BVerfGE 162, 378 - Impfnachweis (Masern)
Impfnachweis (Masern)
1. Das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) ist Freiheitsrecht im Verhältnis zum Staat, der in das Erziehungsrecht der Eltern nicht ohne rechtfertigenden Grund eingreifen darf. In der Beziehung zum Kind bildet aber das Kindeswohl die maßgebliche Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung.
2. Die Entscheidung über die Vornahme von Impfungen bei entwicklungsbedingt noch nicht selbst entscheidungsfähigen Kindern ist ein wesentliches Element der elterlichen Gesundheitssorge und fällt in den Schutzbereich von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Bei der Ausübung der am Kindeswohl zu orientierenden Gesundheitssorge für ihr Kind sind die Eltern jedoch weniger frei, sich gegen Standards medizinischer Vernünftigkeit zu wenden, als sie es kraft ihres Selbstbestimmungsrechts über ihre eigene körperliche Integrität wären.
3. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG wird nicht vom Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst.
 
Beschluss
des Ersten Senats vom 21. Juli 2022
– 1 BvR 469, 470, 471 und 472/20 –
in den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden I. 1. der Frau (...), 2. des Herrn (...), 3. der Minderjährigen (...), vertreten durch die Eltern (...), – Bevollmächtigte: 1. (...), 2. (...) – gegen § 20 Absatz 8 Satz 1 bis 3 in Verbindung mit Absatz 9 Satz 1 und 6 und Absatz 12 Satz 1 und 3 sowie in Verbindung mit Absatz 13 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes in der Fassung des Gesetzes für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) vom 10. Februar 2020 (Bundesgesetzblatt I Seite 148) – 1 BvR 469/20–,II. 1. der Frau (...), 2. des Herrn (...), 3. des Minderjährigen (...), vertreten durch die Eltern (...), – Bevollmächtigte: 1. (...), 2. (...) – gegen § 20 Absatz 8 Satz 1 bis 3 in Verbindung mit Absatz 9 Satz 1 und 6 und Absatz 12 Satz 1 und 3 sowie in Verbindung mit Absatz 13 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes in der Fassung des Gesetzes für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) vom 10. Februar 2020 (Bundesgesetzblatt I Seite 148) – 1 BvR 470/20–,III. 1. der Frau (...), 2. des Herrn (...), 3. der Minderjährigen (...), vertreten durch die Eltern (...), – Bevollmächtigte: : 1. (...), 2. (...) – gegen § 20 Absatz 8 Satz 1 bis 3 in Verbindung mit Absatz 9 Satz 1 und 6 und Absatz 12 Satz 1 und 3 sowie in Verbindung mit Absatz 13 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes in der Fassung des Gesetzes für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) vom 10. Februar 2020 (Bundesgesetzblatt I Seite 148) – 1 BvR 471/20–, IV. 1. der Frau (...), 2. des Herrn (...), 3. des Minderjährigen (...), vertreten durch die Eltern (...), – Bevollmächtigte: : 1. (...), 2. (...) – gegen § 20 Absatz 8 Satz 1 bis 3 in Verbindung mit Absatz 9 Satz 1 und 6 und Absatz 12 Satz 1 und 3 sowie in Verbindung mit Absatz 13 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes in der Fassung des Gesetzes für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) vom 10. Februar 2020 (Bundesgesetzblatt I Seite 148) – 1 BvR 472/20 –.
 
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerden werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der durch das Gesetz für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention vom 10. Februar 2020 (Bundesgesetzblatt I Seite 148) eingefügte § 20 Absatz 8 Satz 3 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen in Übereinstimmung mit den Gründen dieser Entscheidung (C II 4 a) verfassungskonform auszulegen ist.
 
Gründe:
 
A.
Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen Bestimmungen, die durch das am 1. März 2020 in Kraft getretene Gesetz für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) vom 10. Februar 2020 (BGBl I S. 148) in das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) eingefügt wurden. Die von sämtlichen Beschwerdeführenden angegriffenen Regelungen des Infektionsschutzgesetzes verlangen in § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 IfSG für bestimmte Personen den Aufweis eines ausreichenden Impfschutzes oder einer Immunität gegen Masern sowie in § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 IfSG bei Betreuung in Kindertageseinrichtungen oder der Kindertagespflege einen im Gesetz konkretisierten Nachweis über die Impfung oder die Masernimmunität. Auf Anforderung ist der Nachweis gemäß § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG dem Gesundheitsamt vorzulegen, das bei ausbleibender Vorlage das Betreten bestimmter Gemeinschaftseinrichtungen untersagen kann. Für die noch minderjährigen Beschwerdeführenden erlegt § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG ihren sorgeberechtigten Eltern, den übrigen Beschwerdeführenden, auf, die Nachweis- und Vorlagepflicht aus § 20 Abs. 9 Satz 1 und Abs. 12 Satz 1 IfSG zu erfüllen.
Die minderjährigen Beschwerdeführenden sehen sich dadurch in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, die übrigen Beschwerdeführenden in ihrem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt. Ferner wird eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG gerügt.
I.
Die Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes in der ursprünglich angegriffenen Fassung des Art. 1 des Gesetzes für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) vom 10. Februar 2020 (BGBl I S. 148) lauten wie folgt:
II.
1. Seit Beginn des Jahres 2001 bestimmt § 34 Abs. 10 IfSG, dass in bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen betreute Personen oder deren Sorgeberechtigte über die Bedeutung eines vollständigen, altersgemäßen, den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut (Ständige Impfkommission – STIKO) entsprechenden, ausreichenden Impfschutzes und über die Prävention übertragbarer Krankheiten aufgeklärt werden sollen. Seit Juli 2015 müssen die Sorgeberechtigten bei der Erstaufnahme in eine Kindertageseinrichtung nach § 34 Abs. 10a IfSG einen schriftlichen Nachweis darüber erbringen, dass zeitnah vor der Aufnahme eine ärztliche Beratung in Bezug auf einen nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission ausreichenden Impfschutz des Kindes erfolgt ist. Wird dieser Nachweis nicht erbracht, kann das Gesundheitsamt die Sorgeberechtigten zu einer Beratung laden. Der Verstoß gegen die Pflicht, einen Nachweis einer Impfberatung zu erbringen, ist nach § 73 Abs. 1a Nr. 17a IfSG bußgeldbewehrt.
Daneben gilt § 20 Abs. 6 und 7 IfSG, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist. In einem solchen Fall kann durch Rechtsverordnung angeordnet werden, dass bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen teilzunehmen haben. Hiervon wurde bislang kein Gebrauch gemacht. Auch die nach § 28 Abs. 1 IfSG möglichen Schutzmaßnahmen, die im Zuge der COVID-19-Pandemie weiter konkretisiert wurden, gelangen erst zur Anwendung, wenn "Kranke [...] festgestellt" wurden. In diesem Fall können Gemeinschaftseinrichtungen geschlossen oder Personen verpflichtet werden, bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind. Speziell für den Fall, dass eine Person in einer Gemeinschaftseinrichtung an Masern erkrankt, dessen verdächtig oder ansteckungsverdächtig ist, bestimmt § 28 Abs. 2 IfSG, dass Personen, die weder einen Impfschutz noch eine Immunität gegen Masern nachweisen können, der Zutritt in die Gemeinschaftseinrichtung untersagt werden kann, bis eine Weiterverbreitung der Krankheit in der Gemeinschaftseinrichtung nicht mehr zu befürchten ist.
2. a) Diesen Maßnahmenkatalog hat der Gesetzgeber mittlerweile um das Erfordernis eines Auf- und Nachweises der Impfung gegen Masern ergänzt. Dazu erstellte das Bundesministerium für Gesundheit im Frühjahr 2019 einen Referentenentwurf eines Masernschutzgesetzes mit einer Vorfassung des hier unter anderem angegriffenen § 20 Abs. 8 Satz 1 bis 3, Abs. 9 Satz 1 und 6 IfSG. 29 Verbände unterschiedlicher Fachrichtungen nahmen die Gelegenheit zur Stellungnahme wahr.
b) Die Bundesregierung beschloss am 17. Juli 2019 den Entwurf des Masernschutzgesetzes und legte ihn dem Bundesrat vor (BTDrucks 19/13452). Dieser begrüßte, dass die Bundesregierung mit dem Gesetzentwurf einen besseren individuellen Schutz vor Maserninfektionen – insbesondere von vulnerablen Personengruppen in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen – umzusetzen beabsichtige. Im Detail forderte er allerdings Änderungen (vgl. BRDrucks 358/19), denen die Bundesregierung in einer Gegenäußerung teilweise zustimmte; im Übrigen versprach die Bundesregierung eine Prüfung der Vorschläge (vgl. BTDrucks 19/13826).
Der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestags führte am 23. Oktober 2019 eine öffentliche Anhörung durch (Wortprotokoll der 68. Sitzung des Ausschusses für Gesundheit, Protokoll-Nr. 19/68) und empfahl die Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung (BTDrucks 19/15164, S. 7). Die mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Vorschriften waren unter anderem insoweit betroffen, als empfohlen wurde, den Personenkreis des § 20 Abs. 8 IfSG auf Personen zu begrenzen, die nach dem 31. Dezember 1970 geboren sind, und eine Definition für einen ausreichenden Impfschutz in § 20 Abs. 8 Satz 2 IfSG aufzunehmen. Der Deutsche Bundestag stimmte am 14. November 2019 auf der Grundlage der Beschlussempfehlungen des genannten Ausschusses für das Gesetz. Am 10. Februar 2020 wurde es im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl I S. 148), am 1. März 2020 trat es in Kraft.
3. Dieses Gesetz gibt in § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 IfSG vor, dass Personen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung im Sinne von § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG betreut werden, einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder eine Immunität gegen Masern aufweisen müssen. Nach § 20 Abs. 8 Satz 2 IfSG besteht ein ausreichender Impfschutz, wenn ab der Vollendung des ersten Lebensjahres mindestens eine Schutzimpfung und ab der Vollendung des zweiten Lebensjahres mindestens zwei Schutzimpfungen gegen Masern durchgeführt wurden. Die Pflicht, einen Impfschutz gegen Masern aufzuweisen, gilt nach § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG auch, wenn ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, die auch Impfstoffkomponenten gegen andere Krankheiten enthalten. Für Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können, gilt Satz 1 nicht (§ 20 Abs. 8 Satz 4 IfSG).
Kinder, die in Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden sollen, müssen der Leitung der Einrichtung nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG vor Beginn ihrer Betreuung einen Nachweis darüber vorlegen, dass ein ausreichender Impfschutz oder eine Immunität gegen Masern besteht oder sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können. Wird dieser Nachweis nicht erbracht, hat die Leitung unverzüglich das Gesundheitsamt zu benachrichtigen. Wird für Kinder ab der Vollendung des ersten Lebensjahres kein solcher Nachweis vorgelegt, dürfen sie nach § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG nicht in Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden. In Abweichung hiervon darf allerdings ein Kind, das einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt, in Schulen betreut werden (§ 20 Abs. 9 Satz 9 IfSG). Die Gesundheitsämter können von Personen, die einen ausreichenden Impfschutz oder eine Immunität gegen Masern aufweisen müssen, einen Nachweis anfordern (§ 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 IfSG). Ein Verstoß gegen diese Nachweispflicht ist gemäß § 73 Abs. 1a Nr. 7d IfSG bußgeldbewehrt. Das Gesundheitsamt kann außerdem gegenüber denjenigen, die trotz Aufforderung keinen Nachweis vorlegen, Betretungsverbote erteilen, soweit sie nicht der Schulpflicht unterliegen (§ 20 Abs. 12 Satz 3 IfSG in der Fassung des Masernschutzgesetzes vom 10. Februar 2020 [BGBl I S. 148] bzw. § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG i.d.F. des Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie vom 10. Dezember 2021 [BGBl I S. 5162]). Nach § 20 Abs. 13 IfSG haben bei Minderjährigen deren Sorgeberechtigte für die Einhaltung der Verpflichtungen zu sorgen.
§ 20 Abs. 10 Satz 1 IfSG in der Fassung des Masernschutzgesetzes vom 10. Februar 2020 (BGBl I S. 148) sah für bereits in einer Einrichtung betreute Kinder eine Übergangsregelung vor, nach der sie den Nachweis bis zum Ablauf des 31. Juli 2021 vorlegen mussten. Durch das Gesetz zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen vom 29. März 2021 (BGBl I S. 370) wurde die Übergangsfrist zunächst bis zum Ablauf des 31. Dezember 2021 und durch das Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie vom 10. Dezember 2021 (BGBl I S. 5162) nunmehr bis 31. Juli 2022 verlängert, um – so die Begründung des Gesetzentwurfs – den Umständen der COVID-19-Pandemie Rechnung zu tragen (BTDrucks 20/188, S. 36).
§ 20 Abs. 14 IfSG nennt das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit unter Angabe von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, welches durch § 20 Abs. 6 bis 12 IfSG eingeschränkt werde.
III.
1. Das Masernvirus ist seit langem bekannt. Seit den 1960er Jahren gibt es einen Impfstoff. Die Folgen einer Masernerkrankung und die Wirksamkeit einer Impfung, die Impfreaktionen und Impfkomplikationen sind wissenschaftlich gut erforscht.
Der Gesetzgeber hat ferner mit der Aufgabenzuweisung an das Robert Koch-Institut (RKI) nach § 4 Abs. 1 IfSG im Grundsatz institutionell dafür Sorge getragen, dass die zur Beurteilung von Maßnahmen der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten benötigten Informationen erhoben und evaluiert werden. Zu den Aufgaben des Robert Koch-Instituts gehört es, die Erkenntnisse zu solchen Krankheiten durch Auswertung und Veröffentlichung der Daten zum Infektionsgeschehen in Deutschland und durch die Auswertung verfügbarer Studien aus aller Welt fortlaufend zu aktualisieren und für die Bundesregierung und die Öffentlichkeit aufzubereiten (vgl. BVerfGE 159, 223 [301 f. Rn. 178] – Bundesnotbremse I und BVerfGE 161, 299 [354 f. Rn. 138] – Impfnachweis COVID-19). Das Robert Koch-Institut gibt zudem regelmäßig Epidemiologische Bulletins und Ratgeber heraus, worin für Fachkreise Informationen zu wichtigen Infektionskrankheiten wie den Masern aktuell und konzentriert dargestellt werden. Die Beiträge werden in Zusammenarbeit mit den Nationalen Referenzzentren, Konsiliarlaboren sowie weiteren Expertinnen und Experten erarbeitet.
Masern sind nach als gesichert geltenden Erkenntnissen eine der ansteckendsten Infektionskrankheiten beim Menschen. Die Basisreproduktionszahl R0, die angibt, wie viele weitere Personen eine erkrankte Person in einer gänzlich ungeschützten Bevölkerung anstecken würde, liegt für Masern bei etwa 12 bis 18, eine Person mit Masern steckt also durchschnittlich bis zu 18 weitere Personen an. Damit liegt die Basisreproduktionszahl deutlich oberhalb anderer Infektionskrankheiten. Für die (inzwischen wohl nicht mehr vorkommende) Wildvirusvariante von SARS-CoV-2 wurde zuletzt von einer Basisreproduktionszahl zwischen 2,8 und 3,8 ausgegangen. Masern werden durch das Einatmen infektiöser Tröpfchen, die beim Sprechen, Husten oder Niesen entstehen, oder über Tröpfchenkerne in der Luft sowie durch Kontakt mit infektiösen Sekreten aus Nase oder Rachen übertragen. Da sich infektiöse Tröpfchen längere Zeit in der Luft befinden können, kann eine Übertragung von Masernviren auch ohne direkten Kontakt mit einer infektiösen Person stattfinden. Die Übertragungsfähigkeit des Virus ist sehr hoch; der Kontagiositätsindex liegt bei den Masern über 0,95. Der Manifestationsindex, der die Wahrscheinlichkeit angibt, mit der eine mit einem Erreger infizierte Person manifest, also erkennbar erkrankt, liegt bei fast 100%. Folglich erkranken nahezu alle nicht-immunen Menschen, wenn sie mit dem Virus in Kontakt kommen. Die höchste Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken, besteht bereits in der Vorphase, in der nur einer Krankheit vorausgehende, meist nicht charakteristische Symptome auftreten, wie Fieber, Schnupfen, Bindehautentzündung sowie der gleichzeitigen Entzündung der Schleimhäute in der Luftröhre und der Lunge. Der für Masern charakteristische Ausschlag (Exanthem) der Haut entsteht am zweiten bis vierten Tag danach. Nach überwundener Erkrankung hinterlässt die Infektion in der Regel eine lebenslange Immunität. Masern bewirken für zwölf Monate oder länger eine Einschränkung der Funktion des Immunsystems, die für andere Infektionskrankheiten anfällig macht (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 44/1999, S. 325 ff.; 2/2020, S. 5; Epidemiologisches Bulletin 10/2020, S. 3; RKI-Ratgeber Masern, Stand: 23. Juli 2021).
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization – WHO) starben im Jahr 2018 weltweit über 140.000 Menschen an Masern. In den 1950er und 1960er Jahren vor Einführung der Impfung kamen in der Bundesrepublik Deutschland jedes Jahr zwischen 50 und 470 Menschen durch Masern zu Tode. Aktuell liegt die Sterblichkeitsrate bei Masern in Ländern mit einem hohen Durchschnittseinkommen zwischen 0,01 und 0,1% der Erkrankten. Masern können, insbesondere bei Kindern unter fünf Jahren und seltener bei Erwachsenen, zu schweren Komplikationen führen. Zu den häufigen Komplikationen einer akuten Masernerkrankung in Industriestaaten gehören eine Mittelohrentzündung (7 bis 9%), eine bakterielle Lungenentzündung (1 bis 6%) sowie Durchfall (8%). In einem von 1.000 bis 2.000 Fällen (0,05 bis 0,1%) tritt im weiteren Verlauf der Infektion eine akute oder postinfektiöse Entzündung des Gehirns (Enzephalitis) auf. Eine regelmäßig tödlich verlaufende Spätfolge der Masern ist eine subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE), bei der es sich ebenfalls um eine Schädigung des Gehirns handelt. Diese wird nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation bei vier bis elf von 100.000 Masernfällen beobachtet und tritt durchschnittlich etwa sieben Jahre nach einer akuten Maserninfektion auf (vgl. RKI, Epidemiologische Bulletins 10/2015, S. 72 f. und 2/2020, S. 6 f.).
Kinder haben ein deutlich höheres Risiko für schwere Folgen. So wurde für Kinder, die im Alter unter fünf Jahren an Masern erkranken, das Risiko, eine SSPE zu entwickeln, auf 30 bis 60 von 100.000 Masernfällen (0,03 bis 0,06%), für Kinder, die im ersten Lebensjahr erkranken, sogar auf rund 170 von 100.000 Masernfällen (0,17%) geschätzt. Die Gefahr von Komplikationen in Folge einer Masernerkrankung ist bei Kindern im ersten Lebensjahr besonders hoch, gleichzeitig weisen Kinder dieser Altersgruppe die höchste Wahrscheinlichkeit auf, an Masern zu erkranken. Personen mit einer Immundefizienz oder Immunsuppression tragen ein besonders hohes Risiko, schwere Organkomplikationen zu entwickeln und/oder an den Masern zu versterben. Erkenntnisse aus kontrollierten Studien im Rahmen von Masernausbrüchen deuten darauf hin, dass auch schwangere Frauen ein erhöhtes Risiko haben, Komplikationen durch Masern zu erleiden. Bei diesen drei Gruppen mit erhöhtem Komplikationsrisiko besteht gleichzeitig eine Kontraindikation hinsichtlich einer Masernschutzimpfung (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 10/2015, S. 72 f.; Epidemiologisches Bulletin 2/2020, S. 5).
Dem Robert Koch-Institut wurden im Jahr 2020, wohl beeinflusst durch die Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie nur 76 Masernfälle, in den Jahren davor jährlich zwischen 327 und 2.465 Masernfälle übermittelt (RKI, Epidemiologisches Bulletin 15/2021, S. 6).
In der Bevölkerung sind von den Masern insbesondere 0- bis 5-jährige Kinder, Jugendliche und jüngere Erwachsene betroffen. In den Jahren 2014 bis 2018 wurden dem Robert Koch-Institut Daten von insgesamt 430 Masern-Ausbrüchen mit 3.178 Masernfällen übermittelt. Als Ausbrüche gelten Häufungen von zwei und mehr Fällen. Rund 21% solcher Ausbrüche und rund 28% aller Masernfälle erfolgten im Umfeld einer medizinischen Einrichtung, Betreuungseinrichtungen sowie Einrichtungen für Asylsuchende (RKI, Epidemiologisches Bulletin 2/2020, S. 8).
2. Es existiert keine ursächliche Behandlung von Masern. Lediglich Krankheitssymptome wie Fieber oder Schmerzen können durch entsprechende Medikamente gelindert werden. Bakterielle Folgeinfektionen, die als Masernkomplikationen vorkommen können, werden mit Antibiotika behandelt (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 44/1999, S. 326; RKI-Ratgeber Masern, Stand: 23. Juli 2021).
3. a) Die Masernschutzimpfung bietet einen sicheren Schutz gegen eine akute Masernerkrankung. Die Impfung bewirkt eine Immunantwort, die mit derjenigen nach einer natürlichen Infektion vergleichbar ist. Für die zweifache Impfung gegen Masern geht das Robert Koch-Institut nach Berechnungen, deren Qualität auch von Seiten der Weltgesundheitsorganisation als hoch eingeschätzt wird, von einer mittleren Impfeffektivität von 95 bis 100% aus (RKI, Epidemiologisches Bulletin 2/2020, S. 10; vgl. auch Positionspapier der WHO zu Masern, Weekly epidemiological record, No. 17, 2017, 92, S. 205 [213 ff.]). Die nur einmalige Impfung erreicht eine Impfeffektivität von mindestens 92% bei Kindern und Jugendlichen im Alter bis zu 15 Jahren (RKI, Epidemiologisches Bulletin 2/2020, S. 9). Die zweite Impfung erzeugt bei fast allen Personen, die nach einer ersten Impfung noch nicht reagiert haben, eine Immunität und sollte möglichst zeitnah im Mindestabstand von vier Wochen nach der ersten Impfung gegeben werden. Nach erfolgreicher Impfung mit dem Lebendimpfstoff wird ein lebenslanger Schutz gegen Masern angenommen (RKI, Epidemiologisches Bulletin 2/2020, S. 10; Positionspapier der WHO zu Masern, Weekly epidemiological record, No. 17, 2017, 92, S. 205 [215]).
b) Nach fachwissenschaftlicher Einschätzung soll eine Impfung gegen Masern nicht vorgenommen werden, soweit hinreichende Erkenntnisse zur Impfung fehlen oder wenn bekannt ist, dass die Impfung negative Folgen hat, also eine Kontraindikation vorliegt.
Für eine Impfung von Säuglingen unter neun Monaten fehlen umfassende Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit der verwendeten Impfstoffe. Nach den vorliegenden Erkenntnissen sind diese durch das Vorhandensein mütterlicher Antikörper und durch die Unreife des kindlichen Immunsystems häufig stark vermindert. Mit der Impfung des Kindes kann daher erst zu einem Zeitpunkt begonnen werden, in dem die Antikörper vollständig abgebaut sind, was bei der Masernerkrankung nach etwa einem Jahr der Fall ist (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 34/2019, S. 327). Die Ständige Impfkommission empfiehlt daher, die erste Masernschutzimpfung erst im Alter von elf bis vierzehn Monaten durchzuführen. Die vollständige Grundimmunisierung mit zwei Impfungen kann nach dem empfohlenen Impfkalender der Ständigen Impfkommission frühestens ab einem Lebensalter von 15 bis 23 Monaten erfolgen (RKI, Epidemiologisches Bulletin 34/2019, S. 316).
Die Ständige Impfkommission ist ein politisch und weltanschaulich neutrales (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung der STIKO), 1972 gegründetes Expertengremium beim Robert Koch-Institut (hierzu BVerfGE 161, 299 [355 f. Rn. 139]). Es soll einen optimalen Einsatz verfügbaren Impfstoffes gewährleisten. An den Sitzungen der Ständigen Impfkommission nehmen auch Expertinnen und Experten der Gesundheitsministerien von Bund und Ländern, des Gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenkassen, des Robert Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts mit beratender Stimme teil. Bei ihrer Arbeit nutzt sie Kriterien der evidenzbasierten Medizin, bezieht insbesondere die Bewertungen des Paul-Ehrlich-Instituts zur Sicherheit von Impfstoffen mit ein und bedient sich der – fachlichen und administrativen – Unterstützung des Robert Koch-Instituts. Dabei steht weniger eine wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Bewertung im Vordergrund, sondern die Nutzen-Risiko-Abwägung der Wirksamkeit von Impfstoffen und möglichen Impfrisiken. Demnach hat die Ständige Impfkommission nicht nur den Nutzwert einer Impfung für Einzelne, sondern auch für die Gesamtbevölkerung in den Blick zu nehmen (vgl. § 1 Abs. 3 der Geschäftsordnung der STIKO). Nach § 20 Abs. 2 Satz 3 IfSG hat die Kommission die Kernaufgabe, Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen und anderer Maßnahmen der Vorsorge gegen übertragbare Krankheiten zu geben und Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer darüber hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung zu entwickeln. Ihre Empfehlungen gelten als medizinischer Standard; sie sind auch Grundlage für die Erstattung von Kosten (vgl. § 20i Abs. 1 Satz 3, § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 15 SGB V). Nach § 20 Abs. 3 IfSG sollen die obersten Gesundheitsbehörden der Länder ihre öffentlichen Empfehlungen auf der Grundlage der jeweiligen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission aussprechen.
Eine Impfung ist während einer Schwangerschaft und für Personen mit schweren Einschränkungen des Immunsystems nicht angezeigt (vgl. RKI-Ratgeber Masern, Stand: 23. Juli 2021). Die im Masernimpfstoff enthaltenen abgeschwächten, aber vermehrungsfähigen Viren können sich einerseits bei Menschen mit bestimmten angeborenen oder erworbenen Störungen des Immunsystems unkontrolliert vermehren und somit schwere Infektionen hervorrufen. Andererseits können Patienten mit eingeschränktem Immunsystem auch ein erhöhtes Risiko für eine schwer verlaufende Masernerkrankung aufweisen und in besonderer Weise von einer Impfung profitieren. Eine Impfung kann daher bei Patienten mit bestimmten Formen der Immundefizienz nach individueller Absprache nur dann in Betracht gezogen werden, wenn der Nutzen der Impfung die Risiken überwiegt (vgl. RKI, Infektionskrankheiten A – Z, Masern, Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Schutzimpfung gegen Masern, Masernimpfung: Wirksamkeit, Sicherheit und Kontraindikationen, Stand: 4. Juni 2020). Als medizinische Kontraindikation gelten auch Allergien gegen Bestandteile des Impfstoffes.
c) In Deutschland sind – wie auch in Nordamerika und weiten Teilen Europas (vgl. Misin et al., Microorganisms, Measles: An Overview of a Re-Emerging Disease in Children and Immunocompromised Patients, 2020, 8, 276, S. 9) – schon seit längerer Zeit keine allein gegen Masern wirksamen, sogenannten Monoimpfstoffe auf dem Markt mehr verfügbar und nicht mehr zugelassen, sondern nur Masern-, Mumps- und Röteln-Kombinationsimpfstoffe beziehungsweise Masern-, Mumps-, Röteln- und Varizellen (Windpocken)-Kombinationsimpfstoffe (vgl. Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, Masern-Impfstoffe, Stand: 25. September 2020). Allerdings können auf der Grundlage von § 73 Abs. 3 Halbsatz 1 AMG im Inland nicht zugelassene Fertigarzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, über Apotheken im Wege der Einzeleinfuhr eingeführt werden, wenn sie im ausführenden Staat zugelassen sind und im Inland keine vergleichbaren Arzneimittel hinsichtlich Wirkstoff und Wirkstärke vorhanden sind. Derzeit ist in der Schweiz ein Masern-Monoimpfstoff "Measles Vaccine Live B.P." zugelassen, der auf eigene Kosten nach Deutschland eingeführt und hier verimpft werden kann (siehe dazu auch VG Ansbach, Beschluss vom 5. Mai 2022 – AN 18 S 22.00535 –).
d) Die Masernimpfung ruft wie alle Impfungen unmittelbare Reaktionen hervor, in seltenen Fällen treten auch Komplikationen auf. An der Injektionsstelle werden Rötungen, Schwellungen und Schmerzen für ein bis drei Tage beobachtet. Ferner können Allgemeinsymptome wie Kopfschmerzen, Mattigkeit und Fieber auftreten. Etwa 5 bis 15% der Geimpften zeigen mäßiges bis hohes Fieber zwischen dem siebten und zwölften Tag nach der Impfung, welches ein bis zwei Tage anhält. Der für Masern typische Ausschlag kann bei etwa 5% der Geimpften in der zweiten Woche nach der Impfung auftreten. Hierbei handelt es sich um eine milde, selbstlimitierende Symptomatik, die nicht ansteckend ist und ein bis drei Tage andauert. Etwa 1% der Geimpften berichten nach der Impfung über Gelenkschmerzen, insbesondere Erwachsene. Die beschriebenen Symptome treten nach der zweiten Impfung nur noch selten auf (RKI, Epidemiologisches Bulletin 2/2020, S. 11).
Schwere unerwünschte Wirkungen der Impfung sind selten. Ein in der Regel selbstlimitierender Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) oder eine idiopathische thrombozytopenische Purpura (eine Autoimmunkrankheit, bei der ebenfalls ein Mangel an Blutplättchen herrscht) wurde bei drei von 100.000 Geimpften (0,03‰) innerhalb von zwei Monaten nach der ersten Impfung beobachtet. Die Impfungen erhöhen bei Kindern im Alter zwischen 10 und 24 Monaten das Grundrisiko für Fieberkrämpfe um das Zwei- bis Dreifache. In ein bis vier Fällen pro einer Million Geimpfte (0,001 bis 0,004‰) wird eine Anaphylaxie (akute, allergische Reaktion des Immunsystems) nach der Impfung beobachtet. Ob die Impfung gegen Masern eine Entzündung des Gehirns (Enzephalitis) auslösen kann, wird kontrovers beurteilt. Eine Inzidenz von etwa eins pro eine Million Geimpfte (0,001‰) wird teilweise beschrieben. Fallberichte deuten aber darauf hin, dass angeborene oder erworbene Immundefekte dafür verantwortlich waren. Vereinzelt wurden bei Patienten mit einer Immunsuppression progressive Verläufe mit schweren Komplikationen, wie einer Einschlusskörper-Enzephalitis oder Pneumonie, beschrieben. Die Impfung ist daher für Personen mit schwerer Immunsuppression kontraindiziert. Dagegen besteht kein Zusammenhang zwischen der Impfung und dem Auftreten einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, von Autismus oder einer aseptischen Meningitis (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 2/2020, S. 11; Mentzer u.a., Bundesgesundheitsblatt 2013, 1253 [1256]).
In ihren Stellungnahmen, die auf der Auswertung von drei zwischen 1981 und 2001 durchgeführten Studien beruhen, haben im Ergebnis übereinstimmend das Paul-Ehrlich-Institut und die Bundesärztekammer ausgeführt, dass keine wesentlichen Unterschiede bei den Impfreaktionen und Nebenwirkungen zwischen Masernmonoimpfstoffen und den untersuchten Mehrfachimpfstoffen bestehen. Auf die Ausführungen des Paul-Ehrlich-Instituts hat das Robert Koch-Institut in seiner im Verfahren eingeholten Stellungnahme verwiesen. Angesichts der Häufigkeit des Auftretens und der Schwere der Komplikationen bei einer Wildvirus-Infektion im Vergleich zu den beschriebenen Nebenwirkungen besteht auch für eine Masernkombinationsimpfung eine positive Risiko-Nutzen-Bewertung und wird diese Impfung insbesondere bei Kindern empfohlen. Das gilt für die Weltgesundheitsorganisation, das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (eine Agentur der Europäischen Union), die Ständige Impfkommission beziehungsweise das Robert Koch-Institut, das Paul-Ehrlich-Institut sowie das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Bundesärztekammer (vgl. Positionspapier der WHO zu Masern, Weekly epidemiological record, No. 17, 2017, 92, S. 205 [220]; European Centre for Disease Prevention and Control. Who is at risk for measles in the EU/EEA? Identifying susceptible groups to close immunity gaps towards measles elimination, 2019; RKI, Epidemiologisches Bulletin 32/2010, S. 1; Patienteninformation Masernimpfung bei Kindern, Mai 2015, herausgegeben vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesärztekammer; Mentzer u.a., Bundesgesundheitsblatt 2013, 1253 [1259]; dazu auch Demicheli et al., Vaccines for measles, mumps and rubella in children, Cochrane Database of Systematic Reviews 2012, Issue 2, Art. No.: CD004407, S. 2).
e) Die Anzahl der gegen Masern Geimpften in der Bevölkerung ist in Deutschland niedriger als in vielen anderen, insbesondere europäischen Ländern. Nach einer vom Robert Koch-Institut durchgeführten Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) sind in Deutschland 93,6% der 3- bis 17-Jährigen (Geburtenjahrgänge 1985 bis 2013) zweifach gegen Masern geimpft. Die Quote ist bei Kindern ohne Migrationshintergrund niedriger als bei Kindern mit einem "einseitigen" Migrationshintergrund (93,6 zu 95,9%). In der Gruppe der 3- bis 6-Jährigen beträgt die Impfquote 91,9%, und zum Ende des zweiten Lebensjahrs liegt die Quote einer zweifachen Masernimpfung für die Geburtenjahrgänge 2010 bis 2013 bei lediglich 64,4%. Ausweislich einer Impfsurveillance der Kassenärztlichen Vereinigung aus dem Jahr 2020 liegt die Quote der zweifach gegen Masern geimpften Kinder bei Vollendung des zweiten Lebensjahrs bei dem Geburtenjahrgang 2014 bei 70,6% und bei den Geburtenjahrgängen 2015 bis 2016 bei 69,9%. Bis zur Vollendung des dritten Lebensjahrs erhöht sich die Quote auf 81,7% (Geburtsjahr 2010) bis 82,8% (Geburtsjahr 2014). Ausweislich der Schuleingangsuntersuchung 2018 lag die Quote bei den 4- bis 7-Jährigen (Geburtenjahrgänge 2010 bis 2013) sodann bei 93,1% (vgl. Poethko-Müller u.a., Bundesgesundheitsblatt 2019, 410 [412, 416]; RKI, Epidemiologisches Bulletin 32/33/2020, S. 14).
Mit den bisher erreichten Impfquoten bleibt Deutschland hinter Zielen zurück, deren Erreichen im Rahmen internationaler Kooperationen zugesagt wurde. So verfolgen die Mitgliedstaaten der Europäischen Region der Weltgesundheitsorganisation bereits seit 1984 das Ziel der schrittweisen Eliminierung der Masern, seit 2005 auch der Röteln. Deutschland hat sich seit längerem und wiederholt zu diesen Zielen bekannt. Für das Jahr 2015 war bereits die Elimination von Masern und Röteln angestrebt (vgl. zum Vorstehenden Bundesministerium der Gesundheit [Hrsg.], Nationaler Aktionsplan 2015–2020 zur Elimination der Masern und Röteln in Deutschland, 2015, S. 3 und 10). Um die Verbreitung von Masern zu verhindern, sind Impfraten von mehr als 95% der Gesamtbevölkerung erforderlich. Bei einer Immunität in der Bevölkerung von 95% und mehr können auch wirksam Personen geschützt werden, die (noch) nicht geimpft werden können (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 10/2020, S. 3). Daher haben sich die 53 Mitgliedstaaten der Europäischen Region der Weltgesundheitsorganisation auf eine Strategie zur Eliminierung der Masern und Röteln geeinigt, wonach in jeder Population mindestens 95% durch zwei Dosen Impfstoff oder durch eine frühere Infektion mit dem Virus immun sein sollen, damit alle Mitglieder der Gemeinschaft geschützt sind, also insbesondere auch die vulnerablen Personen. Während es bis Ende 2017 insgesamt 37 von 53 Mitgliedstaaten gelungen ist, die Masern zu eliminieren, und weiteren sechs Mitgliedstaaten, zumindest die endemische Übertragung über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren zu unterbrechen, wurde Deutschland 2019 von der Weltgesundheitsorganisation – als einer von nur fünf Staaten der Europäischen Union – nach wie vor als Staat mit endemischer Übertragung der Masern eingestuft (European Centre for Disease Prevention and Control. Who is at risk for measles in the EU/EEA? Identifying susceptible groups to close immunity gaps towards measles elimination, 2019, S. 3 f.).
IV.
Die vier Verfassungsbeschwerden richten sich jeweils gegen dieselben gesetzlichen Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes zum Impfschutz gegen Masern in bestimmten Einrichtungen.
1. Die Beschwerdeführenden halten die von ihnen angegriffenen Regelungen für verfassungswidrig, weil diese unverhältnismäßig sowohl in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) der minderjährigen Beschwerdeführenden als auch in das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) der übrigen Beschwerdeführenden eingriffen sowie sämtliche Beschwerdeführenden in ihren Rechten aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzten.
a) Die Beschwerdeführenden zu 1) und zu 2) im Verfahren 1 BvR 469/20 sind die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern der im April 2019 geborenen Beschwerdeführerin zu 3), die ab April 2020 eine kommunale Kindertagesstätte besuchen sollte. Die Gemeinde hatte dem Aufnahmeantrag entsprochen und mit gesondertem Schreiben darauf hingewiesen, dass der Nachweis einer erfolgten Impfung bis 11. Mai 2020 vorgelegt werden müsse.
Die Beschwerdeführenden zu 1) und zu 2) im Verfahren 1 BvR 470/20 sind die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern des im Januar 2019 geborenen Beschwerdeführers zu 3) des genannten Verfahrens. Er sollte ab Mai 2020 aufgrund eines bereits abgeschlossenen Betreuungsvertrags von einer Tagesmutter, die die Erlaubnis zur Kindertagespflege nach § 43 SGB VIII besitzt, betreut werden.
Die Beschwerdeführenden zu 1) und zu 2) im Verfahren 1 BvR 471/20 sind die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern der im April 2017 geborenen Beschwerdeführerin zu 3). Das Kind sollte ab Mai 2020 eine kommunale Kindertagesstätte besuchen. Die Gemeinde hatte sich zur Aufnahme bereit erklärt, aber mitgeteilt, dass vorher eine Impfung oder Immunität gegen Masern oder eine Kontraindikation zu der Impfung nachzuweisen sei.
Die Beschwerdeführenden zu 1) und zu 2) im Verfahren 1 BvR 472/20 sind die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern des im April 2018 geborenen Beschwerdeführers zu 3), der ab Mai 2020 aufgrund eines bereits abgeschlossenen Betreuungsvertrags von einer Tagesmutter, die die Erlaubnis zur Kindertagespflege nach § 43 SGB VIII besitzt, betreut werden sollte.
Die minderjährigen Beschwerdeführenden in den Verfassungsbeschwerdeverfahren sind nicht gegen Masern geimpft und verfügen über keine Immunität. Medizinische Kontraindikationen zu einer Masernimpfung bestehen bei ihnen nicht.
b) Die beschwerdeführenden Kinder seien bei Aufnahme in die Gemeinschaftseinrichtung verpflichtet, eine Masernschutzimpfung aufzuweisen (§ 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 IfSG). Für die übrigen Beschwerdeführenden bedeute dies, dass sie aufgrund ihrer elterlichen Sorge, die auch die Gesundheitssorge umfasse, diese Impfungen herbeiführen müssten und nach § 20 Abs. 9 Satz 1, Abs. 13 Satz 1 IfSG nachzuweisen hätten. Ohne Nachweis trete kraft Gesetzes (§ 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG) ein Betreuungs- und ein Aufnahmeverbot ein, das mittels einer Untersagungsverfügung im Einzelfall durch das Gesundheitsamt (§ 20 Abs. 12 Satz 3 IfSG in der Fassung des Masernschutzgesetzes bzw. § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG in der aktuellen Fassung) verstärkt werden könne. Beides wirke auch zulasten der Eltern. Die Kinder würden ohne Nachweis einer Impfung ihren Anspruch auf Förderung in einer Kindertagespflege beziehungsweise einer Kindertagesstätte aus § 24 Abs. 2 Satz 1 beziehungsweise Abs. 3 Satz 1 SGB VIII verlieren. Dieser Anspruchsverlust betreffe die übrigen Beschwerdeführenden bei der Ausübung ihrer elterlichen Sorge. Die jeweiligen Beschwerdeführenden zu 1) und zu 2) müssten ihre Kinder impfen lassen, um die außerfamiliäre Betreuung zu ermöglichen. Diese Pflicht zur Herbeiführung und zum Nachweis der Masernimpfung greife jedoch unverhältnismäßig in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit der minderjährigen Beschwerdeführenden zu 3) ein, insbesondere wegen der Pflicht, sich nicht nur gegen Masern impfen zu lassen (vgl. § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG), sondern aufgrund der Nichtverfügbarkeit von Monoimpfstoffen auch gegen andere Krankheiten als Masern. Dies würde die Beschwerdeführerinnen zu 3) in den Verfahren 1 BvR 469/20 und 1 BvR 471/20 aufgrund der medizinischen Besonderheiten der weiblichen Gesundheit im Lebenslauf besonders nachteilig betreffen.
Damit schiebe das Gesetz zugleich in unverhältnismäßiger Weise das Elternrecht beiseite. Die nach dem elterlichen Erziehungsplan vorgesehene Betreuung in einer Kindertagespflege beziehungsweise in einer Kindertagesstätte könnten sie nicht mehr verwirklichen, sondern seien stattdessen gezwungen, eine unverhältnismäßige medizinische Maßnahme zulasten ihres Kindes zu dulden. Auf ihre – mithilfe ärztlicher Beratung gebildete – elterliche Entscheidung über das "Ob" der Impfung komme es überhaupt nicht mehr an, anders als dies bis vor Inkrafttreten des Masernschutzgesetzes der Fall gewesen sei.
Schließlich würden die beschwerdeführenden Kinder durch das Gesetz einer Pflicht ausgesetzt, die unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht folgerichtig umgesetzt worden sei. Sie würden in sachlicher und zeitlicher Hinsicht insbesondere mit Blick auf Übergangsfristen mit der Pflicht belastet, Impfungen auf- und nachzuweisen, ohne dass sich ihre Situation von Situationen wesentlich unterscheide, in denen der Gesetzgeber von der Pflicht, Impfungen auf- und nachzuweisen, abgesehen habe.
2. Die Verfassungsbeschwerden sind dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung und allen Landesregierungen zur Stellungnahme zugeleitet worden.
Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerden für unbegründet. Soweit durch die angegriffenen Regelungen in das Recht auf körperliche Unversehrtheit der minderjährigen Beschwerdeführenden überhaupt eingegriffen werde, sei dies durch die verfolgten Schutzzwecke verfassungsrechtlich gerechtfertigt, insbesondere erforderlich und angemessen. Das gelte auch, soweit der Nachweis im Falle der Nichtverfügbarkeit eines Monoimpfstoffs nur durch Nutzung eines Kombinationsimpfstoffes erbracht werden könne. Die mit der gesetzlichen Neuregelung im Falle einer Ablehnung der Masernimpfung verbundenen Beschränkungen der sorgeberechtigten Eltern in ihrem durch Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Recht zur Gestaltung der Betreuung ihrer Kinder unter Berücksichtigung ihrer beruflichen Lebensplanungen und inner-familiären Vereinbarungen sowie der elterlichen Sorge seien ebenfalls gerechtfertigt. Soweit eine unterschiedliche Ausgestaltung des Masernimpfnachweises in Bezug auf den Schulbesuch und die häusliche Kindertagespflege im Vergleich zu den Kindertageseinrichtungen und der erlaubnispflichtigen Kindertagespflege sowie bei der Ausgestaltung der Fristen bei den Übergangsregelungen gerügt werde, seien diese durch hinreichend gewichtige Sachgründe gerechtfertigt und mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
3. Der Senat hat auf der Grundlage von § 27a BVerfGG sachkundigen Dritten Gelegenheit gegeben, zu den Verfassungsbeschwerden und ausgewählten Fachverbänden auch zu den nachfolgenden Fragen Stellung zu nehmen:
Von der Möglichkeit zur Stellungnahme haben Gebrauch gemacht: die Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e.V., die Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter, die Bundesärztekammer, die Bundeselternvertretung, der Berufsverband der Ärzte für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie e.V., der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V., der Bundesverband privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe e.V., die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e.V., die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V., die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V., die Deutsche Gesellschaft für Virologie e.V. – auch im Namen der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruserkrankungen e.V. –, der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Ständige Impfkommission beim Robert Koch-Institut unter Verweis auf eine Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts.
 
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig.
I.
Sämtliche Beschwerdeführenden sind als Träger von Grundrechten beschwerdefähig. Den hier beschwerdeführenden Kindern steht das als verletzt gerügte Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wie jeder anderen natürlichen Person zu. Kinder sind Träger von allen Grundrechten (vgl. BVerfGE 121, 69 [92]; siehe auch BVerfGE 47, 46 [73 f.] und BVerfGE 57, 361 [382] zur Menschenwürde und zum Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit), auch wenn sie diese aus tatsächlichen Gründen nicht von Anfang an vollumfänglich wahrnehmen können (vgl. Jestaedt/Reimer, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: Dezember 2018, Art. 6 Abs. 2 und 3 GG, Rn. 107; siehe auch Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 89 ff., 396 ff.). Ebenso steht ihnen der grundrechtlich gewährleistete Anspruch auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG zu (vgl. BVerfGE 151, 101 [126 Rn. 61]).
Kinder werden durch ihre jeweils sorgeberechtigten Eltern gesetzlich vertreten (vgl. § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das umfasst die Befugnis zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde und die Vertretung der selbst wegen ihres Alters noch nicht prozessfähigen Kinder auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 72, 122 [133]). Das gilt hier unabhängig von der Frage, ob die Entscheidung, ihre Kinder nicht gegen Masern impfen lassen zu wollen, tatsächlich im Interesse des Kindes liegt, denn dies ist eine Frage der Grenzen des Sorgerechts, die im gerichtlichen Verfahren überprüft werden. Ein zum Ausschluss der beschwerdeführenden Eltern von der Vertretung ihrer Kinder im Verfassungsprozess führender Interessenkonflikt liegt hier nicht vor. Die von den Eltern für ihre Kinder erhobenen Verfassungsbeschwerden zielen gerade darauf ab, die Durchsetzung der Grundrechte ihrer beschwerdeführenden Kinder vor dem Bundesverfassungsgericht zu ermöglichen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Februar 2021 – 1 BvR 1780/20 –, Rn. 23).
II.
Die Beschwerdeführenden wenden sich bei verständiger Auslegung nur insoweit gegen Regelungen des Masernschutzgesetzes, als sie Kinder betreffen, die in einer Kindertageseinrichtung oder in einer nach § 43 Abs. 1 SGB VIII erlaubnispflichtigen Kindestagespflege betreut werden (vgl. § 33 Nr. 1 und 2 IfSG) und die daher gemäß § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1, Abs. 9 Satz 1 IfSG eine Impfung gegen Masern auf- und nachweisen müssen. Von den Verfassungsbeschwerden nicht erfasst sind daher von der Auf- und Nachweispflicht betroffene Schülerinnen und Schüler (vgl. § 33 Nr. 3 IfSG), Personen, die bereits vier Wochen in einem Heim betreut werden oder in Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern, vollziehbar Ausreisepflichtigen, Flüchtlingen und Spätaussiedlern untergebracht sind (vgl. § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 IfSG), sowie Personen, die in bestimmten Einrichtungen tätig sind (vgl. § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG).
Die angegriffenen Regelungen des Infektionsschutzgesetzes sind nach Erhebung der Verfassungsbeschwerden zwar insoweit geändert worden, als der angegriffene § 20 Abs. 12 Satz 3 IfSG a.F. durch das Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie vom 10. Dezember 2021 (BGBl I S. 5162) zu Satz 4 und um einen Einschub erweitert wurde. Zudem hat der Gesetzgeber den für den Auf- und Nachweis insbesondere der Masernimpfung maßgeblichen Zeitpunkt mehrfach verändert und zuletzt auf den 31. Juli 2022 festgelegt. Dem den Änderungen nachfolgenden Vorbringen der Beschwerdeführenden lässt sich aber eine Anpassung der Beschwerde an die geänderte Gesetzeslage hinreichend entnehmen.
III.
Die Beschwerdeführenden sind auch hinsichtlich aller von ihnen angegriffenen Regelungen beschwerdebefugt. Sie werden durch diese jeweils selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Zudem haben sie hinreichend dargelegt, in jeweils eigenen Grundrechten verletzt sein zu können.
1. a) Sämtliche beanstandeten Regelungen betreffen sowohl die beschwerdeführenden Kinder als auch deren beschwerdeführende Eltern selbst. Teils sind sie ohnehin Adressaten der angegriffenen Regelungen (vgl. BVerfGE 119, 181 [212]; 140, 42 [57 Rn. 57] m.w.N.). Teils wenden sie sich gegen gesetzliche Regelungen, die, wie etwa das Betreuungsverbot in § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG, zwar an Dritte gerichtet sind. Jedoch besteht durchgängig eine hinreichend enge Beziehung zwischen den Beschwerdeführenden und den angegriffenen Regelungen. Das ist bei Beanstandung einer an Dritte gerichteten gesetzlichen Norm dann der Fall, wenn sie die Grundrechtsposition der Beschwerdeführenden unmittelbar zu deren Nachteil verändert und sie nicht lediglich faktisch betrifft (vgl. BVerfGE 51, 386 [395]; 78, 350 [354]).
Die beschwerdeführenden Kinder sind Adressaten der Aufweispflicht aus § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 IfSG und der Nachweispflicht nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG. Das in § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG für den Fall des ausgebliebenen Nachweises einer Impfung gegen Masern angeordnete Betreuungsverbot richtet sich zwar an die in der Regelung genannten Einrichtungen, trifft aber die Kinder in eigener Person. Ihre Eltern hatten bereits vor Inkrafttreten der hier gegenständlichen Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes in Ausübung ihres Sorgerechts entschieden, die Kinder in Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne von § 33 Nr. 1 und 2 IfSG betreuen lassen zu wollen. Auch von § 20 Abs. 12 Satz 1 und 3 IfSG sowie § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG sind die Kinder selbst betroffen. Zwar gibt § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG den Eltern auf, den Nachweis einer Impfung gegen Masern (§ 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG) ihrer Kinder vorzulegen. Das ändert aber nichts daran, dass in § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 IfSG die zu betreuenden Personen, also die Kinder, originäre Adressaten der Nachweispflicht sind.
Die beschwerdeführenden Eltern sind ebenfalls sämtlich von den beanstandeten gesetzlichen Regelungen in ihrem Recht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG selbst betroffen. Das folgt nicht allein aus der ihnen in § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG übertragenen Aufgabe, den Nachweis der Masernimpfung für ihre Kinder zu erbringen. Bereits die Aufweispflicht (§ 20 Abs. 8 IfSG) trifft sie selbst. Denn grundsätzlich können ihre Kinder eine Masernimpfung nur auf- und nachweisen, wenn die Eltern ihr die Gesundheitssorge für ihre Kinder umfassendes Sorgerecht dahingehend ausgeübt haben, diese gegen Masern impfen zu lassen. Damit sind sie selbst betroffen.
b) Die angegriffenen Regelungen des Infektionsschutzgesetzes betreffen alle Beschwerdeführenden gegenwärtig. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde (vgl. BVerfGE 159, 223 [269 f. Rn. 178]; 161, 299 [334 f. Rn. 82] jeweils m.w.N.) wirkten die Vorschriften bereits aktuell auf die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Kinder und Eltern ein. Es war bereits klar abzusehen, dass und wie sie in der Zukunft von den Regelungen betroffen sein werden (vgl. BVerfGE 114, 258 [277]; 119, 181 [212]; stRspr). Die beschwerdeführenden Eltern hatten entschieden, ihre Kinder in Einrichtungen im Sinne von § 33 Nr. 1 und 2 IfSG betreuen zu lassen, und auch bereits entsprechende Aufnahmebescheide erwirkt beziehungsweise Betreuungsverträge abgeschlossen.
Auch die Beschwerdeführerin zu 3) im Verfahren 1 BvR 469/20 war bereits bei Erhebung ihrer Verfassungsbeschwerde durch die angegriffenen Regelungen gegenwärtig betroffen. Zwar hat sie ihr erstes Lebensjahr erst am 12. April 2020 vollendet, sollte jedoch bereits ab 1. April 2020 in einer Kindertagesstätte betreut werden. Zu diesem Zeitpunkt musste sie noch keinen Masernimpfschutz im Sinne von § 20 Abs. 8 Satz 2 IfSG aufweisen; dessen bedurfte es erst mit Vollendung des ersten Lebensjahrs. Dann hätte die Beschwerdeführerin zu 3) ohne entsprechenden Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG allerdings nicht mehr in Gemeinschaftseinrichtungen (§ 33 Nr. 1 und 2 IfSG) betreut werden dürfen. Deshalb war bereits bei Einlegung ihrer Verfassungsbeschwerde klar abzusehen, dass und wie sie von den angegriffenen Regelungen betroffen sein wird. Die für ihre Betreuung vorgesehene Einrichtung hatte dementsprechend bereits einen Impfnachweis bis Mitte Mai 2020 angefordert.
c) Alle angegriffenen Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes betreffen sämtliche Beschwerdeführenden auch unmittelbar. Wirkungen der Regelungen auf die Rechtsstellung der Kinder und deren Eltern gehen weder erst von einem weiteren Akt in Vollzug des Gesetzes aus noch sind sie vom Ergehen eines solchen Akts abhängig (zum Maßstab vgl. BVerfGE 125, 39 [75 f.]; 126, 112 [133]; stRspr). Die Pflichten, nach § 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG eine ausreichende Masernimpfung aufzuweisen und nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG diese gegenüber der Einrichtung der Betreuungseinrichtung nachzuweisen, begründet das Gesetz selbst in zeitlich und inhaltlich genau geregelter Weise. Gleiches gilt für das Gebot in § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG, den Impfnachweis der zuständigen Behörde vorzulegen, und die Übertragung der in § 20 Abs. 9 bis 12 IfSG begründeten Pflichten zur Erfüllung auf die Eltern durch § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG. Das bei Ausbleiben des Nachweises geltende Betreuungsverbot ordnet § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG selbst an.
Auf die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Kinder wird zudem durch die Auf- und Nachweispflicht sowie die mit ihrem Ausbleiben verknüpften Folgen deshalb unmittelbar eingewirkt, weil diese bei Ausbleiben des Nachweises nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG den ihnen nach § 24 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB VI-II fachrechtlich zustehenden Rechtsanspruch auf einrichtungsgestützte Betreuung (vgl. BVerfGE 147, 185 [245 Rn. 134]; BVerwGE 160, 212 [219 f.]; BGHZ 212, 303 [313 f. Rn. 25] m.w.N.) nach der Auffassung des Gesetzgebers verlieren (vgl. BTDrucks 19/13452, S. 29; VG Magdeburg, Beschluss vom 30. Juli 2020 – 6 B 251/20 –, Rn. 9; siehe aber auch Gebhard, Impfpflicht und Grundgesetz, 2022, S. 256 Fn. 780), diesen aber jedenfalls zeitweilig nicht verwirklichen können (vgl. Rixen, NJW 2020, 647 [649]). Dass in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) gegenständlich erst aufgrund der Ausübung der Entscheidungsbefugnis ihrer Eltern darüber eingegriffen wird, steht wegen der dargestellten Wirkungen der angegriffenen Regelungen der Unmittelbarkeit im Sinne der Beschwerdebefugnis nicht entgegen.
2. Die Beschwerdeführenden zu 1) und 2) in den vier Verfahren legen die Möglichkeit einer Verletzung ihres Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, die minderjährigen Beschwerdeführenden zu 3) in den vier Verfahren die Möglichkeit einer Verletzung ihres Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sowie die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG hinreichend substantiiert dar.
IV.
Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, das grundsätzlich noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestehen muss (vgl. BVerfGE 159, 223 [273 Rn. 98] m.w.N.), ist nicht nachträglich weggefallen. Die beschwerdeführenden Kinder in den vier Verfahren haben im Zeitpunkt der Entscheidung noch den Anspruch auf frühkindliche Förderung aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII oder auf Förderung in einer Tageseinrichtung nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII, und ihre Eltern möchten weiterhin diese Angebote nutzen.
Auch der Beschwerdeführerin zu 3) im Verfahren 1 BvR 471/20, die im April ihr fünftes Lebensjahr vollendet hat, steht der letztgenannte Anspruch bis zum Schuleintritt grundsätzlich zu. Nach dem für sie maßgeblichen § 58 Abs. 1 Satz 1 des Hessischen Schulgesetzes beginnt die Schulpflicht grundsätzlich erst mit Beginn des Schuljahres für alle Kinder, die bis zum 30. Juni des laufenden Kalenderjahres das sechste Lebensjahr vollendet haben.
V.
Die Verfassungsbeschwerden genügen dem Grundsatz der Subsidiarität (zum Maßstab BVerfGE 159, 223 [273 f. Rn. 101]; 161, 299 [342 Rn. 103] m.w.N.).
 
C.
Die Verfassungsbeschwerden haben keinen Erfolg. Die angegriffenen Vorschriften berühren zwar sowohl das die Gesundheitssorge für ihre Kinder umfassende Grundrecht der beschwerdeführenden Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG als auch und vor allem das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht der beschwerdeführenden Kinder auf körperliche Unversehrtheit; beide Grundrechtspositionen sind vorliegend in spezifischer Weise miteinander verknüpft (I). Sowohl die Eingriffe in das Elternrecht als auch die in die körperliche Unversehrtheit sind aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt (II). Die beschwerdeführenden Kinder sind in ihrem Anspruch auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) ebenfalls nicht verletzt (III).
I.
Die angegriffenen Regelungen des Infektionsschutzgesetzes beeinträchtigen sowohl die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) der beschwerdeführenden Kinder als auch das Recht ihrer ebenfalls beschwerdeführenden Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Dabei stehen die Beeinträchtigungen nicht unverbunden nebeneinander, sondern sind hier wegen der Wirkungsweise der beanstandeten Vorschriften in spezifischer Weise miteinander verknüpft. Denn die tatsächliche Einwirkung auf die körperliche Integrität der Kinder durch Vornahme der Impfung hängt von einer entsprechenden Ausübung des auf die Gesundheitssorge für die Kinder bezogenen Elternrechts ab. Die angegriffenen Regelungen bezwecken einen verbesserten Schutz vor Maserninfektionen. Angestrebt ist nicht allein, die Einzelnen gegen die Erkrankung zu schützen (Individualschutz), sondern auch die Weiterverbreitung der Krankheit in der Bevölkerung zu verhindern (Gemeinschaftsschutz), was eine ausreichend hohe Impfquote erfordert (vgl. BTDrucks 19/13452, S. 16). Um diese Zwecke zu erreichen, greifen die beanstandeten Vorschriften sowohl in Grundrechte der Kinder als auch in solche ihrer Eltern ein. Wegen der Ausgestaltung des Gesetzes, die Inanspruchnahme von bestimmten Einrichtungen der frühkindlichen und vorschulischen Förderung vom Auf- und Nachweis einer Masernimpfung der Kinder abhängig zu machen (§ 20 Abs. 8 Satz 1 bis 3, Abs. 9 Satz 1 IfSG), sind deren Grundrechtspositionen mit denen ihrer sorgeberechtigten Eltern hier in spezifischer Weise miteinander verwoben. Der Gesetzgeber kann sowohl den Individual- als auch den Gemeinschaftsschutz im geregelten Bereich nur erreichen, wenn die Eltern ihr die Gesundheitssorge für ihre Kinder umfassendes Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG dahingehend ausüben, die Kinder impfen zu lassen. Um dafür einen nachdrücklichen Anreiz zu setzen und einen entsprechenden Entschluss der Eltern herbeizuführen, verknüpft das Gesetz das Ausbleiben des von den Eltern zu erbringenden Impfnachweises (§ 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG) mit dem einrichtungsbezogenen Betreuungsverbot in § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG.
II.
Die angegriffenen Regelungen über den Auf- und Nachweis einer Masernimpfung sowie diejenigen über die Rechtsfolgen bei Ausbleiben des Nachweises greifen in das Grundrecht der beschwerdeführenden Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (1 a) und in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) ihrer Kinder ein und beschränken deren Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG (1 b). Dies ist jedoch bei verfassungskonformer Auslegung von § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG gerechtfertigt (2 bis 4).
1. a) Das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) der Beschwerdeführenden zu 1) und zu 2) in den vier Verfahren wird durch die verschiedenen angegriffenen Regelungen in unterschiedlicher Weise betroffen.
aa) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen und Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen (vgl. BVerfGE 107, 104 [117]; 121, 69 [92]). Das Elternrecht unterscheidet sich allerdings von den anderen Freiheitsrechten des Grundrechtskatalogs wesentlich dadurch, dass es keine Freiheit im Sinne einer Selbstbestimmung der Eltern, sondern eine solche zum Schutze des Kindes und in dessen Interesse gewährt (vgl. BVerfGE 121, 69 [92]). Es beruht auf dem Grundgedanken, dass in aller Regel Eltern das Wohl des Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person oder Institution. Das Elternrecht ist Freiheitsrecht im Verhältnis zum Staat, der in das Erziehungsrecht der Eltern nicht ohne rechtfertigenden Grund eingreifen darf. In der Beziehung zum Kind bildet aber das Kindeswohl die maßgebliche Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung (vgl. BVerfGE 103, 89 [107]; 121, 69 [92]; 133, 59 [77 f. Rn. 49]).
Das Elternrecht ist umfassend zu verstehen. Den Eltern und anderen Personen, die elterliche Verantwortung im Sinne von Art. 6 Abs. 2 GG tragen, steht ein verfassungsrechtlich geschützter Einfluss auf sämtliche Lebens- und Entwicklungsbedingungen des Kindes zu, auch außerhalb der Familie (vgl. BVerfGE 107, 104 [120]). Allerdings bedarf das in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Elternrecht einer – vor allem durch die §§ 1626 ff. BGB erfolgten – gesetzlichen Ausgestaltung (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. Juni 2015 – 1 BvR 486/14 –, Rn. 11), ohne dass damit sämtliche fachrechtlichen Regelungen zum Sorgerecht in die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Elternrechts einbezogen wären (vgl. BVerfGE 84, 168 [180]). Es erstreckt sich aber auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts, ohne die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann (vgl. BVerfGE 84, 168 [180]; 107, 150 [173]).
Dazu gehört im Grundsatz die Sorge für das körperliche Wohl, worunter die Gesundheitssorge insgesamt und damit auch die Entscheidung über medizinische Maßnahmen fällt (vgl. Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Art. 6 Rn. 158 m.w.N.). Schon wegen der möglichen Auswirkungen von Impfungen auf die weitere Entwicklung des Kindes (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2017 – XII ZB 157/16 –, Rn. 20) handelt es sich bei der elterlichen Entscheidung darüber um ein wesentliches Element des Sorgerechts. Diese Entscheidung fällt deshalb in den Schutzbereich des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Das gilt jedenfalls, soweit es sich um die Gesundheitssorge für Kinder handelt, die aufgrund ihres Alters entwicklungsbedingt noch nicht selbst über Maßnahmen medizinischer Behandlung (siehe § 630d Abs. 1 Satz 2 BGB zur Einwilligungsfähigkeit) entscheiden oder mitentscheiden können (vgl. Jestaedt/Reimer, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: Dezember 2018, Art. 6 Abs. 2 und 3 GG, Rn. 115 i.V.m. Rn. 117 f.). Auch insoweit bildet im Eltern-Kind-Verhältnis aber das Kindeswohl die maßgebliche Richtschnur des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Fehlt dem Kind entwicklungsbedingt noch die für die Selbstbestimmung über seine körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit, wird das darauf bezogene Elternrecht daher durch das Kindeswohl geleitet und durch die Kindeswohlgefährdung begrenzt (vgl. Wapler, Kinderrechte und Kindeswohl, 2015, S. 541 ff.; von Landenberg-Roberg, Elternverantwortung im Verfassungsstaat, 2021, S. 652 ff., insb. 656 f.).
Darüber hinaus schließt das Elternrecht die Aufgabe ein, dafür zu sorgen, dass sich das Kind in Ausübung seines eigenen Rechts aus Art. 2 Abs. 1 GG auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit in der sozialen Gemeinschaft entwickeln kann (vgl. BVerfGE 133, 59 [73 f. Rn. 42]; 159, 355 [381 Rn. 45] – Bundesnotbremse II). Art. 6 Abs. 2 GG gewährleistet damit insbesondere das Recht der Eltern, in ihrer Erziehungsverantwortung zu entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Eltern oder von Dritten betreut werden soll (vgl. BVerfGE 99, 216 [231]; 130, 240 [251]).
bb) Sämtliche angegriffenen Regelungen des Infektionsschutzgesetzes greifen in dieses Grundrecht der beschwerdeführenden Eltern ein.
(1) Grundrechtsschutz ist nicht auf unmittelbar adressierte Eingriffe beschränkt. Auch staatliche Maßnahmen, die eine mittelbare oder faktische Wirkung entfalten, können in ihrer Zielsetzung und Wirkung einem normativen und direkten Eingriff als funktionales Äquivalent gleichkommen und müssen dann wie ein solcher behandelt werden. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn ein Gesetz eine nachteilige Folge an die Wahrnehmung einer grundrechtlich geschützten Freiheit knüpft, um dieser Grundrechtswahrnehmung entgegen zu wirken (BVerfGE 161, 299 [345 Rn. 113]). An einer solchen eingriffsgleichen Wirkung fehlt es dagegen, wenn mittelbar durch die Regelung eintretende Folgen ein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten Regelung sind (vgl. BVerfGE 148, 40 [51 Rn. 28 f.] m.w.N.).
(2) Die beanstandeten Regelungen des Infektionsschutzgesetzes greifen in mehrfacher Hinsicht jedenfalls zielgerichtet mittelbar in das Grundrecht der beschwerdeführenden Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ein. Entscheiden sich die Eltern in Wahrnehmung ihrer durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Gesundheitssorge gegen eine Impfung ihres Kindes, ist dies mit nachteiligen Konsequenzen (vgl. zum Kriterium BVerfGE 161, 299 [345 f. Rn. 114]; vgl. auch EGMR [GK], Vavièka and others v. the Czech Republic, Urteil vom 8. April 2021, Nr. 47621/13, § 263) für die ansonsten den Eltern – zur Wahrnehmung ihrer Sorge für die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Entfaltungsfreiheit ihrer Kinder – eröffneten Möglichkeiten einer Betreuung in Einrichtungen im Sinne von § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG verbunden. Art und Gewicht dieser Konsequenzen für das die Gesundheitssorge betreffende Elternrecht sind dergestalt, dass sie nach Zielsetzung und Wirkung einem unmittelbaren staatlichen Eingriff in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG entsprechen.
Auf die durch das Elternrecht gewährleistete Entscheidung darüber, die Kinder vor Schuleintritt in vorhandenen Tageseinrichtungen oder Kindertagespflegestellen durch Dritte betreuen zu lassen, nehmen die angegriffenen Vorschriften sowohl über die Auf- und Nachweispflicht als auch das an die Einrichtungen nach § 33 Nr. 1 und 2 IfSG adressierte Betreuungsverbot bei fehlendem Nachweis der Masernimpfung erheblichen Einfluss. Wollen Eltern ihren vorhandenen Wunsch nach solcher Betreuung umsetzen, ist dies rechtlich grundsätzlich nur dann möglich, wenn sie einen Nachweis über die Masernimpfung ihrer Kinder vorlegen (§ 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG). Die Entscheidung selbst, Kinder impfen zu lassen, ist wiederum wesentlicher Teil des durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten elterlichen Sorgerechts, das die Entscheidungsbefugnis über die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) der Kinder umfasst. Bei Ausbleiben des Nachweises wirken die angegriffenen Vorschriften erheblich auf die Entschließungsfreiheit der Eltern bei der Ausübung des Elternrechts in beiden Komponenten ein.
Die gesetzlichen Regelungen über die Pflicht zum Auf- und Nachweis einer Masernimpfung sowie das Betreuungsverbot bei Ausbleiben dieses Nachweises kommen in Zielsetzung und Wirkung als funktionales Äquivalent dem direkten Eingriff gleich, der durch eine rechtlich durchsetzbare Impfpflicht bewirkt würde. Der Gesetzgeber intendiert eine möglichst vollständige oder zumindest nahezu vollständige Immunisierung der Bevölkerung gegen Masern. Mit dem bei ausbleibendem Nachweis geltenden Betreuungsverbot nach § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG bezweckt er zugleich, nicht gegen Masern geimpfte Personen aus Einrichtungen mit zahlreichen Personenkontakten fernzuhalten, um Menschen zu schützen, die aus vor allem gesundheitlichen Gründen selbst eine Schutzimpfung nicht in Anspruch nehmen können (vgl. BTDrucks 19/13452, S. 1 f.). Damit entsprechen die Vorschriften dem mit einer rechtlich durchsetzbaren Impfpflicht verfolgten Ziel des Gemeinschaftsschutzes vor Maserninfektionen.
Auch die Wirkungen der Kombination aus Pflicht zum Nachweis der Masernimpfung und Verlust der Möglichkeit der Inanspruchnahme staatlicher Betreuungsangebote beziehungsweise fehlender Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf einrichtungsbezogene frühkindliche und vorschulische Förderung (dazu Rn. 58) sind denen einer zwangsweise, gegen den Elternwillen durchgeführten Masernimpfung von Kindern weitgehend äquivalent. Dafür spricht die erhebliche Verengung der elterlichen Entscheidungsfreiheit über die Betreuung ihrer Kinder und die entsprechende Förderung von Kindern in Einrichtungen im Sinne von § 33 Nr. 1 und 2 IfSG. Wie sich aus der Bezugnahme in § 24 Abs. 2 SGB VIII auf die Fördergrundsätze des § 22 Abs. 2 SGB VIII ergibt, misst der Gesetzgeber selbst der einrichtungsgestützten Förderung erhebliche Bedeutung für die Entwicklung von Kindern zu selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu (vgl. BTDrucks 16/9299, S. 10 und 15). Jedenfalls bei dieser fachrechtlichen Ausgestaltung des Anspruchs von Kindern auf diese frühkindliche und vorschulische Förderung, der damit den sorgeberechtigten Eltern die Freiheit eröffnet, ihre Kinder entsprechend fördern zu lassen, übt die Kombination von Auf- und Nachweispflicht und Anspruchsverlust bei Nichterfüllen einen erheblichen Druck aus, das Sorgerecht in der vom Gesetzgeber gewünschten Weise wahrzunehmen. Halten Eltern an ihrem Wunsch fest, ein staatliches Betreuungsangebot für ihre Kinder wahrzunehmen, können sie dies wegen der angegriffenen Vorschriften nur durch die an sich von ihnen nicht gewollte Gestattung einer Einwirkung auf die körperliche Unversehrtheit des Kindes verwirklichen. Auf die hier in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG wurzelnde Entschließungsfreiheit der Eltern wird damit erheblich in Richtung der Vornahme von Masernimpfungen bei ihren Kindern eingewirkt. Die angegriffenen Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes verknüpfen die Wahrnehmung grundrechtlich gewährleisteter Freiheit daher mit so gewichtigen nachteiligen Konsequenzen, dass sie in ihrer Wirkung einer Impfpflicht gleichkommen.
b) Die mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Regelungen greifen zudem – ebenfalls zielgerichtet mittelbar – in das Grundrecht der beschwerdeführenden Kinder auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein oder beeinträchtigen alternativ – abhängig von der Entscheidung der Eltern – das Recht der Kinder auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG).
aa) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schützt die körperliche Integrität des Grundrechtsträgers (vgl. BVerfGE 161, 299 [345 Rn. 111]). Träger dieses Rechts ist "jeder", mithin auch ein Kleinkind (vgl. insofern zum Recht auf Leben BVerfGE 115, 118 [139]).
Kindern kommt außerdem ein eigenes Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu (Art. 2 Abs. 1 GG). Dabei bedürfen sie des Schutzes und der Hilfe, um sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln zu können. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verpflichtet den Gesetzgeber, die hierfür erforderlichen Lebensbedingungen des Kindes zu sichern. Diese im grundrechtlich geschützten Entfaltungsrecht der Kinder wurzelnde besondere Schutzverantwortung des Staates erstreckt sich auf alle für die Persönlichkeitsentwicklung wesentlichen Lebensbedingungen. Die vom Gesetzgeber näher auszugestaltende Schutzverantwortung für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes teilt das Grundgesetz zwischen Eltern und Staat auf. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ist sie in erster Linie den Eltern zugewiesen (vgl. zu alledem BVerfGE 133, 59 [73 ff. Rn. 42 f.]; 159, 355 [381 f. Rn. 45 f.]).
bb) Die beanstandeten gesetzlichen Regelungen greifen zielgerichtet mittelbar in die körperliche Unversehrtheit der Kinder ein.
Nach Art und Gewicht wirken die beanstandeten Vorschriften in einer Weise auf die den sorgeberechtigten Eltern anvertraute Sorge über die körperliche Unversehrtheit ihrer Kinder ein, dass sie als zielgerichteter mittelbarer Eingriff in das Recht der Kinder aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu bewerten sind. Die Masernschutzimpfung wirkt durch das Einbringen eines Stoffes und die damit verbundenen Nebenwirkungen auf die körperliche Integrität der Kinder ein. Zwar hindert das Infektionsschutzgesetz Eltern nicht daran, auf die Masernschutzimpfung bei ihren Kindern zu verzichten. Dadurch wäre eine gegenständliche Einwirkung auf die körperliche Integrität vermieden. Allerdings sind mit dieser Disposition über die körperliche Unversehrtheit der Kinder erhebliche nachteilige Folgen für diese verbunden. Wegen des in § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG angeordneten Betreuungsverbots verlieren sie ihren eingeräumten Anspruch auf frühkindliche oder vorschulische Förderung nach § 24 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB VIII oder können diesen jedenfalls nicht mehr durchsetzen (dazu Rn. 58). Diesen Förderformen misst der Gesetzgeber aber selbst erhebliche Bedeutung für die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte kindliche Persönlichkeitsentwicklung zu. Wird eine solche Betreuung und Förderung – wie vorliegend – von den sorgeberechtigten Eltern gewünscht, geht von den bei Ausbleiben des Impfnachweises eintretenden Folgen ein starker Anreiz aus, die Impfung vornehmen zu lassen und damit auf die körperliche Unversehrtheit der Kinder durch die Verabreichung des Impfstoffs einzuwirken. Dieser vom Gesetzgeber intendierte Druck auf die Eltern, die Gesundheitssorge für ihre Kinder in bestimmter Weise auszuüben, kommt in seiner Wirkung dem unmittelbaren Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gleich. Da insbesondere der von dem Betreuungsverbot ausgehende Druck auf die entscheidungsbefugten Eltern nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Gestattung der Impfungen befördern soll, handelt es sich ebenfalls um einen zielgerichteten mittelbaren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Kinder.
c) Aus Art. 6 Abs. 1 GG, der ein Grundrecht auf Schutz vor störenden Eingriffen des Staates und darüber hinaus eine wertentscheidende Grundsatznorm für das die gesamte Ehe und Familie betreffende Recht enthält (vgl. BVerfGE 6, 55 [71 f.]; 62, 323 [329]; stRspr), folgen hier keine weitergehenden Gewährleistungen. Für das hier vornehmlich betroffene Eltern-Kind-Verhältnis ist das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG spezieller. Es umfasst auch die elterlichen Entscheidungen über die Ausgestaltung der Kinderbetreuung (dazu Rn. 69).
2. Die Eingriffe in die betroffenen Grundrechte der Beschwerdeführenden bedürfen verfassungsrechtlicher Rechtfertigung. In das vorbehaltlos gewährleistete Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) darf auf Grundlage eines formell und materiell verfassungsgemäßen Gesetzes lediglich mit Rücksicht auf kollidierendes Verfassungsrecht eingegriffen werden (vgl. BVerfGE 98, 218 [244 f.]; 107, 104 [118 und 120]). Ein Eingriff in das nach Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG unter einfachem Gesetzesvorbehalt stehende Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit kann ebenfalls nur durch eine formell und materiell verfassungsgemäße Regelung gerechtfertigt werden (vgl. grundlegend BVerfGE 6, 32 [41]).
3. Die angegriffenen Vorschriften sind formell verfassungsgemäß.
a) Dem Bundesgesetzgeber stand die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG zu. Sowohl bei den Pflichten, eine Impfung gegen Masern auf- und nachzuweisen, als auch bei den im Fall des ausbleibenden Nachweises eintretenden Folgen, insbesondere dem Betreuungsverbot nach § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG, handelt es sich um Maßnahmen gegen übertragbare Krankheiten bei Menschen (vgl. zum Maßstab BVerfGE 159, 223 [279 ff. Rn. 118 ff.]), die diesem Kompetenztitel zuzuordnen sind.
Die Masernerkrankung ist eine Infektionskrankheit, die durch das Masernvirus hervorgerufen wird und damit eine übertragbare Krankheit, die auch einen gewissen Grad an Schwere der Erkrankung mit sich bringt und sogar zum Tode führen kann (vgl. RKI-Ratgeber Masern, Stand: 23.07.2021, "Klinische Symptomatik", S. 3 f. und oben Rn. 16). Die Gefahr von Komplikationen in Folge einer Masernerkrankung ist bei Kindern im ersten Lebensjahr besonders hoch; zugleich weist die Altersgruppe die höchste altersspezifische Inzidenz für Masern auf (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 10/2015, S. 72 f. und oben Rn. 16 f.).
Nach ihrem unmittelbaren Regelungsgegenstand, dem Normzweck und der Wirkung der angegriffenen Vorschriften (vgl. zum Maßstab BVerfGE 159, 223 [280 Rn. 121] m.w.N.) handelt es sich im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG um Maßnahmen gegen eine übertragbare Krankheit. Der Auf- und Nachweis eines ausreichenden Impfschutzes gegen Masern oder einer Immunität beugt dem Auftreten der Krankheit vor, insbesondere auch einer Infektion vulnerabler Personen, die sich nicht selbst durch eine Impfung schützen können. Zweck der Regelung ist das Erreichen einer Herdenimmunität, um Personen mit erhöhtem Komplikationsrisiko bei gleichzeitig bestehender Kontraindikation zu einer Masernschutzimpfung dauerhaft und wirksam vor dieser übertragbaren Krankheit zu schützen. Insgesamt zielt der Gesetzgeber auch in der Kooperation mit anderen Staaten und internationalen Organisationen darauf, die Krankheit ganz zu beseitigen (oben Rn. 31).
b) Das Gesetz für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) vom 10. Februar 2020 ist ohne die Zustimmung des Bundesrats wirksam zustande gekommen.
Die angegriffenen Vorschriften enthalten selbst keine zustimmungspflichtigen Inhalte. Auch aus Art. 104a Abs. 4 GG folgt kein Zustimmungsbedürfnis. Nach dieser Bestimmung bedürfen Bundesgesetze, die Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten begründen und von den Ländern als eigene Angelegenheit oder nach Abs. 3 Satz 2 dieses Artikels im Auftrag des Bundes ausgeführt werden, der Zustimmung des Bundesrats, wenn daraus entstehende Ausgaben von den Ländern zu tragen sind. Eine die Zustimmungsbedürftigkeit auslösende bundesgesetzliche Verpflichtung der Länder zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten liegt nur dann vor, wenn das Gesetz nach seinem objektiven Regelungsgehalt bezweckt, Dritten einen Vorteil zu verschaffen (BVerfGE 159, 355 [398 Rn. 90 und 401 Rn. 99). Die Änderung bereits bestehender Geld-, Sach- oder Dienstleistungsgesetze nach Art. 104a Abs. 4 GG ist jedoch nicht zustimmungspflichtig, wenn hierdurch keine Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten begründet, sondern im Gegenteil Leistungen nach einem bestehenden zustimmungspflichtigen Gesetz gestrichen oder gemindert werden (vgl. Hellermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 104a, Rn. 109).
So verhält es sich hier. Zwar ist durch Art. 1 Nr. 12c des Masernschutzgesetzes die bestehende Entschädigungsregelung in § 56 Abs. 1 IfSG durch Anfügen eines Satzes 3 geändert worden. Dieser schränkt aber das vorherige Recht lediglich ein.
c) Das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ist gewahrt. Das von den beschwerdeführenden Kindern als verletzt gerügte Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wird in § 20 Abs. 14 IfSG benannt.
Dessen bedurfte es für das Elternrecht nicht. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG wird nicht von Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst (vgl. Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, 95. EL Juli 2021, Art. 19 Abs. 1, Rn. 53; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 6, Rn. 54 und Art. 19, Rn. 5 und 5a; a.A. Huber, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 19 Abs. 1, Rn. 71 f.). Das Zitiergebot dient der Sicherung derjenigen Grundrechte, die aufgrund eines spezifischen, vom Grundgesetz vorgesehenen Gesetzesvorbehalts über die im Grundrecht selbst angelegten Grenzen hinaus eingeschränkt werden können (vgl. BVerfGE 24, 267 [396]; 28, 36 [46]; 64, 72 [79]). Von solchen Grundrechtseinschränkungen grenzt es andersartige grundrechtsrelevante Regelungen ab, die der Gesetzgeber in Ausführung ihm obliegender, im Grundrecht vorgesehener Regelungsaufträge, Inhaltsbestimmungen oder Schrankenziehungen vornimmt (vgl. BVerfGE 64, 72 [80 f.]). Kommt es danach für die Anwendbarkeit von Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG maßgeblich auf das Vorhandensein grundrechtsspezifischer Gesetzesvorbehalte an, fällt das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht in den Anwendungsbereich. Es unterliegt gerade keinem solchen Gesetzesvorbehalt und ist deshalb lediglich sich aus der Verfassung selbst ergebenden Einschränkungen zugänglich (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 15. März 2007 – 1 BvR 2780/06 –, Rn. 34). Aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG folgt nichts Anderes. Es handelt sich nicht um einen Gesetzesvorbehalt in dem hier maßgeblichen Sinn.
4. Die Eingriffe sowohl in das Recht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG als auch diejenigen in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) der Kinder sind verfassungsrechtlich allein bei verfassungskonformer Auslegung von § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG gerechtfertigt. Dann genügen sie den Anforderungen des Grundsatzes des Gesetzesvorbehalts (a) und sind im verfassungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig (b).
a) Die angegriffenen Regelungen genügen den aus dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts folgenden Anforderungen nur bei verfassungskonformer Auslegung von § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG. Verfassungskonform muss diese Vorschrift so verstanden werden, dass bei ausschließlicher Verfügbarkeit von Kombinationsimpfstoffen, die auch Impfstoffkomponenten gegen andere Krankheiten als Masern enthalten, die Pflicht aus § 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG nur besteht, wenn es sich nicht um andere Impfstoffkomponenten als solche gegen Mumps, Röteln oder Windpocken handelt.
aa) Demokratie- (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) und Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebieten, dass der Gesetzgeber die wesentlichen Fragen selbst regelt. "Wesentlich" bedeutet zum einen "wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte". Eine Pflicht des Gesetzgebers, die für den fraglichen Lebensbereich erforderlichen Leitlinien selbst zu bestimmen, kann etwa dann bestehen, wenn miteinander konkurrierende Freiheitsrechte aufeinandertreffen, deren Grenzen fließend und nur schwer auszumachen sind. Der Gesetzgeber ist zum anderen zur Regelung der Fragen verpflichtet, die für Staat und Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sind (BVerfGE 161, 299 [349 Rn. 125] m.w.N.). Mit diesen Anforderungen soll auch gewährleistet werden, dass Entscheidungen von besonderer Tragweite aus einem Verfahren hervorgehen, das der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten, und das die Volksvertretung dazu anhält, Notwendigkeit und Ausmaß von Grundrechtseingriffen in öffentlicher Debatte zu klären. Allerdings kennt das Grundgesetz keinen Gewaltenmonismus in Form eines umfassenden Parlamentsvorbehalts. Unter Wahrung der Voraussetzungen von Art. 80 Abs. 1 GG kann der Verordnungsgeber in die Regelungsaufgabe einbezogen werden, wobei die wesentlichen Fragen aber durch den Gesetzgeber zu klären sind (vgl. BVerfGE 157, 30 [172 f. Rn. 260] m.w.N.).
bb) (1) Diesen Anforderungen genügte § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG nicht, wenn er so zu verstehen wäre, dass § 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG auch gilt, wenn nur Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, die weitere Impfstoffkomponenten als die bei Verabschiedung des Gesetzes verfügbaren Impfstoffe enthielten (siehe dazu etwa Aligbe, in: BeckOK/Infektionsschutzrecht, 12. Edition, Stand 1. Juli 2022, § 20 Rn. 207; Amhaouach/Kießling, MedR 2019, 853 [861]; Pieper/Schwager-Wehming, DÖV 2021, 287 [290]; siehe auch Gebhard, Impfpflicht und Grundgesetz, 2022, S. 287). Der Wortlaut von § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG enthält keine ausdrücklichen Beschränkungen von Impfstoffkomponenten "gegen andere Krankheiten" als Masern, die in auch zur Masernimpfung verwendeten Kombinationsimpfstoffen enthalten sind. So verstanden, wirkte § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG ähnlich wie eine dynamische Verweisung, nach der die Pflicht zum Auf- und Nachweis einer Masernimpfung auch zukünftig bei ausschließlicher Verfügbarkeit von Mehrfachimpfstoffen mit beliebig vielen weiteren Impfstoffkomponenten gegen andere Krankheiten als Masern gölte. Die tatsächlichen Bedingungen der Erfüllung der Auf- und Nachweispflicht wären dann davon abhängig, welche Impfstoffe mit welchen Komponenten nach der jeweiligen Marktlage verfügbar sind. Dann fänden die tatsächlich vorhandenen Möglichkeiten, den Pflichten aus § 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG nachzukommen, jedoch keine hinreichende Grundlage mehr im Gesetz (vgl. zu einer ähnlichen Wirkung einer dynamischen Verweisung BVerfGE 160, 336 [341 f. Rn. 14]; siehe auch BRDrucks 358/1/19, S. 32). Das Gewicht des Eingriffs in die hier betroffenen Grundrechte der Kinder und ihrer Eltern wird aber durch die Anzahl der in einem Kombinationsimpfstoff enthaltenen Impfstoffkomponenten mitbestimmt. Die Frage, durch welche Impfstoffe die Pflicht erfüllt werden kann, eine Masernimpfung auf- und nachzuweisen, ist daher wesentlich für die Grundrechte und grundsätzlich durch den Gesetzgeber zu klären. Inwieweit er darin den Verordnungsgeber einbeziehen kann, bestimmt sich nach Art. 80 Abs. 1 GG.
(2) § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG ist dennoch nicht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts verfassungswidrig. Bei verfassungskonformer Auslegung genügt die Vorschrift dessen Anforderungen.
§ 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG kann verfassungskonform so auslegt werden, dass die Pflicht aus § 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG bei ausschließlicher Verfügbarkeit von Kombinationsimpfstoffen nur dann gilt, wenn es sich dabei um solche handelt, die keine weiteren Impfstoffkomponenten enthalten als die gegen Masern, Mumps, Röteln oder Windpocken. Allein auf Mehrfachimpfstoffe gegen diese Krankheiten beziehen sich die vom Gesetzgeber des Masernschutzgesetzes getroffenen grundrechtlichen Wertungen (vgl. BTDrucks 19/13452, S. 28).
Damit werden die Grenzen verfassungskonformer Auslegung nicht überschritten. Zwar enthält der Wortlaut von § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG keine Beschränkung derjenigen Krankheiten, bezüglich derer Impfstoffkomponenten in einem Mehrfachimpfstoff enthalten sein dürfen. Durch die verfassungskonforme Beschränkung auf die vorgenannten Mehrfachimpfstoffkombinationen wird jedoch dem Gesetz weder ein entgegengesetzter Sinn verliehen, noch der normative Gehalt der Norm grundlegend neu bestimmt, oder das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt (näher dazu BVerfGE 149, 126 [154 f. Rn. 73 ff.] m.w.N.). So bietet die Entstehungsgeschichte der Vorschrift ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Erfüllung der Pflichten aus § 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG bei ausschließlicher Verfügbarkeit von Mehrfachimpfstoffen auf die genannten Kombinationen beschränken wollte. Die Begründung des Gesetzentwurfs nennt allein Kombinationsimpfstoffe gegen Masern-Mumps-Röteln oder Masern-Mumps-Röteln-Windpocken (vgl. BTDrucks 19/13452, S. 28) und geht von der Anwendbarkeit von Satz 1 bei Verfügbarkeit nur dieser Kombinationsimpfstoffe aus. So heißt es in der Begründung zu dem jetzigen § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG, der in dem Entwurf noch Satz 2 war:
Auch die in der Begründung ausdrücklich angesprochene Einbindung der gesetzlichen Regelungen in die Zielsetzung der Mitgliedstaaten der Europäischen Region der Weltgesundheitsorganisation, Masern schrittweise zu eliminieren, auf die sich der Gesetzgeber bezieht (vgl. BTDrucks 19/13452, S. 1), sprechen für eine Begrenzung der Maßnahme zur Zielerreichung gerade durch die seit langem in diesen Staaten verwendeten Mehrfachimpfstoffe, die sich auf die genannten Kombinationen beschränken (oben Rn. 26). Die Wirkstoffkombination und Wirkungsweise dieser Impfstoffe war seit Jahren unverändert und bewährt, deren Anwendung wurde und wird seit vielen Jahren von der Ständigen Impfkommission empfohlen. Die vom Paul-Ehrlich-Institut geführte Liste zugelassener Kombinationsimpfstoffe weist zudem aus, dass es sich bei den auch masernwirksamen Kombinationsimpfstoffen seit langem ausschließlich um solche mit den weiteren Komponenten gegen Mumps, Röteln und Windpocken handelt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen wäre, dass sich die seit Jahren unveränderte Lage dahingehend verändern könnte, dass sich Wirkstoffkombinationen der in Deutschland zugelassenen Masernimpfstoffe in absehbarer Zeit ändern und zu den Mumps-, Röteln- und Windpocken-Impfstoffkomponenten weitere hinzukommen könnten.
Auf dieser Grundlage lässt sich nicht annehmen, der Gesetzgeber habe mit § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG eine Regelung schaffen wollen, die zukünftige Mehrfachimpfstoffe mit weitere Krankheiten betreffenden Impfstoffkomponenten umfasste. Dass sein Wortlaut trotz der im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Zweifel an der Regelungstechnik (vgl. BRDrucks 358/1/19, S. 32) nicht geändert worden ist, steht der verfassungskonformen Auslegung nicht entgegen.
b) Die angegriffenen Regelungen sind in dieser Auslegung auch im verfassungsrechtlichen Sinne verhältnismäßig. Mit ihnen verfolgt der Gesetzgeber legitime Zwecke (aa). Die Regelungen sind zur Erreichung dieses Zwecks sowohl geeignet (bb) als auch erforderlich (cc). Trotz des nicht unbeträchtlichen Eingriffsgewichts belasten sie weder die betroffenen Kinder noch deren Eltern in ihren jeweiligen Grundrechten unzumutbar, sondern sind zum Schutz von einer Masernerkrankung besonders gefährdeter Personen verhältnismäßig im engeren Sinne (dd).
aa) Die in § 20 Abs. 8, 9 und 12 IfSG festgelegten Pflichten, für den Fall einer Betreuung in bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen eine Masernimpfung auf- und nachzuweisen, verfolgen ebenso wie das bei Ausbleiben des Nachweises eintretende Betreuungsverbot (§ 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG) einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck. Gleiches gilt für die Übertragung der Erfüllung der Nachweispflicht von Kindern auf ihre Eltern in § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG.
(1) Durch gesetzliche Regelungen erfolgende Eingriffe in Grundrechte können nur dann gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber mit dem Gesetz verfassungsrechtlich legitime Zwecke verfolgt. Will der Gesetzgeber Gefahren für die Allgemeinheit oder für Rechtsgüter Einzelner begegnen, muss die dahingehende Annahme des Gesetzgebers auf hinreichend tragfähigen Grundlagen beruhen. Je nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter und den Möglichkeiten des Gesetzgebers, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, kann die verfassungsgerichtliche Kontrolle dabei von einer bloßen Evidenz- über eine Vertretbarkeitskontrolle bis hin zu einer intensivierten inhaltlichen Kontrolle reichen. Je schwerer die durch die zur Überprüfung gestellte gesetzliche Regelung bewirkte Grundrechtsbeeinträchtigung wiegt, desto höher ist auch die Kontrolldichte. Umgekehrt können die Schwere der drohenden Gefahren, die der Gesetzgeber abwehren will, und das Gewicht der gefährdeten Rechtsgüter, die der Gesetzgeber schützen will, einen größeren Einschätzungsspielraum mit sich bringen (vgl. BVerfGE 159, 223 [298 ff. Rn. 169 ff.] m.w.N. und 161, 299 [360 f. Rn. 151 f.]).
(2) Danach verfolgt der Gesetzgeber durch die hier angegriffenen Regelungen mit dem Schutz vulnerabler Personen vor einer für sie gefährlichen Masernerkrankung einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck (a). Seine Annahme, von Personen, die keinen ausreichenden Impfschutz oder eine Immunität gegen Masern aufweisen, könnten Gefahren für das Leben und die Gesundheit insbesondere von Personen ausgehen, die sich selbst nicht durch eine Impfung vor einer Masernerkrankung zu schützen vermögen, beruht auf zuverlässigen Grundlagen und hält auch der strengen verfassungsrechtlichen Prüfung stand (b).
(a) Die angegriffenen Vorschriften des Masernschutzgesetzes bezwecken einen verbesserten Schutz vor Maserninfektionen, insbesondere bei Personen, die regelmäßig in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen mit anderen Personen in Kontakt kommen (vgl. BTDrucks 19/13452, S. 16). Das soll nicht nur die Einzelnen gegen die Erkrankung schützen, sondern gleichzeitig die Weiterverbreitung der Krankheit in der Bevölkerung verhindern, was eine ausreichend hohe Impfquote in der Bevölkerung erfordert. So können auch Personen geschützt werden, die aus medizinischen Gründen selbst nicht geimpft werden können, bei denen aber schwere klinische Verläufe im Fall einer Infektion drohen. Das kann vor allem bei Personen mit geschwächtem oder fehlendem Immunsystem der Fall sein. Aber auch Säuglinge können betroffen sein. Sie sollen in der Regel frühestens im Alter von neun Monaten geimpft werden. Dann hat ihr gegebenenfalls durch die Mutter erlangter Immunschutz aber bereits nachgelassen. Sie sind deswegen darauf angewiesen, dass alle Menschen in ihrer Umgebung geimpft sind und sie dadurch vor einer Ansteckung bewahrt werden. Es besteht daher ein hohes öffentliches Interesse an einem den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission entsprechenden Impfschutz der Bevölkerung. Zudem will der Gesetzgeber das von der Weltgesundheitsorganisation verfolgte Ziel unterstützen, die Masernkrankheit in den Mitgliedstaaten sukzessiv zu eliminieren, um die Krankheit schließlich weltweit zu überwinden (vgl. BTDrucks 19/13452, S. 26).
Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs zielen die gegenständlichen Vorschriften des Masernschutzgesetzes darauf ab, durch Schutzimpfungen eine Infektion mit hochansteckenden Masern sowie die mit schweren Komplikationen bis hin zu Todesfällen verlaufenden Masernerkrankungen zu verhindern (vgl. BTDrucks 19/13452, S. 16). Damit kommt der Gesetzgeber erkennbar seiner in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wurzelnden Schutzpflicht nach. Lebens- und Gesundheitsschutz sind bereits für sich genommen überragend wichtige Gemeinwohlbelange und daher verfassungsrechtlich legitime Gesetzeszwecke. Die Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG greift nicht erst dann ein, wenn Verletzungen bereits eingetreten sind, sondern ist auch in die Zukunft gerichtet. Aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, der den Schutz Einzelner vor Beeinträchtigungen ihrer körperlichen Unversehrtheit und ihrer Gesundheit umfasst, kann daher auch eine Schutzpflicht des Staates folgen, Vorsorge gegen Gesundheitsbeeinträchtigungen zu treffen (BVerfGE 161, 299 [262 f. Rn. 155] m.w.N.). Die Pflicht umfasst auch den Schutz solcher Personen vor den Gefahren einer Masernerkrankung, die sich durch eine Impfung individuell nicht dagegen schützen können. Bei dem durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gebotenen Lebens- und Gesundheitsschutz von vulnerablen Personen handelt es sich selbst um ein Verfassungsgut, das grundsätzlich eine Einschränkung des nicht mit einem Gesetzesvorbehalt versehenen Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG wie auch des Grundrechts der zu impfenden Kinder auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG rechtfertigen kann.
(b) Die Annahme des Gesetzgebers, es handele sich bei Masern um eine der ansteckendsten Infektionskrankheiten beim Menschen, die in einer nicht geringen Zahl von Fällen zu schweren Komplikationen führt (vgl. BTDrucks 19/13452, S. 16 und 26), beruht auf zuverlässigen Grundlagen. Gleiches gilt für die Einschätzungen einer bei Inkrafttreten des Masernschutzgesetzes für den Gemeinschaftsschutz nicht ausreichend hohen Impfquote und von Infektionsgefahren für vulnerable Personen in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen (vgl. BTDrucks 19/13452, S. 1 f. und 16). Innerhalb seines allerdings wegen der gesicherten Erkenntnislage und des Gewichts der Grundrechtseingriffe engen Einschätzungsspielraums konnte der Gesetzgeber in Einklang mit Verfassungsrecht von einer Gefahrenlage für durch eine Masernerkrankung verletzliche Personen ausgehen, insbesondere Säuglinge oder andere Personen, die sich nicht selbst durch eine Impfung schützen können.
(aa) Masern sind nach gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis eine nicht therapierbare Krankheit, die zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten gehört (vgl. RKI, Infektionskrankheiten A – Z, Masern, Gemeinschaftsschutz und Elimination, Stand 28. Februar 2020; siehe auch oben Rn. 15). Eine Übertragung von Masernviren kann auch ohne direkten Kontakt mit einer infektiösen Person stattfinden (z.B. durch Aufenthalt in einem Raum, in dem sich zuvor ein Masern-Erkrankter befand). Infolge der hohen Übertragungsfähigkeit des Krankheitserregers und der hohen Wahrscheinlichkeit, dass eine mit dem Erreger infizierte Person manifest, also erkennbar erkrankt, erkranken faktisch alle nicht immunen Menschen, die unmittelbar Übertragungsbedingungen ausgesetzt waren. Masern können, insbesondere bei Kindern unter fünf Jahren und bei Erwachsenen, zum Teil zu schweren Komplikationen (u.a. bakterielle Pneumonie, Enzephalitis) führen. Hinzu kommt, dass Personen mit einer medizinischen Kontraindikation zu einer Masernschutzimpfung (Säuglinge bis zum neunten Lebensmonat, Schwangere, Personen mit schweren Einschränkungen des Immunsystems) sich nicht selbst wirksam vor der Infektion schützen können. Zugleich besteht bei ihnen jedoch im Falle der Erkrankung eine höhere Wahrscheinlichkeit für schwere Verläufe und eine besonders hohe altersspezifische Inzidenz für Masern. Die höchste altersspezifische Wahrscheinlichkeit für eine Ansteckung mit Masern besteht bei Kindern im ersten Lebensjahr (RKI, Epidemiologisches Bulletin 10/2015, S. 72 f.; siehe auch Mers, Infektionsschutz im liberalen Rechtsstaat, 2019, S. 174 sowie oben Rn. 16 f.).
(bb) Auch die Annahme fehlender Herdenimmunität und des Auftretens von Maserninfektionen in vom Masernschutzgesetz erfassten Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen beruhte bei dessen Verabschiedung auf zuverlässigen Erkenntnissen. So wurden in den Jahren 2014 bis 2018 dem Robert Koch-Institut Daten von insgesamt 430 Masern-Ausbrüchen mit 3.178 Masernfällen übermittelt. Als Ausbrüche gelten Häufungen von zwei und mehr Fällen. Für rund 21% dieser Ausbrüche wurde das Umfeld einer medizinischen Einrichtung, Betreuungseinrichtungen sowie Einrichtungen für Asylsuchende angegeben. Rund 28% aller Masernfälle traten in diesen Umfeldern auf (RKI, Epidemiologisches Bulletin 2/2020, S. 8 und oben Rn. 19). Für den angestrebten Gemeinschaftsschutz durch einen ausreichend hohen Anteil von gegen Masern geimpften oder sonst immunisierten Personen ist nach gesichertem Wissen eine Quote von 95% erforderlich (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 10/2020, S. 3). Diese Quote ist in Deutschland weder in der Gesamtbevölkerung noch in den Altersgruppen erreicht, die in Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden, die im vorliegenden Verfahren gegenständlich sind (näher Rn. 30 f.).
(cc) Die tatsächlichen Grundlagen der gesetzgeberischen Annahme einer Gefahrenlage für Personen mit fehlender Immunität gegen Masern haben sich nachträglich nicht in einer Weise verändert, die die verfassungsrechtliche Legitimität der verfolgten Zwecke in Frage stellt. Zwar ist die Anzahl der dem Robert Koch-Institut gemeldeten Masernfälle im Jahr 2020 mit 76 deutlich gegenüber dem Niveau der Vorjahre abgesunken (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 15/2021, S. 6). Das ist jedoch auf die zeitweilig ergriffenen Maßnahmen zum Schutz vor dem SARS-CoV-2-Virus zurückzuführen. Da diese Maßnahmen derzeit in weitem Umfang entfallen und wieder ein Anstieg von Infektionskrankheiten, und damit auch von Masern, zu erwarten ist (vgl. allgemein zu dieser Tendenz Buda u.a., ARE-Wochenbericht KW 25/2022, Arbeitsgemeinschaft Influenza, Robert Koch-Institut), kann weiter von einer Gefahrenlage für vulnerable Personen ausgegangen werden. Der Gesetzgeber verfolgt daher mit dem Individualschutz durch Impfung impfgeeigneter Personen und auch dem Schutz der Bevölkerung als Instrument für diejenigen, die sich selbst nicht durch Impfung vor einer Masernerkrankung schützen können, verfassungsrechtlich legitime Ziele.
bb) Die auf Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen bezogene Auf- und Nachweispflicht ist ebenso wie das bei ausbleibendem Nachweis geltende Betreuungsverbot (§ 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG) im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet, die mit dem Masernschutzgesetz verfolgten Zwecke zu erreichen.
(1) Verfassungsrechtlich genügt für die Eignung bereits die Möglichkeit, durch die gesetzliche Regelung den Gesetzeszweck zu erreichen. Eine Regelung ist erst dann nicht mehr geeignet, wenn sie die Erreichung des Gesetzeszwecks in keiner Weise fördern oder sich sogar gegenläufig auswirken kann (BVerfGE 161, 299 [367 f. Rn. 166]; stRspr).
(2) Daran gemessen erweisen sich die angegriffenen Regelungen als geeignetes Mittel, um vulnerable Personen vor einer Masernerkrankung und damit gegebenenfalls einhergehenden schweren Krankheitsverläufen zu schützen. Sie können sowohl dazu beitragen, die Impfquote in der Gesamtbevölkerung zu erhöhen als auch dazu, diejenige in solchen Gemeinschaftseinrichtungen zu steigern, in denen vulnerable Personen betreut werden oder zumindest regelmäßig Kontakt zu den Einrichtungen und den dort betreuten und tätigen Personen haben. Werden dort künftig grundsätzlich nur noch Kinder mit Impfschutz oder Immunität betreut, trägt das – ebenso wie das Betreuungsverbot des § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG – zu einer Reduzierung der Ansteckungsgefahr mit dem Masernvirus bei. Angesichts einer Betreuungsquote in Kindertagesbetreuung von 34,3% bei unter 3-Jährigen und von 93% bei 3- bis 5-Jährigen (vgl. Statistisches Bundesamt, Betreuungsquoten der Kinder unter 6 Jahren in der Kindertagesbetreuung am 1. März 2019 nach Ländern, Stand: 26. September 2019) erhöht sich hierdurch auch insgesamt die Impfquote in der Bevölkerung.
Bei einer von § 20 Abs. 8 Satz 2 IfSG vorgegebenen zweifachen Impfung gegen Masern wird nach gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen von einer Impfeffektivität von 95 bis 100% im Mittel ausgegangen. Das gilt auch bei der Verwendung eines von § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG erfassten Kombinationsimpfstoffs (vgl. zu beidem RKI, Epidemiologisches Bulletin 2/2020, S. 10 f.; siehe auch WHO Positionspapier – April 2017, Weekly epidemiological record, No. 17, 2017, 92, 213 ff.). Der Impfschutz wirkt lebenslang.
cc) Die Pflichten, bei Betreuung in bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen eine Masernimpfung auf- und nachzuweisen, sowie das bei Ausbleiben des Nachweises geltende Betreuungsverbot nach § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG sind sowohl zum Schutz der Einzelnen als auch zum Schutz der Bevölkerung vor Masern im verfassungsrechtlichen Sinne erforderlich. Unter Berücksichtigung eines dem Gesetzgeber hier zukommenden Einschätzungsspielraums ist nicht erkennbar, dass andere, in der Wirksamkeit eindeutig gleichen, aber die betroffenen Grundrechte von Kindern und Eltern weniger stark einschränkenden Mittel zur Verfügung standen.
(1) Grundrechtseingriffe dürfen nicht weitergehen, als es der Gesetzeszweck erfordert. Daran fehlt es, wenn ein gleich wirksames Mittel zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels zur Verfügung steht, das Grundrechtsträger weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahmen zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen. Dem Gesetzgeber steht grundsätzlich auch für die Beurteilung der Erforderlichkeit ein Einschätzungsspielraum zu. Dieser bezieht sich unter anderem darauf, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen auch im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren. Der Spielraum kann sich wegen des betroffenen Grundrechts und der Intensität des Eingriffs verengen. Umgekehrt reicht er umso weiter, je höher die Komplexität der zu regelnden Materie ist. Auch hier gilt, dass bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen tatsächliche Unsicherheiten grundsätzlich nicht ohne Weiteres zulasten der Grundrechtsträger gehen dürfen. Dient der Eingriff dem Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Gesetzgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die verfassungsgerichtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose beschränkt (BVerfGE 161, 299 [378 Rn. 187] m.w.N.).
(2) Hiervon ausgehend stand dem Gesetzgeber trotz des Gewichts des Eingriffs in die Grundrechte von Kindern und Eltern bei der Eignungsprognose alternativer Mittel ein Einschätzungsspielraum zu. Anders als die Annahme einer Gefahrenlage für vulnerable Personen im Falle einer Masernerkrankung (dazu Rn. 107) erweist sich die Einschätzung der Wirksamkeit der vom Gesetzgeber geregelten Maßnahmen im Vergleich zu Alternativen als weniger gesichert. Das betrifft vor allem die Einschätzung darüber, ob durch eine verbesserte Aufklärung, vermehrte Ansprache sowie eine verstärkte Überwachung eine für die Herdenimmunität ausreichende Impfquote bei der von den angegriffenen Regelungen erfassten Personengruppe erreicht werden könnte. Die Wirksamkeit solcher Kinder- und Elterngrundrechte weniger beeinträchtigenden Maßnahmen wird auch von den im Verfahren um Stellungnahmen ersuchten sachkundigen Dritten unterschiedlich beurteilt.
So hält etwa der Verein Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung eine Vielzahl anderer Maßnahmen als eine Pflicht zum Auf- und Nachweis einer Impfung für in zumindest gleicher Weise geeignet, um Impflücken zu schließen. Er verweist unter anderem auf Erinnerungs- und Recallsysteme, niederschwellige Impfangebote in Kindertagesstätten und Schulen sowie sogenannte Catch-up-Impfkampagnen in den von Impflücken besonders betroffenen Geburtenjahrgängen. Ähnlich weist auch die Bundeselternvertretung auf die Notwendigkeit besserer Information und Beratung über Masernschutzimpfungen hin und fordert eine umfassende Evaluation vorhandener Impfhindernisse ein. Zugleich äußert sie Zweifel, ob bereits alle zur Verfügung stehenden Mittel genutzt worden seien, um Impfhürden abzubauen.
Demgegenüber gelangt die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin zu der Einschätzung, sämtliche bisherigen Maßnahmen, um die Impfquoten zu erhöhen – beispielsweise die seit 2015 bestehende verpflichtende ärztliche Impfberatung vor der Aufnahme eines Kindes nach § 34 Abs. 10a IfSG – reichten nicht aus, um frühzeitig Impfraten über 95% zu erreichen, insbesondere bei Kindern, die in Gemeinschaftseinrichtungen betreut würden und dort einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt seien. In vergleichbarer Weise beurteilt die Deutsche Gesellschaft für Virologie – auch im Namen der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung von Viruserkrankungen stellungnehmend – die Wirksamkeit bislang ergriffener Maßnahmen zur Steigerung der Impfquote. So hätten etwa die Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission, der kostenfreie Zugang zu Kombinationsimpfstoffen, das Erstellen eines Nationalen Aktionsplans oder Informationskampagnen der Bundeszentrale für politische Aufklärung zwar zur Steigerung der Durchimpfungsrate geführt. Das Ziel von wenigstens 95% mit zwei Dosen bis zum Ende des zweiten Lebensjahrs sei jedoch nicht erreicht worden.
Derartige Unsicherheiten über die Wirksamkeit der vom Gesetzgeber gewählten Maßnahmen zur Zielerreichung einerseits und weiterer möglicherweise geeigneter Maßnahmen andererseits eröffnen dem hier zum Schutz besonders gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter, nämlich von Leben und Gesundheit vulnerabler Personen, handelnden Gesetzgeber nach dem dargelegten Maßstab einen Einschätzungsspielraum. Das Bundesverfassungsgericht ist dann auf eine Vertretbarkeitskontrolle seiner Eignungseinschätzung beschränkt (vgl. BVerfGE 159, 223 [305 Rn. 185] m.w.N. und 161, 299 [378 Rn. 187]).
(3) Danach ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber andere Maßnahmen zur Gewährleistung des angestrebten Individual- und Gemeinschaftsschutzes als nicht sicher gleich wirksam angesehen hat. Dafür konnte er sich auf hinreichend tragfähige Grundlagen stützen.
(a) Der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, dass Maßnahmen zur Steigerung der Masernimpfquote, die nicht mit Auf- und Nachweispflichten sowie dem bei deren Ausbleiben geltenden Ausschluss von einrichtungsbezogener frühkindlicher und kindlicher Förderung verbunden sind, zur Erreichung der Gesetzesziele nicht sicher gleich wirksam sind. Auf der Grundlage der vorhandenen, wenn auch kontrovers bewerteten Erkenntnisse zur Impfbereitschaft und den dafür maßgeblichen Gründen durfte der Gesetzgeber unter Berücksichtigung seines Einschätzungsspielraums annehmen, ohne entsprechenden Druck auf die Willensbildung der Eltern die erforderliche Impfquote nicht gleichermaßen erreichen zu können.
Dafür gibt es belastbare Anhaltspunkte. So wurden ab dem Jahr 1972 durch die Ständige Impfkommission öffentliche Empfehlungen für Schutzimpfungen ausgesprochen. Deren Bedeutung wurde durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 26. März 2007 (BGBl I 2007 S. 378) deutlich gesteigert, weil auf der Grundlage dieser Empfehlung Schutzimpfungen in den Pflichtleistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen wurden (vgl. 20d Abs. 1 Satz 3 SGB V in der Fassung vom 26. März 2007 bzw. jetzt: § 20i Abs. 1 Satz 3 SGB V). Mit dem Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention vom 17. Juli 2015 (BGBl I 2015 S. 1368) sollte durch eine Reihe weiterer gesetzlicher Maßnahmen die Impfprävention gefördert werden. Neben Informationskampagnen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ("Deutschland sucht den Impfpass"), der Überprüfung des Impfschutzes bei allen Routine-Gesundheitsuntersuchungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie der Möglichkeit für Betriebsärzte, allgemeine Schutzimpfungen vorzunehmen, wurde die Aufnahme eines Kindes in einer Kindertagesstätte von dem Nachweis einer ärztlichen Impfberatung abhängig gemacht (§ 34 Abs. 10a IfSG). Auch der vorübergehende Ausschluss von ungeimpften Kindern beim Auftreten von Masern in einer Gemeinschaftseinrichtung wurde ermöglicht (§ 28 Abs. 2 IfSG). Die für den Schutz der Bevölkerung mittels Herdenimmunität erforderliche Impfquote konnte aber dadurch nicht erreicht werden.
Aus den ihm vorliegenden wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen konnte der Gesetzgeber daher ungeachtet abweichender Einschätzungen eines Teils der im hiesigen Verfahren um Stellungnahme gebetenen sachkundigen Dritten den Schluss ziehen, dass diese Maßnahmen bislang nicht genügt haben, um eine Herdenimmunität gegen Masern herzustellen. Für die Vertretbarkeit seiner Einschätzung spricht weiterhin, dass trotz der bisher ergriffenen Anreizmaßnahmen die Impfquoten nach einem zunächst deutlichen Anstieg seit Jahren stagnieren (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 18/2019, S. 150). Bei von den hier angegriffenen Regelungen betroffenen Altersgruppen wird die erforderliche Durchimpfungsrate ebenfalls bislang nicht erreicht (dazu oben Rn. 30 f.). Ausweislich einer Erhebung der Kassenärztlichen Vereinigung aus dem Jahr 2020, auf deren Ergebnisse das Robert Koch-Institut Bezug nimmt, lag sie bezogen auf den Geburtenjahrgang 2014 bei 70,6% und bezüglich der Geburtenjahrgänge 2015 bis 2016 bei 69,9% (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 32/33/2020, S. 13). Auf der Grundlage dieser Informationen konnte der Gesetzgeber annehmen, mittels Intensivierung der Aufklärung über Sinn und Zweck der Masernschutzimpfung nicht gleich sicher die mit dem Gesetz verfolgten Ziele erreichen zu können.
(b) Der Erforderlichkeit der angegriffenen Regelungen steht nicht entgegen, dass § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG den Aufweis einer durch Impfung erlangten Masernimmunität auch dann verlangt, wenn lediglich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen und es im Inland seit einigen Jahren auch keine zugelassenen Monoimpfstoffe mehr gibt. Zwar würde die Verpflichtung, eine Impfung mit einem Monoimpfstoff auf- und nachzuweisen, weniger stark in die durch das Elternrecht geschützte Gesundheitssorge und die durch eine Impfstoffinjektion beeinträchtigte körperliche Unversehrtheit der Kinder eingreifen. Eltern und Kinder müssten dann nicht die Injektion weiterer Impfstoffe hinnehmen, um den Aufweis der Masernimpfung zu erlangen. Gegen die gleiche Eignung des Mittels zur Zielerreichung spricht dabei nicht, dass der Monoimpfstoff eben nur gegen Masernerkrankung und nicht auch gegen die durch den Mehrfachimpfstoff darüber hinaus bekämpften Krankheiten schützt. Denn die Frage der gleichen Eignung muss anhand des Gesetzeszwecks beurteilt werden. Die Bekämpfung sonstiger Krankheiten ist aber nicht Zweck der allein gegen Masern gerichteten Regelung.
Gegen die gleiche Eignung einer nur auf Monoimpfstoffe gerichteten Regelung spricht jedoch, dass es im Inland mittlerweile keine Masernmonoimpfstoffe mehr gibt, für früher angebotene Monoimpfstoffe inzwischen mangels Nutzung sogar die Zulassung entfallen ist. Vor diesem Hintergrund wäre der Zweck des Gesetzes mit einer auf Monoimpfstoffe beschränkten Verpflichtung weniger gut zu erreichen, weil alle Kinder ungeimpft blieben, deren Eltern der Verwendung eines Kombinationsimpfstoffs nicht freiwillig zustimmen. Auch eine gesetzliche Verpflichtung zuständiger staatlicher Stellen, solche Monoimpfstoffe herstellen zu lassen oder sonst für deren Verfügbarkeit im Inland zu sorgen, wäre keine gleich geeignete Maßnahme im Sinne der verfassungsrechtlichen Erforderlichkeit. Zwar könnte möglicherweise eine gesetzliche Regelung zur zentralen Beschaffung oder Herstellung sowie das Inverkehrbringen von Monoimpfstoffen getroffen werden (vgl. für den Fall einer Pandemie etwa die Verordnung zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Produkten des medizinischen Bedarfs bei der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Epidemie [Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung – MedBVSV] vom 25. Mai 2020). So wird derzeit ein Monoimpfstoff etwa in der Schweiz vertrieben. Da aber bereits seit längerem weder in Deutschland noch in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein Markt für solche Monoimpfstoffe – wohl wegen der Ausrichtung der Hersteller an den bei Masern auf Kombinationsimpfstoffe lautenden Empfehlungen der zuständigen Impfkommissionen (vgl. BTDrucks 19/15301, S. 4; zur entsprechenden Impfempfehlung der STIKO vgl. RKI Epidemiologisches Bulletin 34/2019, S. 327) – vorhanden zu sein scheint, ginge eine staatlich verantwortete Beschaffung des Impfstoffs mit einer Belastung der Allgemeinheit einher. Mit einer Belastung von Dritten oder der Allgemeinheit verbundene alternative Maßnahmen stellen die Erforderlichkeit der angegriffenen Maßnahmen aber gerade nicht in Frage (vgl. BVerfGE 113, 167 [259]; 148, 40 [57 Rn. 47]).
Ist allerdings der von § 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG geforderte Impfschutz durch einen, etwa auf der Grundlage von § 73 Abs. 3 Halbsatz 1 AMG aus dem Ausland eingeführten, Monoimpfstoff erlangt worden, ist dies regelmäßig als zur Erreichung des Gesetzeszwecks ebenso geeignetes Mittel anzusehen (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 5. Mai 2022 – AN 18 S 22.00535 –, Rn. 46 ff.). Die Impfung mit einem im Inland zur Verfügung stehenden Mehrfachimpfstoff ist dann nicht erforderlich und darf zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit nicht gefordert werden.
dd) Die beanstandeten Vorschriften über die Pflicht zum Auf- und Nachweis einer Masernimpfung sowie das bei Ausbleiben des Nachweises geltende Betreuungsverbot erweisen sich auch als angemessen und damit verhältnismäßig im engeren Sinn. Trotz des nicht unerheblichen Gewichts der mittelbaren Eingriffe in das Grundrecht der Kinder aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und in das der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG werden diese jeweils nicht unzumutbar im Hinblick auf den Schutz von Leben und Gesundheit durch eine Masernerkrankung gefährdeter Personen belastet.
(1) Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordern, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen (vgl. BVerfGE 155, 119 [178 Rn. 128]; stRspr). Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in einer Abwägung Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits der Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Ziele andererseits gegenüberzustellen (vgl. BVerfGE 156, 11 [48 Rn. 95]). Insbesondere im Fall einer Kollision der abwehr- und der schutzrechtlichen Dimensionen der Grundrechte obliegt es vorrangig dem demokratisch besonders dafür legitimierten Gesetzgeber, die entgegenstehenden verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter unter Ausnutzung seines Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraums gegeneinander abzuwägen und in einen Ausgleich zu bringen. Um dem Übermaßverbot zu genügen, müssen hierbei die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher die Einzelnen in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden. Die verfassungsrechtliche Prüfung bezieht sich dann darauf, ob der Gesetzgeber seinen Einschätzungsspielraum in vertretbarer Weise gehandhabt hat. Bei der Kontrolle prognostischer Entscheidungen setzt dies wiederum voraus, dass die Prognose des Gesetzgebers auf einer hinreichend gesicherten Grundlage beruht (vgl. BVerfGE 161, 299 [384 f. Rn. 203 f.] m.w.N.).
(2) Danach greifen die angegriffenen Vorschriften mit nicht unerheblichem Gewicht zielgerichtet mittelbar sowohl in das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG als auch in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) der Kinder ein (a). Dem steht jedoch mit dem Schutz vor den Gefahren einer Masernerkrankung als dringlicher Zweck der Schutz hochwertiger Rechtsgüter Dritter gegenüber (b). Die Abwägung zwischen den Grundrechtsbeeinträchtigungen einerseits und den mit den beanstandeten Regelungen bezweckten Gemeinwohlbelangen andererseits hält verfassungsrechtlicher Prüfung stand (c).
(a) Die angegriffenen Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes greifen in unterschiedlicher Weise und mit verschiedenem Gewicht sowohl in das Elternrecht als auch in die körperliche Unversehrtheit der Kinder ein.
(aa) Der Eingriff in das Elternrecht der jeweiligen Beschwerdeführenden zu 1) und 2) durch § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG, der ihnen die Erfüllung der Pflichten aus den Absätzen 9 bis 12 auferlegt, ist für sich genommen lediglich von geringem Gewicht. Insoweit handelt es sich letztlich um eine Ausprägung der gesetzlichen Vertretung ihrer Kinder nach § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Größeres Eingriffsgewicht kommt aber der Nachweispflicht aus § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG wegen der Einengung elterlicher Entscheidungsoptionen zur Förderung ihrer Kinder in der Phase vor Schuleintritt zu. Die angegriffenen Regelungen greifen in das vom Elternrecht umfasste Recht auf Gesundheitssorge ein, da sie gebieten, dass Eltern einer Impfung ihrer Kinder zustimmen. Zwar sind sie letztlich nicht unausweichlich verpflichtet, einer Impfung zuzustimmen. Tun sie dies aber nicht, ist dies jedoch mit spürbaren Nachteilen für sie selbst und ihre Kinder verbunden. Das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG eröffnet in der derzeitigen Ausgestaltung seiner wesentlichen Elemente sorgeberechtigten Eltern vermittels des Anspruchs ihrer Kinder aus § 24 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB VIII die Möglichkeit, eine einrichtungsgestützte frühkindliche und vorschulische Förderung für ihre Kinder zu wählen. Entscheiden sie sich dafür, kommen sie ihrer Elternverantwortung bei der Unterstützung der Kinder in deren Entwicklung zu selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten nach. Davon geht der Gesetzgeber in § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB VIII unmissverständlich selbst aus. Mit der angegriffenen Nachweispflicht verengt das Infektionsschutzrecht die Wahlmöglichkeit der Eltern nicht unbeträchtlich, indem der Betreuungsanspruch ohne Impfnachweis entfällt oder zumindest nicht durchgesetzt werden kann (dazu Rn. 58). Die Option einer einrichtungsgestützten frühkindlichen und vorschulischen Förderung ist damit ausschließlich noch in Kombination mit der von den jeweiligen Beschwerdeführenden zu 1) und 2) an sich abgelehnten zweifachen Impfung ihrer Kinder gegen Masern verfügbar. Dabei dient die Nachweispflicht nicht ihrerseits der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung von Kindern im Alter vor Schuleintritt, sondern bezweckt neben deren Eigenschutz gegen eine Maserninfektion vor allem den Gemeinschaftsschutz vor den Gefahren von Maserninfektionen (vgl. BTDrucks 19/13452, S. 1 f. und 26). Das verstärkt die Intensität des Eingriffs in das Elternrecht, weil die betroffenen Eltern im fremdnützigen Interesse des Schutzes der Bevölkerung entgegen den eigenen Vorstellungen zu einer Disposition über die körperliche Unversehrtheit ihrer Kinder gedrängt werden.
Da die Wahrnehmung des Betreuungsanspruchs aus § 24 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 IfSG an den Auf- und Nachweis der Masernimpfung geknüpft ist (vgl. § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG), wirken die beanstandeten Vorschriften auch auf das auf die Gesundheitssorge bezogene Elternrecht ein. Entscheidungen über die Vornahme von Impfungen bei Kindern gehören als Teil der Gesundheitssorge zu den wesentlichen Elementen der durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Elternverantwortung (dazu Rn. 68). Wie stets ist aber das Kindeswohl die maßgebliche Richtschnur der Ausübung des Elternrechts (vgl. BVerfGE 60, 79 [88]; 103, 89 [107]; 121, 69 [92]). Bei der Ausübung der Gesundheitssorge durch die Eltern haben diese zwar grundsätzlich den Primat der Beurteilung der Kindeswohldienlichkeit. Das schließt jedoch staatliche Maßnahmen zum Schutz des Kindes nicht aus (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG). Seine absolute Grenze findet der Vorrang bei einer (konkreten) Gefährdung des Kindeswohls.
Bei den hier zu beurteilenden Regelungen ist das Gewicht des die Gesundheitssorge treffenden Eingriffs in das Elternrecht dadurch reduziert, dass die Impfung nach medizinischen Standards gerade auch dem Gesundheitsschutz der auf- und nachweisverpflichteten Kinder selbst dient. Nach fachgerichtlicher Einschätzung bilden die Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission den medizinischen Standard ab, und der Nutzen der jeweils empfohlenen "Routineimpfung" überwiegt das Impfrisiko (vgl. BGHZ 144, 1 [9]; BGH, Beschluss vom 3. Mai 2017 – XII ZB 157/16 –, Rn. 25). Regelmäßig ist damit die Vornahme empfohlener Impfungen dem Kindeswohl dienlich. Davon geht auch die fachgerichtliche Rechtsprechung für Sorgerechtsentscheidungen bei Streitigkeiten über empfohlene Schutzimpfungen zwischen gemeinsam sorgeberechtigten Eltern aus (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 17. August 2021 – 6 UF 120/21 –, Rn. 21; OLG München, Beschluss vom 18. Oktober 2021 – 26 UF 928/2 –, Rn. 25).
Das lässt den Eingriff in das Gesundheitssorgerecht der Eltern zwar nicht entfallen. Deren Entscheidungen in Fragen der Gesundheitssorge für ihr Kind bleiben auch bei entgegenstehenden medizinischen Einschätzungen im Ausgangspunkt verfassungsrechtlich schutzwürdig. Da das Grundgesetz ihnen aber die Gesundheitssorge wie alle anderen Bestandteile der elterlichen Sorge im Interesse des Kindes – insoweit zum Schutz seiner durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Gesundheit – überträgt, ist es jedoch für die Eingriffstiefe von Bedeutung, wenn die Einschränkung der Gesundheitssorge ihrerseits nach medizinischen Standards gerade den Schutz der Gesundheit des Kindes fördert. Zwar gewährleistet das auf die körperliche Integrität bezogene Selbstbestimmungsrecht im Grundsatz auch, Entscheidungen über die eigene Gesundheit nicht am Maßstab objektiver Vernünftigkeit auszurichten. Diese Freiheit ist Ausdruck der persönlichen Autonomie (vgl. BVerfGE 142, 313 [339 Rn. 74]; 161, 299 [345 Rn. 111]). Bei der Ausübung der am Kindeswohl zu orientierenden Gesundheitssorge für ihr Kind sind die Eltern jedoch weniger frei, sich gegen Standards medizinischer Vernünftigkeit zu wenden, als sie es kraft ihres Selbstbestimmungsrechts über ihre eigene körperliche Integrität wären (vgl. dazu Rn. 68 f.). Das Elternrecht bleibt ein dem Kind dienendes Grundrecht. Ein nach medizinischen Standards gesundheitsförderlicher Eingriff in die elterliche Gesundheitssorge wiegt weniger schwer als ein Eingriff, der nach fachlicher Einschätzung die Gesundheit des Kindes beeinträchtigte. Dieser objektiv vorhandene Impfvorteil für die Kinder mindert daher das Gewicht des Eingriffs in die elterliche Gesundheitssorge durch das Betreuungsverbot.
Hier wirkt sich insoweit nur begrenzt eingriffsintensivierend aus, dass in Deutschland für die Masernimpfung derzeit lediglich Dreifach- oder Vierfach-Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, die in die Pflicht aus § 20 Abs. 8 IfSG nach dessen Satz 3 einbezogen sind. Zwar wird dadurch die auf die körperliche Unversehrtheit bezogene Dispositionsbefugnis ohnehin nicht impfbereiter Eltern stärker beeinträchtigt als bei einer Impfentscheidung für eine Masernimpfung mit einem Monoimpfstoff. Jedoch erhöht die Verwendung dieser Kombinationsimpfstoffe das Risiko von unerwünschten Nebenwirkungen nicht wesentlich (dazu Rn. 29). Für die in Kombination angebotenen Impfungen gegen Mumps, Röteln und Windpocken (Varizellen) bestehen zudem ebenfalls Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 4/2022, S. 6), wenngleich der Gesetzgeber keine auf eine Impfung gegen Mumps, Röteln und Windpocken bezogene Auf- und Nachweispflicht vorgesehen hat. Dennoch ist das Verabreichen dieser Kombinationsimpfstoffe nach medizinischen Standards ebenfalls kindeswohldienlich. Das reduziert wie bei Verabreichung von Monoimpfstoffen das Gewicht des Eingriffs in das seinerseits auf das Kindeswohl ausgerichtete Elternrecht.
Eingriffsintensivierend wirkt dagegen unter einem anderen Aspekt des Elternrechts das bei ausbleibendem Impfnachweis geltende Betreuungsverbot aus § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG. Denn dadurch wird die Vereinbarkeit von Familie und Elternschaft mit der Erwerbstätigkeit der Eltern (vgl. dazu BTDrucks 16/9299, S. 1, S. 10; BTDrucks 19/26107, S. 54) beeinträchtigt. Zur Schaffung von Voraussetzungen dieser Vereinbarkeit ist der Staat in Erfüllung seiner Schutzpflicht aus Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gehalten (vgl. BVerfGE 99, 216 [234] m.w.N.; siehe auch Struck/Schweigler, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 22 Rn. 17). Das Betreuungsverbot wirkt sich nicht unerheblich auf die Gestaltung der Erziehung aus, weil ohne Nachweis der Masernimpfung der Anspruch auf eine einrichtungsgestützte Betreuung und Förderung nach § 24 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB VIII nicht wahrgenommen werden kann. Betroffene Eltern müssen daher entweder auf Betreuung außerhalb von Einrichtungen nach § 33 Nr. 1 und 2 IfSG ausweichen oder die eigene Erwerbstätigkeit umgestalten, um die Kinderbetreuung selbst wahrnehmen zu können. Daher geht mit dem Betreuungsverbot wegen der durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Freiheit von Eltern, ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen zu planen und zu verwirklichen, ein nicht unerhebliches Eingriffsgewicht einher.
Das Gewicht des Eingriffs in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG unter diesem Aspekt wird durch die Beeinträchtigung damit korrespondierender Rechtspositionen der Kinder verstärkt. Entscheiden sich Eltern in Wahrnehmung ihrer Gesundheitssorge gegen die Durchführung der in § 20 Abs. 8 IfSG geforderten Impfungen, greift wegen des dann fehlenden Nachweises einer Masernimpfung das Betreuungsverbot aus § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG. Damit kann der fachrechtlich in § 24 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB VIII gewährte Anspruch der Kinder auf eine einrichtungsgestützte frühkindliche und vorschulische Förderung jedenfalls nicht durchgesetzt werden (dazu Rn. 58). Der Gesetzgeber selbst ordnet die Betreuung von Kindern im Alter vor Schuleintritt als Maßnahme der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung ein (dazu Rn. 81). Er misst der frühkindlichen Bildung, mit der grundlegende Dispositionen für das spätere Lernverhalten gelegt würden, erhebliche Bedeutung für die kindliche Entwicklung zu (vgl. BTDrucks 19/26107, S. 54). Das Betreuungsverbot aus § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG versperrt aber betroffenen Kindern, auch den jeweiligen Beschwerdeführenden zu 3), die Wahrnehmung ihres Anspruchs, wenn die Eltern eine das Verbot auslösende Entscheidung zur Gesundheitssorge getroffen haben. Dem kommt Gewicht auch deshalb zu, weil nicht allein der dargestellte fachrechtlich eingeräumte Förderanspruch von Kindern betroffen ist, sondern wegen der in § 24 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB VIII erfolgten Ausgestaltung auch das in Art. 2 Abs. 1 GG wurzelnde, gegen den Staat gerichtete Recht von Kindern auf Unterstützung und Förderung bei ihrer Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Person in der sozialen Gemeinschaft (vgl. dazu BVerfGE 159, 355 [381 f. Rn. 46] m.w.N., Bundesnotbremse II).
(bb) Die angegriffenen Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes greifen in das Grundrecht der beschwerdeführenden Kinder aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG mit ebenfalls nicht unerheblichem Gewicht ein. Das Eingriffsgewicht korrespondiert mit dem des Eingriffs in das auf die Gesundheitssorge bezogene Elternrecht.
(α) Der Eingriff in das Grundrecht der Kinder aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG erfolgt mittelbar durch die Einwirkung auf die Ausübung des die Gesundheitssorge betreffenden Elternrechts. Entscheiden sich die sorgeberechtigten Eltern zwecks Meidung des Betreuungsverbots aus § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG, ihr in einer betroffenen Einrichtung betreutes Kind impfen zu lassen, geht dies mit einer Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit des Kindes einher.
(β) Allerdings ist dieser mittelbare Eingriff weder nach der Art der sich anschließenden körperlichen Einwirkung selbst noch aufgrund der Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit über die körperliche Unversehrtheit besonders schwerwiegend. Zwar kann selbst eine Impfung mit erprobten, weitgehend komplikationslosen Impfstoffen (dazu Rn. 21 ff.) nicht ohne Weiteres als unbedeutender vorbeugender ärztlicher Eingriff eingeordnet werden (so noch BGHSt 4, 375 [377 f.]). Die Wahrscheinlichkeit gravierender, mitunter tödlicher Komplikationen im Falle einer Maserninfektion ist jedoch um ein Vielfaches höher als die Wahrscheinlichkeit schwerwiegender Impfkomplikationen. Etwas häufiger vorkommende harmlose Impfreaktionen erhöhen das Gewicht des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit nicht maßgeblich (zu den fachwissenschaftlichen Grundlagen näher oben Rn. 27 ff.).
Die für eine Masernschutzimpfung positive Risiko-Nutzen-Bewertung ist für die Beurteilung des Eingriffsgewichts in die körperliche Unversehrtheit der beschwerdeführenden Kinder von Bedeutung. Zwar gewährleistet das auf die körperliche Integrität bezogene Selbstbestimmungsrecht im Grundsatz auch, Entscheidungen über die eigene Gesundheit nicht am Maßstab objektiver Vernünftigkeit auszurichten (vgl. BVerfGE 142, 313 [339 Rn. 74]; 161, 299 [345 Rn. 111]). Zur Wahrnehmung dieser Autonomie ist ein Kind anfangs allerdings zunächst entwicklungsbedingt nicht in der Lage. Im Ansatz ähnlich ist aber auch die elterliche Ausübung der durch das Elterngrundrecht geschützten Gesundheitssorge entgegen medizinischer Einschätzung verfassungsrechtlich grundsätzlich schutzwürdig. Bei der Ausübung der am Kindeswohl zu orientierenden Gesundheitssorge (dazu Rn. 73 und 81) sind die Eltern jedoch weniger gegen staatliche Vorgaben geschützt als sie es kraft ihres Selbstbestimmungsrechts über ihre eigene körperliche Integrität wären. Das Elternrecht ist ein dem Kind dienendes Grundrecht. Die aus dem dienenden Charakter folgenden Beschränkungen des Elternrechts werden nicht dadurch überspielt, dass die Eltern in das von den Kindern anfangs nicht wahrnehmbare Selbstbestimmungsrecht vollumfänglich einträten. Mit dem Grundrecht des Kindes aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbindet sich darum kein ebenso weitreichendes Recht auf medizinisch unvernünftige Entscheidung wie bei Erwachsenen, die über den Umgang mit ihrer eigenen Gesundheit nach eigenem Gutdünken entscheiden können (vgl. BVerfGE 142, 313 [339 Rn. 74]). Dem stärker an medizinischen Standards auszurichtenden körperlichen Kindeswohl dienlich ist regelmäßig die Vornahme empfohlener Impfungen, nicht ihr Unterbleiben. Das gilt auch für die Verabreichung von Kombinationsimpfstoffen (oben Rn. 29). Daher kann den angegriffenen, gerade zur Vornahme einer empfohlenen Impfung anreizenden gesetzlichen Regelungen kein besonders hohes Gewicht des Eingriffs in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG beigemessen werden.
Dabei wird das Gewicht des Eingriffs in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch dadurch abgemildert, dass die angegriffenen Maßnahmen die Freiwilligkeit der Impfentscheidung der Eltern als solche nicht aufheben und diesen damit die Ausübung der Gesundheitssorge für ihre Kinder im Grundsatz belassen. Sie ordnen keine mit Zwang durchsetzbare Impfpflicht an (vgl. auch § 28 Abs. 1 Satz 3 IfSG). Vielmehr verbleibt den für die Ausübung der Gesundheitssorge zuständigen Eltern im Ergebnis ein relevanter Freiheitsraum (vgl. zum verbleibenden Freiheitsraum auch BVerfGE 161, 299 [386 f. Rn. 209, 391 Rn. 221, 397 Rn. 232]). Sorgeberechtigte Eltern können auf eine Schutzimpfung des Kindes verzichten. Dann müssen sie allerdings den Nachteil in Kauf nehmen, dass sie eine andere Form der Kinderbetreuung (bspw. in der nicht erlaubnispflichtigen Tagespflege) finden müssen.
(b) Demgegenüber verfolgt der Gesetzgeber mit den angegriffenen Vorschriften den Schutz eines überragend gewichtigen Rechtsguts, der hier auch dringlich ist. Die angegriffenen Vorschriften dienen dem Schutz vor einer Masernerkrankung. Demnach ist insoweit das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit betroffen, wobei es um den Schutz einer Vielzahl von Personen, insbesondere von vulnerablen Personen geht, die sich nicht selbst durch eine Impfung wirksam schützen können. Dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung kommt ein hohes Gewicht zu (vgl. BVerfGE 110, 141 [163]; 121, 317 [356]). Aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG kann daher eine Schutzpflicht des Staates folgen, die eine Risikovorsorge gegen Gesundheitsgefährdungen umfasst (vgl. BVerfGE 56, 54 [78]; 121, 317 [356]; 159, 223 [301 Rn. 176]). Angesichts der bei Masern sehr hohen Ansteckungsgefahr und der mit einer Masernerkrankung verbundenen Risiken eines schweren Verlaufs besteht eine beträchtliche Gefährdung des Rechtsguts der körperlichen Unversehrtheit Dritter. Die Annahme des Gesetzgebers, ohne die in den angegriffenen Regelungen getroffenen Maßnahmen würde die Impfquote weiter stagnieren, und gleichzeitig könne die Anzahl der Masernausbrüche in Kindertagesstätten und in der Kindertagespflege steigen, beruht auf tragfähigen Grundlagen und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
(c) Ohne Verstoß gegen Verfassungsrecht hat der Gesetzgeber mit den angegriffenen Auf- und Nachweispflichten sowie den bei deren Ausbleiben eintretenden Folgen dem Schutz durch eine Maserninfektion gefährdeter Menschen den Vorrang vor den Interessen der beschwerdeführenden Kinder und Eltern eingeräumt. Die damit verbundenen nicht unerheblichen Grundrechtseingriffe sind ihnen zugunsten des Gesundheitsschutzes vor den Gefahren einer Maserninfektion von verletzlichen Personen und damit einem Gemeinwohlbelang von hohem Rang derzeit zuzumuten.
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber für die von ihm geförderte (früh)kindliche Betreuung (§ 24 Abs. 1 bis 3 SGB VIII) mit den angegriffenen Regelungen Maßnahmen ergriffen hat, die Maserninfektionen von Kindern vermeiden oder zumindest deutlich reduzieren sollen. Im Rahmen der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass in den hier gegenständlichen Gemeinschaftseinrichtungen zur Kinderbetreuung nach den statistisch belegten Impfquoten in den dort betreuten Altersgruppen keine zum Gemeinschaftsschutz ausreichenden Quoten bestehen. Zugleich haben die betreuten Kinder typischerweise Kontakte zu besonders schutzwürdigen Personen, die eine hohe altersspezifische Inzidenz für Masern sowie eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit aufweisen, im Falle einer Maserninfizierung Komplikationen auszubilden, sich aber wegen einer Kontraindikation nicht selbst wirksam durch eine Impfung schützen können (z.B. Kinder im ersten Lebensjahr, Schwangere). Mit der Bindung der Auf- und Nachweispflicht einer Masernimpfung an die Betreuung in Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne von § 33 Nr. 1 und 2 IfSG hat der Gesetzgeber die Reichweite der angegriffenen Regelungen gegenständlich begrenzt. Dementsprechend führt das Ausbleiben des in § 20 Abs. 8 und 9 IfSG geforderten Auf- und Nachweises der Masernimpfung auch nicht zum Ausschluss jeglicher frühkindlichen oder vorschulischen Förderung außerhalb der Familie. Die anderweitige Betreuung von Kindern in den betroffenen Alterskohorten bleibt auch familienübergreifend jedenfalls im selbstorganisierten privaten Bereich zulässig. An der gegenständlichen Beschränkung wird deutlich, dass der Gesetzgeber das die freie Gestaltung der Kindererziehung umfassende Elternrecht nicht aus dem Blick verloren hat, auch wenn der Ausschluss von der einrichtungsbezogenen Kinderbetreuung nach § 24 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB VIII mit nicht unbeträchtlichen Veränderungen gegenüber der eigentlich gewünschten Gestaltung des familiären Lebens sowie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbunden sein können.
Trotz der nicht unerheblichen Eingriffe in das Abwehrrecht der Kinder aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und das Grundrecht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG konnte der Gesetzgeber der Schutzpflicht für die körperliche Unversehrtheit durch eine Masernerkrankung gefährdeter Personen den Vorrang einräumen. Für die Schutzpflicht streiten die hohe Übertragungsfähigkeit und Ansteckungsgefahr sowie das nicht zu vernachlässigende Risiko, als Spätfolge der Masern eine für gewöhnlich tödlich verlaufende Krankheit (die subakute sklerosierende Panenzephalitis, SSPE) zu erleiden. Bei Kindern unter fünf Jahren liegt dieses Risiko bei etwa 0,03 und bei Kindern unter einem Jahr bei etwa 0,17% (RKI, Epidemiologisches Bulletin 10/2015, S. 72 f.; näher oben Rn. 17). Demgegenüber treten bei einer Impfung nur milde Symptome und Nebenwirkungen auf; ein echter Impfschaden ist extrem unwahrscheinlich (oben Rn. 28 f.). Die Gefahr für Ungeimpfte, an Masern zu erkranken, ist deutlich höher als das Risiko, einer auch nur vergleichsweise harmlosen Nebenwirkung der Impfung ausgesetzt zu sein. Hinzu kommt, dass die realistische Möglichkeit der Eradikation der Masern die staatliche Schutzpflicht stützt, weshalb selbst bei einer sinkenden Inzidenz von Krankheitsfällen – zu einem Sinken dürfte es kommen, je näher das Ziel der Herdenimmunität durch eine steigende Impfquote rückt – das Abwehrrecht der Beschwerdeführenden, in das die Auf- und Nachweispflicht zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit Impfunfähiger mittelbar eingreift, aufgrund geringerer Gefahrennähe weniger Gewicht für sich beanspruchen kann, als der vom Gesetzgeber verfolgte Schutz impfunfähiger Grundrechtsträger.
Es ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber im Rahmen seiner Prognose die Gefahren in der Weise bewertet, dass das geringe Restrisiko einer Impfung im Vergleich zu einer Wildinfektion mit Masern bei gleichzeitiger Beachtung der – auch den betroffenen Kindern zugutekommenden – Impfvorteile zurücksteht. Im Ergebnis führt die Masernimpfung daher zu einer erheblich verbesserten gesundheitlichen Sicherheit des Kindes. Dem Individualschutz durch die Impfung zugunsten der Kinder kommt auch in der Abwägung der Interessen durch eine Maserninfektion zumindest in ihrer Gesundheit gefährdeter Personen einerseits mit dem Elternrecht andererseits Bedeutung zu. Da auch das die Gesundheitssorge betreffende Recht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG kindeswohlorientiert auszuüben und die Vornahme empfohlener Impfungen der Gesundheit des Kindes dienlich ist, kommt dem Eingriff in das Elternrecht insoweit kein besonders hohes Gewicht zu. Eine Abwägung zugunsten der Gesundheit von Personen, die sich selbst nicht durch Impfung vor einer Masernerkrankung schützen können und deshalb nur über eine Herdenimmunität geschützt werden können, ist daher verfassungsrechtlich unbedenklich.
Die Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit der Kinder und das Elternrecht ihrer sorgeberechtigten Eltern sind auch nicht insoweit unzumutbar, als § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG eine Auf- und Nachweispflicht selbst dann vorsieht, wenn zur Erlangung des Masernimpfschutzes – wie es derzeit in Deutschland der Fall ist – ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen (kritisch Aligbe, in: BeckOK/Infektionsschutzrecht, 12. Edition, Stand 1. Juli 2022, § 20 IfSG, Rn. 206 f.; Deutscher Ethikrat, Stellungnahme "Impfen als Pflicht?", S. 66; Heiderhoff, in: von Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 6, Rn. 176; Gebhard, in: Kießling, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 20, Rn. 46 f.; wie hier Schaks, in: Kluckert, Das neue Infektionsschutzrecht, § 14, Rn. 41; ders., MedR 2020, 201 [206]). Zwar führt dies faktisch dazu, dass die Kinder bei entsprechender Entscheidung ihrer Eltern die Impfung mit zusätzlichen Wirkstoffen hinnehmen müssen, derer es zum Erfüllen der Auf- und Nachweispflicht aus § 20 Abs. 8 und 9 IfSG nicht bedarf und auf deren Schutzeffekte das Gesetz nicht zielt. Das führt jedoch nicht zur Unangemessenheit der angegriffenen Regelungen. Sofern Impfschutz durch einen, etwa auf der Grundlage von § 73 Abs. 3 Halbsatz 1 AMG aus dem Ausland eingeführten, Monoimpfstoff erlangt wurde, ist die Impfung mit einem im Inland zur Verfügung stehenden Kombinationsimpfstoff ohnehin nicht erforderlich und darf dessen Verwendung nicht gefordert werden. Aber selbst wenn dies nicht der Fall ist, überwiegen im Ergebnis die für den Aufweis anhand eines Mehrfachimpfstoffs sprechenden Argumente. Denn die aktuell in den Mehrfachimpfstoffen enthaltenen weiteren Wirkstoffe betreffen ebenfalls von der Ständigen Impfkommission empfohlene, also eine positive Risiko-Nutzen-Analyse aufweisende Impfungen. Sie sind deshalb ihrerseits grundsätzlich kindeswohldienlich, wenngleich insoweit weder ein mit Masern vergleichbar hohes Infektionsrisiko besteht noch entsprechende schwere Krankheitsverläufe eintreten können. Ausweislich der Stellungnahmen des Paul-Ehrlich-Instituts und der Ständigen Impfkommission besteht zwischen dem Nebenwirkungsprofil eines Monoimpfstoffs und den in Deutschland zugelassenen Kombinationsimpfstoffen jedenfalls kein wesentlicher Unterschied.
Dem steht die Dringlichkeit gegenüber, diejenigen Personen, die sich nicht selbst durch Impfung schützen können, mittels Gemeinschaftsschutz zu schützen. Für diesen bedarf es der genannten Impfquote von 95%, die gerade auch in den Altersgruppen nicht erreicht ist, die in den hier betroffenen Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden. Würde die Pflicht zum Auf- und Nachweis der Masernimpfung auf Situationen beschränkt, in denen ein Monoimpfstoff zur Verfügung steht, würde die erforderliche Impfquote weniger gut erreicht. In der Gesamtabwägung ist es vertretbar, dass der Gesetzgeber den Schutz für vulnerable Personen gegen Masern so hoch gewertet hat, dass dafür auch die Grundrechtsbeeinträchtigungen durch den vom Gesetzgeber mit der Anordnung in § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG in Kauf genommenen Einsatz der aktuell einzig verfügbaren Kombinationsimpfstoffe hinzunehmen sind. Auch weil damit objektiv ein Schutz gegen die weiteren durch Kombinationsimpfstoffe erfassten Krankheiten verbunden ist, ist das Interesse, dass mangels verfügbarer Monoimpfstoffe Kombinationsimpfstoffe zum Einsatz kommen, höher zu gewichten als die Interessen der betroffenen Kinder und Eltern, diese nicht verwenden zu müssen. Angesichts des die Beeinträchtigungen deutlich überwiegenden Interesses am Schutz vulnerabler Personen gegen Masern erscheint zudem derzeit auch zur Wahrung der Angemessenheit nicht geboten, dass der Staat durch Beschaffung, Herstellung oder Marktintervention die Verfügbarkeit von Monoimpfstoff sichert.
Das gilt auch, soweit die gesetzlichen Regelungen Mädchen betreffen wie die Beschwerdeführerinnen zu 3) in den Verfahren 1 BvR 469/20 und 1 BvR 471/20. Allerdings ist die Nutzung eines die Impfung gegen Mumps enthaltenden Kombinationsimpfstoffes nicht deshalb unzumutbar, weil es Belege dafür gäbe, dass Frauen, die als Kinder an Mumps erkrankt waren, eine geringere Wahrscheinlichkeit aufwiesen, später an Eierstockkrebs zu erkranken. Nach dem in das Verfahren eingebrachten fachwissenschaftlichen Erkenntnisstand trägt die Annahme nicht, dass die Verwendung eines solchen Kombinationsimpfstoffs für Mädchen erhebliche Nachteile hätte. Zwar wurde in einer vereinzelt gebliebenen Studie aus dem Jahr 2010 angedeutet, eine durch eine Mumpsinfektion ausgelöste Entzündung der Ohrspeicheldrüse könne möglicherweise eine Immunüberwachung von Eierstockkrebszellen bewirken (Cramer et al., Cancer Causes Control, 2010, S. 1193). Jedoch wurde und wird ihre Aussagekraft bezweifelt, weil der Abgleich mit einem höheren Anteil geimpfter Frauen in der Kontrollgruppe keinen Unterschied in der Rate von Eierstockkrebs gezeigt hat (vgl. Weigel et al., Deutsches Ärzteblatt International 2015, S. 402 [403]). Auch die Autoren der Studie selbst weisen auf die begrenzte Aussagekraft ihrer Studie hin, da nur eine geringe Anzahl von Proben zur Verfügung stand (vgl. Cramer et al., Cancer Causes Control, 2010, S. 1193 [1199]). Es liegen damit keine hinreichend tragfähigen Grundlagen vor, die einer Impfung gegen Mumps auch von Mädchen entgegenstünden.
III.
Die angegriffenen Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes über die Auf- und Nachweispflicht sowie das Betreuungsverbot in Einrichtungen nach § 33 Nr. 1 und 2 IfSG bei ausbleibendem Nachweis verletzen die beschwerdeführenden Kinder auch nicht in ihrem Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 116, 164 [180]; 138, 136 [180 Rn. 121]; stRspr). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 110, 412 [431]; 138, 136 [180 Rn. 121]; 145, 20 [86 f. Rn. 171]). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfGE 110, 274 [291]; 138, 136 [180 f. Rn. 122]; stRspr).
Ungleichbehandlungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen, bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfGE 138, 136 [180 f. Rn. 121 f.]; stRspr).
2. Hier knüpfen die in den Verfassungsbeschwerden gerügten Ungleichbehandlungen stärker an situationsgebundene als an personenbezogene Kriterien an und enthalten zudem keine Differenzierungsmerkmale, die in der Nähe des Art. 3 Abs. 3 GG angesiedelt sind. Demnach steht dem Gesetzgeber ein größerer Regelungsspielraum offen (vgl. BVerfGE 88, 87 [96]; 124, 199 [220]; 129, 49 [69]; 130, 240 [254]; 138, 136 [180 f. Rn. 122]); allerdings handelt es sich um Ungleichbehandlungen im Anwendungsbereich der Freiheitsrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Bei der Bestimmung des stufenlosen Prüfungsmaßstabs ist hierbei von Bedeutung, ob die Betroffenen die Anwendung der eine Ungleichbehandlung auslösenden Regelung durch Gebrauchmachen von einer Wahlmöglichkeit beeinflussen oder gar ausschließen können. Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es ferner wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann (vgl. BVerfGE 112, 164 [174]; 138, 136 [180 f. Rn. 122]; 145, 20 [86 f. Rn. 171]; stRspr). Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich allerdings nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (vgl. BVerfGE 105, 73 [111]; 132, 179 [188 Rn. 30]; 138, 136 [180 Rn. 121]).
Hinsichtlich Stichtags- und anderen Übergangsvorschriften muss sich die verfassungsrechtliche Prüfung darauf beschränken, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und die gefundene Lösung sich im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint (vgl. BVerfGE 44, 1 [21 f.]; 136, 127 [143 f. Rn. 50]).
3. Gemessen daran sind die von den beschwerdeführenden Kindern als gleichheitswidrig gerügten Differenzierungen durch Sachgründe gerechtfertigt.
a) Die Pflicht, einen ausreichenden Masernimpfschutz aufzuweisen, gilt nach § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 IfSG in Verbindung mit § 33 Nr. 2 IfSG nur in der nach § 43 Abs. 1 SGB VIII erlaubnispflichtigen Kindertagespflege. Für Kinder, die in einer nicht erlaubnispflichtigen Kindertagespflege betreut werden, ordnet § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 IfSG nicht an, dass sie einen Masernimpfschutz aufweisen müssen. Für diese Unterscheidung bestehen jedoch ausreichende Sachgründe.
Die Betreuungsformen nicht erlaubnispflichtiger Kindertagespflege sind vielfältig und unterscheiden sich wesentlich von der erlaubnispflichtigen Kindertagespflege. So bedarf es keiner besonderen Erlaubnis, wenn Personen die Betreuung von Kindern im Elternhaus der Kinder vornehmen. Für diese Fälle kann angenommen werden, dass die Eltern ausreichend für die Ausgestaltung und Durchführung dieser Betreuung Sorge tragen und darauf in Ausübung ihres Sorgerechts Einfluss nehmen.
Die Erlaubnispflicht der Kindertagespflege und die hinter ihr stehenden Gründe sind ein zulässiges Differenzierungskriterium für eine unterschiedliche gesetzliche Regelung der Auf- und Nachweispflicht einer Masernimpfung oder -immunität. Bei einer Kinderbetreuung im Elternhaus haben es die Eltern schon aufgrund ihres Hausrechts ohne weiteres selbst in der Hand, dafür zu sorgen, dass alle weiteren im eigenen Haushalt betreuten Kinder eine Impfung aufweisen und damit ein ausreichender Schutz für ihre Kinder gewährleistet ist. Auch sofern es sich nur um eine sehr kurze, vorübergehende Betreuung oder eine zeitlich überschaubare Wochenzeit (beispielsweise nur an einem Tag) handelt, ist es nachvollziehbar, dass diese Fälle anders behandelt werden. Denn im Gegensatz hierzu haben die von § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 IfSG erfassten Fällen gemeinsam, dass eine Vielzahl von Kindern auf Dauer angelegt, regelmäßig und für viele Stunden in der Woche zusammenkommen, ohne dass Eltern zu dieser Zeit unmittelbaren Zugriff oder Einfluss auf Maßnahmen zum Masernschutz haben. Gerade die Anzahl der in erlaubnispflichtiger Kindertagespflege betreuten Kinder, die damit typischerweise verbundene höhere Zahl von Kontakten sowie die zeitliche Dauer der Betreuung bringen häufigere Masernausbrüche dort mit sich. Diese Unterschiede zwischen den tatsächlichen Gegebenheiten erlaubnispflichtiger Kindertagespflege einerseits und nicht erlaubnispflichtiger Kindertagespflege andererseits rechtfertigen die unterschiedliche Regelung zum Auf- und Nachweis einer Masernimpfung oder -immunität.
b) Das Gesetz regelt die Rechtsfolgen bei ausbleibendem Nachweis in der erlaubnispflichtigen Kindertagespflege auf der einen Seite und in Schulen auf der anderen Seite unterschiedlich. § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG bestimmt, dass Personen, die keinen ausreichenden Impfschutz nachweisen, nicht in den betroffenen Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden dürfen. § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG erlaubt es dem Gesundheitsamt, diesen Personen zu untersagen, dass sie die betroffene Gemeinschaftseinrichtung betreten. Während dies Kinder in Kindertagesstätten und in der erlaubnispflichtigen Kindertagespflege trifft, gilt dies für schulpflichtige Kinder bei ihrem Aufenthalt in der Schule nicht. Für diese unterschiedliche Regelung besteht allerdings ein in der Schulpflicht selbst liegender rechtfertigender Grund. Bei der Betreuung in Kindertagesstätten und der (erlaubnispflichtigen) Kindertagespflege können Eltern eine Masernschutzimpfung ihrer Kinder dadurch vermeiden, dass sie diese anderweitig betreuen oder betreuen lassen. Im Falle eines der allgemeinen Schulpflicht unterfallenden Schulkindes ginge dies mit einem Verstoß gegen diese Pflicht einher. Da der Gesetzgeber keine mit Zwang durchzusetzende Impfpflicht gegen Masern statuiert hat, sondern den Eltern die Impfentscheidung weitgehend belassen wollte, ist es konsequent, den Vorrang der Schulpflicht vor der Auf- und Nachweispflicht klarzustellen.
c) Auch die für verschiedene Personengruppen unterschiedlich geregelten maßgeblichen Zeitpunkte für den Nachweis einer Masernimpfung halten verfassungsrechtlicher Prüfung stand und verletzen die beschwerdeführenden Kinder ebenfalls nicht in ihrem Anspruch auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG. Das gilt sowohl für die Differenzierung zwischen verschiedenen Formen von Gemeinschaftseinrichtungen (aa) als auch für die Unterschiede bei Stichtagsregelungen (bb).
aa) Während für Personen, die in Kindertagesstätten oder in der erlaubnispflichtigen Kindertagespflege betreut werden, die Pflicht, ausreichenden Masernimpfschutz aufzuweisen, vom ersten Tag der Betreuung gilt, müssen Kinder in Heimen und Asylbewerber in Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 4 IfSG einen solchen Schutz erst aufweisen, wenn sie bereits vier Wochen betreut wurden oder untergebracht waren.
Für diese Differenzierung bestehen ebenfalls nachvollziehbare sachliche Gründe. Vom Begriff der "Heime" sind auch Einrichtungen erfasst, in denen Kinder und Jugendliche nach Inobhutnahme durch das Jugendamt in einem akuten Kinderschutzfall beziehungsweise bis zur Klärung der Gefährdungslage untergebracht werden. Ebenso sind Einrichtungen der Heimerziehung und anderer stationärer Erziehungshilfen umfasst, die Kinder und Jugendliche aufnehmen, wenn eine dem Kindeswohl entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und auch nicht durch ambulante Hilfeleistungen sichergestellt werden kann. Nach der Intention des Gesetzgebers dürfen die angegriffenen Vorschriften nicht dazu führen, dass eine Inobhutnahme und nachfolgende Unterbringung sowie eine stationäre Erziehungshilfe aus Kinderschutzgesichtspunkten unterbleiben, weil kein hinreichender Impfschutz des betreffenden Kindes oder Jugendlichen besteht beziehungsweise nachgewiesen werden kann (vgl. BTDrucks 19/13452, S. 27). Daher soll für in Heimen betreute Personen eine vierwöchige Übergangszeit gelten, nach der diese Personen erst einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder eine Immunität gegen Masern aufweisen müssen. Auch die Unterbringung von Asylbewerbern, Flüchtlingen, vollziehbar Ausreisepflichtigen und Spätaussiedlern in Einrichtungen nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 IfSG soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht von einem Masernimpfschutz abhängig gemacht werden, weshalb diese Personen einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder eine Immunität gegen Masern erst nach einer Übergangszeit von vier Wochen aufweisen müssen (vgl. BTDrucks 19/13452, S. 27).
Damit liegen je unterschiedliche Lebensverhältnisse und -situationen der Betreuung oder des Aufenthalts in den verschiedenen Gemeinschaftseinrichtungen vor. Der Gesetzgeber behandelt hier nicht etwa Gleiches in rechtlich ungleicher Weise, sondern trifft für verschiedene Sachverhalte unterschiedliche, auf die jeweilige Konstellation abgestimmte Regelungen.
bb) Entsprechendes gilt auch für die Festlegung unterschiedlicher Stichtagsregelungen. Personen, die bereits vor Inkrafttreten der angegriffenen Vorschriften in einer Gemeinschaftseinrichtung betreut wurden, müssen den Nachweis ausreichenden Impfschutzes nach § 20 Abs. 10 Satz 1 IfSG nunmehr erst bis zum Ablauf des 31. Juli 2022 vorlegen, während Personen, deren Betreuung nach Inkrafttreten beginnen soll, den Nachweis schon vorher, mit Beginn der Betreuung erbringen müssen. Dass die angegriffenen Vorschriften für alle Personen, die erst nach Inkrafttreten in einer Gemeinschaftseinrichtung betreut werden sollen, sofort Geltung beanspruchen, stößt auf keine Bedenken. Soweit Personen sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits in einem Betreuungsverhältnis befanden, gibt es hingegen eine Übergangsvorschrift. Die differenzierende Regelung ist durch Sachgründe gerechtfertigt.
Die Vorschriften greifen in laufende Betreuungsverhältnisse ein, die als Reaktion auf die neuen Regelungen angepasst oder beendet werden müssen. So dürften Eltern im Wissen um eine geregelte Betreuung in großem Umfang von ihrem Recht, ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen zu planen und zu verwirklichen – beispielsweise durch Berufstätigkeit – Gebrauch gemacht haben (vgl. BVerfGE 99, 216 [231]; 130, 240 [251]). Durch die angegriffenen Regelungen müssen nicht zur Impfung ihrer Kinder bereite Eltern entsprechend umplanen, wofür (bspw. aufgrund bestehender Arbeitsverträge) eine gewisse Übergangszeit erforderlich ist. Die ursprüngliche Festlegung des Stichtags auf den 31. Juli 2021 und damit auf einen (der ganz wenigen) Tage im Jahr 2021, an welchem in jedem Bundesland Sommerferien sind, demnach alle Schuljahre unterbrochen sind, liegt sehr nahe. Dass der Gesetzgeber nicht bereits diesen Tag im Jahr 2020 gewählt hat, lässt sich – angesichts einer dann nur viermonatigen Übergangszeit – ebenfalls nachvollziehen. Auch für die Verlängerung der Übergangsfrist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2021 hat der Gesetzgeber nachvollziehbare Sachgründe benannt. Sowohl die Gesundheitsämter als auch Kindertageseinrichtungen, Kinderhorte und Schulen hatten und haben infolge der COVID-19-Pandemie einen teils deutlich erhöhten Organisationsaufwand. Auch die Kontrolle des Vorliegens eines Nachweises der Masernschutzimpfung beziehungsweise die Maßnahmen, die beim Fehlen eines solchen Nachweises zu erwägen sind, verursachen dort Arbeit, weshalb die Verlängerung der Frist zu einer besseren Verteilung der Belastung führen dürfte.
 
D.
Die Entscheidung ist hinsichtlich der Frage, ob § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist, mit 6 : 1 Stimmen ergangen.
 
E.
Gemäß § 4 Abs. 4, § 15 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG hat der Erste Senat in der Besetzung von sieben Richterinnen und Richtern entschieden.
Harbarth Baer Britz Ott Christ Radtke Härtel