BGE 70 I 1 - Geschäftsschluss für Coiffeure |
1. Urteil |
vom 7. Februar 1944 i.S. Keller gegen Schaffhausen. |
Regeste: |
Handels- und Gewerbefreiheit: |
Eine Verfügung, durch welche die Coiffeurmeister eines Ortes verhalten werden, ihr Geschäft einheitlich am Montagnachmittag zu schliessen, verstösst gegen Art. 31 BV. |
Sachverhalt: |
A. |
In Art. 18 des schaffh. Gesetzes betreffend die öffentlichen Ruhetage und den Ladenschluss wird bestimmt:
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"Der Ladenschluss an Werktagen wird für alle Betriebe auf abends 7 Uhr (...) angesetzt (Abs. 1).
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Die Coiffeure dürfen ihr Geschäft an Vorabenden von Ruhetagen bis 8 Uhr abends (...) offen halten (Abs. 2).
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Am 8. September 1943 erliess der Stadtrat Schaffhausen gestützt auf diese Bestimmung einen Beschluss betreffend den Ladenschluss an Werktagen, in welchem u.a. der Geschäftsschluss für Coiffeure auf 19 Uhr, am Samstag auf 18 Uhr, festgesetzt wurde (Ziff. 4). Einem gemeinsamen Begehren des Coiffeurmeisterverbandes des Kantons Schaffhausen und der Sektion Schaffhausen des Schweizerischen Coiffeurgehilfenverbandes wurde in den Beschluss folgende Vorschrift (Ziff. 2) aufgenommen:
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"Die Coiffeurgesschäfte schliessen jeweils am Montagnachmittag, wenn die Woche keine Feiertage erhält, um 14.00 Uhr. Im übrigen gilt für die Coiffeurgeschäfte die in Ziffer 4 dieses Beschlusses festgesetzte Regelung."
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B. |
Der Beschwerdeführer hat gegen diese Bestimmung einen Rekurs an den Regierungsrat des Kantons Schaffhausen gerichtet, weil sie gegen Art. 4 und Art. 31 BV verstosse. Der Regierungsrat hat den Rekurs am 27. Oktober 1943 abgewiesen mit der Begründung, die Regelung sei die für Meister und Gehilfen günstigste Lösung des Problems einer Freizeitordnung, mit im Hinblick darauf, dass der Montagnachmittag offenbar ohnehin die geringste Geschäftsfrequenz aufweise. Eine Freizeit-Regelung für die Gehilfen dürfe nach der bundesgerichtlichen Praxis auch die Meister umfassen. Die Ausdehnung des Geschäftsschlusses auf den Warenverkauf sei notwendig aus Gründen der polizeilichen Kontrolle und darum nicht zu beanstanden.
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C. |
Der Rekurrent erhebt die staatsrechtliche Beschwerde und beantragt Aufhebung der Ziffer 2 des Stadtratsbeschlusses vom 8. September 1943, unter Kostenfolge. Er beruft sich auf Art. 4 und 31 BV und Art. 26 schaffh. KV (Gewaltentrennung). Zur Begründung der Anfechtung aus Art. 31 BV wird im wesentlichen geltend gemacht, die verfügte einheitliche Schliessung aller Coiffeurgeschäfte gehe über den mit der Massnahme verfolgten sozialhygienischen Zweck, den Coiffeurgehilfen einen freien Nachmittag pro Woche zu verschaffen, unnötig und unberechtigterweise hinaus. Sie sei übrigens auch sachwidrig, da sie zu Unzukömmlichkeiten für die Betriebe führe.
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Das Bundesgericht hat die Beschwerde geschützt und den Entscheid des Regierungsrates aufgehoben
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Erwägungen: |
in Erwägung:
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Erwägung 1 |
Polizeiliche Einschränkungen dürfen aber nicht über das hinausgehen, was erforderlich, ist um den Zweck, durch den sie gedeckt sind, zu erreichen. (BGE 52 I S. 236, 65 I S. 72, und das nicht publizierte Urteil vom 30. April 1937 i. S. Elsener; ferner SALlS, Bundesrecht II, Nr. 780, und FLEINER, Institutionen, [8. Aufl.], S. 404). Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit der polizeilichen Eingriffe in die freie Gewerbeausübung wird aus Art. 31 BV abgeleitet.
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Erwägung 2 |
2. Zweck der in der Stadt Schaffhausen angestrebten Regelung ist der Schutz der Coiffeurgehilfen hinsichtlich ihrer Arbeitszeit. Dies geht sowohl aus den Vorgängen vor Erlass des Beschlusses (Stellungnahme der Berufsverbände, Eingabe an den Stadtrat), als auch aus diesem selbst hervor. Der Schutz wird namentlich angestrebt, weil die Gehilfen an den Abenden länger arbeiten müssen, als Angestellte anderer Geschäfte. Der genannte Zweck erfordert aber die Einheitlichkeit des freien Nachmittags nicht. Der Schutz der Arbeiter durch den freien Halbtag an einem beliebigen Wochentag ist genau gleich wirksam, wie der Schutz durch einen einheitlichen Halbtag. Die erste Lösung bedeutet aber einen viel weniger grossen Eingriff, als die zweite, weshalb hier eben der vom Bundesgericht ausgesprochene Grundsatz der Verhältnismässigkeit der Polizeigewalt anwendbar ist.
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Nur wenn die Zweckbestimmung der Schaffhauser Regelung über den Schutz der Arbeiter hinausgreift und auch den Schutz der Meister selbst in sich schliesst, lassen sich sachliche Gründe für die einheitliche Gestaltung des freien Halbtages und die damit verbundene Schliessung finden. Allein ein solcher Schutz der Meister verstösst gegen Art. 31 BV. Das Bundesgericht hat allerdings stets angenommen, dass dann, wenn eine Ladenschluss- resp. Freizeitbestimmung zum Schutze der Angestellten gerechtfertigt sei, auch die gänzliche Schliessung angeordnet werden dürfe, die dann gleichzeitig auch die Meister schützt. Es hat aber auch ausdrücklich festgestellt, dass die Gleichbehandlung von Angestellten und Meistern keineswegs als solche gerechtfertigt sei, sondern nur wegen der Erleichterung der polizeilichen Kontrolle (BGE 49 I S. 231 und das nicht publizierte Urteil vom 23. Dezember 1938 i.S. Gonset et cons. S. 8 Erw. 3). Hier handelt es sich aber überhaupt nicht um die Frage, ob, nachdem eine Ladenschlussbestimmung zum Schutze der Angestellten als zulässig erklärt wurde, im Interesse der Kontrolle die Gleichbehandlung der Meister und damit die gänzliche Schliessung einzusetzen habe, sondern um die davon ganz verschiedene Frage, ob eine Ladenschlussbestimmung zulässig ist, auch wenn nur der Schutz der Meister sie sachlich irgendwie rechtfertigen kann. Diese Frage ist zu verneinen.
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In dem vom Appellationsgericht bestätigten Urteil vom 16. April 1937 i.S. Fluck hat übrigens auch das Polizeigericht Basel-Stadt angenommen, dass Art. 31 lit. e BV die angefochtene Massnahme nicht decke. Wenn der Stadtrat und der Regierungsrat einwenden, dass die Verhältnisse von Ort zu Ort verschieden seien, muss ihnen entgegengehalten werden, dass die Auslegung des Art. 31 BV nicht verschieden sein kann.
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Ist aber die in Ziffer 2 des Stadtratsbeschlusses verfügte Schliessung der Coiffeurgeschäfte deshalb nicht haltbar, weil sie gegen Art. 31 BV verstösst, so sind der Entscheid des Regierungsrates vom 27. Oktober 1943 und Ziffer 2 des Beschlusses des Stadtrates von Schaffhausen vom 8. September 1943 aufzuheben. Die übrigen Einwendungen, die in der Beschwerde erhoben worden sind, werden damit gegenstandslos und können auf sich beruhen bleiben.
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