12. Urteil vom 13. Mai 1959 i.S. W. gegen Vormundschaftsbehörde Z. und Regierungsrat des Kantons Solothurn.
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Regeste
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Anspruch auf rechtliches Gehör.
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Sachverhalt
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A.- Die Ehegatten W. waren seit 1935 verheiratet und hatten vier Kinder, wovon drei noch unmündig sind. Am 25. Juni 1958 wurde der Ehemann in das Bürgerspital Solothurn eingeliefert. Am 5. oder 6. Juli teilten die Ärzte der Ehefrau mit, dass der Mann unheilbar krank sei, und empfahlen gleichzeitig beiden Ehegatten, ihre Angelegenheiten zu ordnen. Darauf schlossen diese am 10. Juli einen Ehevertrag, in welchem sie vereinbarten, dass beim Tod des einen Ehegatten der ganze Vorschlag gemäss Art. 214 Abs. 3 ZGB dem überlebenden Ehegatten zufallen solle. Vier Tage später, am 14. Juli 1958, starb der Ehemann.
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Die Vormundschaftsbehörde der Einwohnergemeinde Z. verweigerte am 18. Juli 1958 die Zustimmung zum Ehevertrag, da sein Abschluss einen Rechtsmissbrauch darstelle.
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Die Witwe erhob gegen diesen Beschluss Beschwerde. Der Oberamtmann von Bucheggberg-Kriegstetten hiess die Beschwerde am 2. Oktober 1958 gut und forderte die Vormundschaftsbehörde auf, dem Ehevertrag gemäss Art. 181 Abs. 2 ZGB zuzustimmen.
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Gegen diese Verfügung führte die Vormundschaftsbehörde im Interesse der Kinder Beschwerde beim Regierungsrat. Dieser holte eine Vernehmlassung des Oberamtmanns sowie einen Bericht der Spitalärzte ein und hob hierauf am 24. Februar 1959 die Verfügung des Oberamtmanns in Gutheissung der Beschwerde der Vormundschaftsbehörde auf.
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B.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt Witwe W. den Antrag, der Entscheid des Regierungsrates vom 24. Februar 1959 sei wegen Verletzung von Art. 4 BV aufzuheben. Sie wirft dem Regierungsrat Verweigerung des rechtlichen Gehörs vor, weil er die Beschwerde der Vormundschaftsbehörde ohne Anhörung der daran unmittelbar interessierten Beschwerdeführerin gutgeheissen habe. Ferner macht sie geltend, der angefochtene Entscheid sei materiell unhaltbar und willkürlich.
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C.- Der Regierungsrat des Kantons Solothurn beantragt die Abweisung der Beschwerde und bemerkt zum Vorwurfe der Gehörsverweigerung: Das Beschwerdeverfahren, für welches die Offizialmaxime gelte, wickle sich zwischen der beschwerdeführenden und der beschwerdebeklagten Partei ab; Mitteilungen an Dritte, die zwar direkt beteiligt seien, aber nicht Parteistellung hätten, erfolgten erst, wenn sich deren Notwendigkeit zur ergänzenden tatbeständlichen Abklärung zeige, was hier nicht der Fall gewesen sei.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist der aus Art. 4 BV folgende Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn die durch einen Entscheid bestimmte Rechtsstellung einer Partei zu ihrem Nachteil abgeändert wird, ohne dass ihr Gelegenheit geboten worden ist, sich zu den gegen diesen Entscheid geltend gemachten Gründen zu äussern (BGE 65 I 3und dort zitierte frühere Urteile,BGE 70 I 71;BGE 74 I 10, 12;BGE 75 I 227Erw. 4). Eine solche Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt hier vor. Der Regierungsrat hat, ohne die Beschwerdeführerin anzuhören, den von ihr erwirkten Beschwerdeentscheid des Oberamtmanns vom 2. Oktober 1958 aufgehoben. Dieser Entscheid aber bestimmte insofern die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin, als der von ihr abgeschlossene Ehevertrag ohne die Zustimmung, zu deren Erteilung der Oberamtmann die Vormundschaftsbehörde verpflichtete, von vorneherein nichtig ist, während er im Falle der Zustimmung gültig ist, solange und soweit ihn der Richter nicht als ungültig erklärt. Im Hinblick auf diese Beeinträchtigung der Rechtsstellung wurde auf staatsrechtliche Beschwerden eines oder beider Ehegatten gegen die letztinstanzliche Verweigerung der für Eheverträge während der Ehe oder für Rechtsgeschäfte unter Ehegatten erforderliche Genehmigung jeweils ohne weiteres eingetreten (vgl.BGE 77 I 2,BGE 78 I 291und mehrere nicht veröffentlichte Urteile) und ist auch auf die vorliegende Beschwerde einzutreten.
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Der Regierungsrat glaubt zu Unrecht, von einer Verweigerung des rechtlichen Gehörs könne deshalb nicht die Rede sein, weil er den angefochtenen Entscheid in einem von der Offizialmaxime beherrschten Verwaltungsverfahren gefällt habe und der Beschwerdeführerin in diesem Verfahren keine Parteirechte zugestanden seien. Die Durchführung eines Verfahrens nach der Offizialmaxime schliesst den Anspruch auf rechtliches Gehör keineswegs aus, besteht dieser Anspruch doch, wie das Bundesgericht von jeher angenommen hat, insbesondere auch im Strafprozess, für den in der Regel die Offizialmaxime gilt (statt vielerBGE 53 I 22,BGE 65 I 3,BGE 71 I 2, BGE 82 I 70). Ebenso ist bedeutungslos, dass es sich um ein Verfahren vor Verwaltungsbehörden handelt. Einmal hat nach der neuern Rechtsprechung der Betroffene auch in einem solchen Verfahren stets dann Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn der Entscheid nicht sofort getroffen werden muss und er überdies einer neuen Prüfung nicht mehr zugänglich ist (BGE 74 I 245ff.), und diese Voraussetzungen dürften hier gegeben sein. Zudem. hat das Bundesgericht wiederholt entschieden, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör für das Verfahren vor Verwaltungsbehörden im gleichen Umfang wie für den Zivil- und Strafprozess bestehe, wenn die Verwaltungsbehörden eine Zivilrechtsstreitigkeit zu beurteilen haben oder auf Grund einer ihnen zum Schutze öffentlicher Interessen eingeräumten Befugnis in die Gestaltung eines Privatrechtsverhältnisses eingreifen, in dem sich die Parteien auf dem Fusse der Gleichberechtigung gegenüberstehen (BGE 70 I 70mit Zitaten;BGE 74 I 10, 12). Aus dem gleichen Grunde muss der Betroffene Anspruch auf rechtliches Gehör haben, wenn Gegenstand des Verfahrens vor den Verwaltungsbehörden eine behördliche Zustimmung ist, von der die Gültigkeit eines zivilrechtlichen Vertrages abhängt. Unerheblich ist schliesslich auch, ob die Beschwerdefuhrerin nach dem kantonalen Recht im Verfahren vor dem Regierungsrate Parteistellung hatte. Nachdem die Vormundschaftsbehörde die nachgesuchte Zustimmung verweigert, der Oberamtmann die hiegegen erhobene Beschwerde aber gutgeheissen hatte, durfte der Regierungsrat von Bundesrechts wegen diesen von der Beschwerdeführerin erwirkten Beschwerdeentscheid nicht aufheben oder zum Nachteil der Beschwerdeführerin abändern, ohne ihr Gelegenheit zu geben, sich zu den dagegen geltend gemachten Gründen zu äussern.
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Der angefochtene Entscheid ist daher wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.
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