BGE 2 I 495 - Carl Theodor Hahn
 
109. Urtheil
vom 16. Dezember 1876 in Sachen Hahn.
 
Sachverhalt
A. Die kaiserlich deutsche Gesandtschaft verlangte beim schweizerischen Bundesrathe die Auslieferung des Carl Theodor Hahn, gestützt auf einen Haftbefehl des Untersuchungsrichters beim kaiserl. Landgericht zu Straßburg vom 10. November d. J., worin Hahn beschuldigt ist, am 5. Oktober d. J. in Straßburg dem Schlosser Josef Metz ein Leintuch im Werthe von 4-5 Mark gestohlen und den Schuhmacher Christoph Vonhof um ein Paar Stiefel im Werthe von 24 Mark betrogen zu haben. (§§ 242 und 263 des deutschen R. Strafgesb.) Nach einem Berichte des kaiserl. Oberprokurators zu Straßburg gründet sich die Anklage auf Betrug darauf, daß Vonhof sich von Hahn bereden ließ, die Stiefel demselben zu verkaufen, wenn derselbe alsbald 24 Mark dafür bezahle; daß aber Hahn nichts bezahlt, sondern an demselben Tage seine Wohnung und die Stadt Straßburg verlassen habe.
B. Die Regierung von Baselstadt, woselbst Hahn verhaftet worden, erhob gegen die Auslieferung desselben keine Einsprache. Dagegen protestirte Hahn selbst gegen dieselbe, indem er bestritt, die ihm zur Last gelegten Vergehen verübt zu haben, und behauptete, die Auslieferung werde nur verlangt, um ihn unters Militär stecken zu können, während er für Frankreich optirt habe und als französischer Bürger in Straßburg nicht militärpflichtig sei. Eventuell verlangte derselbe an Frankreich ausgeliefert zu werden.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung :
 
Erwägung 2
2. Dagegen soll gemäß Art. 1 Ziff. 13 des erwähnten Vertrages die Auslieferung wegen Betruges nur in denjenigen Fällen stattfinden, in welchen die eingeklagte Handlung nach der Gesetzgebung beider vertragender Theile als Verbrechen oder Vergehen strafbar ist. Nun ist aber die Definition des Betruges, welche das hier in Betracht kommende Strafgesetzbuch des Kantons Baselstadt aufstellt, keineswegs enger, sondern eher weiter als diejenige des deutschen Strafgesetzbuches, indem nach §. 154 des baselschen Krim. Ges. sich des Betruges schuldig macht, "wer zur Verletzung der Rechte Anderer arglistiger Weise die Wahrheit entstellt, unterdrückt oder verfälscht," und es muß die Möglichkeit zugegeben werden, daß die dem Hahn zur Last gelegte Handlung unter den Begriff des Betruges, wie er im baselschen Gesetze definirt ist, subsumirt werden könne.
 
Erwägung 3
3. Der Umstand, daß der Angeklagte kein Deutscher sondern Franzose ist, gibt demselben kein Recht, die Auslieferung an Frankreich zu verlangen, sondern berechtigte nur die Schweiz, nach ihrer Wahl, den Hahn an Frankreich auszuliefern, sofern die Regierung dieses Staates denselben beansprucht, um ihn vor ihre Gerichte zu stellen. (Art. 2 Lemma 3 des cit. Staatsvertrages.) Hierüber hat aber, wie vom Bundesgerichte schon früher ausgesprochen worden ist, der Bundesrath, und nicht das Bundesgericht, zu entscheiden.
 
Demnach hat das Bundesgericht
erkannt :
Die Auslieferung des Carl Theodor Hahn ist bewilligt.