BGE 2 I 424 - Elias Weil |
99. Urtheil |
vom 21. Oktober 1816 in Sachen Weil. |
Sachverhalt: |
A. Am 15. März 1875 kaufte Elias Weil auf dem Markte in Olten von Adolf Stocker, Metzger in Obermumpf, Kanton Aargau, ein Pferd um 200 Fr. und veräußerte dasselbe am gleichen Orte und gleichen Tage sofort wieder an Pferdehändler Julius Dreifuß in Hindelbank, welcher das Pferd an letztern Ort transportiren ließ.
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B. Da sich Anzeichen ergaben, daß das Pferd an Engbrüstigkeit leide, so bot Dreifuß dasselbe dem Weil mittelst amtlicher Kundmachung vom 23. März 1875, ins. am 24. gl. Mts., zurück, worauf Weil auch seinerseits das Thier am 26. März dem Stocker zurückbieten ließ, mit der Eröffnung, daß dasselbe in Hindelbank stehe. Stocker erklärte: "er nehme das verkaufte Pferd gegen Rückzahlung des erhaltenen Kaufpreises zurück, jedoch ohne alle weitern Kosten für Fütterung u. dgl. § 15 des Konkordates" und stellte die Bedingung auf, "daß ihm das Pferd im gleichen Zustande und am gleichen Orte (Olten im Gasthof zur Krone) zu übergeben sei, wo der Verkauf stattgefunden habe. Tag und Zeitangabe, wann dieses stattfinden solle, werde erwartet." Weil fand diese Erklärung für unannehmbar, worauf Dreifuß, welcher von Weil keine Antwort erhielt, das Pferd amtlich durch zwei vom Gerichtspräsidenten in Burgdorf bestellte Thierärzte am 27. März v. J. untersuchen ließ und sodann gestützt auf das thierärztliche Gutachten, welches dahin ging, daß das Pferd an dem Gewährsmangel der Engbrüstigkeit leide, den Weil vor Bezirksgericht Luzern auf Rücknahme des Pferdes und Ersatz der Fütterungs-, Rückbietungs- und Untersuchungskosten belangte. Weil theilte das thierärztliche Gutachten dem Stocker mit; letzterer gab jedoch die Erklärung ab, daß er sich bei seiner Declaration vom 26. März behaften lasse, daß er bei derselben stehen bleibe, sich aber gegen alle weitern Kosten und besonders gegen diejenigen verwahre, welche daraus erwachsen könnten, wenn Elias Weil ihm das Pferd nicht ungesäumt am Verkaufsorte Olten zurückgeben, sondern an drittem Ort in Futter stellen sollte. In dem nun folgenden Prozesse zwischen Dreifuß und Weil verkündete letzterer dem Stocker in der Weise Streit: "daß, wofern Denuncia[n]t nicht binnen acht Tagen, von der Anlegung der Streitverkündung an, die Vertretung auf eigene Gefahr und Kosten übernehme und sich bei dem Gerichtspräsidium Luzern darüber unumwunden erkläre, Denunciant in der Hauptsache den Abstand erklären und nur die untergeordneten Klagebegehren bestreiten werde: daß er die Transportkosten des Pferdes von Olten nach Hindelbank und die Fütterungskosten statt von der am 24. März geschehenen Rückbietung schon vom 15. März an zu vergüten habe." Da Stocker sich auf diese Streitverkündung stillschweigend verhielt und Dreifuß von den bestrittenen Klagebegehren Umgang nahm, so anerkannte Weil im Uebrigen dessen Klage, jedoch unter Vorbehalt des Rückgriffsrechtes gegen Stocker. Zufolge dieser Anerkennung hatte Weil an Dreifuß, außer der Rückvergütung des erhaltenen Kaufpreises von 250 Fr., zu bezahlen :
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a. Rechnung des Fürsprech Bucher in Burgdorf Fr. 40.20 b. für Gänge und Untersuchungskosten Fr. 44.50 c. die in Luzern ergangenen Gerichts- und Anwaltskosten Fr. 65.45 |
C. Mit Klageschrift vom 18. Juni v. J. trat Weil gegen Stocker beim Bezirksgerichte Rheinfelden klagend auf und stellte das Begehren, Stocker sei zu verurtheilen :
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2. dem Weil zu erstatten: a. die Kosten der Rückbietung des Pferdes von Dreifuß an den Kläger und der Uebertragung des Geschäftes zur rechtlichen Besorgung in Luzern mit Fr. 40.20; b. die Kosten der thierärztlichen Untersuchung des Pferdes und der bezüglichen Vacationen des Dreifuß selbst mit Fr. 44.50; c. die Kosten der Rückbietung des Klägers an den Beklagten in dem Betrage, wie dieselben gerichtlich festgestellt werden; d. die Kosten, welche wegen des Prozesses in Luzern an Dreifuß resp. dessen Bevollmächtigte Bucher und Winkler in Luzern im Betrage von Fr. 65.45 bezahlt worden seien; e. die eigenen Kosten, welche der Kläger im Prozesse gegen Dreifuß gehabt habe, wie dieselben gerichtlich festgesetzt werden; f. das Futtergeld für das Pferd, vom 25. März 1875 an gerechnet bis zu dessen Wegnahme, zu Fr. 2.50 täglich, vorbehaltlich der richterlichen Ermässigung. |
Gleichzeitig stellte Weil beim Bezirksgerichtspräsidium Rheinfelden, gestützt auf §.16 des Konkordates über Gewähr der Viehhauptmängel, das Gesuch, daß das in Hindelbank stehende Pferd amtlich versteigert und der Erlös in richterliche Verwahrung genommen werde. Diesem Gesuche wurde durch Verfügung vom 22. Juni v. J. in der Weise entsprochen, daß das Richteramt Burgdorf ersucht wurde, das Pferd unter Kenntnißgabe an die Parteien auf dem Steigerungswege zu verkaufen. Bei dem hierauf am 5. Juli v. J. erfolgten Verkaufe wurde ein Erlös von 70 Fr. erzielt und derselbe nach Abzug der Fr. 45.80 betragenden Kosten mit Fr. 24.20 gerichtlich hinterlegt.
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Der Beklagte berief sich gegenüber der Klage auf seine Erklärung vom 26. März v. J., in welcher er dasjenige angeboten habe, was Weil von ihm nach dem Gesetz zu fordern berechtigt gewesen sei. Er bestritt demnach, daß Kläger das Recht gehabt habe, das fragliche Pferd versteigern zu lassen, und die Pflicht, statt des Pferdes den Nettoerlös desselben als Ersatz anzunehmen. Von den Nebenpunkten anerkannte Stocker lediglich die Rückbietungskosten.
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D. Durch Urtheil vom 5. Februar d. J. erkannte das Bezirksgericht Rheinfelden:
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Dieses Urtheil beruht im Wesentlichen auf folgender Begründung:
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Das Konkordat vom 11. Mai 1853 lasse den Richter darüber im Zweifel, wo die Rückgabe eines mit einem Gewährsmangel behafteten Thieres zu erfolgen habe. Die Währschaftsklage bezwecke nun aber unzweifelhaft Aufhebung des Vertrages und darunter verstehe man nichts anderes als Herstellung desjenigen Zustandes, in welchem die Kontrahenten sein würden, wenn der Vertrag nie abgeschlossen worden wäre. Bei einer strickten Interpretation dieses allgemein anerkannten Grundsatzes komme auch der Ort der Rescission des Vertrages in Betracht. Von diesem Standpunkte aus sei die Erklärung des Stocker vom 26. März 1875 wenigstens in der Hauptsache genügend. Allerdings sei Stocker darin zu weit gegangen, daß er sämmtliche Kosten von der Hand gewiesen habe, da nach §. 15 des Konkordates die Kosten der Rückbietung von demjenigen Theile zu tragen seien, welchem das Thier anheimfalle. Ebenso hätte Stocker sich nicht der Pflicht entziehen können, die nach der Rückbietung bis zu dem Zeitpunkte, wo Stocker das Thier zurückgenommen haben würde (was in 3 Tagen möglich gewesen wäre), entstandenen Fütterungskosten zu bezahlen. Allein diese Punkte seien zu untergeordnet, als daß sie die Aufhebung des Vertrages zu hemmen vermocht haben; gegentheils hätte Kläger sich stets noch in der Möglichkeit befunden, die vom Beklagten nicht anerkannten Ansprüche besonders einzuklagen. Hienach hätte es also weder einer Untersuchung des Pferdes noch der prozessualischen Vorkehren bedurft, welche der Kläger veranlaßt habe, und brauche der Kläger sich auch mit dem Nettoerlös des Pferdes nicht zu begnügen. Durch den Weiterverkauf des Pferdes durch den Kläger habe sich die Lage des Beklagten nicht verschlimmern dürfen und können daher die Vorkehren des zweiten Käufers nicht auf Rechnung des Beklagten fallen, da er sie nicht verschuldet habe.
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Auf vom Kläger erhobene Appellation bestätigte das aargauische Obergericht das bezirksgerichtliche Urtheil in der Hauptsache und änderte dasselbe lediglich im Kostenpunkte etwas zu Gunsten des Klägers ab, gestützt darauf, daß die Erklärung Stocker's vom 26. März v. J. immerhin eine ausweichende, unbestimmte und der Sache durchaus nicht entsprechende gewesen sei.
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E. Ueber dieses Urtheil beschwerte sich Weil beim Bundesgerichte und verlangte, daß dasselbe, als das Konkordat über Bestimmung und Gewähr der Viehhauptmängel verletzend, aufgehoben und eventuell jedenfalls der Ausspruch, daß der Verkauf des Pferdes für den Beklagten keinerlei nachtheilige Folgen habe, rechtsunwirksam erklärt werde. Zur Begründung dieser Begehren führte Kläger an :
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Das angefochtene Urtheil gehe von der Anschauung aus, daß der Weiterverkauf des Pferdes von Weil an Dreifuß den ersten Verkäufer Stocker nicht berühre. Dieß möge richtig sein für die Rescission des Geschäftes an und für sich, indem für die Hauptsache lediglich und allein der Vertrag zwischen Weil und Stocker maßgebend sei. Anders verhalte es sich mit den sog. Nebenfragen. Das Konkordat schweige zwar unmittelbar über diese Beziehung; allein aus dem Grundsatze, daß es die Gewährspflicht ausspreche, gehe hervor, daß der Uebernehmer neben Rescission des Geschäftes zu Ersatz des vollen ihm zugefügten Schadens innerhalb der Schranken des §. 15 des Konkordates berechtigt sei. Der frühere Uebergeber hafte daher auch für die Kosten, wenn der erste Uebernehmer das Thier weiter verkaufe und sich bei dem neuen Käufer ein Währschaftsmangel zeige. Der entgegenstehende Standpunkt des aargauischen Urtheils müsse demnach als ein unrichtiger aufgehoben werden.
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Die Erklärung, welche Stocker am 26. März [v. J.] d. J. abgegeben, habe in doppelter Richtung nicht genügt, nämlich
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a. wegen Ausschluß aller und jeder Kostenerstattung und
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b. wegen der unzulässigen Bedingung, an welche die Zurücknahme des Pferdes geknüpft worden sei.
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ad a. sei eine Unterscheidung zwischen der Aufhebung des Geschäftes als solchem und der Erfüllung der in §. 15 des Konkordates ausgesprochenen Obliegenheiten, wie das aargauische Obergericht sie mache, unstatthaft und
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ad b. hätte Stocker das Thier da zurücknehmen sollen, wo dasselbe sich befunden habe, nämlich in Hindelbank, eventuell am Wohnorte des Weil, in Luzern; zu einem Rücktransporte nach Olten sei Weil nicht verpflichtet gewesen.
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Der Verkauf des Pferdes sei gemäß §. 16 des Konkordates auf Gefahr des Stocker erfolgt, indem Weil lediglich von dem ihm nach jener Konkordatsbestimmung zustehenden Rechte Gebrauch gemacht und der Beklagte den Verkauf durch seine Handlungsweise resp. Unterlassungen selbst verschuldet habe.
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F. Stocker trug auf Abweisung der Beschwerde an, im Wesentlichen gestützt auf die Begründung des angefochtenen Urtheiles, welches den Bestimmungen des Konkordates entspreche und jedenfalls keine solche Verletzung desselben involvire, welche das Bundesgericht zur Cassation des Urtheils berechtigen könnte.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
1. Ueber die Kompetenz des Bundesgerichtes zur Beurtheilung der vorliegenden Beschwerde, soweit darin eine Verletzung des Konkordates über Bestimmung und Gewähr der Viehhauptmängel behauptet ist, kann gemäß Art. 59 Lemma 1 litt. b des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1874 ein Zweifel nicht obwalten, und ist dieselbe denn auch von beiden Parteien anerkannt.
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Erwägung 2 |
Erwägung 3 |
3. Nun kann aber jene Erklärung in der That nicht als eine konkordatsgemäße anerkannt werden; denn Beklagter hat sich keineswegs unbedingt zur Rücknahme des Pferdes erklärt, sondern erstlich die Bedingung gestellt, daß ihm das Pferd nach Olten, und zwar im gleichen Zustande, in welchem er es übergeben, gebracht werden müsse. Dieß hätte zur Folge gehabt, daß die Kosten und Gefahr des Rücktransportes theilweise auf den Käufer übergegangen wären, was für den Transport eines kranken Pferdes von nicht unerheblicher Bedeutung werden kann. Nun betont aber das Konkordat, daß der Verkäufer das Pferd zurückzunehmen und die Kosten der Rückbietung zu tragen habe, woraus zu folgern ist, daß der Uebergeber das Pferd abholen und ihm dasselbe nicht zurückgebracht werden müsse. Allein gesetzt selbst, es wäre damit nicht absolut gesagt, daß der Verkäufer das Pferd da übernehmen müsse, wo es steht, was immerhin Regel sein dürfte, so ist jedenfalls klar, daß demselben nicht das Recht zusteht, einseitig den Ort vorzuschreiben, wo er die Uebernahme effektuiren will und solches als Bedingung der Rücknahmserklärung aufzustellen. Fürs zweite hat er sich ausdrücklich gegen Tragung derjenigen Kosten, welche ihn nach §.15 des Konkordates treffen mußten, verwahrt, woraus Rekurrent schließen mußte, daß derselbe die Anwendbarkeit der Bestimmungen des Konkordates, beziehungsweise das Vorhandensein eines Gewährsmangels an dem Pferde in Widerspruch setze und der Ersatz jener Kosten nur auf dem Prozeßwege erhältlich sein werde. Eine solche ausweichende, unbestimmte und mit ganz unberechtigten Prätensionen verbundene Erklärung entsprach aber der vorerwähnten Konkordatsvorschrift durchaus nicht und konnte daher den Rekurrenten nicht abhalten, die in Art. 8 ff. des Konkordates vorgezeichneten Maßregeln zu ergreifen, insbesondere also das Pferd durch zwei Thierärzte amtlich untersuchen zu lassen und hernach den Rekursbeklagten vor dem aargauischen Richter zu belangen. Gerade die Untersuchung des Pferdes und die Konstatirung des Gewährsmangels an demselben mußte für den Rekurrenten von Werth sein, um von dem Rekursbeklagten auch den Ersatz der bestrittenen Rückbietungs- und Fütterungskosten zu erlangen.
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Erwägung 4 |
Demnach hat das Bundesgericht erkannt: |
Die Beschwerde ist begründet; es wird demnach das Urtheil des aargauischen Obergerichtes vom 5. Juli d. J. aufgehoben und die Sache an dasselbe zu neuer Beurtheilung im Sinne der Erwägungen zurückgewiesen. |