BGE 82 I 180
 
26. Auszug aus dem Urteil vom 2. November 1956 i.S. Immobiliengesellschaft Mettlen A.-G. in Liq. gegen Rekurskommission des Kantons Bern.
 
Regeste
Wehrsteuer: Besteuerung der Aktiengesellschaft in Liquidation.
 
Sachverhalt
Aus dem Tatbestand:
A.- Die im Jahre 1915 gegründete Immobiliengesellschaft Mettlen A.-G. verkaufte ihren Grundbesitz im Laufe der Jahre allmählich an Baulustige. Am 17. März 1954 beschloss die Generalversammlung die Liquidation der Gesellschaft. Die Liquidation wurde am 15. Januar 1955 beendet. Die Veranlagungsbehörde schätzte die Gesellschaft gestützt auf Art. 53 Abs. 2 WStB für eine volle Jahressteuer ein, in deren Berechnung sie alle zwischen dem 1. März 1952 (Beginn des Geschäftsjahres 1952/53) und dem 15. Januar 1955 durch Landverkäufe und Buchung von Wertvermehrungen realisierten Gewinne einbezog. Gleichzeitig wurde die Gesellschaft für das Vermögen zur Wehrsteuer VIII (Steuerjahre 1955/56) pro rata temporis (1.-15. Januar 1955) veranlagt. Der die Einschätzung bestätigende Einspracheentscheid wurde, soweit er die Gewinnbesteuerung betrifft, von der Steuerpflichtigen angefochten, doch wurde ihre Beschwerde von der kantonalen Rekurskommission abgewiesen.
B.- Die Immobiliengesellschaft Mettlen A.-.G. in Liq. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid der Rekurskommission aufzuheben und den steuerbaren Liquidationsgewinn herabzusetzen. Sie macht u.a. geltend, der Sondersteuer nach Art. 53 Abs. 2 WStB unterlägen nur Gewinne, die durch die eigentliche Liquidation erzielt werden, während Gewinne, die sich im Rahmen der normalen, bis zur Liquidation aufrecht erhaltenen Geschäftstätigkeit ergeben, bei der ordentlichen Veranlagung zu erfassen seien. Daher dürften hier nur die seit dem 1. März 1954 realisierten Gewinne mit der Jahressteuer belastet werden. Die früheren Gewinne seien gewöhnliche Geschäftserträge und wären deshalb bei der ordentlichen Veranlagung zur Wehrsteuer VIII pro rata temporis zu erfassen gewesen.
Das Bundesgericht lehnt diesen Standpunkt ab.
 
Aus den Erwägungen:
1. Gemäss Art. 53 Abs. 1 WStB unterliegen Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Genossenschaften, die sich bei Beginn der Steuerpflicht in Liquidation befinden, der Steuer für die Zeit bis zur Beendigung der Liquidation wie die natürlichen Personen. Nach Abs. 2 (Fassung gemäss BB vom 20. Dezember 1950 über die Ausführung der Finanzordnung 1951-1954) entrichten Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, die vor oder während der Veranlagungsperiode in Liquidation getreten sind, neben dieser pro rata temporis geschuldeten ordentlichen Abgabe bei Aufhören der Steuerpflicht - d.h. nach Beendigung der Liquidation (Art. 12 Abs. 1 WStB) - eine volle Jahressteuer auf den in der Berechnungs- und in der Veranlagungsperiode erzielten Kapitalgewinnen und Wertvermehrungen wie die natürlichen Personen (Art. 43 WStB), zum Satze für die Ledigen (Tarif II).
Was unter den Kapitalgewinnen und Wertvermehrungen im Sinne von Art. 53 Abs. 2 WStB zu verstehen ist, ergibt sich aus der Verweisung auf Art. 43, der seinerseits Art. 21 Abs. 1 lit. d und f anwendbar erklärt. Danach handelt es sich einerseits um die Kapitalgewinne, die bei der Veräusserung oder Verwertung von Bestandteilen des Geschäftsvermögens erzielt werden, und anderseits um die verbuchten Vermehrungen des Wertes solcher Vermögensstücke. Als Beispiele von Kapitalgewinnen nennt Art. 21 Abs. 1 lit. d die Liegenschaftsgewinne, den Mehrerlös aus Wertschriften und die Liquidationsgewinne. Es fallen somit nicht nur eigentliche Liquidationsgewinne in Betracht, sondern alle Kapitalgewinne und Wertvermehrungen im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. d und f. Dem entspricht es, dass Art. 53 Abs. 2 den für die Bestimmung des Steuerobjektes massgebenden Zeitraum nicht mit dem Zeitpunkt, in dem die Körperschaft in Liquidation getreten ist, sondern mit dem Anfang der Berechnungsperiode beginnen lässt. Die Vorschrift erfasst auch Gewinne, die vor der eigentlichen Liquidation des Unternehmens realisiert worden sind, unter Umständen auch solche aus einer Zeit, da noch niemand an eine Geschäftsaufgabe gedacht hat.
Art. 53 Abs. 2 WStB muss als Bestandteil der gesamten Ordnung der Wehrsteuer vom Gewinn der Kapitalgesellschaften und Genossenschaften verstanden werden. Der Zusammenhang ergibt sich deutlich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung. Nach der ursprünglichen Fassung hatten die Kapitalgesellschaften und Genossenschaften die Jahressteuer nur zu entrichten, wenn sie sich bei Beginn der Veranlagungsperiode in Liquidation befanden, und nur auf dem in dieser Periode erzielten Kapitalgewinn. Diese Ordnung wurde als zu eng empfunden und daher zweimal abgeändert. Zunächst wurde durch BRB vom 10. März 1942 die subjektive Steuerpflicht ausgedehnt, indem der Jahressteuer alle Kapitalgesellschaften und Genossenschaften unterstellt wurden, die vor oder während der Veranlagungsperiode in Liquidation getreten sind und deren Steuerpflicht im Laufe dieser Periode aufhört. Sodann wurde durch den erwähnten BB vom 20. Dezember 1950 das Objekt der Jahressteuer der Kapitalgesellschaften und Genossenschaften - wie auch der natürlichen Personen (Art. 43) - erweitert; es wurden alle in der Berechnungs- und in der Veranlagungsperiode realisierten Kapitalgewinne und Wertvermehrungen einbezogen. Damit wurde erreicht, dass alle in den letzten Jahren vor Beendigung der Liquidation des Unternehmens realisierten, bisher unversteuert gebliebenen stillen Reserven gleichmässig von der Steuer erfasst werden. Mit Rücksicht darauf, dass in der Regel die zur Schaffung der stillen Reserven vorgenommenen Abschreibungen im vollen Umfange die in früheren Jahren der Besteuerung zugrunde gelegten Gewinn- und Verlustrechnungen belastet haben, wurde es als billige Lösung betrachtet, dass auch von den in der Berechnungsperiode realisierten Kapitalgewinnen und Wertvermehrungen stets die volle Jahressteuer zu entrichten ist. Es soll verhindert werden, dass Steuerpflichtige, die vor der eigentlichen Liquidation Vermögensstücke veräussern oder stille Reserven durch Verbuchung auflösen, für die dabei realisierten Gewinne nur pro rata temporis oder überhaupt nicht besteuert werden können (Botschaft des Bundesrates über die Ausführung der Finanzordnung 1951-1954, BBl 1950 III S. 570). Zur Vermeidung einer doppelten Belastung wurde durch den BB vom 20. Dezember 1950 die weitere Bestimmung eingefügt, dass die der besonderen Jahressteuer unterworfenen Gewinne in die Berechnung der ordentlichen Steuer nicht einzubeziehen sind (Art. 43 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 53 Abs. 2 WStB).
Die Annahme der Beschwerdeführerin, dass nur die seit dem Beginn der eigentlichen Liquidation erzielten Gewinne der Jahressteuer unterliegen, mag vielleicht für die bernischen Staats- und Gemeindesteuern zutreffen, ist aber mit der Ordnung des Wehrsteuerbeschlusses nicht vereinbar.