BVerfGE 165, 167 - Parlamentarisches Fragerecht zum BfV |
Parlamentarisches Fragerecht zum BfV |
1. Für Informationen, die die Organisation und die Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste betreffen, kommt eine Begrenzung des Fragerechts des Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG im Sinne einer "Bereichsausnahme" nicht in Betracht. |
2. Das parlamentarische Kontrollgremium ist ein zusätzliches Instrument der parlamentarischen Kontrolle, das sonstige parlamentarische Informationsrechte nicht verdrängt. |
Urteil |
des Zweiten Senats vom 14. Dezember 2022 |
– 2 BvE 8/21 – |
In dem Verfahren über den Antrag festzustellen, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller dadurch in seinen Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz verletzt hat, dass sie die mit den schriftlichen Fragen Nummer 32 für den Monat Dezember vom 9. Dezember 2020 (Bundestagsdrucksache 19/25159, Seite 24–25) erbetenen Auskünfte verweigert hat; Antragsteller: Konstantin Kuhle, MdB, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, – Bevollmächtigter: (...) – Antragsgegnerin: Bundesregierung, vertreten durch den Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeskanzleramt, Willy-Brandt-Straße 1, 10557 Berlin, – Bevollmächtigter: (...) – Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller durch die Nichterteilung der mit der schriftlichen Einzelfrage Nummer 32 für den Monat Dezember vom 9. Dezember 2020 (Bundestagsdrucksache 19/25159, Seite 24) erbetenen Auskunft über die Anzahl der in den Jahren 2015 bis 2019 für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit ins Ausland entsandten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz in seinen Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt. |
Gründe: |
Der Antragsteller ist Abgeordneter des Deutschen Bundestages und Mitglied der Fraktion der FDP. Er wendet sich dagegen, dass die Antragsgegnerin die vollständige Beantwortung seiner parlamentarischen Anfrage zur Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz (im Folgenden: BfV), die in den Jahren 2015 bis 2019 ins Ausland entsandt wurden, und zur politischen Bewertung dieser Entsendung unter Bezugnahme auf das Staatswohl verweigert hat.
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A. – I. |
1. Der Antragsteller gehörte in der 19. Legislaturperiode den Ausschüssen für Inneres und Heimat sowie für die Angelegenheiten der Europäischen Union an und war innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Zu Beginn der 20. Legislaturperiode wurde er zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt und ist seit März 2022 Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums.
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2. Noch in der 19. Legislaturperiode, am 2. Dezember 2020 bat der Antragsteller im Rahmen einer schriftlichen Einzelfrage gemäß § 105 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT) in Verbindung mit Abschnitt IV Nr. 12 der Anlage 4 zur GO-BT die Antragsgegnerin um Auskunft über die Anzahl der in den letzten fünf Jahren in das Ausland entsandten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BfV und eine Bewertung dieser Entsendung.
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Die Frage lautete:
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Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz sind in den letzten fünf Jahren für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit in das Ausland entsandt worden (bitte aufschlüsseln nach Jahr) und wie bewertet die Bundesregierung die Entsendung dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Blick auf die Aufgabenverteilung zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst?
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3. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2020 teilte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Professor Dr. Krings namens der Antragsgegnerin mit:
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Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Frage zu den in der Fragestellung erbetenen Informationen nicht – auch nicht in eingestufter Form – erfolgen kann. Gegenstand der Frage sind solche Informationen, die in besonderem Maße das Staatswohl berühren. Das verfassungsrechtlich verbürgte Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung wird durch schutzwürdige Interessen – gleichfalls von Verfassungsrang – wie das Staatswohl begrenzt. Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen der Sicherheitsbehörden des Bundes sind im Hinblick auf die künftige Aufgabenerfüllung besonders schutzwürdig. Eine (zur Veröffentlichung bestimmte) Antwort der Bundesregierung auf diese Frage würde spezifische Informationen zur Tätigkeit, insbesondere zur Methodik und den konkreten Fähigkeiten der Sicherheitsbehörden einem nicht eingrenzbaren Personenkreis nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland zugänglich machen. Dabei würde die Gefahr entstehen, dass ihre bestehenden oder in der Entwicklung befindlichen operativen Fähigkeiten und Methoden aufgeklärt und damit der Einsatzerfolg gefährdet würde. Es könnten entsprechende Abwehrstrategien entwickelt werden. Dies könnte einen Nachteil für die wirksame Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden und damit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland bedeuten. Die erbetenen Auskünfte sind danach geheimhaltungsbedürftig, weil sie Informationen enthalten, die im Zusammenhang mit der Arbeitsweise und Methodik des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) und insbesondere dessen Aufklärungsaktivitäten und Analysemethoden stehen. Insbesondere durch die Auskunft über die Größenordnung des eingesetzten Personals können Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des BfV gezogen werden. Dieses, wenn auch geringfügige, Risiko des Bekanntwerdens im Falle einer eingestuften Beantwortung der Frage kann in keinem Fall hingenommen werden. Die erbetenen Informationen berühren derart schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen, dass das Staatswohl gegenüber dem parlamentarischen Informationsrecht überwiegt. |
4. a) Gemeinsam mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer sowie dem für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständigen stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion rügte der Antragsteller mit Schreiben vom 14. Januar 2021 gegenüber dem Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, dass die gestellte Frage unbeantwortet geblieben und die hierfür gegebene Begründung unzureichend sei. Es müsse deswegen weiter auf einer Antwort in der Sache bestanden werden.
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b) Der parlamentarische Staatssekretär antwortete mit Schreiben vom 1. Februar 2021 wie folgt:
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Sehr geehrte Kollegen, zu Ihrem an Herrn Minister Seehofer gerichteten Schreiben vom 14. Januar 2021 bezüglich der erfolgten Antwort auf die Schriftliche Frage 12/19 zum Einsatz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) im Ausland möchte ich Ihnen gerne die nachfolgende Antwort zukommen lassen. Grundsätzlich ist Ihnen zuzustimmen, dass im parlamentarischen Fragewesen den Mitgliedern des Deutschen Bundestages umfassende Auskunft für ihre Aufgabenerfüllung zu geben ist. Dieser Verpflichtung ist das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) in einer Vielzahl von parlamentarischen Anfragen nachgekommen und kommt dieser selbstverständlich auch weiterhin so weit wie möglich nach. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner von Ihnen erwähnten Entscheidung vom 1. Juli 2009 – BVerfG 2 BvE 5/06 – Rahmen und Schranken der Beantwortung parlamentarischer Anfragen im Kontext geheimhaltungsbedürftiger nachrichtendienstlicher Auskünfte aufgezeigt und u.a. verdeutlicht, dass solche Gründe einer Auskunftsverweigerung auch plausibel nachvollziehbar dargelegt werden müssen (BVerfG 2 BvE 5/06, Rn 132, 135). Dies ist mit der gegebenen Antwort auf die Schriftliche Frage 12/19 erfolgt. Es wurde dargelegt, dass bereits die Offenlegung von personellen Größenordnungen den Rahmen nachrichtendienstlicher Methodik als Grundlage operativen Handelns aufzeigen und damit Rückschlüsse auf die operativen Fähigkeiten des BfV zulassen würde, die schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen betreffen. Das, wenn auch geringfügige, Risiko des Bekanntwerdens auch im Falle einer eingestuften Beantwortung der Frage kann angesichts dieser Folgen nicht hingenommen werden. Auch nach erneuter Bewertung besteht kein Raum für eine andere Beurteilung, sodass es bei der erfolgten Beantwortung bleiben muss. Der zweite Teil Ihrer Frage setzt auf dem ersten Teil auf, zu dem keine Antwort erfolgen kann. Allgemein möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass weder das Bundesverfassungsschutzgesetz noch das BND-Gesetz die Aufgabendurchführung territorial regeln. Die Begrifflichkeiten eines Inlands- oder Auslandsnachrichtendienstes sind nicht rechtlich angelegt, spiegeln im Kern bei überschneidenden Aufklärungsaufgaben aber eine aufgabenadäquate Grundausrichtung. Die Aufgabenerfüllung der beiden Dienste orientiert sich gleichermaßen an Effektivität und Effizienz und dem Gebot intensiver Zusammenarbeit in arbeitsteiliger Gesamtaufklärung. Das Bundeskanzleramt und das BMI halten eine Orientierung an Effizienz und Effektivität bei der arbeitsteiligen Aufklärung herausragender Bedrohungen durch BND und BfV im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben für sachgerecht. |
5. Nachdem die drei bezeichneten Abgeordneten mit separatem Schreiben vom 14. Januar 2021 auch gegenüber dem Bundestagspräsidenten die Ablehnung der Beantwortung der Anfrage beanstandet hatten, erinnerte dieser mit Schreiben vom 11. Februar 2021 den Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat an die hohe Bedeutung des verfassungsrechtlich verbürgten Frage- und Informationsrechts des Parlaments. Der Bundesminister bekräftigte daraufhin seine Haltung in einem an den Bundestagspräsidenten gerichteten Schreiben vom 2. März 2021. Gegenüber dem Antragsteller nahm der Parlamentarische Staatssekretär am 29. April 2021 erneut Stellung. Neben einer tabellarischen Auflistung der Kommunikationsabläufe hat das Schreiben insbesondere folgenden Inhalt:
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In der Gesamtschau ergibt sich danach, dass bereits auf Ihre Nachfrage vom 14. Januar 2021 die erbetene Überprüfung erfolgt war und Sie daraufhin mit meinem Schreiben vom 1. Februar 2021 ergänzende Auskunft erhalten hatten und zwar nach meinem Verständnis gerade zum politischen Kern Ihrer Frage, nämlich nicht zu Zahlendetails, sondern zur Struktur der Aufgabenverteilung zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und dem Bundesnachrichtendienst. Ich hoffe, dass diese ergänzenden Informationen für Ihre Einschätzung hilfreich sind und bitte weiter um Verständnis, dass Angaben zu speziellen Kräftestärken oder spezifische Informationen zur Tätigkeit im nachrichtendienstlichen Bereich, wie etwa zur Methodik und den konkreten Fähigkeiten des BfV, von einer außerordentlichen Sensitivität sind, da sie auch im ständigen Ausforschungsfeld des nachrichtendienstlichen Gegenübers liegen, was bei der Beantwortung parlamentarischer Fragen durch die Bundesregierung durch diese zwingend zu beachten ist. |
II. |
Mit Schriftsatz vom 4. Juni 2021 hat der Antragsteller das vorliegende Organstreitverfahren eingeleitet und zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm die erbetenen Auskünfte bis zur Entscheidung in der Hauptsache zumindest in einer Form zu erteilen, die ihn nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages zur Geheimhaltung gegenüber Dritten verpflichtet.
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Der Senat hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 26. Januar 2022 verworfen. Der Antrag war unzulässig, da er auf Rechtsfolgen gerichtet war, die im Organstreitverfahren nicht erreicht werden können, und es außerdem an einer substantiierten Darlegung der Dringlichkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung fehlte.
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III. |
Mit seinem Antrag im Hauptsacheverfahren begehrt der Antragsteller die Feststellung, dass die Antragsgegnerin ihn dadurch in seinen Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt hat, dass sie die mit der schriftlichen Frage Nr. 32 für den Monat Dezember vom 9. Dezember 2020 (Bundestagsdrucksache 19/25159) erbetenen Auskünfte verweigert hat.
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1. Der Antrag sei zulässig. Taugliche Antragsgegenstände im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG lägen mit den Antworten der Antragsgegnerin vom 9. Dezember 2020 sowie vom 1. Februar 2021 und 29. April 2021 auf die schriftliche Frage des Antragstellers vom 2. Dezember 2020 und damit zugleich mit der unterlassenen Beantwortung der Frage vor. Er sei antragsbefugt, da die Verweigerung einer pflichtgemäßen Antwort ihn in seinem Frage- und Informationsrecht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletze.
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2. Der Antrag sei auch begründet. Die Verweigerung der Beantwortung der Frage durch die Antragsgegnerin verkürze sein Informationsrecht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG.
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a) Das parlamentarische Informationsinteresse sei im vorliegenden Fall nach den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste entwickelten Grundsätzen besonders hoch anzusetzen. Die von vielen in der 20. Wahlperiode für dringend erachtete Grundsatzreform des Rechts der Nachrichtendienste werde gerade auch die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den einzelnen Diensten des Bundes betreffen. Diese Reform sei ohne eine zumindest umrisshafte Kenntnis der konkreten institutionellen Praxis nicht sinnvoll zu behandeln.
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Für die Beurteilung der Antwortpflicht sei es von erheblicher Bedeutung, dass der Gegenstand der Frage – die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen BfV und Bundesnachrichtendienst (BND) beim Handeln im Ausland – gesetzlich nicht präzise geregelt, zwischen den Diensten nicht eindeutig geklärt und die Verwaltungspraxis ersichtlich diffus sei. Das "rechtliche und faktische Primat" des BND für die Aufklärung von Auslandssachverhalten mit nachrichtendienstlichen Mitteln bleibe trotz moderner Entwicklungen und Herausforderungen bestehen, solange der Gesetzgeber das Aufgabenprofil der Nachrichtendienste nicht anders zuschneide. Öffentlich verfügbare Informationen legten jedoch nahe, dass es in diesem Feld in den letzten Jahren dessen ungeachtet zu erheblichen Verschiebungen im Verhältnis der Nachrichtendienste untereinander gekommen sei. So werde insbesondere in den Verfassungsschutzberichten seit 2015 internationalen Bedrohungen immer größerer Raum gegeben. Eine mögliche strategische Umorientierung des Verfassungsschutzes auf das Ausland beruhe nicht auf einer der Tätigkeit des BND vergleichbaren parlamentarischen Legitimation.
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b) Die Antragsgegnerin sei zu einer öffentlichen Beantwortung der Frage verpflichtet. Die Verpflichtung zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen in dem durch § 105 in Verbindung mit Nr. 13 Anlage 4 GO-BT ausgestalteten Verfahren folge unmittelbar aus dem Demokratieprinzip. Deswegen werde das Informationsinteresse des Antragstellers auch nicht dadurch gemindert, dass neben der öffentlichen parlamentarischen Kontrolle andere Formen der Kontrolle der Nachrichtendienste existierten, die nicht auf Öffentlichkeit angelegt seien. Dies gelte insbesondere für das Parlamentarische Kontrollgremium.
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c) Das Frage- und Informationsrecht des Antragstellers habe die Antragsgegnerin bereits dadurch verletzt, dass sie ihre Weigerung, die begehrten Informationen mitzuteilen, nicht ausreichend begründet habe. Den verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge die gegebene Begründung in mehrfacher Hinsicht nicht. Sie sei vage und floskelhaft, enthalte keine nachvollziehbaren Argumente für etwaige Gefährdungen des Staatswohls, verkenne gezielt das Informationsinteresse des Antragstellers und setze sich mit der Frage einer eingestuften Beantwortung nicht auseinander.
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Im Mittelpunkt der Argumentation der Antragsgegnerin stehe lediglich abstrakt die zu schützende Arbeitsweise und Methodik des BfV. Die Antragsgegnerin verkenne dabei, dass der Antragsteller gerade keine spezifischen Informationen hierzu erfrage. Zur konkreten Arbeitsweise, strategischen Ausrichtung und sachlichen Tätigkeit der im Ausland eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BfV schulde die Antragsgegnerin keine Angaben. Diese würden aber auch nicht begehrt. Es sei nicht ersichtlich, warum die bloße Gesamtzahl der Auslandsmitarbeiter Rückschlüsse auf die Arbeitsweise und Methodik des BfV im Ganzen erlauben und somit besonders schutzbedürftig sein sollte.
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d) Das parlamentarische Fragerecht sei vorliegend nicht durch den Belang des Staatswohls begrenzt. Es fehle an der Geheimhaltungsbedürftigkeit der verlangten Informationen. Es erschließe sich nicht, welche Staatswohlbelange durch die Mitteilung der bloßen Gesamtzahl der im Ausland eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BfV gefährdet würden, wenn selbst weitaus konkretere Angaben zu Auslandsaktivitäten Gegenstand öffentlicher Darstellung etwa in den Jahresberichten des BfV seien.
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Die Antragsgegnerin habe auch nicht ausreichend substantiiert, warum eine Beantwortung der Anfrage in eingestufter Form nicht in Betracht komme. Gerieten staatliche Geheimhaltungsinteressen und parlamentarische Auskunftsansprüche in Konflikt, müssten die unterschiedlichen Interessen in einen schonenden Ausgleich gebracht werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Deutsche Bundestag in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Aufgabenerfüllung des Parlaments festgelegt habe. Es gebe keinen Erfahrungssatz, dass Parlamente vertrauliche Informationen in stärkerem Maße "durchsickern" ließen als exekutive Stellen. Zudem werde die Verschwiegenheitspflicht der Abgeordneten durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB abgesichert.
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IV. |
Nach Auffassung der Antragsgegnerin hat der Antrag keine Aussicht auf Erfolg. Sie habe die Auskunft zur Einsatzstärke des BfV im Ausland verweigern dürfen und habe dies ebenso wie die Nicht-Übermittlung der Angaben an die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages ausreichend begründet. Die Frage zum Verhältnis von BND und BfV habe sie ausreichend beantwortet.
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1. a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begrenze das Staatswohl den parlamentarischen Informationsanspruch. Zwar könne die Geheimschutzordnung grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse sein. Der Antragsteller lasse aber außer Betracht, dass die Geheimschutzbestimmungen des Deutschen Bundestages die eigene, aus der anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt ließen.
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b) aa) Entgegen der Einschätzung des Antragstellers bedürften die in Rede stehenden Informationen der besonderen Geheimhaltung. Auszugehen sei von der allgemeinen nachrichtendienstlichen Methodik, eine Vielzahl von Einzelinformationen wie ein "Mosaik" zu einem in der Zusammenschau aussagekräftigen Gesamtbild zusammenzuführen. Deshalb sei für die Risikoabschätzung erforderlich, die begehrten Informationen in ihrem Potenzial für ein Gesamtbild zu würdigen. Angaben über die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste seien immer dann besonders sensibel, wenn sie Aufschluss über solche Fähigkeiten und Methoden gäben, die im gezielten Ausforschungsfokus des nachrichtendienstlichen Gegenübers lägen.
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bb) Dies gelte auch für die vom Antragsteller erfragten Angaben zu nachrichtendienstlichen Auslandsaktivitäten des BfV. Für die Abschätzung der Aufklärungsfähigkeit des BfV sei bedeutsam, ob es Aufklärungsmaßnahmen nur im Inland durchführe oder ob und in welcher Intensität es Bedrohungen mit inländischer Zielrichtung auch im Ausland aufkläre beziehungsweise sich methodisch allein auf die Aufklärungsunterstützung anderer Dienste verlasse. Insbesondere für ausländische Nachrichtendienste seien diese Informationen wichtig. Sie eröffneten im Kontext mit weiteren Informationen die Möglichkeit einer "granulareren Spezifizierung". Dies sei insbesondere deshalb der Fall, weil die gestellte Frage eine Beantwortung nach Jahreszahlen verlange, sodass nicht nur eine Augenblickssituation, sondern mittelfristige Entwicklungen sichtbar würden. Auch für extremistische Bestrebungen seien die Angaben bedeutsam, beispielsweise wenn sie Tatvorbereitungen ins Ausland verlegten oder mit dortigen Bestrebungen kooperierten.
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cc) Vor diesem Hintergrund sei die erfragte Information ein wichtiges Teilstück, um ein Bild über die operative Ausrichtung des BfV zu gewinnen. Mit konkreten Zahlen zur Entsendung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BfV ins Ausland könnten sich die Aufklärungsobjekte operativ darauf einstellen und die Wirksamkeit der Aufklärung beeinträchtigen. Dies berge erhebliche Risiken für den effektiven Schutz besonders gewichtiger Verfassungsgüter. Außerdem ergäben sich aus den erfragten Informationen Hinweise zur Kooperation mit den Nachrichtendiensten der Zielstaaten der Entsendung. Um Störungen der Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten zu vermeiden, seien besonders hohe Anforderungen an die Gewährleistung effektiven Geheimschutzes zu stellen.
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Wie sensibel Angaben zu Personalstärken der hier erfragten Art generell seien, werde auch daran deutlich, dass der Deutsche Bundestag selbst die parlamentarische Kontrolle des Haushaltswesens und der Personalausstattung der Nachrichtendienste dem Vertrauensgremium gemäß § 10a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) vorbehalten habe. Bei der Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums würden besonders hohe Anforderungen an die Gewährleistung des Geheimschutzes und damit an die individuelle Zuverlässigkeit dieses Personenkreises gestellt. Eine solche individuelle Zuverlässigkeitseinschätzung stehe der Bundesregierung bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen nicht zu.
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c) In Bezug auf das Risiko, dass die Information bei Übermittlung an den Deutschen Bundestag trotz Verschlusssacheneinstufung nicht geheim bleibe, sei darauf hinzuweisen, dass jedwede Ausweitung des Kenntnisträgerkreises Geheimschutzrisiken begründe. Dies gelte sowohl bei einer Kenntnisträgererweiterung im Bereich der Exekutive wie bei einer Einbeziehung des Parlaments. Mit der Übermittlung an die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages werde die Information jedenfalls parlamentsöffentlich, das heißt nach § 4 der Geheimschutzordnung potenziell nicht nur sämtlichen Mitgliedern des Deutschen Bundestages, sondern auch einer möglicherweise mehrfachen weiteren Zahl an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Abgeordneten zugänglich. Ein derart großer zugangsberechtigter Kreis schaffe erhebliche Geheimschutzrisiken.
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d) aa) Bei Beachtung der Maßgaben zum Ausgleich zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse ergebe sich ein "Stufensystem praktischer Konkordanz", bei dem die Entscheidung, das Parlamentarische Kontrollgremium einzurichten, um eine Kontrolle der Bundesregierung hinsichtlich der Tätigkeiten der Nachrichtendienste des Bundes zu ermöglichen, berücksichtigt werden müsse. Das Parlamentarische Kontrollgremium stelle sicher, dass eine berechtigte Verweigerung der Antwort auf eine parlamentarische Frage nicht zu einem Ausfall der parlamentarischen Kontrolle führe. Die Einrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums sei ein wesentliches Mittel des Ausgleichs zwischen dem parlamentarischen Informationsinteresse und dem exekutiven Geheimhaltungsinteresse. Damit werde mittelbar anerkannt, dass dem Geheimschutz in diesen besonderen Fällen ein solches Gewicht zukommen könne, dass er parlamentarischer Kontrolle mittels allgemeiner parlamentarischer Fragerechte im Wege stehe.
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Im Ergebnis richte die Verfassung selbst ein Stufensystem der Kontrolle in Angelegenheiten der Nachrichtendienste ein. Soweit besondere Angelegenheiten qualifizierten Geheimhaltungsbedarf erforderten, sei die parlamentarische Kontrolle dem Parlamentarischen Kontrollgremium anvertraut, sodass eine Antwort gegenüber der Parlamentsöffentlichkeit abgelehnt werden dürfe. Ein qualifizierter Geheimhaltungsbedarf ergebe sich aus besonders gewichtigen Schadensrisiken, wovon vorliegend auszugehen sei.
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bb) Das Bundesverfassungsgericht habe bei Fragen zu Vertrauensleuten der Nachrichtendienste eine Fallgruppenbildung vorgenommen, wonach in diesen Fällen eine Auskunftsverweigerung grundsätzlich zulässig sei, sofern nicht im Einzelfall ganz besondere Umstände eine ausnahmsweise andere Abwägung erforderten. Die Fortsetzung solcher Fallgruppenbildungen liege im Interesse sowohl der Bundesregierung als auch künftiger Fragesteller.
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2. Die Antragsgegnerin habe die Verweigerung der Beantwortung der ersten Teilfrage damit begründen dürfen, es bestehe ein zu großes Risiko, dass die Antwort einschlägig interessierten Dritten bekannt werde. Die erfragten Kräftestärken ließen in besonderer Weise Rückschlüsse auf die jeweiligen Fähigkeiten und Schwerpunktsetzungen des BfV zu. Würden diese Informationen bekannt, könnten die Funktionsfähigkeit und Effektivität nachrichtendienstlicher Aufklärung beeinträchtigt werden. Für solche qualifizierten Risikolagen sei die parlamentarische Kontrolle dem Parlamentarischen Kontrollgremium und dem Vertrauensgremium anvertraut. Die Bundesregierung sei bereit, die gestellte Frage im Parlamentarischen Kontrollgremium und ebenso im Vertrauensgremium zu beantworten.
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3. Die Antwortverweigerung zur ersten Teilfrage sei auch ausreichend begründet worden. Die Anforderungen an die Begründung dürften nicht so weit gehen, dass damit Teile der verweigerten Information offengelegt werden müssten. Dem Ansatz, bei der erforderlichen Abwägung auf durch Fallgruppen typisierte Risikoindikatoren zurückzugreifen, entspreche eine Begründung, die auf diese Indikatoren rekurriere und dabei den konkreten Sachverhalt entsprechend einordne.
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In der Zusammenschau sei gerade nicht "formelhaft" auf die nachrichtendienstliche Tätigkeit abgehoben worden. Vielmehr seien die mit einer Beantwortung der konkreten Frage verbundenen Risikoindikatoren ("Kräftestärke in besonderen Aufgabenfeldern" und "Nachrichtendienst-Methodik") in die Abwägung eingestellt worden. Damit bilde die Begründung den materiellen Entscheidungsmaßstab adäquat ab. Wenn die Ablehnungsrechtfertigung auf qualifizierte Risikofallgruppen abstellen könne, könne es die Ablehnungsbegründung naturgemäß ebenso.
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4. Die zweite Teilfrage sei jedenfalls mit Schreiben vom 1. Februar 2021 beantwortet worden. Der Antragsteller rüge dementsprechend auch nicht, dass die zweite Teilfrage unzureichend beantwortet worden sei. Vielmehr kritisiere er den Inhalt dieser Antwort. Ob der Fragesteller mit dem Inhalt einer Antwort der Bundesregierung einverstanden sei oder nicht, sei jedoch für die Vollständigkeit dieser Antwort unerheblich.
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V. |
1. Der Senat hat den in § 65 Abs. 2 BVerfGG genannten Verfassungsorganen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
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2. a) In der mündlichen Verhandlung vom 22. März 2022 hat der Antragsteller betont, dass die erfragte Auskunft sich auf abstrakte, nicht operative oder methodische Daten beziehe. Die Existenz des Parlamentarischen Kontrollgremiums verdränge den parlamentarischen Informationsanspruch des einzelnen Abgeordneten nicht, sondern ergänze diesen. Zudem sei das Parlamentarische Kontrollgremium mit Informationen zur operativen Tätigkeit der Nachrichtendienste befasst; die erbetene Auskunft sei dort fehl am Platz. Die Argumentation zur Rolle des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Rahmen der Abwägung der verfassungsrechtlichen Belange sei überdies nachgeschoben und bereits deshalb außer Betracht zu lassen.
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b) Die Antragsgegnerin hat vertiefend ausgeführt, dass sich bereits aus der Verfassung, insbesondere aus Art. 45d GG, ein System gestufter Konkordanz hinsichtlich des parlamentarischen Informationsinteresses und den Belangen des Staatswohls ergebe. Fragen, die Fähigkeiten und Ausrichtung des BfV beträfen, seien grundsätzlich dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorbehalten. Die Antragsgegnerin schulde dann nur eine nachvollziehbare Begründung für die Einschlägigkeit der Stufe, auf die die parlamentarische Kontrolle verwiesen sei. Dass vorliegend die Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium zu erfolgen habe, sei hinreichend ausgeführt. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ließen sich aus der Gesamtzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ausland durchaus sicherheitsrelevante Rückschlüsse auf die Tätigkeit des BfV ziehen, da daraus auf die Fähigkeiten zur Auslandsaufklärung geschlossen werden könne. Dies werde beispielsweise an der hypothetischen Mitteilung deutlich, dass das BfV keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ausland habe. Die strikte Trennung zwischen operativen und abstrakten Informationen entspreche nicht der nachrichtendienstlichen Praxis. Für die Durchführung der vom Antragsteller angeführten Reform der Nachrichtendienste sei zudem die konkrete Zahl der im Ausland tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht erforderlich.
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Bei der Beurteilung der Gefährdung der Geheimhaltung sei die institutionelle Leistungsfähigkeit zu beachten. Die Mitteilung der begehrten Information unter den Bedingungen der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages biete keinen hinreichenden Schutz vor deren Bekanntwerden.
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Hinsichtlich der erforderlichen Berücksichtigung der Rolle des Parlamentarischen Kontrollgremiums liege kein Nachschieben von Gründen vor. Die Konturierung des Staatswohls stelle eine juristisch zu beantwortende Frage dar; für eine juristische Bewertung sei nie eine Begründung geschuldet.
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B. |
Der Antrag ist zulässig.
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I. |
Dem Antragsteller kommt als Abgeordnetem des Deutschen Bundestages gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein eigener verfassungsrechtlicher Status zu, den er im Organstreitverfahren als "anderer Beteiligter" im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG verteidigen kann (vgl. BVerfGE 2, 143 [166 f.]; 112, 363 [365]; 137, 185 [223 Rn. 104]; 140, 115 [138 Rn. 55]; 147, 50 [117 f. Rn. 162]; stRspr). Die Bundesregierung ist sowohl in Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG als oberstes Bundesorgan (Art. 62 ff. GG) als auch in § 63 BVerfGG ausdrücklich als mögliche Antragsgegnerin bezeichnet.
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II. |
Die Bundesregierung ist die richtige Antragsgegnerin. Durch ihre zwischenzeitliche Neukonstituierung wird ihre Organidentität nicht berührt (vgl. BVerfGE 147, 50 [125 Rn. 193]).
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III. |
Der Antrag bezieht sich auf einen zulässigen Antragsgegenstand. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine rechtserhebliche Maßnahme als auch ein rechtserhebliches Unterlassen sein. Es kommt mit Blick auf § 64 Abs. 1 BVerfGG nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer hinreichenden Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht hinreichenden Beantwortung der jeweiligen Anfrage handelt. Die Antwortverweigerung, die schlichte Nichtbeantwortung und die nicht hinreichende Beantwortung der Anfrage des Antragstellers können diesen in seinem Rechtskreis aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG betreffen. Somit sind die angegriffenen Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 [277]; 103, 81 [86]; 104, 310 [324]; 137, 185 [223 Rn. 105]; 139, 194 [220 f. Rn. 98]; 147, 50 [118 f. Rn. 165]).
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IV. |
Der Antragsteller ist antragsbefugt.
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1. Er hat mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG entsprechend § 64 Abs. 2 BVerfGG die Bestimmungen des Grundgesetzes bezeichnet, gegen die die Verweigerung der Beantwortung der Anfrage seiner Ansicht nach verstößt. Ein den Antragsteller und die Antragsgegnerin umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis (vgl. BVerfGE 1, 208 [221]; 84, 290 [297]; 124, 161 [185]; 137, 185 [224 Rn. 107]; 139, 194 [221 Rn. 99]; 140, 115 [144 Rn. 74]; 147, 50 [119 Rn. 167]; stRspr) liegt vor. Der Antragsteller beanstandet die Antwortverweigerung sowie deren Begründung und rügt, dass Gründe des Staatswohls nicht tangiert seien. Der Organstreit betrifft damit die Reichweite des verfassungsrechtlich verankerten Frage- und Informationsrechts sowie die grundsätzliche Verpflichtung der Bundesregierung, auf Fragen im Parlament Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 [185]; 137, 185 [224 Rn. 107]; 139, 194 [221 Rn. 99]; 147, 50 [119 Rn. 167]).
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2. Das Frage- und Informationsrecht des Parlaments wird verletzt, wenn auf parlamentarische Anfragen ohne rechtfertigenden Grund nicht, nicht vollständig oder bewusst falsch geantwortet wird. Eine Rechtsverletzung liegt auch vor, wenn die Bundesregierung die Gründe nicht hinreichend darlegt, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (vgl. BVerfGE 124, 161 [193]; 137, 185 [244 Rn. 156]; 147, 50 [149 f. Rn. 253 ff.]), wenn sie unter Verkennung der Reichweite des Geheimnisschutzes eine öffentliche Antwort verweigert oder wenn eine unzureichende Begründung der Geheimhaltungsbedürftigkeit gegeben wird (vgl. BVerfGE 124, 161 [185]; 147, 50 [119 Rn. 167]).
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An dem Frage- und Informationsrecht des Parlaments haben die einzelnen Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Bundestages teil (vgl. BVerfGE 124, 161 [188]; 137, 185 [230 f. Rn. 129]; 139, 194 [221 Rn. 99]; 147, 50 [119 Rn. 168]). Ihnen steht ein eigenes organschaftliches Recht auf Beantwortung ihrer Fragen zu.
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3. Der Antragsteller hat hinreichend dargelegt, dass er durch das angegriffene Verhalten der Antragsgegnerin in diesem Recht verletzt sein kann. Er macht mit nachvollziehbarer Begründung geltend, dass die Antragsgegnerin die Beantwortung seiner Frage unter Verkennung ihrer verfassungsrechtlichen Antwortpflicht zu Unrecht verweigert habe. Aus der Antragsbegründung geht hervor, dass nicht auszuschließen ist, dass die Antragsgegnerin von einem fehlerhaften Verständnis der Staatswohlbelange im Bereich der Nachrichtendienste ausgegangen ist und das Informationsrecht des Antragstellers fehlerhaft gewichtet hat. Damit erscheint es möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihren Umgang mit der parlamentarischen Anfrage den Informationsanspruch des Antragstellers aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in unzulässiger Weise verkürzt hat.
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V. |
Der Antragsteller hat die Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG mit seiner am 4. Juni 2021 beim Bundesverfassungsgericht eingegangenen Antragsschrift gewahrt, da die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 9. Dezember 2020 erstmals die vollständige Beantwortung der parlamentarischen Anfrage verweigert hat.
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VI. |
Das im Organstreit auf Seiten des Antragstellers erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BVerfGE 62, 1 [33]; 67, 100 [127]; 68, 1 [77]; 119, 302 [307 f.]; 124, 78 [113]; 140, 115 [146 Rn. 80]; 147, 50 [122 Rn. 178]) ist gegeben. Insbesondere ist der Antragsteller seiner Konfrontationsobliegenheit (vgl. BVerfGE 152, 35 [45 ff. Rn. 26 ff.]) nachgekommen. Er hat die Antragsgegnerin bereits mit Schreiben vom 14. Januar 2021 darauf hingewiesen, dass die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage unzureichend sei. Der Konflikt, dessen Bereinigung der Antragsteller im kontradiktorischen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht begehrt, war für die Antragsgegnerin damit zuvor erkennbar (vgl. BVerfGE 147, 31 [37 Rn. 19]).
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Dem Rechtsschutzbedürfnis steht auch der Ablauf der Legislaturperiode nicht entgegen. Unabhängig davon besteht der Streit über die verfassungsrechtliche Pflicht der Antragsgegnerin zur Beantwortung der gestellten Anfrage fort. Der Antragsteller gehört dem Deutschen Bundestag weiterhin an und hat daher ein schutzwürdiges Interesse an der Klärung, ob die Antragsgegnerin zur vollständigen Beantwortung der von ihm gestellten Anfrage verpflichtet war.
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C. |
Der Antrag ist begründet. Nach den zugrunde zu legenden verfassungsrechtlichen Maßstäben (I.) verletzt die Weigerung der Antragsgegnerin, die Zahl der in den Jahren 2015 bis 2019 ins Ausland entsandten Bediensteten des BfV mitzuteilen, das Recht des Antragstellers aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG (II.).
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I. |
1. Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folgt ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung gegenübersteht (vgl. BVerfGE 124, 161 [188]; 146, 1 [38 Rn. 85]; stRspr). Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages dienen dazu, dem Deutschen Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu geben. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen insoweit die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit des Parlaments (vgl. BVerfGE 13, 123 [125]; 57, 1 [5]; 105, 252 [270]; 105, 279 [306]; 124, 161 [187 ff.]; 137, 185 [230 f. Rn. 129]; 139, 194 [223 Rn. 104]; 146, 1 [38 Rn. 85]; 147, 50 [126 Rn. 195]).
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a) Das parlamentarische Regierungssystem wird nicht zuletzt durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht zum einen den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf eine Verteilung der politischen Macht, das Ineinandergreifen der drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (BVerfGE 3, 225 [247]; 7, 183 [188]; 146, 1 [38 f. Rn. 86]; 147, 50 [126 f. Rn. 196]; 156, 270 [296 Rn. 82] – Amri-Untersuchungsausschuss [Benennung von V-Person-Führer]). Er gebietet eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht ihr gegenüber nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 [130]; 110, 199 [219, 222]; 124, 78 [121]; 137, 185 [231 f. Rn. 130]; 139, 194 [223 f. Rn. 105]; 146, 1 [39 Rn. 86]; 147, 50 [127 Rn. 196]; 156, 270 [296 Rn. 82] – Amri-Untersuchungsausschuss [Benennung von V-Person-Führer]).
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Die Kontrollfunktion ist zum anderen Ausdruck der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 [72]; 93, 37 [66]; 130, 76 [123]; 137, 185 [232 Rn. 131]; 139, 194 [224 Rn. 106]; 146, 1 [39 f. Rn. 87]; 147, 50 [127 Rn. 197]).
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Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen ihren Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Dies setzt die Kenntnis des Parlaments über das Handeln der Regierung voraus. Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (vgl. BVerfGE 130, 76 [128]; 137, 185 [233 f. Rn. 131 f.]; 146, 1 [39 f. Rn. 87 f.]; 147, 50 [128 Rn. 198 f.]).
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b) Der parlamentarische Informationsanspruch ist auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt (vgl. BVerfGE 124, 161 [193]; 147, 50 [128 Rn. 200]). Der Grundsatz der Parlamentsöffentlichkeit dient der effektiven Wahrnehmung der Verantwortlichkeit des Parlaments gegenüber den Wählerinnen und Wählern (vgl. BVerfGE 125, 104 [124]; 130, 318 [344]), die einen zentralen Mechanismus des effektiven Einflusses des Volkes auf die Ausübung der Staatsgewalt darstellt (vgl. BVerfGE 83, 60 [71 f.]; 93, 37 [66]; 147, 50 [129 Rn. 201]). Die verantwortliche Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an der politischen Willensbildung setzt voraus, dass die Einzelnen von den durch die verfassten Staatsorgane getroffenen Entscheidungen, Maßnahmen und Lösungsvorschlägen genügend wissen, um sie beurteilen, billigen oder verwerfen zu können (vgl. BVerfGE 44, 125 [147]; 147, 50 [129 Rn. 201]). Dem entspricht die Pflicht der Regierung, gegenüber dem Parlament grundsätzlich in öffentlich zugänglicher Weise Rechenschaft abzulegen.
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2. Der Informationsanspruch des Deutschen Bundestages und der einzelnen Abgeordneten ist allerdings nicht grenzenlos. Diese Grenzen müssen aber, auch soweit sie einfachgesetzlich geregelt sind, ihren Grund im Verfassungsrecht haben (vgl. BVerfGE 147, 50 [133 Rn. 212]; zum Beweiserhebungsrecht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses BVerfGE 124, 78 [118]; 143, 101 [135 Rn. 111]; 156, 270 [298 Rn. 86] – Amri-Untersuchungsausschuss [Benennung von V-Person-Führer]). Dazu zählen die Grenzen des Zuständigkeitsbereichs der Regierung (a), der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung (b), die Grundrechte Dritter (c) und das Staatswohl (d).
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a) Da das Interpellationsrecht Ausdruck der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament ist, kann sich der Informationsanspruch des Deutschen Bundestages und der einzelnen Abgeordneten von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen. Insoweit fehlt es von vornherein an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag (vgl. BVerfGE 124, 161 [189, 196]; 137, 185 [233 Rn. 134]; 139, 194 [225 Rn. 107]; 146, 1 [40 f. Rn. 90]; 147, 50 [133 Rn. 214]).
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Der Verantwortungsbereich der Bundesregierung umfasst nicht nur das Regierungshandeln im engeren Sinn, sondern auch den von ihr verantworteten Aufgabenbereich, mithin das Handeln nachgeordneter Behörden (vgl. BVerfGE 147, 50 [133 f. Rn. 215]). Hinsichtlich der Tätigkeit und Erkenntnisse der Nachrichtendienste ist der Verantwortungsbereich der Bundesregierung daher auch berührt, wenn die Anfragen Tätigkeiten unmittelbar nachgeordneter Behörden betreffen (vgl. BVerfGE 146, 1 [40 f. Rn. 90]).
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b) Das Gewaltenteilungsprinzip ist zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung (vgl. BVerfGE 110, 199 [219]; 143, 101 [136 f. Rn. 118]; 146, 1 [41 f. Rn. 91]; 147, 50 [138 Rn. 228]; 156, 270 [298 Rn. 88] – Amri-Untersuchungsausschuss [Benennung von V-Person-Führer]). Die Verantwortung der Regierung gegenüber dem Parlament und dem Volk setzt notwendigerweise einen nicht ausforschbaren Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus. Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen. Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge (vgl. BVerfGE 67, 100 [139]; 110, 199 [214 f.]; 124, 78 [120 f.]; 131, 152 [206]; 143, 101 [137 Rn. 119 f.]; 146, 1 [42 Rn. 92 f.]; 147, 50 [138 f. Rn. 229]; 156, 270 [298 f. Rn. 89] – Amri-Untersuchungsausschuss [Benennung von V-Person-Führer]).
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c) Daneben können das Fragerecht der Abgeordneten und des Deutschen Bundestages sowie die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte Dritter zu beachten haben (vgl. BVerfGE 67, 100 [142]; 76, 363 [387]; 124, 78 [125]; 137, 187 [243 Rn. 153]; 146, 1 [45 Rn. 100]; 156, 270 [300 Rn. 94] – Amri-Untersuchungsausschuss [Benennung von V-Person-Führer]). Dabei ist zwischen den Grundrechten betroffener Personen und dem Informationsinteresse des Parlaments gegebenenfalls ein Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz zu finden (vgl. BVerfGE 146, 1 [45 Rn. 100]; zum parlamentarischen Untersuchungsrecht BVerfGE 156, 270 [300 Rn. 94] – Amri-Untersuchungsausschuss [Benennung von V-Person-Führer]).
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d) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs des Deutschen Bundestages bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl), das insbesondere durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 [134 ff.]; 124, 78 [123]; 137, 185 [240 Rn. 149]; 146, 1 [42 f. Rn. 94 f.]; 147, 50 [146 Rn. 246]; 156, 270 [299 Rn. 90] – Amri-Untersuchungsausschuss [Benennung von V-Person-Führer]). Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Frage- und Informationsrecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls (vgl. BVerfGE 146, 1 [43 Rn. 95]; 147, 50 [146 Rn. 247]).
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aa) Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 [136]; 124, 78 [124]; 137, 185 [241 Rn. 149]; 146, 1 [43 Rn. 96]). Das Parlament und seine Organe können insoweit nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheim zu halten sind (vgl. BVerfGE 124, 78 [124]; 137, 185 [241 Rn. 149]; 146, 1 [43 Rn. 96]).
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bb) Gegebenenfalls sind Formen der Informationsvermittlung zu suchen, die geeignet sind, das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen der Regierung zu befriedigen (vgl. BVerfGE 124, 161 [193]; 147, 50 [129 Rn. 202]). So ist die Übernahme von Aufgaben des Plenums durch geheim tagende parlamentarische Untergremien in bestimmten Fällen möglich (vgl. BVerfGE 70, 324 [364]; 130, 318 [359 ff.]), allerdings muss dies auf wenige Ausnahmen mit eng begrenztem Anwendungsbereich beschränkt bleiben und zwingend erforderlich sein (vgl. BVerfGE 130, 318 [360]; 147, 50 [129 Rn. 203]). Die Beantwortung parlamentarischer Anfragen unter Anwendung der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages kann geeignet sein, als milderes Mittel einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten und konfligierenden Rechtsgütern zu schaffen (vgl. BVerfGE 147, 50 [131 Rn. 206]). Eine Berufung auf das Staatswohl kommt gegenüber dem Deutschen Bundestag daher in der Regel dann nicht in Betracht, wenn wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden (vgl. BVerfGE 67, 100 [136]; 137, 185 [241 Rn. 149]; 146, 1 [43 Rn. 96]).
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cc) Der Deutsche Bundestag hat die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Erfüllung seiner Aufgaben in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise festgelegt (vgl. BVerfGE 67, 100 [135]; 77, 1 [48]; 146, 1 [43 Rn. 97]; 147, 50 [146 f. Rn. 247]; 156, 270 [229 Rn. 92] – Amri-Untersuchungsausschuss [Benennung von V-Person-Führer]; vgl. auch BVerfGE 70, 324 [359]). Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt (vgl. BVerfGE 67, 100 [135]; 137, 185 [240 f. Rn. 149]; 146, 1 [43 Rn. 97]; 156, 270 [299 f. Rn. 92] – Amri-Untersuchungsausschuss [Benennung von V-Person-Führer]. Die Geheimschutzordnung stellt damit grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse dar (vgl. BVerfGE 67, 100 [135]; 70, 324 [359]; 124, 78 [124 f.]; 137, 185 [264 Rn. 199]; 146, 1 [43 f. Rn. 97]).
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Die Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung effektiv auszuüben vermag (vgl. BVerfGE 67, 100 [135]; 70, 324 [359]; 137, 185 [240 Rn. 149]; 143, 101 [143 Rn. 139]; 146, 1 [42 Rn. 98]). Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache hat Geltung für alle drei Gewalten (vgl. BVerfGE 146, 1 [44 Rn. 98]; 156, 270 [299 Rn. 91] – Amri-Untersuchungsausschuss [Benennung von V-Person-Führer]. Die Geheimschutzbestimmungen des Deutschen Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (BVerfGE 146, 1 [44 Rn. 98]; 147, 50 [147 Rn. 248]; 156, 270 [300 Rn. 93] – Amri-Untersuchungsausschuss [Benennung von V-Person-Führer].
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dd) Auch kommt für Informationen, die die Organisation und die Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste betreffen, eine Begrenzung des Informationsanspruchs des Deutschen Bundestages im Sinne einer grundsätzlichen "Bereichsausnahme" nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 146, 1 [54 Rn. 120]; demgegenüber für den Bereich der Rüstungsexporte BVerfGE 137, 185 [251 ff. Rn. 173 ff.]). Sie stellen sich mit Blick auf die Vermeidung einer Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit als zwar besonders sensibel dar. Allerdings steht dem Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung ein ebenfalls gewichtiges Informationsinteresse des Parlaments gegenüber (vgl. BVerfGE 146, 1 [53 Rn. 115]; 156, 270 [307 Rn. 114] – Amri-Untersuchungsausschuss [Benennung von V-Person-Führer]. Für die Tätigkeit der Nachrichtendienste sind die verfassungsrechtlich verankerten Geheimhaltungsinteressen und der parlamentarische Auskunftsanspruch in einer Weise in Ausgleich zu bringen, dass beide soweit wie möglich ihre Wirkung entfalten (vgl. BVerfGE 146, 1 [54 Rn. 119]).
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In Bezug auf den Einsatz von Vertrauenspersonen hat der Senat daraus gefolgert, dass eng begrenzte Ausnahmefälle denkbar sind, in denen das parlamentarische Informationsinteresse überwiegt. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn aufgrund besonderer Umstände eine Gefährdung grundrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint und eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht ernsthaft zu befürchten ist (vgl. BVerfGE 146, 1 [56 Rn. 124]). Ein ausnahmsloser Vorrang von Geheimhaltungsinteressen besteht auch in diesem Fall nicht (vgl. BVerfGE 156, 270 [307 Rn. 115] – Amri-Untersuchungsausschuss [Benennung von V-Person-Führer]).
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ee) Die Staatspraxis kennt neben der Geheimschutzordnung als Mittel des Ausgleichs zwischen parlamentarischem Informationsinteresse und dem exekutiven Geheimhaltungsinteresse das durch das Plenum des Deutschen Bundestages gewählte Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (Art. 45d GG, § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 PKGrG; vgl. BVerfGE 130, 318 [359]; 146, 1 [44 Rn. 99]). Durch die Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Deutschen Bundestages auf die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums wird ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das in der Regel einen angemessenen Ausgleich der kollidierenden Interessen herbeiführen dürfte (vgl. BVerfGE 137, 185 [262 Rn. 194]; 146, 1 [44 Rn. 99]).
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Allerdings ist das Gremium ein zusätzliches Instrument, das die parlamentarische Kontrolle der Regierung erweitert, sonstige parlamentarische Informationsrechte aber nicht verdrängt (vgl. BVerfGE 124, 161 [190]; 146, 1 [44 f. Rn. 99]). Die zusätzliche parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes durch ein ständiges Gremium soll dazu beitragen, die Lücke zu schließen, die sich daraus ergibt, dass weder Öffentlichkeit noch Parlament von geheimen Vorgängen entsprechende Kenntnis erlangen (vgl. BVerfGE 124, 161 [190 f.]; 146, 1 [45 Rn. 99]). Aufgrund seiner Zusammensetzung, Aufgabenstellung und Arbeitsweise sowie seiner eingeschränkten, teilweise an qualifizierte Mehrheitserfordernisse gebundenen Beweiserhebungsmöglichkeiten (vgl. § 7 Abs. 1 PKGrG, § 10 Abs. 2 PKGrG) vermag das Parlamentarische Kontrollgremium keine vollständige parlamentarische Kontrolle über die nachrichtendienstliche Tätigkeit zu leisten. Die einzelnen Abgeordneten, die Fraktionen und das Plenum des Deutschen Bundestages können nicht auf die Informationen zugreifen, die die Bundesregierung dem Parlamentarischen Kontrollgremium gibt (vgl. BVerfGE 124, 161 [191]; 146, 1 [45 Rn. 99]).
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a) Aus der verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, warum sie die erfragten Informationen nicht, unvollständig oder nicht öffentlich erteilt (vgl. BVerfGE 124, 161 [193]; 137, 185 [244 Rn. 156]; 139, 194 [231 f. Rn. 121]; 143, 101 [144 Rn. 143]; 146, 1 [48 Rn. 107]; 147, 50 [149 Rn. 253]; stRspr). Sie hat – auch im Hinblick auf das Gebot der Organtreue – den Deutschen Bundestag in die Lage zu versetzen, seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrzunehmen. Dies ist nur möglich, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessenen, ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er die Abwägung der betroffenen Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können. Eine Begründung der Antwortverweigerung ist nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 [193]; 137, 185 [244 Rn. 156]; 139, 194 [231 f. Rn. 121]; 143, 101 [144 Rn. 143]; 146, 1 [48 Rn. 107]; 147, 50 [149 Rn. 254]).
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Das Vorliegen der Voraussetzungen eines Informationsverweigerungsrechts ist substantiiert und nicht lediglich formelhaft darzulegen. Eine substantiierte Begründung der ablehnenden Entscheidung ist unentbehrliche Grundlage auch der verfassungsgerichtlichen Kontrolle, die andernfalls weitgehend zur Disposition der Bundesregierung stünde (vgl. BVerfGE 124, 78 [128]; 147, 50 [150 Rn. 256]). Erfolgt eine Berufung der Bundesregierung auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung oder auf Gründe des Staatswohls, bedarf es näherer Angaben, um den Fragesteller in die Lage zu versetzen, die Abwägung zwischen dem parlamentarischen Informationsrecht einerseits und den Geheimhaltungsinteressen andererseits überprüfen zu können (vgl. BVerfGE 139, 194 [232 Rn. 123]; 146, 1 [48 Rn. 108]; 147, 50 [149 Rn. 255]).
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b) Ein Nachschieben von Gründen kommt nicht in Betracht, da es dem Zweck des Begründungserfordernisses widerspräche. Dieses soll gerade gewährleisten, dass der Fragesteller die Gründe der Antwortverweigerung erfährt und so in die Lage versetzt wird, sie nachzuvollziehen und die Erfolgsaussichten einer Inanspruchnahme verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes abzuschätzen. Ist die Verschaffung vollständiger Information zunächst ohne zureichende Begründung abgelehnt worden, vermag eine erst im Organstreitverfahren gegebene ergänzende Begründung daher nichts an dem darin liegenden Rechtsverstoß zu ändern (vgl. BVerfGE 124, 78 [147]; 146, 1 [48 f. Rn. 108]; 147, 50 [150 Rn. 259]).
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Die verfassungsgerichtliche Kontrolle im Organstreitverfahren ist vor diesem Hintergrund regelmäßig auf die Prüfung beschränkt, ob und inwieweit die bei der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage angeführten Gründe eine Antwortverweigerung tragen. Zu berücksichtigen sind allerdings auch diejenigen Gründe, durch die die Antwortverweigerung vor Einleitung des Organstreitverfahrens gegebenenfalls ergänzt oder konkretisiert wurde, wenn die Bundesregierung durch den Antragsteller in Erfüllung der diesem regelmäßig obliegenden Konfrontationsobliegenheit auf die mutmaßliche Unrichtigkeit beziehungsweise Unvollständigkeit ihrer Antwort hingewiesen wird (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 28. Januar 2020 – 5/18 –, juris, Rn. 104; VerfGH Berlin, Beschluss vom 20. März 2019 – 92/17 –, juris, Rn. 22).
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II. |
Nach diesen Maßstäben hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller die mit der schriftlichen Einzelfrage Nr. 32 für den Monat Dezember vom 9. Dezember 2020 erbetene Auskunft ohne rechtfertigenden Grund verweigert und dadurch das parlamentarische Fragerecht des Antragstellers aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.
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Die parlamentarische Anfrage bezieht sich auf einen Gegenstand im eigenen Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung (1.). Rechtfertigungsgründe für die Verweigerung der begehrten Auskunft liegen nicht vor. Die Anfrage betrifft weder den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung (2.) noch Grundrechte Dritter (3.). Eine Gefährdung des Staatswohls ist weder hinreichend dargelegt noch ansonsten ersichtlich (4.). Unabhängig davon hat die Antragsgegnerin den verfassungsrechtlichen Begründungsanforderungen bei der Verweigerung der begehrten Auskunft nicht Rechnung getragen (5.).
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1. Die Anfrage betrifft den Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung. Das BfV war im entscheidungserheblichen Zeitpunkt eine dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat nachgeordnete Behörde, die dessen Rechts- und Fachaufsicht unterstand. Die Antragsgegnerin hatte damit unmittelbaren Zugriff auf die vom Antragsteller erfragten Informationen. Es ist nicht ersichtlich, dass deren Beschaffung nur mit unzumutbarem Aufwand (vgl. dazu BVerfGE 124, 161 [197]; 147, 50 [147 Rn. 249]) möglich gewesen wäre.
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2. Die Beantwortung der Anfrage berührt nicht den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Es erscheint nicht plausibel, dass durch die Mitteilung der Anzahl der in den Jahren 2015 bis 2019 im Ausland tätigen Bediensteten des BfV die Möglichkeit des Mitregierens Dritter bei der Wahrnehmung der Aufgaben der Bundesregierung im Bereich der Nachrichtendienste eröffnet würde. Die erbetene Auskunft betrifft ausschließlich in der Vergangenheit liegende abgeschlossene Vorgänge.
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3. Ebenso wenig kommt eine Verweigerung der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Grundrechte Dritter in Betracht. Die bloße Mitteilung der abstrakten Zahl der im nicht näher spezifizierten Ausland tätigen Bediensteten des BfV begründet keine relevanten Enttarnungsrisiken für einzelne Personen. Die Pflicht der Antragsgegnerin, das Leben und die körperliche Unversehrtheit der verdeckt handelnden Bediensteten des BfV zu schützen (vgl. BVerfGE 146, 1 [45 Rn. 101]), steht daher einer Erteilung der begehrten Auskunft nicht entgegen.
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4. Schließlich ist die Verweigerung der begehrten Informationen auf der Grundlage des Sachvortrags der Antragsgegnerin auch nicht aus Gründen des Staatswohls gerechtfertigt. Als ein solcher Grund kommt vorliegend ausschließlich das Interesse an der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Verfassungsschutzes in Betracht (vgl. BVerfGE 146, 1 [49 f. Rn. 110]). Es ist jedoch weder von der Antragsgegnerin dargelegt noch ansonsten ersichtlich, dass die Erteilung der begehrten Auskunft zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des BfV führen kann (a). Zumindest fehlt es an einem feststellbaren Überwiegen der behaupteten exekutiven Geheimhaltungsinteressen gegenüber dem Informationsanspruch des Parlaments (b). Demgegenüber kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass angesichts sonstiger Möglichkeiten parlamentarischer Kontrolle für die Beantwortung parlamentarischer Anfragen zur Tätigkeit des BfV – selbst unter Geheimschutzbedingungen – kein Raum ist (c). Gleiches gilt, soweit die Nichtbeantwortung der parlamentarischen Anfrage auf die damit verbundene Erweiterung des Kreises der Geheimnisträger gestützt wird (d).
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a) Dass es sich bei der Zahl der Auslandsbediensteten des BfV um eine geheimhaltungsbedürftige Tatsache handelt, deren Mitteilung geeignet ist, die Effektivität seiner Arbeit in relevantem Umfang einzuschränken, ist nicht ersichtlich. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den Hinweisen der Antragsgegnerin zur Methodik nachrichtendienstlicher Arbeit.
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aa) Die Anfrage des Antragstellers richtet sich ausschließlich auf die Mitteilung der Gesamtzahl der in den Jahren 2015 bis 2019 jeweils im Ausland tätigen Bediensteten des BfV und eine Bewertung dieses Umstands mit Blick auf die Aufgabenverteilung zwischen BfV und BND. Eine Spezifizierung der erfragten Zahl der Auslandsbediensteten nach Einsatzorten oder -regionen, Einsatzzeiten, Tätigkeitsschwerpunkten oder sonstigen Merkmalen fordert der Antragsteller nicht. Dass aber die bloße Mitteilung der jährlichen Gesamtzahl der Auslandsbediensteten über einen Zeitraum von fünf Jahren und eine Bewertung der Auslandsaktivitäten des BfV in Abgrenzung zum BND auf die Handlungsfähigkeit der Nachrichtendienste zurückwirken und diese einschränken könnten, ist nicht plausibel. Bei einer Beantwortung der parlamentarischen Anfrage wird lediglich die Zahl an Personen offengelegt, die vom BfV im bezeichneten Zeitraum jahresbezogen für Auslandsaktivitäten eingesetzt wurden. Rückschlüsse auf konkrete Aktivitäten oder Einsatzfelder können daraus weder für den erfragten Zeitraum gezogen werden, noch enthalten die erbetenen Zahlen Aussagen für die Gegenwart oder Zukunft.
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Vor diesem Hintergrund ist die Behauptung der Antragsgegnerin, die Beantwortung der Anfrage ermögliche es ausländischen Nachrichtendiensten oder extremistischen Gruppierungen, sich operativ auf die Entsendung von Bediensteten des BfV ins Ausland einzustellen und die Wirksamkeit von Aufklärungsmaßnahmen zu beeinträchtigen, nicht nachvollziehbar. Die Möglichkeiten des Einsatzes von Bediensteten des BfV im Ausland dürften bereits aus allgemein zugänglichen Quellen ableitbar sein.
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So wird in den Verfassungsschutzberichten aus dem fraglichen Zeitraum internationalen Bedrohungen, der Entwicklung internationaler Vernetzungen des islamistischen Terrorismus sowie verfassungsschutzrelevanten Aktivitäten ausländischer Staaten erheblicher Raum gegeben. Die Berichte enthalten jeweils ein eigenes Kapitel zum Islamismus und islamistischen Terrorismus mit Darstellungen internationaler Schauplätze und einzelner Beobachtungsobjekte (vgl. Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2015, S. 150 ff.; Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2016, S. 154 ff.; Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Verfassungsschutzbericht 2017, S. 164 ff.; Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Verfassungsschutzbericht 2018, S. 170 ff.; Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Verfassungsschutzbericht 2019, S. 172 ff.). Ebenso werden internationale Vernetzungen links- und rechtsextremistischer Bestrebungen mit dem Ausland aufgezeigt. In einem eigenen Kapitel zu geheimdienstlichen Aktivitäten für eine fremde Macht werden sicherheitsgefährdende Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste sowie deren Strukturen und Aufgaben geschildert.
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Davon ausgehend erscheint es naheliegend, dass das BfV für die Gewinnung entsprechender Erkenntnisse auch im Ausland eigene Bedienstete einsetzt und jedenfalls nicht in allen der abgefragten, in der Vergangenheit liegenden Jahre die Gesamtzahl null war. Damit minimiert sich der Erkenntniswert für vom Ausland agierende extremistische Organisationen beziehungsweise für ausländische Nachrichtendienste, wenn über die Tatsache des Einsatzes von Auslandsbediensteten durch das BfV hinaus noch deren jahresbezogene Gesamtzahl mitgeteilt wird. Dass dies erhöhte Identifikationsrisiken begründet oder die Entwicklung von Gegenstrategien erleichtert, erschließt sich nicht. Im Ausland agierende Organisationen oder fremde Nachrichtendienste dürften davon ausgehen, dass deutsche Nachrichtendienste versuchen, auch durch den Einsatz von Bediensteten in den jeweiligen Ländern von dort ausgehende verfassungsfeindliche Aktivitäten aufzuklären. Durch die Mitteilung der Gesamtzahl der insoweit tätigen Bediensteten des BfV wird diese auf der Hand liegende Annahme allenfalls bestätigt.
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bb) Dem steht der Vortrag der Antragsgegnerin zur Methodik nachrichtendienstlicher Tätigkeit nicht entgegen. Sie behauptet, da Nachrichtendienste Informationen sammelten, um diese wie ein "Mosaik" zu einem aussagekräftigen Gesamtbild zusammenzuführen, könnte die begehrte Auskunft ein entscheidendes Teilstück sein, um sicherheitsrelevante Rückschlüsse auf die Tätigkeit des BfV im Ausland ziehen zu können.
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Diese abstrakte Überlegung vermag die Gefahr einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des BfV im Falle der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage nicht zu begründen. Zwar ist der Antragsgegnerin zuzugestehen, dass sich aus der Kombination von – für sich genommen wenig aussagekräftigen – Informationen neue Erkenntnisse ergeben können. Dies entbindet sie aber nicht von der konkreten Darlegung, dass es sich bei der jeweiligen Tatsache gerade um einen solchen "Mosaikstein" handeln könnte, der geeignet wäre, ein Gesamtbild entstehen zu lassen und damit den angestrebten Erkenntnisgewinn zu erreichen. Es ist auf der Grundlage des Sachvortrags der Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar, inwieweit die bloße Zahl der im abgefragten Zeitraum jährlich insgesamt im Ausland eingesetzten Bediensteten des BfV fremden Nachrichtendiensten im Kontext mit weiteren Informationen die Möglichkeit "granularerer Spezifizierungen" eröffnen oder inwieweit diese Information extremistischen Organisationen nützen könnte, wenn sie Tatvorbereitungen ins Ausland verlegen, mit dortigen Bestrebungen kooperieren oder durch grenzüberschreitende Bewegungen Observationen zu vermeiden suchen. Ohne spezifischere Darlegungen erschöpft sich die "Mosaikstein"-Argumentation der Antragsgegnerin in einer inhaltsleeren These, mit der jede Auskunft verweigert werden könnte, da naturgemäß jede Auskunft einen Inhalt hat, der abstrakt einen "Mosaikstein" in irgendeinem Zusammenhang darstellen könnte. Die Antragsgegnerin verfehlt damit die Anforderungen an eine substantielle Begründung für die Auskunftsverweigerung.
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b) Zumindest ergibt sich aus den Darlegungen der Antragsgegnerin nicht, dass die behaupteten Geheimhaltungsinteressen den parlamentarischen Informationsanspruch in einem Maße überwiegen, dass von einer Beantwortung der parlamentarischen Anfrage – gegebenenfalls in eingestufter Form – abgesehen werden durfte.
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Die Übernahme der von der Antragsgegnerin vertretenen "Mosaiktheorie" hätte ein nahezu völliges Leerlaufen des parlamentarischen Fragerechts der Abgeordneten des Deutschen Bundestages im Sinne einer Bereichsausnahme in Bezug auf die Tätigkeit der Nachrichtendienste zur Folge. Genügte die bloße Behauptung, eine für sich genommen unproblematische Auskunft könne in Kombination mit weiteren Informationen zu Erkenntnissen führen, die geeignet seien, die Effektivität der Arbeit der Nachrichtendienste zu beeinträchtigen, bestünde die uneingeschränkte Möglichkeit der Antragsgegnerin, aus Gründen des Staatswohls parlamentarische Anfragen zu diesem Bereich unbeantwortet zu lassen.
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Eine solche Bereichsausnahme für die Tätigkeit der Nachrichtendienste von der parlamentarischen Kontrolle kommt, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung bereits festgestellt hat (vgl. BVerfGE 146, 1 [54 Rn. 120]; 156, 270 [307 Rn. 115] – Amri-Untersuchungsausschuss [Benennung von V-Person-Führer], nicht in Betracht. Sie widerspricht dem Gebot, bei einer Kollision des verfassungsrechtlich verankerten Geheimhaltungsinteresses mit dem parlamentarischen Auskunftsanspruch einen Ausgleich im Wege der praktischen Konkordanz herbeizuführen (vgl. BVerfGE 146, 1 [54 Rn. 119]). Gründe, hiervon ausnahmsweise abzuweichen (vgl. BVerfGE 137, 185 [251 ff. Rn. 173 ff.]), liegen für den Bereich der nachrichtendienstlichen Tätigkeit nicht vor. Dies hat zur Folge, dass nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu bestimmen ist, wie exekutives Geheimhaltungsinteresse und parlamentarisches Auskunftsinteresse bestmöglich zum Ausgleich gebracht werden können.
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Vorliegend sprechen die besseren Argumente für den Vorrang des parlamentarischen Informationsanspruchs. Selbst wenn zu unterstellen wäre, dass die – gegebenenfalls eingestufte – Mitteilung der Gesamtzahl der in den Jahren 2015 bis 2019 jeweils im Ausland tätigen Bediensteten Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit des BfV haben könnte, wäre dies allenfalls in einem derart marginalen Umfang der Fall, dass ein vollständiges Zurücktreten des parlamentarischen Auskunftsrechts nicht gerechtfertigt ist.
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c) Demgegenüber kann nicht darauf verwiesen werden, dass jedenfalls das Fragerecht des einzelnen Abgeordneten hinter sonstigen Möglichkeiten parlamentarischer Kontrolle der Nachrichtendienste zurückzutreten habe.
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aa) Die Antragsgegnerin macht insoweit geltend, bei der parlamentarischen Kontrolle der Tätigkeit der Nachrichtendienste komme ein "Stufensystem praktischer Konkordanz" zur Anwendung, bei dem die Einrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums als Mittel des Ausgleichs zwischen parlamentarischem Informationsinteresse und dem Geheimhaltungsinteresse berücksichtigt werden müsse. Dadurch sei sichergestellt, dass trotz der Nichtbeantwortung parlamentarischer Anfragen die Kontrolle der Nachrichtendienste unter Beachtung besonderer Geheimschutzmaßnahmen möglich bleibe. Darüber hinaus verweist die Antragsgegnerin auf das Vertrauensgremium gemäß § 10a Abs. 2 BHO, welches insbesondere die Personalausstattung der Nachrichtendienste unter Gewährleistung eines besonders hohen Maßes an Geheimhaltung überprüfe. Die Möglichkeit der Unterrichtung dieser Gremien habe zur Folge, dass das parlamentarische Fragerecht der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verdrängt werde.
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bb) Dies vermag nicht zu überzeugen. Der Auffassung der Antragsgegnerin steht entgegen, dass im Vertrauensgremium gemäß § 10a Abs. 2 BHO lediglich eine Finanzkontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit stattfindet und auch das Parlamentarische Kontrollgremium aufgrund seiner Aufgabenstellung (vgl. § 1 Abs. 1 PKGrG), seiner eingeschränkten Möglichkeiten der Beweiserhebung und deren Bindung an – teilweise qualifizierte – Mehrheitserfordernisse (vgl. § 7 Abs. 1 PKGrG, § 10 Abs. 2 PKGrG) lediglich eine partielle Kontrolle der Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden zu leisten vermag. Hinzu kommt, dass die einzelnen Abgeordneten, Fraktionen und das Plenum des Deutschen Bundestages auf Informationen, die diesen Gremien zur Verfügung gestellt werden, nicht zugreifen können (vgl. BVerfGE 146, 1 [45 Rn. 99]). Benötigt der einzelne Abgeordnete etwa im Zusammenhang mit Gesetzgebungsverfahren zur Regelung der Arbeit der Nachrichtendienste konkrete Informationen, hilft die Unterrichtung der genannten Gremien nicht weiter. Er bleibt darauf angewiesen, sich die aus seiner Sicht für die verantwortliche Wahrnehmung seines Mandats erforderlichen Informationen notfalls im Wege der Ausübung seines durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Fragerechts zu beschaffen. Die Beurteilung der Erforderlichkeit der Informationen für die parlamentarische Arbeit obliegt dabei – von Missbrauchsfällen abgesehen – dem parlamentarischen Fragesteller (vgl. BVerfGE 124, 161 [198]).
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Davon ausgehend hat der Senat in seiner Rechtsprechung ausdrücklich klargestellt, dass das Parlamentarische Kontrollgremium lediglich ein zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle ist, das sonstige parlamentarische Informationsrechte nicht verdrängt (vgl. BVerfGE 124, 161 [190]; 146, 1 [44 f. Rn. 99]; siehe dazu auch Grzeszick, DÖV 2018, S. 209 [216]; Wolff, JZ 2010, S. 173 [180]). Daran ist festzuhalten. Auch mit Blick auf das Vertrauensgremium gemäß § 10a Abs. 2 BHO kann nichts Anderes gelten. Für eine abweichende Beurteilung im hier vorliegenden Fall ist nichts ersichtlich.
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d) aa) Ebenso fehl geht die Auffassung, allein die Erweiterung des Kreises der Geheimnisträger stehe der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage des Antragstellers selbst in eingestufter Form entgegen. Die Antragsgegnerin verweist insoweit darauf, dass mit jeder Erweiterung des Kreises der Zugangsberechtigten Geheimschutzrisiken in relevantem Maße zunähmen. Auch bei einer Übermittlung von Informationen nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages habe dies eine Vergrößerung des Kreises der Zugangsberechtigten um einen dreistelligen Faktor zur Folge. Vor diesem Hintergrund sei die Verweigerung einer Auskunft über geheimhaltungsbedürftige Tatsachen zur Tätigkeit der Nachrichtendienste – jenseits des Parlamentarischen Kontrollgremiums – zum Schutze des Staatswohls grundsätzlich und auch im vorliegenden Fall gerechtfertigt.
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bb) Dem steht entgegen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist. Mithin kann bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen die Berufung auf das Staatswohl gerade gegenüber dem Deutschen Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden (vgl. BVerfGE 67, 100 [136]; 146, 1 [43 Rn. 96]; auch BVerfGE 156, 270 [299 Rn. 91] – Amri-Untersuchungsausschuss [Benennung von V-Person-Führer].
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Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung festgestellt, dass die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt lassen und dass die Bundesregierung daher nicht verpflichtet ist, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 [137]; 146, 1 [44 Rn. 98]).
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Es hat zudem anerkannt, dass nicht jede Anfrage aufgrund der Möglichkeit einer entsprechenden Einstufung beantwortet werden muss. Besonders geheimhaltungsbedürftige Informationen aus dem Bereich des Quellenschutzes dürfen dem Parlament auch dann vorenthalten werden, wenn beiderseits Vorkehrungen gegen ihr Bekanntwerden getroffen worden sind. Gerade im Bereich verdeckt handelnder Personen besteht ein legitimes Interesse, den Kreis der Geheimnisträger auf das notwendige Minimum zu beschränken (vgl. BVerfGE 146, 1 [56 f. Rn. 125]).
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cc) Davon ausgehend genügt allein die Erweiterung des Kreises der Geheimnisträger für die Verweigerung einer eingestuften Beantwortung der parlamentarischen Anfrage des Antragstellers nicht.
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(1) Bei der jahresbezogenen Gesamtzahl der im Ausland tätigen Bediensteten des BfV handelt es sich nicht um eine besonders geheimhaltungsbedürftige Information, bei der ein legitimes Interesse besteht, den Kreis der Geheimnisträger auf das notwendige Minimum zu beschränken. Wie vorstehend dargelegt, erscheint bereits zweifelhaft, ob das Bekanntwerden dieser Information überhaupt geeignet ist, zu einer relevanten Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des BfV zu führen. Ein der Situation des Quellenschutzes vergleichbares besonderes Geheimhaltungsinteresse besteht jedenfalls nicht.
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(2) Selbst wenn unterstellt würde, dass es sich bei der jahresbezogenen Gesamtzahl der Auslandsbediensteten des BfV im Zeitraum von 2015 bis 2019 um eine geheimhaltungsbedürftige Tatsache handelte, sodass deren Übermittlung an den Deutschen Bundestag trotz des Umstands, dass der parlamentarische Informationsanspruch grundsätzlich auf die öffentliche Beantwortung gestellter Fragen gerichtet ist (vgl. BVerfGE 124, 161 [193]; 147, 50 [128 Rn. 200]), von vornherein nur in eingestufter Form in Betracht käme, fehlte es an den Voraussetzungen, auch eine derartige Informationsweitergabe zu verweigern.
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Die Antragsgegnerin trägt insoweit nicht vor, dass der Deutsche Bundestag keine wirksamen Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden der erfragten Auskunft im Falle eingestufter Übermittlung getroffen habe. Stattdessen verweist sie schlicht auf die Erweiterung des Kreises der Zugangsberechtigten bei einer Beantwortung der parlamentarischen Anfrage in eingestufter Form. Reichte dies für eine Verweigerung der Beantwortung parlamentarischer Anfragen selbst in eingestufter Form aus, hätte dies ebenfalls den weitgehenden Ausfall des parlamentarischen Fragerechts bei der Kontrolle der Tätigkeit der Nachrichtendienste zur Folge. Dem Gebot des bestmöglichen Ausgleichs zwischen staatlichem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischen Auskunftsansprüchen (vgl. dazu BVerfGE 146, 1 [54 Rn. 119]) würde dadurch nicht Rechnung getragen. Vielmehr ergäbe sich auf dieser Grundlage ebenfalls eine unzulässige Bereichsausnahme für das parlamentarische Fragerecht in Angelegenheiten der Nachrichtendienste (vgl. BVerfGE 146, 1 [54 Rn. 120]).
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Daher ist davon auszugehen, dass im Fall wirksamer Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen auf der Grundlage der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages auch geheimhaltungsbedürftige Tatsachen grundsätzlich an diesen zu übermitteln sind. Nur beim Vorliegen besonderer, die Geheimhaltung infrage stellender Umstände kommt eine Verweigerung der Übermittlung derartiger Tatsachen an den Deutschen Bundestag in Betracht. Dafür ist nichts ersichtlich.
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5. Die Antragsgegnerin hat das parlamentarische Fragerecht des Antragstellers aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG auch bereits dadurch verletzt, dass die Verweigerung der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage hinsichtlich der Zahl der Auslandsbediensteten des BfV den verfassungsrechtlichen Begründungsanforderungen nicht genügt.
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a) In ihrer Antwort auf die Anfrage führt die Antragsgegnerin lediglich aus, die erbetene Information berühre schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen, weil dadurch spezifische Informationen zur Methodik und zu den konkreten Fähigkeiten der Sicherheitsbehörden im In- und Ausland zugänglich gemacht würden. Dies erlaube Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des BfV, ermögliche die Entwicklung entsprechender Abwehrstrategien und gefährde den Einsatzerfolg. Auch in den Schreiben vom 1. Februar 2021 und vom 29. April 2021 beschränkt sich die Antragsgegnerin im Wesentlichen auf die Wiederholung dieser Angaben und betont, dass bereits die Offenlegung personeller Größenordnungen Rückschlüsse auf die operativen Fähigkeiten des BfV zulasse.
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b) Diese Ausführungen genügen dem verfassungsrechtlichen Gebot nicht, den Antragsteller in die Lage zu versetzen, anhand der Begründung beurteilen und entscheiden zu können, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen (vgl. BVerfGE 124, 78 [139]; 146, 1 [48 Rn. 108]; 156, 270 [301 Rn. 96]).
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Die Begründung der Antragsgegnerin beschränkt sich letztlich auf die bloße Behauptung, die Mitteilung der Gesamtzahl der im angefragten Zeitraum im Ausland tätigen Bediensteten des BfV begünstige die Entwicklung von Abwehrstrategien und gefährde dadurch den Einsatzerfolg. Warum dies der Fall sein soll, wird nicht näher erläutert. Auch eine Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass es sich bei der Auslandstätigkeit des BfV dem Grunde nach um eine offenkundige Tatsache handeln dürfte, erfolgt nicht. Konkrete Umstände, die die Behauptung einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des BfV bei Beantwortung der Anfrage nachvollziehbar erscheinen lassen, werden nicht vorgetragen. Warum durch die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage trotz des Verzichts auf die Darlegung von Einsatzorten und -zeiten sowie Tätigkeitsschwerpunkten die Entwicklung von Gegenstrategien begünstigt werden soll, bleibt im Dunkeln. Letztlich verharrt die Begründung der Antwortverweigerung auf einer abstrakten, über allgemeine Behauptungen nicht hinausgehenden Ebene. Sie versetzt den Antragsteller nicht in die Lage, die Plausibilität der Antwortverweigerung eigenständig zu beurteilen.
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c) Soweit die Antragsgegnerin erst nach Einleitung des Organstreitverfahrens ergänzend auf die Möglichkeit der Kombination der angefragten Angaben mit weiteren Informationen im Sinne einer "Mosaiktheorie" einerseits und die Möglichkeit einer Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums anstelle der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage andererseits hingewiesen hat, kann dahinstehen, ob eine Berücksichtigung dieser Begründungsansätze bereits ausgeschlossen ist, weil es sich insoweit um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen handelt (vgl. BVerfGE 124, 78 [147]; 146, 1 [49 Rn. 108]). Denn diese Hinweise vermögen die Weigerung, die parlamentarische Anfrage vollständig zu beantworten, nicht zu tragen (s.o. Rn. 88 ff., 94 ff.). Daher bedarf es keiner Entscheidung, ob es sich bei diesen Aspekten, wie von der Antragsgegnerin vorgetragen, um bloße Rechtsfragen handelt, für die keine Begründung geschuldet werde, sodass ein Nachschieben von Gründen nicht vorliege.
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D. |
Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 [67]), liegen nicht vor.
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König Huber Hermanns Müller Kessal-Wulf Langenfeld Wallrabenstein |