BGE 80 I 27
 
5. Auszug aus dem Urteil vom 14. Mai 1954 i.S. Th. gegen freiburgische Rekurskommission für den Militärpflichtersatz.
 
Regeste
Militärpflichtersatz: Befreiung eines wegen Ellbogentuberkulose untauglich erklärten Wehrpflichtigen, weil sein Leiden sich infolge des Dienstes wesentlich verschlimmert hat (Art. 2 lit. b MStG).
 
Sachverhalt
A.- Der Beschwerdeführer, geb. 1921, wurde bei der Aushebung im Jahre 1939 wegen Varizen hilfsdiensttauglich erklärt. Am 4. November 1940 rückte er mit einem HD-Baudetachement zum Aktivdienst ein. Nach 14 Tagen schlug er im Dienst den rechten Ellbogen auf, so dass sich eine Schwellung entwickelte, die dann als Tuberkulose erkannt wurde. Am 6. Dezember 1940 wurde er in eine MSA und von dort am 17. März 1941 in die Clinique Manufacture in Leysin versetzt, wo er, als Militärpatient, bis am 3. April 1942 blieb. In der Klinik wurde angenommen, die Tuberkulose habe schon vor dem Militärdienst - wenn auch ohne klinische Symptome - bestanden, doch habe dieser eine Verschlimmerung von schätzungsweise 20% bewirkt (Bericht vom 11. Mai 1941). Am 21. Oktober 1941 wurde der Beschwerdeführer wegen Tuberkulose des rechten Ellbogens ausgemustert. Die Militärversicherung zahlte ihm bis Ende Oktober 1942 eine 20%ige Rente. Als er ihr im Dezember 1943 wegen einer erneuten Entzündung des Ellbogens gemeldet wurde, wurden weitere Leistungen des Bundes abgelehnt. Im Mai 1944 liess der Beschwerdeführer durch Professor Dubois in Bern eine Resektion des kranken Ellbogengelenkes vornehmen.
Als Dienstuntauglicher wurde er zum Militärpflichtersatz herangezogen. Im Anschluss an die Einschätzung für 1952 verlangte er die Ersatzbefreiung, da er infolge des Dienstes militäruntauglich geworden sei. Er wurde abgewiesen, zuletzt von der kantonalen Rekurskommission durch Entscheid vom 1. Oktober 1953.
B.- Gegen diesen Entscheid führt Th. Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit der er das Begehren um Ersatzbefreiung erneuert. Er macht geltend, sein Ellbogenleiden sei auf den im Dienst erlittenen Unfall zurückzuführen. Er sei als Militärpatient unzweckmässig behandelt worden. Trotz der inzwischen vorgenommenen Operation könne er den Arm nur noch zu einem rechten Winkel biegen.
C.- Im Verfahren vor Bundesgericht ist Professor Dubois um Begutachtung des Falles gebeten worden. Er hat den Beschwerdeführer nochmals untersucht. In seinem Bericht vom 19. März 1954 führt er aus:
Wahrscheinlich seien schon vor dem dienstlichen Unfall gewisse Knochenveränderungen vorhanden gewesen. Die Ellbogentuberkulose sei aber erst im Dienst zum Ausbruch gekommen. Sie sei durch ihn wesentlich und nachhaltig verschlimmert worden. Die Erkrankung von Ende 1943 sei nicht als neue Affektion zu betrachten, sondern als Schub der chronischen Krankheit, deren im Dienst und dann in Leysin aufgetretene erste Manifestation nie ganz ausgeheilt gewesen sei. Seit 1944 sei der Beschwerdeführer zwar praktisch geheilt, doch seien eine Teilversteifung des rechten Ellbogens und die Möglichkeit neuer Rezidive geblieben. - Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und befreit den Beschwerdeführer für die Jahre 1952 ff. vom Militärpflichtersatz.
 
Aus den Erwägungen:
3. Professor Dubois nimmt in seinem Gutachten an, dass die Ellbogentuberkulose des Beschwerdeführers infolge eines Unfalles, der diesem im Militärdienst zugestossen ist, wesentlich und nachhaltig verschlimmert worden ist. Es besteht kein Grund, an der Richtigkeit dieses Befundes zu zweifeln, zu dem der Experte nach sorgfältiger Würdigung der Krankengeschichte und des Ergebnisses wiederholter eigener Untersuchung des Beschwerdeführers gelangt ist. Der nachteilige Einfluss des Dienstes auf den Zustand des Beschwerdeführers ist als wesentlich anzusehen, obwohl er, im Hinblick auf die Regelung der Haftung des Bundes, auf nicht mehr als 20% geschätzt worden ist (vgl. BGE 73 I 251, betreffend Lungentuberkulose). Die dienstliche Verschlimmerung war nicht bloss vorübergehend. Wie Professor Dubois feststellt, ist der Beschwerdeführer zwar seit 1944 praktisch geheilt, doch besteht nach wie vor die Gefahr von Rückfällen. Knochen- und Gelenktuberkulosen ziehen mindestens noch für 6-8 Jahre nach der Heilung (Karenzfrist) die Dienstuntauglichkeit nach sich (Ziff. 250/20 IBW 1952). Der Grund liegt eben darin, dass Rückfälle möglich sind. Ist diese Gefahr, jedenfalls zu einem wesentlichen Teil, eine Folge des geleisteten Dienstes, so ist der Ausgemusterte nach Art. 2 lit. b MStG vom Ersatz zu befreien (BGE 73 I 251 unten). Mit einem solchen Fall hat man es nach dem Gutachten Dubois hier zu tun. Ob auch die Gelenkversteifung, die von der Erkrankung her ebenfalls zurückgeblieben ist, einen Anspruch auf Ersatzbefreiung nach Art. 2 lit. b MStG begründen würde, braucht nicht geprüft zu werden, da die Beschwerde sich ohnehin als begründet erweist.