbedingungen, unter denen er seine wissenschaftlichen Leistungen erbracht habe, hätten berücksichtigt werden müssen. Allein auf der Grundlage eines gegnerischen Parteigutachtens hätte das Gericht, das selbst über entsprechenden Sachverstand nicht verfüge, nicht entscheiden dürfen. Auf diese Weise sei dem Beschwerdeführer jede effektive Verteidigungsmöglichkeit genommen worden. Gleiches gelte für das Verfahren vor der SBK.
Indem das Landesarbeitsgericht maßgeblich auf den Umstand abstelle, daß er keine Veröffentlichungen vorweisen könne, erlege es ihm den Nachweis für seine fachliche Qualifikation auf. Diese Umkehr der Beweislast verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 GG. Außerdem werde die Argumentation des Landesarbeitsgerichts den realen Gegebenheiten nicht gerecht. Von einem Wissenschaftler, dem - wie ihm - gegenwärtig keine Veröffentlichungen möglich seien, könne nicht verlangt werden, daß er kurzfristig für den Papierkorb arbeite. Das Landesarbeitsgericht setze sich auch nicht damit auseinander, welche Auswirkungen sich unter besonderer Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 3 GG aus den Verfahrensfehlern der SBK ergäben.
Dadurch, daß das Landesarbeitsgericht seinen im einzelnen begründeten Vortrag zur Bewertung seiner fachlichen Qualifikation übergangen habe, habe es ihn außerdem in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
2. Das Bundesministerium des Innern, das sich namens der Bundesregierung geäußert hat, hält das Verlängerungsgesetz für verfassungsgemäß. Die Verlängerung sei geboten gewesen, weil der notwendige Personalabbau sich aus unvorhersehbaren Gründen verzögert habe. Die Verzögerung sei zum Teil darauf zurückzuführen, daß die Verwaltung selbst im Aufbau gewesen sei. Außerdem hätten die zum Personalabbau erforderlichen Strukturen nicht rechtzeitig geschaffen werden können.
Das Landesarbeitsgericht habe bei Auslegung und Anwendung des Abs. 4 Nr. 1 EV die Grundrechte des Beschwerdeführers ausreichend berücksichtigt. Die Hochschule habe die mangelnde fachliche Qualifikation anhand der vom Beschwerdeführer vorgelegten Dissertationen plausibel dargelegt. Der ihm im Rahmen des Zumutbaren obliegenden Pflicht, die behauptete fachliche Qualifikation substantiiert vorzutragen, sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Allein der Hinweis, ihm seien entsprechende Veröffentlichungen nicht möglich gewesen, sei ungeeignet, Anhaltspunkte für das Vorliegen einer fachlichen Qualifikation zu liefern.
 
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil verletzt den Beschwerdeführer weder in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) noch in seiner Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG). Es ist ebenso wie die ihm zugrundeliegende Kündigungsnorm allein an Art. 12 Abs. 1 GG als dem sachnäheren Grundrecht zu messen. Die Regelung erfaßt alle Arbeitsverhältnisse der aus dem öffentlichen Dienst der Deutschen Demokratischen Republik in den der Bundesrepublik Deutschland übernommenen Arbeitnehmer. Berührt sie, wie hier, gleichzeitig die Wissenschaftsfreiheit eines Betroffenen, ist dieses Grundrecht neben der Berufsfreiheit bei der Anwendung der Vorschrift durch die Gerichte zu beachten (vgl. BVerfGE 85, 360 [382]).
I.
Art. 12 Abs. 1 GG ist - auch in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 GG - nicht verletzt.
1. Das Grundrecht der Berufsfreiheit schützt unter anderem die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Diese umfaßt neben der Entscheidung für eine konkrete Beschäftigung auch den Willen des Einzelnen, den Arbeitsplatz beizubehalten. Das Grundrecht entfaltet seinen Schutz gegen alle staatlichen Maßnahmen, die diese Wahlfreiheit beschränken (vgl. dazu im einzelnen BVerfGE 84, 133 [146]; 92, 140 [150]).
Soweit es um Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst geht, trifft Art. 33 Abs. 2 GG eine ergänzende Regelung. Er knüpft die Einstellung von Bewerbern um ein öffentliches Amt an besondere Anforderungen (Eignung, Befähigung und fachliche Leistung) und verlangt deren gleichmäßige Handhabung. Geeignet im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG ist nur, wer dem angestrebten Amt in fachlicher sowie in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist (vgl. BVerfGE 92, 140 [151, 155]).
Die angegriffene Entscheidung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bestätigt, greift in das Recht des Beschwerdeführers auf freie Wahl des Arbeitsplatzes ein.
2. Der Eingriff ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
a) Er hat eine ausreichende gesetzliche Grundlage.
aa) Die Arbeitsplatzwahl kann ebenso wie die anderen Gewährleistungen des Art. 12 Abs. 1 GG durch Gesetz beschränkt werden. Die Anforderungen hierfür sind höher als bei Regelungen der Berufsausübung. Gerechtfertigt ist eine Einschränkung jedenfalls dann, wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls sie erfordern (vgl. BVerfGE 92, 140 [151 f.]) und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet worden ist. Zu den Gemeinwohlgründen gehören insbesondere die Belange, denen Art. 33 Abs. 2 GG mit den Anforderungen an den Zugang zum öffentlichen Dienst Rechnung trägt. Diese gelten auch dann, wenn - wie hier - auf der Grundlage des Einigungsvertrages die Prüfung der Zugangsvoraussetzungen im Rahmen der Entscheidung über die Aufrechterhaltung eines Arbeitsverhältnisses nachgeholt wird.
Der in Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Nr. 1 des Einigungsvertrages (künftig: Abs. 4 Nr. 1 EV) enthaltene Sonderkündigungstatbestand genügt diesen Anforderungen (vgl. BVerfGE 92, 140 [151 f.]).
bb) Dasselbe gilt für das hier einschlägige Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag vom 20. August 1992 (BGBl. I S. 1546; im folgenden: Verlängerungsgesetz), durch das die Geltung des Abs. 4 Nr. 1 EV bis zum 31. Dezember 1993 erstreckt wird. Es dient demselben Ziel wie die Vorschrift, deren Geltungsdauer es verlängert (vgl. BVerfGE 92, 140 [150 ff.]).
Der Einigungsvertrag schließt eine Verlängerung der dort vorgesehenen Frist nicht aus. Die bei seinem Abschluß von den vertragschließenden Parteien gehegte Erwartung, daß Kündigungen nach Abs. 4 Nr. 1 EV innerhalb von zwei Jahren ausgesprochen werden könnten, hat sich nicht bestätigt. Die Schwierigkeiten waren größer als erwartet. Der Bundesminister des Innern hat in einleuchtender Weise dargelegt, daß zunächst die Verwaltung selbst aufgebaut und sodann die Strukturen geschaffen werden mußten, die für die Bewältigung der weitreichenden Aufgaben im Personalsektor benötigt wurden. Damit war zu befürchten, daß nach dem Auslaufen des Abs. 4 Nr. 1 EV noch zahlreiche Mitarbeiter im öffentlichen Dienst beschäftigt worden wären, die nach dem Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG für ihre Funktion nicht geeignet waren. Es ist legitim, daß der Gesetzgeber dies nicht hinnehmen wollte.
Das Verlängerungsgesetz trifft die Beschäftigten auch nicht in unverhältnismäßiger Weise. Ihr Vertrauen in die ursprüngliche Befristung wiegt weniger schwer als das öffentliche Interesse an der Erreichung des Gesetzeszwecks. Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel konnte nur durch eine Verlängerung der Frist erreicht werden, weil die allgemeinen Kündigungsschutzvorschriften den öffentlichen Arbeitgebern weniger weitreichende Befugnisse einräumen. Ein milderes Mittel ist nicht erkennbar. Eine kürzere Fristverlängerung hätte für die ausstehenden Prüfungen nicht ausgereicht. Andererseits war die Ausdehnung der Frist bis Ende 1993 auch nicht so lang, daß sie den Betroffenen nicht mehr zumutbar gewesen wäre. Diese können nach Lage der Dinge nur in Ausnahmefällen schutzwürdige Dispositionen im Vertrauen auf den Wegfall des Abs. 4 Nr. 1 EV getroffen haben. Gegebenenfalls ist darauf bei der Ausübung des Kündigungsrechts Rücksicht zu nehmen.
b) Auch die Auslegung und Anwendung der verlängerten Sonderkündigungsbestimmung durch das Landesarbeitsgericht verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten.
aa) Bei der Auslegung und Anwendung grundrechtsbeschränkender Gesetze haben die Gerichte allerdings der wertsetzenden Bedeutung des eingeschränkten Grundrechts Rechnung zu tragen. Geht es um die Auslegung und Anwendung von arbeitsrechtlichen Kündigungsvorschriften im öffentlichen Dienst, so müssen sie den Schutz beachten, den Art. 12 Abs. 1 GG insofern gewährt. Steht zugleich die Eignung für den öffentlichen Dienst in Rede, tritt Art. 33 Abs. 2 GG ergänzend hinzu. Da der Beschwerdeführer mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes auch in seinen Möglichkeiten zu einer Betätigung in Forschung und Lehre beeinträchtigt wird, mußte das Landesarbeitsgericht auch die Wissenschaftsfreiheit berücksichtigen (vgl. BVerfGE 85, 360 [382]).
Diese Rechte sind verletzt, wenn ihre Bedeutung und Tragweite bei der Auslegung und Anwendung der arbeitsrechtlichen Vorschriften grundsätzlich verkannt wird. Dagegen ist es nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts zu kontrollieren, wie die Gerichte den Schutz im einzelnen auf der Grundlage des einfachen Rechts gewähren und ob ihre Auslegung den bestmöglichen Schutz sichert (vgl. BVerfGE 92, 140 [152 f.]).
Im Lichte der genannten Verfassungsnormen darf bei der Auslegung der Sonderkündigungstatbestände des Einigungsvertrages die erkennbare Absicht des Gesetzgebers nicht außer acht gelassen werden, die Mitarbeiter nicht abgewickelter Einrichtungen des öffentlichen Dienstes der Deutschen Demokratischen Republik weitgehend in den öffentlichen Dienst der Bundesrepublik Deutschland einzugliedern und deshalb ihre Arbeitsverhältnisse aufrechtzuerhalten, soweit nicht die Sonderkündigungstatbestände des Einigungsvertrages greifen.
bb) Es ist weder mit Art. 12 Abs. 1 GG noch mit Art. 5 Abs. 3 GG unvereinbar, daß das Landesarbeitsgericht Abs. 4 Nr. 1 EV im Falle des Beschwerdeführers überhaupt für anwendbar hält. Sinn und Zweck der Regelung treffen auf Hochschullehrer ebenso zu wie auf andere Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes. Die nach Art. 33 Abs. 2 GG zu stellenden Anforderungen gelten uneingeschränkt auch für sie. Es gibt auch keinen Grund für die Annahme, daß eine Überprüfung der persönlichen und fachlichen Eignung, der sich alle aus dem öffentlichen Dienst der Deutschen Demokratischen Republik übernommenen Mitarbeiter zu unterziehen hatten, bei Hochschullehrern generell unterbleiben müßte.
Die ihnen gewährleistete Wissenschaftsfreiheit verbietet die Anwendung des Abs. 4 Nr. 1 EV auf sie nicht. Ihre fachliche Qualifikation ist einer Überprüfung nicht von vornherein entzogen, wenn der Schutz des Gemeinschaftsgutes, dem Abs. 4 Nr. 1 EV dient, eine solche Überprüfung rechtfertigt. Das ist hier der Fall. Die Gewährleistung eines Hochschulwesens, das seinen Aufgaben gerecht wird, ist von hoher Bedeutung und trägt zudem auch der durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährleisteten Freiheit von Forschung und Lehre Rechnung. Dieses Ziel kann im Hinblick auf die aus der Deutschen Demokratischen Republik übernommenen Hochschullehrer nicht anders als durch eine Überprüfung ihrer fachlichen Eignung erreicht werden; denn die Rahmenbedingungen, unter denen sie zuvor gearbeitet haben, unterscheiden sich so grundlegend von denen der Bundesrepublik Deutschland, daß ihre in der Deutschen Demokratischen Republik erworbenen Qualifikationen allein nicht hinreichend aussagekräftig sind. Die Regelung trifft sie auch unter dem Blickwinkel des Art. 5 Abs. 3 GG nicht unverhältnismäßig, solange die Art der Überprüfung wissenschaftlichen Standards genügt. Zu dieser sagt die nicht speziell für Wissenschaftler getroffene Regelung nichts, sondern überläßt sie der Anwendung durch die zuständigen Stellen. Diese haben die Möglichkeit, den besonderen Erfordernissen des Wissenschaftsbetriebes Rechnung zu tragen.
cc) Das Landesarbeitsgericht hat Bedeutung und Tragweite sowohl der Berufsfreiheit als auch der Wissenschaftsfreiheit bei seinen Überlegungen zu den fachlichen Eignungsmerkmalen eines Hochschullehrers hinreichend beachtet.
Dem gebotenen Grundrechtsschutz hat es zunächst insofern Rechnung getragen, als es der Hochschule hinsichtlich des Anforderungsprofils keinen eigenen Beurteilungsspielraum eingeräumt, sondern die Anforderungen insoweit aus dem Gesetz selbst abgeleitet hat. Daß es sich dabei "vorsichtig" am Berliner Hochschulrecht orientiert, ist sachgerecht und methodisch begründet.
Nichts anderes gilt für das Ergebnis dieser Auslegung des Abs. 4 Nr. 1 EV. Die Auffassung, daß einem Hochschullehrer nach dieser Vorschrift ordentlich gekündigt werden kann, wenn seine bisherigen Leistungen eine besondere Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit nicht erkennen lassen, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie belastet den Beschwerdeführer nicht übermäßig. An seinen bisherigen wissenschaftlichen Leistungen gemessen zu werden, ist für einen Hochschullehrer sachgerecht. Daß ein negatives Ergebnis dieser Beurteilung zur Feststellung mangelnder fachlicher Eignung führt und eine Kündigung rechtfertigt, überschreitet ebenfalls nicht die Grenzen, die die Grundrechte der von Abs. 4 Nr. 1 EV Betroffenen einer Auslegung dieser Vorschrift stecken. Die fachliche Eignung kann in jedem Fall nur an den Anforderungen der jeweils wahrzunehmenden Aufgaben gemessen werden. Daß ein Hochschullehrer fachlich ungeeignet ist, dem eine besondere Befähigung zur wissenschaftlichen Arbeit fehlt, kann nicht zweifelhaft sein.
Schließlich hat das Landesarbeitsgericht auch bei seinen Feststellungen zur wissenschaftlichen Befähigung des Beschwerdeführers Bedeutung und Tragweite der hier einschlägigen Grundrechte nicht verkannt. Weder das Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes noch die Wissenschaftsfreiheit stehen einer Verwertung der sachverständigen Begutachtung durch den Historiker Prof. S. und seiner ergänzenden Stellungnahme sowie des Vortrages der beklagten Hochschule entgegen. Ob das Gericht diese Erkenntnisquellen zutreffend und vollständig gewürdigt hat und ob sie für eine hinreichend fundierte Entscheidung ausreichten, kann im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht überprüft werden.
Die vom Beschwerdeführer gegen das Evaluierungsverfahren erhobenen Einwände können seiner Verfassungsbeschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Das Landesarbeitsgericht hat diesem Verfahren keine rechtliche Bedeutung beigemessen und seine Ergebnisse auch nicht als gegeben hingenommen, sondern sich auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. S. und der Stellungnahme der Hochschule eigenständig über die fachliche Eignung des Beschwerdeführers vergewissert. Von diesem Standpunkt aus konnte es etwaige Verfahrensverstöße bei der Evaluierung außer acht lassen. Sie haben jedenfalls auf das Ergebnis der gerichtlichen Entscheidung keinen Einfluß gehabt.
Schließlich liegt auch keine Grundrechtsverletzung darin, daß das Landesarbeitsgericht seine Beurteilung wesentlich auf den Umstand stützt, daß außer den Dissertationen A und B keine weiteren wissenschaftlichen Veröffentlichungen des Beschwerdeführers vorlägen, die die Unzulänglichkeit seiner Dissertationen hätten ausgleichen können, und in diesem Zusammenhang der Behauptung des Beschwerdeführers nicht weiter nachgegangen ist, in der Deutschen Demokratischen Republik sei er an solchen Veröffentlichungen gehindert gewesen. Der Grundsatz, daß die wissenschaftliche Qualifikation des Beschwerdeführers nur anhand seiner akademischen Schriften festgestellt werden kann, ist einleuchtend. Im übrigen ist nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht dem Beschwerdeführer angelastet hat, er habe auch den Zeitraum von der Wende bis zur mündlichen Verhandlung im Jahre 1994 nicht genutzt, um seine fachliche Eignung für den Beruf des Hochschullehrers durch Veröffentlichungen zu belegen.
II.
Der Beschwerdeführer wird auch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) durch die angegriffene Entscheidung nicht verletzt.
Dieser Anspruch verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 11, 218 [220]; 72, 119 [121]; stRspr). Hingegen gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (vgl. BVerfGE 21, 191 [194]; 70, 288 [294]; stRspr).
Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Das Bundesverfassungsgericht kann nur dann feststellen, daß ein Gericht seine Pflicht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, verletzt hat, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl. BVerfGE 22, 267 [274]; stRspr).
Solche Umstände liegen hier nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit der fachlichen Qualifikation des Beschwerdeführers befaßt und dazu unter Darlegung der Entscheidungsgrundlagen Feststellungen getroffen. Daß es sich in diesem Zusammenhang in den Entscheidungsgründen nicht mit einzelnen Einwänden des Beschwerdeführers auseinandersetzt, läßt noch nicht darauf schließen, daß es sie bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt hat. Im übrigen läßt der Beschwerdevortrag nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, auf welche konkreten Aspekte seines Vorbringens das Gericht nicht eingegangen sein soll. Die Verfassungsbeschwerde enthält dazu nur einen pauschalen Hinweis auf "vorstehende Darlegungen", gibt aber nicht an, welche Einwände im einzelnen unberücksichtigt geblieben sein sollen.
Seidl, Grimm, Kühling, Seibert, Jaeger, Haas, Hömig, Steiner