BGE 82 I 175
 
25. Urteil vom 21. September 1956 i.S. eidg. Steuerverwaltung gegen Aberegg und Rekurskommission des Kantons Bern.
 
Regeste
Wehrsteuer: Liquidationsgewinn bei Aufgabe oder Veräusserung eines zur kaufmännischen Buchführung verpflichteten Unternehmens.
 
Sachverhalt
A.- Albert Aberegg, geb. 1884, kaufte im Jahre 1934 die Liegenschaft Bahnhofstrasse 16 in Biel. Er führte die Gastwirtschaft, die darin seit Jahren betrieben worden war, auf eigene Rechnung weiter. Für seinen Betrieb benützte er das Wirtschaftslokal im Erdgeschoss und einen kleinen Saal im 1. Stock. Seine Wohnung befand sich ebenfalls in diesem Stock. Die drei weiteren Wohnungen im 2. und 3. Stock und die Mansarden vermietete er, ebenso ein Magazin in einem Anbau, der früher für den Betrieb einer Postfiliale gedient hatte.
Auf den 1. Juli 1948 verpachtete Aberegg die Wirtschaft. Indessen stellte sich heraus, dass der Pächter dem Betrieb nicht gewachsen war. Aberegg übernahm deshalb die Wirtschaft auf den 20. Juni 1950 wieder selber. Im Jahre 1953 verkaufte er die Liegenschaft. Der Wirtschaftsbetrieb wurde auf den 1. September 1953 endgültig geschlossen. Jener Verkauf wurde in der Folge rückgängig gemacht. Mit Vertrag vom 20. Juli 1954 verkaufte Aberegg die Liegenschaft definitiv, wobei er einen beträchtlichen Gewinn erzielte.
Er war als Inhaber des Wirtschaftsbetriebes im Handelsregister eingetragen. Nach der Verpachtung liess er den Eintrag löschen und nach der Wiederaufnahme der Selbstbewirtschaftung erneuern. In die Geschäftsbuchhaltung nahm er auch die Liegenschaft auf.
B.- Bei der Einschätzung Abereggs zur Wehrsteuer VII nahm die Veranlagungsbehörde an, er habe anlässlich der Veräusserung der Liegenschaft im Jahre 1954 einen Liquidationsgewinn im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB erzielt, und erhob darauf gemäss Art. 43 WStB eine volle Jahressteuer.
Auf Beschwerde des Steuerpflichtigen hin hob die kantonale Rekurskommission die Einschätzung für einen Liquidationsgewinn auf. Sie hält dafür, dass die in Frage stehende Liegenschaft zwar ursprünglich im vollen Umfange zum Geschäftsvermögen des Beschwerdeführers gehört habe, jedoch im Zeitpunkt der Verpachtung in dessen Privatvermögen übergegangen und darin auch geblieben sei. Daran ändere nichts, dass Aberegg vorübergehend, in den Jahren 1950-1953, den Wirtschaftsbetrieb wieder selbst geführt habe. Da der Gewinn aus dem Verkauf der Liegenschaft nicht im Geschäftsbetrieb erzielt worden sei, unterliege er der Wehrsteuer nicht (Entscheid vom 24. April 1956).
C.- Die eidg. Steuerverwaltung führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, diesen Entscheid aufzuheben und die Einschätzung für einen Liquidationsgewinn wiederherzustellen. Sie macht geltend, Aberegg habe sein Geschäftsunternehmen nicht schon im Jahre 1948, sondern erst im Jahre 1954 liquidiert. Die Liegenschaft sei bis zur Veräusserung Geschäftsvermögen geblieben.
D.- Die kantonale Rekurskommission hält in der Vernehmlassung an ihrem Standpunkte fest. Sie bemerkt, eventuell wäre zu überprüfen, ob die Liegenschaft im vollen Umfange oder nur teilweise zum Geschäftsvermögen Abereggs gehört habe.
E.- Albert Aberegg beantragt Abweisung der Beschwerde. Er führt aus, die Liegenschaft sei seinerzeit von der Steuerbehörde selber zu seinem Privatvermögen gerechnet worden. Er habe das Objekt im Hinblick auf die günstige Rendite erworben, nicht nur wegen der Wirtschaft, die ein verhältnismässig kleines Einkommen eingebracht habe. Im Zeitpunkt des Verkaufs von 1954 habe kein Wirtschaftsbetrieb mehr bestanden. Das Patent sei bereits Ende 1953 erloschen, so dass nur noch die Liegenschaft veräussert worden sei.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Ein Kapitalgewinn ist dann dem Betriebe eines buchführungspflichtigen Unternehmens zuzurechnen, wenn die veräusserten oder verwerteten Gegenstände zum Betriebsvermögen gehört haben. Ob dies der Fall sei, ist auf Grund der gesamten tatsächlichen Verhältnisse zu prüfen (BGE 70 I 260Erw. 3).
Voraussetzung der Besteuerung eines Liquidationsgewinnes ist sodann, dass das Unternehmen aufgegeben wird. Es muss entweder eine wirkliche Liquidation (Entäusserung) oder doch wenigstens ein Tatbestand vorliegen, der einer Liquidation gleichzusetzen ist. Das bedeutet, dass die Aufgabe des Unternehmens endgültig sein muss (Urteil vom 21. Oktober 1955 in Sachen W., publiziert in ASA 24, 281).
Er hat die in Frage stehende Liegenschaft gekauft, um die Wirtschaft, die dort seit vielen Jahren betrieben worden war, weiterzuführen. Es war ihm nicht um eine Kapitalanlage zu tun, sondern darum, im Betriebe dieser Wirtschaft eine Existenzgrundlage zu finden. Er hat selber das angekaufte Objekt als Mittel für seine Berufstätigkeit betrachtet und infolgedessen auch in seine Betriebsbuchhaltung als Geschäftsaktivum aufgenommen. Dem Umstand, dass der nicht zu geschäftlichen Zwecken benutzte Teil des Gebäudes grösser war und auch höhere Einnahmen abwarf als der zu geschäftlichen Zwecken benutzte, kann bei dieser Sachlage keine entscheidende Bedeutung zukommen. Die Liegenschaft hat im vollen Umfange zum Geschäftsvermögen Abereggs gehört.
Der Auffassung der Rekurskommission, dass Aberegg mit der Verpachtung der Wirtschaft im Jahre 1948 die Liegenschaft in sein Privatvermögen überführt habe, kann nicht gefolgt werden. In der Verpachtung eines bisher vom Verpächter selbst geführten Betriebes liegt in der Regel keine Aufgabe des Unternehmens. Denn mit der Verpachtung behält der Unternehmer die Möglichkeit bei, die Selbstbewirtschaftung später wieder zu übernehmen. Er gibt das Unternehmen nicht auf, sondern hält es aufrecht. Im Falle einer Verpachtung kann daher eine Aufgabe des Geschäftes, die zur Besteuerung des Liquidationsgewinnes führt, nur angenommen werden, wenn besondere Umstände eine spätere Rückkehr des Verpächters zur Selbstbewirtschaftung ausschliessen (zit. Urteil W.). Solche Umstände sind hier- nicht nachgewiesen. Die Rekurskommission erklärt, es sei glaubhaft, dass Aberegg im Zeitpunkt der Verpachtung die Absicht gehabt habe, seine Berufstätigkeit endgültig aufzugeben, da er damals bereits 64jährig gewesen sei. Dieses Alter schloss jedoch eine spätere Rückkehr des Verpächters zur Selbstbewirtschaftung keineswegs aus. Tatsächlich ist er ja dazu zurückgekehrt.
Ob diese zweite Übernahme, wie die Rekurskommission weiter annimmt, nur als vorübergehend gedacht war, kann keine entscheidende Rolle spielen. Tatsächlich hat Aberegg die Wirtschaft seither bis zur Schliessung in gleicher Weise geführt wie vor der Verpachtung. Es kann keine Rede davon sein, dass die Liegenschaft seit der Verpachtung der Wirtschaft Bestandteil seines privaten Vermögens gewesen sei. Durch die zweijährige Verpachtung ist die Betriebsführung auf eigene Rechnung Abereggs lediglich vorübergehend unterbrochen worden. In Tat und Wahrheit hat man es mit einem Unternehmen zu tun, das mit dem Kauf der Wirtschaftsliegenschaft im Jahre 1934 begonnen hat und mit der Veräusserung im Jahre 1954 beendigt worden ist.
Richtig wird sein, dass Aberegg schon längere Zeit vor der Veräusserung nach einer zweckmässigen Art der Liquidation seines Unternehmens gesucht hat, doch kann es darauf nicht ankommen. Unerheblich ist auch, dass die Wirtschaft bereits im Jahre 1953 endgültig geschlossen, die Liegenschaft dagegen erst im Jahre 1954 definitiv verkauft worden ist. Ebensowenig ist von Bedeutung, ob Aberegg während der ganzen zwischen dem Kauf und dem Verkauf des Grundstücks liegenden Zeit buchführungspflichtig war. Die Veräusserung der Unternehmung, wie die ihr nach Gesetz gleichkommende Aufgabe einer solchen, sind Akte der Betriebsführung. Sie bringen diese zum Abschluss und gehören notwendig zu ihr. Indessen schliessen sie sich zeitlich nicht immer an die eigentliche Betriebsführung an. Sie erfordern Zeiträume, die die Ausnützung geschäftlicher Gegebenheiten und Gelegenheiten ermöglichen. Diesen Verhältnissen ist bei der Besteuerung des Liquidationsgewinns Rechnung zu tragen (Urteil W.).
Ist daher davon auszugehen, dass Aberegg sein Unternehmen erst durch den Verkauf im Jahre 1954 endgültig aufgegeben hat, so unterliegt der dabei erzielte Liquidationsgewinn der Besteuerung nach Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB.
Da der Steuerpflichtige durch die Liquidation Anlass zur Vornahme einer Zwischenveranlagung im Sinne des Art. 96 WStB gegeben hat, ist gemäss Art. 43 WStB eine volle Jahressteuer zu erheben.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Einschätzung des Albert Aberegg für einen Liquidationsgewinn von Fr. x wiederhergestellt.