BGE 80 I 60 |
12. Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. Februar 1954 i.S. Amsler und A.-G. für Immobilien- und Hypothekarbesitz gegen Zürich, Direktion der Justiz. |
Regeste |
Handelsregister, Löschung einer A.- G. wegen tatsächlicher Auflösung. Voraussetzungen, unter denen eine solche anzunehmen ist (Erw. 2). |
Sachverhalt |
A.- Im Handelsregister des Kantons Zürich ist seit 1937 die "A.-G. für Immobilien- und Hypothekarbesitz" (AGIH) eingetragen, mit einem Grundkapital von Fr. 600'000.--, eingeteilt in 1200 voll einbezahlte Inhaberaktien zu Fr. 500.--. Als Zweck der Gesellschaft ist angegeben der An- und Verkauf, sowie die Überbauung und Verwaltung von Liegenschaften für eigene oder fremde Rechnung, der An- und Verkauf und die Verwaltung von Schuldbriefen und die Beteiligung an Liegenschaften. Einziger Verwaltungsrat ist Amsler, in dessen Besitz sich sämtliche Aktien befinden.
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Über die Gesellschaft wurde am 5. August 1949 der Konkurs eröffnet. In der Folge geriet auch Amsler in Konkurs, in dessen Masse die sämtlichen Aktien der AGIH einbezogen wurden. Am 12. Mai 1953 wurde der Konkurs über die Gesellschaft infolge Rückzugs sämtlicher Konkurseingaben widerrufen.
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B.- Mit Schreiben vom 28. Mai 1953 forderte das Handelsregisteramt Zürich Amsler als einzigen Verwaltungsrat der AGIH unter Hinweis auf Art. 60 HRV auf, innerhalb von 10 Tagen die Löschung der Gesellschaft wegen tatsächlicher Auflösung und Durchführung der Liquidation zur Eintragung anzumelden oder schriftlich nachzuweisen, dass die Gesellschaft nicht aufgelöst oder ihr Vermögen nicht liquidiert sei.
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Dieser Aufforderung leistete Amsler keine Folge. Erst am 11. Juni 1953, nach Ablauf der angesetzten Frist, teilte er dem Handelsregisteramt mit, er sei nicht gewillt und nicht verpflichtet, die Löschung der Gesellschaft zu veranlassen. Er bestritt, dass die Gesellschaft tatsächlich aufgelöst sei. Seit dem Konkurswiderruf habe sie zwar noch keine Geschäfte abgeschlossen, aber es bestehe die Absicht, auf ihren Namen eine Liegenschaft zu kaufen. Die Gesellschaft sei auch noch nicht liquidiert, da noch eine im Konkurs nicht eingegebene, aber nachträglich geltend gemachte Wechselforderung gegen sie bestehe.
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C.- Die Justizdirektion Zürich als kantonale Aufsichtsbehörde, der das Handelsregisteramt nach Art. 60 Abs. 2 HRV die Angelegenheit überwies, trat mit Verfügung vom 24. Juli 1953 auf die Eingabe Amslers vom 11. Juni 1953 wegen Verspätung nicht ein und ermächtigte das Handelsregisteramt, die AGIH im Handelsregister als tatsächlich aufgelöst zu löschen.
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D.- Mit der vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Beschwerde beantragt Amsler im eigenen Namen und in demjenigen der Gesellschaft die Aufhebung der Verfügung der Justizdirektion. Er beanstandet das vom Handelsregisteramt eingeschlagene Verfahren, da nicht nach Art. 60, sondern nach Art. 89 HRV vorzugehen gewesen wäre. In der Sache selbst hält er daran fest, dass die Voraussetzungen für die Löschung der A.-G. nicht gegeben seien.
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E. - Die Justizdirektion Zürich und das Eidgen. Justiz- und Polizeidepartement beantragen Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
1. Es kann offen bleiben, ob an Stelle des Verfahrens gemäss Art. 60 HRV dasjenige gemäss Art. 89 hätte eingeschlagen werden sollen. Denn im einen wie im andern Falle erweist sich die Beschwerde materiell als begründet.
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Die Vorinstanz erachtet diese Voraussetzungen als erfüllt, weil gemäss den Mitteilungen der eidgen. Steuerverwaltung und des Konkursamtes Riesbach-Zürich die Gesellschaft seit vielen Jahren keine Tätigkeit mehr ausgeübt habe, praktisch über keine Aktiven mehr verfüge und mit Rücksicht darauf, dass der einzige Aktionär im Konkurs sei, jedenfalls für längere Zeit nicht erwarten könne, von Aktionären neue Mittel zu bekommen.
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b) Wie aus der angeführten Rechtsprechung hervorgeht, haben jedoch die Untätigkeit während längerer Dauer und das Fehlen von Mitteln lediglich die Bedeutung von Indizien für den entscheidenden Umstand, dass die Gesellschaft von den Beteiligten endgültig aufgegeben worden ist. Nur beim Feststehen dieser Tatsache ist es am Platze, im Interesse der Wahrheit des Handelsregisters die Löschung einer Gesellschaft zu veranlassen. Es muss daher den am Weiterbestehen des Gesellschaftseintrags Interessierten Gelegenheit geboten werden, die zunächst für eine Aufgabe der Gesellschaft sprechenden Anhaltspunkte zu widerlegen, die Untätigkeit mit stichhaltigen Gründen zu erklären und den ernstlichen Willen der Gesellschaft zum Weiterbestehen darzutun. Gelingt dieser Nachweis, so vermag selbst ein Ruhen der Tätigkeit von längerer Dauer das Bestehen der Gesellschaft nicht zu beeinträchtigen. Massgebend ist, dass dieses dann als bloss vorübergehender Zustand anzusehen ist (BGE 55 I 351, bestätigt durch den nicht veröffentlichten Entscheid vom 2. März 1943 i.S. Eidgen. Justiz- und Polizeidepartement gegen Eglantine S. A.).
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c) Im vorliegenden Fall erklärt sich das Fehlen einer Geschäftstätigkeit seit mehreren Jahren ohne weiteres daraus, dass sich die Gesellschaft vom 5. August 1949 bis zum 12. Mai 1953 im Konkurs befand. Während der Hängigkeit des Konkursverfahren konnte aber die Gesellschaft selbstverständlich eine andere als auf blosse Liquidation gerichtete Tätigkeit nicht entfalten. Sie war insbesondere ausser Stande, irgendwelche neuen Geschäfte anzubahnen. Es geht deshalb nicht an, aus der ihr durch die Umstände aufgezwungenen Untätigkeit den Schluss zu ziehen, die Gesellschaft sei von den Beteiligten endgültig aufgegeben. Die Abfindung sämtlicher Gläubiger zwecks Erreichung des Konkurswiderrufs, die doch die Aufbringung nicht unerheblicher Gelder erforderte, weist gegenteils auf die Absicht hin, die Gesellschaft zu neuem Leben zu erwecken. Die Zeitspanne von nur 14 Tagen zwischen dem Konkurswiderruf und der Aufforderung des Handelsregisteramtes, das tatsächliche Weiterbestehen der Gesellschaft nachzuweisen, und zwar innert der Frist von nur 10 Tagen, ist zu kurz, als dass aus ihr irgendwelche Schlüsse gezogen werden könnten. Da die Gesellschaft nach der eigenen Darstellung des Handelsregisteramts praktisch über keine Aktiven mehr verfügt, muss sie vorerst neue Mittel beschaffen, um ihre Tätigkeit wieder aufnehmen zu können. Nach den Ausführungen der Beschwerde besteht denn auch die Absicht, mit Hilfe dritter Geldgeber der Gesellschaft unter Herabsetzung des Aktienkapitals auf Fr. 50'000.-- neue Gelder zur Verfügung zu stellen. Zur erfolgreichen Durchführung dieses Vorhabens bedarf die Gesellschaft aber selbstverständlich einer gewissen Zeit. Es muss ihr daher eine angemessene Frist eingeräumt und so Gelegenheit geboten werden, die Ernsthaftigkeit ihrer Bestrebungen und deren Erfolg unter Beweis zu stellen. Angemessen ist hier eine Frist, die mindestens 6 Monate von der Zustellung dieses Urteils an beträgt. Erst wenn nach Ablauf dieser Frist die Gesellschaft nicht in der Lage ist, die tatsächliche Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit oder wenigstens ernsthafte, im Gang befindliche Bemühungen um Beschaffung neuer Betriebsmittel nachzuweisen, darf angenommen werden, die Gesellschaft sei von den Beteiligten aufgegeben und daher zu löschen.
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Für das tatsächliche Bestehen der Absicht eines unzulässigen Mantelverkaufs liegen aber zur Zeit keine ausreichenden Anhaltspunkte vor. Der Umstand, dass der Anwalt Amslers dessen Konkursverwaltung für die Überlassung der 1200 Aktien der AGIH den Betrag von Fr. 1200.-- angeboten hat, zwingt nicht zum Schluss auf das Vorliegen einer solchen Absicht. Die Aufbringung neuer Mittel für die Gesellschaft setzt voraus, dass der Alleinaktionär Amsler und damit die Gesellschaft über die Aktien verfügen kann. Da diese aber infolge des Beschlagsrechts der Konkursmasse Amsler dessen Verfügungsmacht entzogen sind, lag für ihn der Versuch nahe, sich diese auf dem genannten Wege zu verschaffen. Da ihm die erforderlichen Mittel für dieses Angebot an die Masse nach seiner Darstellung von der Geiag, also einer bereits bestehenden Gesellschaft, zur Verfügung gestellt werden sollten, ist auch kein Raum für die Vermutung, der Geldgeber bezwecke, sich auf diese Weise den Aktienmantel zur Umgehung der Gründungsvorschriften für eine A.-G. zu verschaffen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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